HISTORISCHES & AKTUELLES:
Medizinische und juristische Umsetzung
der nationalsozialistischen Zwangssterilisierungspolitik,
u.a. auch in Mosbach - Baden.
- Konkrete Tatbeteiligungen
an NS-Massenmordverbrechen in Mosbach.
Zuletzt AKTUALISIERT am 07.11.2024 !!!
Verschweigen, Verleugnen, Verharmlosen von Nazi-Justiz-Verbrechen sowie des historischen Versagens der deutschen Nachkriegsjustiz bei der Aufarbeitung von NS-Verbrechen in Mosbach-Baden:
Festhalten an NS-Unrechtsurteilen vor 1945 beim Amtsgericht Mosbach seit 2022 in der Verschränkung von Nazi-Medizinverbrechen mit Nazi-Justizverbrechen bei der Nazi-(Kinder)-Euthanasie und bei den Nazi-Zwangssterilisierungen:
Kultur und Medien — Ausschuss — hib 488/2024
Antrag zur Aufarbeitung der „Euthanasie“ angenommen
03.07.2024
Berlin: (hib/AW) Die Aufarbeitung der sogenannten „Euthanasie“ und der Zwangssterilisationen während der nationalsozialistischen Diktatur soll intensiviert werden. Der Kulturausschuss billigte am Mittwoch einen entsprechenden gemeinsamen Antrag der Fraktionen von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP (20/11945) mit den Stimmen aller Fraktionen in Abwesenheit der Gruppe Die Linke.
Mit dem Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, ein Projekt zur bundesweiten Lokalisierung, Sicherung und Konservierung von Patientenakten und Personalunterlagen der Täter zu initiieren, um sie für Forschung, Bildung und Anfragen nutzbar zu machen. Das Projekt soll unter der Beteiligung der Gedenkstätten an den Orten ehemaliger „Euthanasie“-Tötungsanstalten, des Instituts für Geschichte der Medizin und Ethik in der Medizin an der Berliner Charité, den Verbänden von Menschen mit Behinderungen sowie geeigneten Vertretern der Disability Studies durchgeführt werden. Zudem soll eine nationale Fachtagung durchgeführt werden. Darüber hinaus soll die Bundesregierung die Gedenkstätten an den Orten der ehemaligen „T4“-Tötungsanstalten nachhaltig unterstützen, um die bauliche Substanz vor Ort zu erhalten.
Christiane Schenderlein (CDU) betonte die Bedeutung der Gedenkstätten, um Geschichte „erfahrbar“ zu machen: „Wir müssen aus der Geschichte lernen.“
Erhard Grundl (Grüne) verwies darauf, dass trotz der bislang geleisteten Arbeit noch immer „große Lücken in der Forschung“ bestünden, die geschlossen werden müssten. Um so wichtiger sei es, die Patientenakten und Personalunterlagen zu sichern.
Thomas Hacker (FDP) führte an, dass viele Täter nach der NS-Diktatur erneut als Ärzte und Anstaltsleiter Karriere gemacht und versucht hätten, die Akten verschwinden zu lassen.
Götz Frömming (AfD) bezeichnete es als „überfällig“, dass die im Rahmen der sogenannten „Euthanasie“ ermordeten und zwangssterilisierten Menschen als Opfergruppe des Nationalsozialismus anerkannt werden.
Simona Koß (SPD) betonte, dass der „sehr gute“ Antrag nun auch schnell vom Plenum verabschiedet werden sollte. Der Bundestag wird aber voraussichtlich erst nach der parlamentarischen Sommerpause abschließend über den Antrag beraten.
Den nationalsozialistischen „Euthanasie“-Morden fielen schätzungsweise 300.000 Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen zum Opfer. Aufgrund des 1934 in Kraft getretenen „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ wurden zudem an etwa 400.000 Menschen Zwangssterilisationen durchgeführt.
https://www.bundestag.de/
Prozess Rasse- und Siedlungshauptamt der SS
Der Prozess Rasse- und Siedlungshauptamt der SS war der achte von insgesamt zwölf Nürnberger Nachfolgeprozessen gegen Verantwortliche des Deutschen Reichs zur Zeit des Nationalsozialismus.
Während der Begriff „Nürnberger Prozess“ in erster Linie für den Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher verwendet wird, sind auch die zwölf Folgeprozesse Teil der Nürnberger Prozesse, die im Nürnberger Justizpalast vor amerikanischen Militärgerichten gegen weitere 177 Personen geführt wurden.
https://de.wikipedia.org/
- Siehe auch: Nürnberger NS-Kriegsverbecherprozess >>>
Hintergrund
Nach seiner Rede zur „Neuordnung der ethnographischen Verhältnisse“ in Europa hatte Hitler am 7. Oktober 1939 Heinrich Himmler zum Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums (RKF) ernannt. Dieser erweiterte in den Folgejahren seinen Auftrag in stetiger Abstimmung mit Hitler bis hin zu einem Plan zur Schaffung eines „großgermanischen Europas“ unter deutscher Führung. Die Anwendung der weltanschaulichen Prinzipien der „rassischen Homogenität“ und der „Gewinnung von Lebensraum“ erfolgten ohne Rücksicht auf die betroffenen Menschen. Die schrittweise volkstumspolitische Neuordnung Europas stützte sich dabei auf Zwangsmaßnahmen von rassenanthropologischen Untersuchungen an volksdeutschen und nichtdeutschen Zivilisten, Vertreibung, Enteignung, Zwangsumsiedlung, Zwangsarbeit, Kindeswegnahme, Zwangsabtreibungen und schließlich Massenmord.[1]
https://de.wikipedia.org/
Die Verbrechen der Angeklagten
Das Germanisierungsprogramm der Nationalsozialisten verstand die „Eindeutschung“ der annektierten Gebiete als „Festigung deutschen Volkstums“, die administrativen Maßnahmen wurden unter dem Begriff der Volkstumspolitik zusammengefasst.
Am Beispiel der annektierten Teile Polens umfasste diese Volkstumspolitik:
- u.a. Zwangssterilisation zur Verhinderung von Geburten
https://de.wikipedia.org/
Die Urteile u.a.
Ulrich Greifelt
* 1896
† 1949 SS-Obergruppenführer
Leiter Dienststelle Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums („Stabhauptamt des RKFDV“)
s s s lebenslänglich
in der Haft verstorben maßgeblich am „Generalplan Ost“ beteiligt
https://de.wikipedia.org/
Richard Hermann Hildebrandt
Richard Hermann Hildebrandt (* 13. März 1897 in Worms; † 10. März 1951 in Bydgoszcz) war ein deutscher Politiker (NSDAP) und SS-Führer. Hildebrandt war Reichstagsabgeordneter, SS-Obergruppenführer sowie General der Waffen-SS und General der Polizei. Er wurde nach dem Zweiten Weltkrieg als Kriegsverbrecher hingerichtet.
https://de.wikipedia.org/
Nach Kriegsende
Hildebrandt wurde am 24. Dezember 1945 in Wiesbaden verhaftet. Im Prozess Rasse- und Siedlungshauptamt der SS wurde er am 10. März 1948 wegen Kriegsverbrechen, Mitgliedschaft in einer verbrecherischen Organisation und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu 25 Jahren Strafhaft verurteilt.[1]
Zu den kriminellen Aktivitäten, an denen ihm Beteiligung und Verantwortlichkeit nachgewiesen wurden, zählen das Entführen ausländischer Kinder, Zwangsabtreibungen an Ostarbeiterinnen, die Wegnahme der Kinder von Ostarbeitern, illegale und ungerechte Bestrafung von Ausländern für Geschlechtsverkehr mit Deutschen, Behinderung der Fortpflanzung von Angehörigen von Feindstaaten, zwangsweise Evakuierung und Umsiedlung von ausländischen Bevölkerungsgruppen, Zwangseinbürgerung von Angehörigen von Feindstaaten, Verwendung von Angehörigen von Feindstaaten zur Zwangsarbeit sowie seine Mitgliedschaft in der SS.[4]
Anschließend wurde er an Polen ausgeliefert, wo ihm zusammen mit Max Henze der Prozess gemacht wurde und er am 4. November 1949 wegen seiner Vergehen in Danzig-Westpreußen zum Tode verurteilt wurde.[1] Am 25. November 1950 wurde das Urteil durch das Oberste Gericht in Warschau bestätigt. Bei einem erfolglosen Gnadengesuch behauptete er: „Ich kann bei meiner Ehre versichern, daß mein Gewissen rein ist“.[5] Am 10. März 1951 wurde er gehängt.
https://de.wikipedia.org/
Siehe auch:
- Kinder für Führer und Reich: Nazi-Lebensborn e.V., Nazi-Kinderraub und Zwangsgermanisierung >>>
- Polnische Reparationsforderungen zu Weltkriegsschäden >>>
Seiteninhalt:
- NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach
1.1 Historisch nachgewiesene konkrete Tatbeteiligungen des Amtsgerichts Mosbach an der medizinischen und juristischen Umsetzung der nationalsozialistischen Zwangssterilisierungspolitik
1.2 Strafanzeigen gegen Mitarbeiter*innen der Staatsanwaltschaft Mosbach wegen Strafvereitelung im Amt bei der Nicht-Verfolgung nach 1945 der historisch nachgewiesenen konkreten Tatbeteiligungen an der nationalsozialistischen Zwangssterilisierung in Mosbach - Baden
1.3 Antrag auf amtsseitige Verfügungen des Amtsgerichts Mosbach zu Überprüfungen der Wiedergutmachungen und Entschädigungen für die durch NS-Zwangssterilisation in Mosbach Betroffenen und für deren Familienangehörige
1.4 Strafanzeigen gegen Mitarbeiter*innen der baden-württembergischen Staatsanwaltschaften wegen Strafvereitelung im Amt bei der Nicht-Verfolgung der Tatbeteiligten, in Baden und Württemberg, an der nationalsozialistischen Zwangssterilisierung von Deutsch-Afrikanischen Mischlingskindern
1.5 Antrag auf amtsseitige Verfügungen des Amtsgerichts Mosbach zu Überprüfungen der Wiedergutmachungen und Entschädigungen für die durch NS-Zwangssterilisation betroffenen Menschen afrikanischer Herkunft und Deutsch-afrikanischer Mischlingskinder sowie für deren Familienangehörige
1.6 Antrag auf amtsseitige Verfügungen des Amtsgerichts Mosbach zu Benennungen und Überprüfungen der Mitarbeiter des Mosbacher Erbgesundheitsgerichtes beim Amtsgericht Mosbach, des Amtsgerichts und Vormundschaftsgerichts Mosbach, beteiligt an der NS-Zwangssterilisierung und NS-(Kinder)-Euthanasie
1.7 Antrag auf amtsseitige Verfügungen des Amtsgerichts Mosbach zur Beteiligung des Amtsgerichts Mosbach selbst am gegenwärtigen und künftigen Prozess für die Anerkennung der Opfer der nationalsozialistischen Euthanasie und Zwangssterilisierung BEIM DEUTSCHEN BUNDESTAG als NS-Opfer
1.8 WIDERSPRUCH und DIENSTAUFSICHTSBESCHWERDE vom 02.07.2023 GEGEN die Mitteilung der Staatsanwaltschaft Mosbach vom 05.06.2023 unter 13 UJs 1570/23 zum Absehen von der Strafermittlungsverfahrenseinleitung hinsichtlich unterlassener juristischer Aufarbeitung von nicht-stattgefundener strafrechtlicher Verfolgung von NS-Täter*innen durch die BRD-Justiz; hier bei der nationalsozialistischen rassistischen Verfolgung von Menschen mit afrikanischem Hintergrund - Online-Artikel zur medizinischen und juristischen Umsetzung der nationalsozialistischen Zwangssterilisierungspolitik
2.1 Online-Artikel zur NS-Zwangssterilisierung von Menschen afrikanischer Herkunft und von Deutsch-Afrikanischen Mischlingskindern
2.2 Online-Artikel zur NS-Zwangssterilisierung von psychisch erkrankten Menschen, im NS-Jargon von sogenannten Schwachsinnigen
2.3 Weitere Opfer der NS-Zwangssterilisierung wie Alkoholiker, Asoziale, Zwangsarbeiterinnen, Sinti und Roma, etc.
2.4 Täter*innen in der NS-Zwangssterilisation - YouTube-Videos zur NS-Zwangssterilisierung
- Stellungnahmen der vom Amtsgericht Mosbach unter 6F 202/21 gerichtlichen beauftragten Sachverständigen/Gutachter*innen
1. NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach
***
Erfahrungen der juristischen Aufarbeitung von Nazi-Euthanasie-Massenmorden bei den Mosbacher Justizbehörden
Die nationalsozialistischen Massentötungsaktionen von kranken und behinderten Menschen in Mosbach-Baden selbst mit den Tatbeteiligungen der Mosbacher Heil- und Pflegeanstalt für Geistesschwache, mit den Ausführungsverantwortlichen von Deportationen in die Vernichtungsanstalten, mit den Tatbeteiligungen des Vormundschafts-Amtsgerichts Mosbach, mit den Tatbeteiligungen des Polizei- und Standesamtes der Vernichtungsanstalt Grafeneck zum Fälschen der Todesursachen und Todesdaten, mit den Nazi-Zwangssterilisierungen von psychisch kranken Menschen, mit dem Profitierungsversuch des Mosbacher Landrates, sowie die NS-Medizin- und Justizverbrechen mit dem Widerstandshandeln des Richters Kreyssig, mit dem Agieren des hochrangigen NS-Schreibtischtäters Hefelmann, mit den Tatbeteiligungen der Mosbacher Staatsanwaltschaft, mit der NS-Zwangssterilisierung von deutsch-afrikanischen Mischlingskindern werden bereits beim Amtsgericht Mosbach in den vom AS entsprechend initiierten und anhängigen Verfahren unter 6F 9/22, 6F 202/21, 6F 2/22 und 6F 2/23 thematisiert, u.a. mit diesbezüglichen Strafanzeigen gemäß § StPO 158.
Das Amtsgericht Mosbach hat jedoch seit dem 03.06.2022 eine gemäß § 158 StPO ordnungsgemäße Eingangsbestätigung mit den Benennungen der Konkreten Eingabedaten, der Konkreten Sachverhaltsbenennungen mit einer kurzen Zusammenfassung der Angaben zu Tatzeit, Tatort und angezeigter Tat, insbesondere zu beantragten NS- und Rechtsextremismus-Strafverfahren, bisher ausdrücklich und EXPLIZIT versagt und NICHT ausgestellt.
Auch für die beim Amtsgericht Mosbach beantragten Wiederaufnahmeverfahren, amtsseitigen Verfügungen und gerichtlichen Prüfungen in NS- und Rechtsextremismus-Angelegenheiten verweigert das Amtsgericht Mosbach ordnungsgemäße Eingangs- und Weiterbearbeitungsbestätigungen mit konkreten Sachverhaltsbenennungen.
Siehe dazu auch Umgang des Amtsgerichts Mosbach mit NS- und Rechtsextremismusverfahren >>>
1.1 Historisch nachgewiesene konkrete Tatbeteiligungen des Amtsgerichts Mosbach an der medizinischen und juristischen Umsetzung der nationalsozialistischen Zwangssterilisierungspolitik
6F 9/22, etc.
AG MOS
Hauptstraße 110
74821 Mosbach
DATUM : 04.03 2023
Siehe auch Online-Dokumentation: www.nationalsozialismus-in-mosbach-baden.de
Anträge vom 04.03.2023 zu 6F 9/22 sowie zu 6F 202/21, 6F 2/22, 6F 2/23
auf amtsseitige Verfügungen beim Amtsgericht Mosbach
für die konkreten Aufhebungen von Gerichtsbeschlüssen
des Erbgesundheitsgerichtes beim Amtsgericht Mosbach vor 1945,
wie u.a. AG MOS Az. XIII 69/35 vom 02.07.1935,
in den jeweiligen entsprechenden Wiederaufnahmeverfahren
zur juristischen Aufarbeitung der eigenen NS-Vergangenheit
des Amtsgerichts Mosbach
mit den historisch nachgewiesenen konkreten Tatbeteiligungen
des Amtsgerichts Mosbach
an der medizinischen und juristischen Umsetzung
der nationalsozialistischen Zwangssterilisierungspolitik
Sehr geehrte Damen und Herren,
Inhaltsverzeichnis
1. Zuständigkeiten des AG MOS bei NS-Zwangssterilisierungen in Mosbach-Baden
2. Antragstellungen zur NS-Vergangenheit des AG MOS mit konkreten Tatbeteiligungen an NS-Zwangssterilisierungen vor 1945
3. Anträge auf amtsseitige Verfügungen für gerichtlich beauftragt einzuholende Stellungnahmen von Sachverständigen/Gutachtern
4. Bisheriger Umgang des AG MOS mit NS-Verfahren
1. Zuständigkeiten des AG MOS bei NS-Zwangssterilisierungen in Mosbach-Baden
Verfahrenstechnische Zuständigkeit: Das AG MOS verknüpft mit seinen Verfügungen vom 17.08.2022 unter 6F 9/22 und 6F 202/21 die anhängigen Familienrechtsverfahren mit den vom AS beim AG MOS seit 03.06.2022 unter 6F 9/22, etc. beantragten NS-Verfahren.
In den beim AG MOS anhängigen Familienrechtsverfahren geht es u.a. konkret um ein deutsch-afrikanisches Mischlingskind. Im nationalsozialistischen Terror- und Vernichtungsregime wurden Menschen afrikanischer Herkunft sowie deutsch-afrikanische Mischlingskinder massenhaft zwangssterilisiert. U.a. im Frühjahr 1937 ordnete der Reichsminister des Innern auf der Grundlage eines streng geheimen „Führerbefehls“ von Adolf Hitler solche illegalen Zwangssterilisierungen an. Mit der Durchführung wurde die Gestapo-Sonderkommission 3 beauftragt, auch unter arbeitsteilig organisierter Beteiligung von Amts- und Vormundschaftsgerichten, Jugendämtern und Wohlfahrtsverbänden sowie von Gesundheitsämtern und Sachverständigen/Gutachtern, wie von Amtsärzten, mit den dafür notwendigen Informations- und Begründungsbeschaffungen.
Örtliche, fachliche und sachliche Zuständigkeit: Das Erbgesundheitsgericht beim Amtsgericht Mosbach vor 1945 fasst historisch nachgewiesen mehrere Beschlüsse zur Unfruchtbarmachung von psychisch erkrankten Menschen, im Nazi-Jargon von sogenannten Schwachsinnigen, wie u.a. Az. XIII 69/35 (Siehe Kapitel 2).
Zeitachsenbezogene Zuständigkeit: Das Reichstagsbrandurteil des Reichsgerichts Leipzig aus 1933 und dessen Aufhebung durch die Generalbundesanwaltschaft beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe aus 2007 über die ca. 75-jährige Zeitachse von 1933 bis 2007 belegt und begründet die rechtliche, fachliche und sachliche Zuständigkeit der AKTUELLEN BRD-Justiz mit dem Amtsgericht Mosbach in der systemübergreifenden Rechtsnachfolge der vorhergehenden politischen-administrativen Systeme, sowohl nach dem vorhergehenden Deutschen Reich unter dem Nazi-Terror-Regime bis 1945 als auch unter der davor vorhergehenden demokratischen Weimarer Republik bis 1933. Dadurch begründet sich auch hier die zeitachsenbezogene Zuständigkeit des Amtsgerichts Mosbach für die hier vorliegenden Anträge auf Wiederaufnahmeverfahren zu Nationalsozialistischem Unrecht und Nationalsozialistischen Verbrechen beim Amtsgericht Mosbach.
2. Antragstellungen zur NS-Vergangenheit des AG MOS mit konkreten Tatbeteiligungen an NS-Zwangssterilisierungen vor 1945
Das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses (GzVeN) vom 14.07.1933 enthält lediglich eine Kann-Vorschrift zur Unfruchtbarmachung für die Vermeidung von körperlichen und geistigen Erbschäden.
Das AG MOS selbst macht jedoch historisch nachgewiesen, wie herrschaftspolitisch gewünscht, aus dieser Kann-Bestimmung im nationalsozialistisch-ideologischen Sinne der Rechtsanwendung eine Muss-Bestimmung. Nichtsdestotrotz fasst aber das Erbgesundheitsgericht beim Amtsgericht Mosbach vor 1945 historisch nachgewiesen mehrere Beschlüsse zur Unfruchtbarmachung von sogenannten Schwachsinnigen, wie u.a. AG MOS Az. XIII 69/35. Das Erbgesundheitsgericht Mosbach – Baden argumentiert in seinen Beschlussbegründungen mit standardisierten Textbausteinen nach dem Schema:
„Die Unfruchtbarmachung ist ein unschädlicher Eingriff. Er ruft keine körperlichen oder seelischen Veränderungen hervor. Er verhütet nur die Weitervererbung der Krankheit. Dieses Opfer muss der einzelne Volksgenosse im Interesse der Volksgemeinschaft auf sich nehmen.“ (2004) SCHEUING, Hans-Werner: '...als Menschenleben gegen Sachwerte gewogen wurden': Die Geschichte der Erziehungs- und Pflegeanstalt für Geistesschwache Mosbach/Schwarzacher Hof und ihrer Bewohner 1933-1945, S. 212.
Das AG MOS überprüft zudem dabei in seiner eigenen Sachverhaltsermittlung EXPLIZIT NICHT, ob und inwieweit der Wille der betroffenen Personen in der Sachverständigenbegutachtung seitens des Amtsarztes und des Gesundheitsamtes Mosbach dokumentiert wurde. Das AG MOS überprüft zudem dabei in seiner eigenen Sachverhaltsermittlung EXPLIZIT NICHT, ob und inwieweit zuvor die Untersuchungsergebnisse der Sachverständigenbegutachtung seitens des Amtsarztes und des Gesundheitsamtes Mosbach sowohl der Erziehungs- und Pflege-Anstalt für Geistesschwache Mosbach/Schwarzach als auch den betroffenen Familien zugänglich gemacht wurden.
Hiermit ergehen die oben benannten Anträge auf amtsseitige Verfügungen beim Amtsgericht Mosbach für die konkreten Aufhebungen von Gerichtsbeschlüssen des Erbgesundheitsgerichtes beim AG MOS vor 1945, wie u.a. AG MOS Az. XIII 69/35 vom 02.07.1935, in den jeweiligen entsprechenden Wiederaufnahmeverfahren zur juristischen Aufarbeitung der eigenen NS-Vergangenheit des Amtsgerichts Mosbach mit den historisch nachgewiesenen eigenen konkreten Tatbeteiligungen des Amtsgerichts Mosbach an der national-sozialistischen Zwangssterilisierung. Und dies sowohl in der eigenen juristischen NS-Aufarbeitung nach 1945 als auch in den Thematisierungen dieser NS-Sachverhalte innerhalb der eigenen NS-Öffentlichkeitsarbeit des AG MOS.
3. Anträge auf amtsseitige Verfügungen für gerichtlich beauftragt einzuholende Stellungnahmen von Sachverständigen/Gutachtern
Das AG MOS verknüpft mit seinen Verfügungen vom 17.08.2022 unter 6F 9/22 und 6F 202/21 die anhängigen Familienrechtsverfahren mit den vom AS beim AG MOS seit 03.06.2022 unter 6F 9/22, etc., beantragten NS-Verfahren (Siehe Kapitel 1). Hiermit ergehen die Anträge auf amtsseitige Verfügungen für gerichtlich einzuholende Sachverständigen/Gutachter*innen-Stellungnahmen…
a) Bei den bereits in den AG MOS-Verfahren 6F 9/22 und 6F 202/21 gerichtlich beauftragten und involvierten Sachverständigen/Gutachter*innen
b) Bei ggf. weiteren gerichtlich zu bestimmenden Sachverständigen/Gutachter*innen
bezüglich der folgenden Sachverhalte zu Nationalsozialistischem Unrecht und Nationalsozialistischen Verbrechen …
a) zu den konkreten Tatbeteiligungen des Erbgesundheitsgerichtes beim Amtsgericht Mosbach an der NS-Zwangssterilisierung vor 1945, wie u.a. AG MOS Az. XIII 69/35 vom 02.07.1935
b) zur professionskritischen Rolle von Sachverständigen und Gutachern bei der medizinischen und juristischen Umsetzung innerhalb der NS-Zwangssterilisierung von Schwachsinnigen, fremdländischen Zwangsarbeiterinnen, Alkoholikern, Asozialen, etc. sowie von Menschen afrikanischer Herkunft und von deutsch-afrikanischen Mischlingskindern
4. Bisheriger Umgang des AG MOS mit NS-Verfahren
Das Amtsgericht Mosbach verschweigt nicht nur, sondern leugnet sogar nachweisbar aktiv in 2022 und 2023 entgegen den konkreten Anträgen und Eingaben bisher immer noch…
WO? WANN ? WIE ?
… In den Verfügungen vom 17.08.2022 unter 6F 9/22 und 6F 202/21
… In der dienstlichen Stellungnahme vom 27.01.2023 unter 6F 2/22
… In den Weiterleitungsbestätigungen an die Staatsanwaltschaft Mosbach erst nach Erinnerung der Rechtsvertretung des AS vom 22.06.2022 unter 6F 2/22 sowie vom 23.01.2023 unter 6F 9/22
… In den anhängigen Verfahren 6F 9/22, 6F 202/21, 6F 2/22, 6F 2/23
WAS ?
…die konkreten Benennungen der vom AS beim AG MOS unter 6F 9/22 seit 03.06.2022 beantragten juristischen Aufarbeitungen zu Nationalsozialistischem Unrecht, Nationalsozialistischen Verbrechen und zu Rechtsextremismus
… die konkreten Benennungen der vom AS beim AG MOS unter 6F 9/22 seit 03.06.2022 beantragten juristischen Aufarbeitungen zu konkreten Tatbeteiligungen an NS-Massenmordverbrechen und Nationalsozialistischen Gewaltverbrechen (NSG) in Mosbach – Baden
… die konkreten Benennungen der vom AS beim AG MOS unter 6F 9/22, etc., beantragten juristischen Aufarbeitungen der direkten Tatbeteiligungen des AG MOS selbst sowie der STA MOS an der Nazi-(Kinder)-Euthanasie
… die konkreten Benennungen der vom AS beim AG MOS unter 6F 9/22, etc., beantragten juristischen Aufarbeitungen der direkten Tatbeteiligungen des AG MOS selbst an der Nazi-Zwangssterilisierung
Mit freundlichen Grüßen
***
1.2 Strafanzeigen gegen Mitarbeiter*innen der Staatsanwaltschaft Mosbach wegen Strafvereitelung im Amt bei der Nicht-Verfolgung nach 1945 der historisch nachgewiesenen konkreten Tatbeteiligungen an der nationalsozialistischen Zwangssterilisierung in Mosbach - Baden
6F 9/22, etc.
AG MOS
Hauptstraße 110
74821 Mosbach
DATUM : 05.03 2023
Siehe auch Online-Dokumentation: www.nationalsozialismus-in-mosbach-baden.de
Anträge vom 05.03.2023 zu 6F 9/22 sowie zu 6F 202/21, 6F 2/22, 6F 2/23
auf amtsseitige Verfügungen beim Amtsgericht Mosbach
zur Einleitung von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen
verantwortliche Mitarbeiter*innen der Staatsanwaltschaft Mosbach
wegen möglicher Strafvereitelungen im Amt
durch nach 1945 nicht-durchgeführte Verfahren
gegen Tatbeteiligte an der nationalsozialistischen Zwangssterilisierung
in Mosbach - Baden
Sehr geehrte Damen und Herren,
Das Erbgesundheitsgericht beim Amtsgericht Mosbach vor 1945 fasst historisch nachgewiesen mehrere Beschlüsse zur Unfruchtbarmachung von sogenannten Schwachsinnigen, wie u.a. AG MOS Az. XIII 69/35. Und zwar unter den Beteiligungen des Mosbacher Gesundheitsamtes mit dem in Personalunion verantwortlichen Amts- und Anstaltsarzt Dr. Friedrich Obländer. Das AG MOS überprüft zudem dabei in seiner eigenen Sachverhaltsermittlung EXPLIZIT NICHT, ob und inwieweit der Wille der betroffenen Personen in der Sachverständigenbegutachtung seitens des Amtsarztes und des Gesundheitsamtes Mosbach dokumentiert wurde. Das AG MOS überprüft zudem dabei in seiner eigenen Sachverhaltsermittlung EXPLIZIT NICHT, ob und inwieweit zuvor die Untersuchungsergebnisse der Sachverständigenbegutachtung seitens des Amtsarztes und des Gesundheitsamtes Mosbach sowohl der Erziehungs- und Pflege-Anstalt für Geistesschwache Mosbach/Schwarzach als auch den betroffenen Familien zugänglich gemacht wurden.
Hiermit ergehen die oben benannten Anträge auf amtsseitige Verfügungen beim Amtsgericht Mosbach zur Einleitung von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (Strafanzeigen) gegen verantwortliche Mitarbeiter*innen der Staatsanwaltschaft Mosbach wegen möglicher Strafvereitelungen im Amt durch nach 1945 nicht-durchgeführte Verfahren gegen Tatbeteiligte an der nationalsozialistischen Zwangssterilisierung in Mosbach - Baden, wobei die Tätergruppen u.a. verantwortliche Mitarbeiter*innen des Mosbacher Erbgesundheitsgerichtes, des Mosbacher Gesundheitsamtes mit Amts- und Anstaltsarzt, des Mosbacher Jugendamtes in Fällen Minderjähriger Betroffener umfassen.
Mit freundlichen Grüßen
****
1.3 Antrag auf amtsseitige Verfügungen des Amtsgerichts Mosbach zu Überprüfungen der Wiedergutmachungen und Entschädigungen für die durch NS-Zwangssterilisation in Mosbach Betroffenen und für deren Familienangehörige
6F 9/22, etc.
AG MOS
Hauptstraße 110
74821 Mosbach
DATUM : 05.03 2023
Siehe auch Online-Dokumentation: www.nationalsozialismus-in-mosbach-baden.de
Anträge vom 05.03.2023 zu 6F 9/22 sowie zu 6F 202/21, 6F 2/22, 6F 2/23
auf amtsseitige Verfügungen beim Amtsgericht Mosbach
zu Überprüfungen erfolgter bzw. nicht-erfolgter
Leistungen von Wiedergutmachung und Entschädigung
für die Betroffenen der nationalsozialistischen Zwangssterilisierung
und für deren Familienangehörige.
Insbesondere für erfolgte Schädigungen durch Gerichtsbeschlüsse
des Erbgesundheitsgerichtes beim Amtsgericht Mosbach vor 1945,
wie u.a. AG MOS Az. XIII 69/35 vom 02.07.1935.
Sehr geehrte Damen und Herren,
1. Zuständigkeiten des AG MOS bei NS-Zwangssterilisierungen in Mosbach-Baden
Verfahrenstechnische Zuständigkeit: Das AG MOS verknüpft mit seinen Verfügungen vom 17.08.2022 unter 6F 9/22 und 6F 202/21 die anhängigen Familienrechtsverfahren mit den vom AS beim AG MOS seit 03.06.2022 unter 6F 9/22, etc. beantragten NS-Verfahren. In den beim AG MOS anhängigen Familienrechtsverfahren geht es u.a. konkret um ein deutsch-afrikanisches Mischlingskind. Im nationalsozialistischen Terror- und Vernichtungsregime wurden Menschen afrikanischer Herkunft sowie deutsch-afrikanische Mischlingskinder massenhaft zwangssterilisiert. U.a. im Frühjahr 1937 ordnete der Reichsminister des Innern auf der Grundlage eines streng geheimen „Führerbefehls“ von Adolf Hitler solche illegalen Zwangssterilisierungen an. Mit der Durchführung wurde die Gestapo-Sonderkommission 3 beauftragt, auch unter arbeitsteilig organisierter Beteiligung von Amts- und Vormundschaftsgerichten, Jugendämtern und Wohlfahrtsverbänden sowie von Gesundheitsämtern und Sachverständigen/Gutachtern, wie von Amtsärzten, mit den dafür notwendigen Informations- und Begründungsbeschaffungen.
Örtliche, fachliche und sachliche Zuständigkeit: Das Erbgesundheitsgericht beim Amtsgericht Mosbach vor 1945 fasst historisch nachgewiesen mehrere Beschlüsse zur Unfruchtbarmachung von psychisch erkrankten Menschen, im Nazi-Jargon von sogenannten Schwachsinnigen, wie u.a. Az. XIII 69/35 (Siehe Kapitel 2).
Zeitachsenbezogene Zuständigkeit: Das Reichstagsbrandurteil des Reichsgerichts Leipzig aus 1933 und dessen Aufhebung durch die Generalbundesanwaltschaft beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe aus 2007 über die ca. 75-jährige Zeitachse von 1933 bis 2007 belegt und begründet die rechtliche, fachliche und sachliche Zuständigkeit der AKTUELLEN BRD-Justiz mit dem Amtsgericht Mosbach in der systemübergreifenden Rechtsnachfolge der vorhergehenden politischen-administrativen Systeme. Und dies sowohl nach dem vorhergehenden Deutschen Reich unter dem Nazi-Terror-Regime bis 1945 als auch unter der davor vorhergehenden demokratischen Weimarer Republik bis 1933. Dadurch begründet sich auch hier die zeitachsenbezogene Zuständigkeit des Amtsgerichts Mosbach für die hier vorliegenden Anträge zur Aufarbeitung von Nationalsozialistischem Unrecht und Nationalsozialistischen Verbrechen beim Amtsgericht Mosbach.
2. Antragstellungen zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit des AG MOS mit konkreten Tatbeteiligungen an NS-Zwangssterilisierungen vor 1945
Das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses (GzVeN) vom 14.07.1933 enthält lediglich eine Kann-Vorschrift zur Unfruchtbarmachung für die Vermeidung von körperlichen und geistigen Erbschäden. Das AG MOS selbst macht jedoch historisch nachgewiesen ohne jegliche Widerstandsleistung, wie herrschaftspolitisch gewünscht, aus dieser Kann-Bestimmung im nationalsozialistisch-ideologischen Sinne der Rechtsanwendung eine Muss-Bestimmung. Nichtsdestotrotz fasst das Erbgesundheitsgericht beim Amtsgericht Mosbach vor 1945 historisch nachgewiesen mehrere Beschlüsse zur Unfruchtbarmachung von sogenannten Schwachsinnigen, wie u.a. AG MOS Az. XIII 69/35. Das Erbgesundheitsgericht Mosbach – Baden argumentiert in seinen Beschlussbegründungen mit standardisierten Textbausteinen nach dem Schema:
„Die Unfruchtbarmachung ist ein unschädlicher Eingriff. Er ruft keine körperlichen oder seelischen Veränderungen hervor. Er verhütet nur die Weitervererbung der Krankheit. Dieses Opfer muss der einzelne Volksgenosse im Interesse der Volksgemeinschaft auf sich nehmen.“ (2004) SCHEUING, Hans-Werner: '...als Menschenleben gegen Sachwerte gewogen wurden': Die Geschichte der Erziehungs- und Pflegeanstalt für Geistesschwache Mosbach/Schwarzacher Hof und ihrer Bewohner 1933-1945, S. 212.
Das AG MOS überprüft zudem dabei in seiner eigenen Sachverhaltsermittlung EXPLIZIT NICHT, ob und inwieweit der Wille der betroffenen Personen in der Sachverständigenbegutachtung seitens des Amtsarztes und des Gesundheitsamtes Mosbach dokumentiert wurde. Das AG MOS überprüft zudem dabei in seiner eigenen Sachverhaltsermittlung EXPLIZIT NICHT, ob und inwieweit zuvor die Untersuchungsergebnisse der Sachverständigenbegutachtung seitens des Amtsarztes und des Gesundheitsamtes Mosbach sowohl der Erziehungs- und Pflege-Anstalt für Geistesschwache Mosbach/Schwarzach als auch den betroffenen Familien zugänglich gemacht wurden.
Hiermit ergehen die oben benannten Anträge auf amtsseitige Verfügungen beim Amtsgericht Mosbach zu Überprüfungen der nach 1945 bis heute erfolgten bzw. nicht-erfolgten Leistungen von Wiedergutmachungen und Entschädigungen für die Betroffenen der nationalsozialistischen Zwangssterilisierung und für deren Familienangehörige. Insbesondere für erfolgte Schädigungen durch die Gerichtsbeschlüsse des Erbgesundheitsgerichtes beim Amtsgericht Mosbach vor 1945, wie u.a. AG MOS Az. XIII 69/35 vom 02.07.1935.
Diese Anträge beziehen sich sowohl auf die juristischen Aufarbeitungen der eigenen NS-Vergangenheit des AG MOS mit den historisch nachgewiesenen eigenen konkreten Tatbeteiligungen des Amtsgerichts Mosbach an der nationalsozialistischen Zwangssterilisierung als auch auf die Thematisierungen dieser NS-Sachverhalte innerhalb der eigenen NS-Öffentlichkeitsarbeit des AG MOS.
Mit freundlichen Grüßen
***
1.4 Strafanzeigen gegen Mitarbeiter*innen der baden-württembergischen Staatsanwaltschaften wegen Strafvereitelung im Amt bei der Nicht-Verfolgung der Tatbeteiligten, in Baden und Württemberg, an der nationalsozialistischen Zwangssterilisierung von Deutsch-Afrikanischen Mischlingskindern
6F 9/22, etc.
AG MOS
Hauptstraße 110
74821 Mosbach
DATUM : 06.03 2023
Siehe auch Online-Dokumentation: www.nationalsozialismus-in-mosbach-baden.de
Anträge vom 06.03.2023 zu 6F 9/22 sowie zu 6F 202/21, 6F 2/22, 6F 2/23
auf amtsseitige Verfügungen beim Amtsgericht Mosbach
zur Einleitung von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen
verantwortliche Mitarbeiter*innen
der Baden-Württembergischen Staatsanwaltschaften
wegen möglicher Strafvereitelungen im Amt
durch nach 1945 nicht-durchgeführte Verfahren
gegen Tatbeteiligte an der nationalsozialistischen Zwangssterilisierung
von Deutsch-Afrikanischen Mischlingskindern
Sehr geehrte Damen und Herren,
Inhaltsverzeichnis
1. Zuständigkeiten des AG MOS bei NS-Zwangssterilisierungen in Mosbach-Baden
2. Antragstellungen zu konkreten Tatbeteiligungen an NS-Zwangssterilisierungen von Deutsch-Afrikanischen Mischlingskindern vor 1945
1. Zuständigkeiten des AG MOS bei NS-Zwangssterilisierungen in Mosbach-Baden
Verfahrenstechnische Zuständigkeit: Das AG MOS verknüpft mit seinen Verfügungen vom 17.08.2022 unter 6F 9/22 und 6F 202/21 die anhängigen Familienrechtsverfahren mit den vom AS beim AG MOS seit 03.06.2022 unter 6F 9/22, etc., beantragten NS-Verfahren.
Fachliche und sachliche Zuständigkeit: In den beim AG MOS anhängigen Familienrechtsverfahren geht es u.a. konkret um ein deutsch-afrikanisches Mischlingskind. Im nationalsozialistischen Terror- und Vernichtungsregime wurden Menschen afrikanischer Herkunft sowie deutsch-afrikanische Mischlingskinder massenhaft zwangssterilisiert. U.a. im Frühjahr 1937 ordnete der Reichsminister des Innern auf der Grundlage eines streng geheimen „Führerbefehls“ von Adolf Hitler solche illegalen Zwangssterilisierungen an. Mit der Durchführung wurde die Gestapo-Sonderkommission 3 beauftragt, auch unter arbeitsteilig organisierter Beteiligung von nationalsozialistischen Rassehygienikern, Jugendämtern und Wohlfahrtsverbänden, Gesundheitsämtern sowie von lokalen Behörden mit den dafür notwendigen Informations- und Begründungsbeschaffungen. Das AG MOS selbst fasst mit seinem Erbgesundheitsgericht vor 1945 historisch nachgewiesen mehrere Beschlüsse zur Unfruchtbarmachung von psychisch erkrankten Menschen, im Nazi-Jargon von sogenannten Schwachsinnigen, wie u.a. AG MOS Az. XIII 69/35.
Zeitachsenbezogene Zuständigkeit: Das Reichstagsbrandurteil des Reichsgerichts Leipzig aus 1933 und dessen Aufhebung durch die Generalbundesanwaltschaft beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe aus 2007 über die ca. 75-jährige Zeitachse von 1933 bis 2007 belegt und begründet die rechtliche, fachliche und sachliche Zuständigkeit der AKTUELLEN BRD-Justiz mit dem Amtsgericht Mosbach in der systemübergreifenden Rechtsnachfolge der vorhergehenden politischen-administrativen Systeme, sowohl nach dem vorhergehenden Deutschen Reich unter dem Nazi-Terror-Regime bis 1945 als auch unter der davor vorhergehenden demokratischen Weimarer Republik bis 1933. Dadurch begründet sich auch hier die zeitachsenbezogene Zuständigkeit des Amtsgerichts Mosbach für die hier vorliegenden Anträge zur Aufarbeitung von Nationalsozialistischem Unrecht und Nationalsozialistischen Verbrechen beim Amtsgericht Mosbach.
2. Antragstellungen zu konkreten Tatbeteiligungen an NS-Zwangssterilisierungen von Deutsch-Afrikanischen Mischlingskindern vor 1945
Hiermit ergehen die oben benannten Anträge auf amtsseitige Verfügungen beim Amtsgericht Mosbach zur Einleitung von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen verantwortliche Mitarbeiter*innen der baden-württembergischen Staatsanwaltschaften wegen möglicher Strafvereitelungen im Amt durch nach 1945 nicht-durchgeführte Verfahren in Baden und Württemberg gegen Tatbeteiligte an der nationalsozialistischen Zwangssterilisierung von Deutsch-Afrikanischen Mischlingskindern vor 1945. Und dies sowohl in der eigenen juristischen NS-Aufarbeitung des AG MOS nach 1945 als auch in den Thematisierungen dieser NS-Sachverhalte innerhalb der eigenen NS-Öffentlichkeitsarbeit des AG MOS. Wobei die Tätergruppen u.a. auch verantwortliche Mitarbeiter*innen der Gestapo, von Jugendämtern (u.a. in Vormundschaftssachen) und Wohlfahrtsverbänden mit Schutz- und Hilfeauftrag für Minderjährige, von medizinischen Einrichtungen mit dem Fachpersonal, etc., vor 1945 mitwirkend in bzw. nach 1945 lebend in Baden und Württemberg umfassen.
Beispielsweise wurde der nationalsozialistische Rassenhygieniker Eugen Fischer, der maßgeblich an der Organisation und Durchführung der inoffiziell eingesetzten „Sonderkommission 3“ beteiligt war und der nach 1945 in Baden-Württemberg lebte, NICHT strafrechtlich verfolgt. 1937 setzte Fischer mit anderen Professoren die Zwangssterilisierung vieler sogenannter „Rheinlandbastarde“ als Besatzungsmischlinge und sogenannte Schwarze Schmach bzw. Kinder der Schande durch. Die Umsetzung dieses Programms begann 1937, indem lokale Beamte angewiesen wurden, über alle „Rheinlandbastarde“ unter ihrer Verwaltung zu berichten. Insgesamt wurden etwa 400 Kinder mit erfasster „Mischabstammung“ zwangssterilisiert, wobei manche Historiker aber auch von bis zu 800 Betroffenen ausgehen. Da diese Sterilisierungen im Unterschied zu anderen Sterilisierungsprogrammen der Nationalsozialisten keine gesetzliche Grundlage hatten, waren sie auch schon damals selbst unter der nationalsozialistischen Rechtslage illegal.
Der nach 1945 in Baden-Württemberg lebende Eugen Fischer war zudem vor 1945 Richter am Erbgesundheitsobergericht in Berlin, Generalarzt für rassenbiologische Fragen der Reichsstelle für Sippenforschung, an den nationalsozialistischen öffentlichen Thematisierungen der Judenfrage beteiligt sowie Ausbilder für Eignungsprüfer zur Eindeutschung polnischer Kinder, d.h. zur Zwangsgermanisierung von Kindern, die aus den von Nazi-Deutschland besetzten Ost-Gebieten entführt und ins Deutsche Reich verschleppt wurden.
Mit freundlichen Grüßen
****
Siehe auch:
- HISTORISCHES & AKTUELLES: NS-Opfer afrikanischer Herkunft >>> - NS-Verfolgung, Medizinische Experimente, KZ-Internierung, Ermordung, Zwangssterilisierung von Afrikanern und von deutsch-Afrikanischen Mischlingskindern, etc. - Diskriminierung von Menschen afrikanischer Herkunft vor und nach 1945 >>>
- HISTORISCHES & AKTUELLES: Deutsche Kolonialgeschichte und Kolonialpolitik als Vorbereitung nationalsozialistisch-rassistischer Diskriminierung und Verfolgung >>>
- HISTORISCHES & AKTUELLES: Medizinische und juristische Umsetzung der nationalsozialistischen Zwangssterilisierungspolitik, u.a. auch in Mosbach - Baden >>>
- AKTUELLES: Diskriminierung von Menschen mit afrikanischer Herkunft seit 1945 >>>
1.5 Antrag auf amtsseitige Verfügungen des Amtsgerichts Mosbach zu Überprüfungen der Wiedergutmachungen und Entschädigungen für die durch NS-Zwangssterilisation betroffenen Menschen afrikanischer Herkunft und deutsch-afrikanischen Mischlingskinder sowie für deren Familienangehörige
6F 9/22, etc.
AG MOS
Hauptstraße 110
74821 Mosbach
DATUM : 06.03 2023
Siehe auch Online-Dokumentation: www.nationalsozialismus-in-mosbach-baden.de
Anträge vom 06.03.2023 zu 6F 9/22 sowie zu 6F 202/21, 6F 2/22, 6F 2/23
auf amtsseitige Verfügungen beim Amtsgericht Mosbach
zu Überprüfungen erfolgter bzw. nicht-erfolgter
Leistungen von Wiedergutmachung und Entschädigung
für die durch NS-Zwangssterilisation betroffenen Menschen afrikanischer Herkunft
und deutsch-afrikanischen Mischlingskinder sowie für deren Familienangehörige
Sehr geehrte Damen und Herren,
Inhaltsverzeichnis
1. Zuständigkeiten des AG MOS bei NS-Zwangssterilisierungen
2. NS-Zwangssterilisierungen von Afrikanern und Afro-Deutschen
1. Zuständigkeiten des AG MOS bei NS-Zwangssterilisierungen
Verfahrenstechnische Zuständigkeit: Das AG MOS verknüpft mit seinen Verfügungen vom 17.08.2022 unter 6F 9/22 und 6F 202/21 die anhängigen Familienrechtsverfahren mit den vom AS beim AG MOS seit 03.06.2022 unter 6F 9/22, etc., beantragten NS-Verfahren.
Fachliche und sachliche Zuständigkeit: In den beim AG MOS anhängigen Familienrechtsverfahren geht es u.a. konkret um ein deutsch-afrikanisches Mischlingskind. Im nationalsozialistischen Terror- und Vernichtungsregime wurden Menschen afrikanischer Herkunft sowie deutsch-afrikanische Mischlingskinder massenhaft zwangssterilisiert. U.a. im Frühjahr 1937 ordnete der Reichsminister des Innern auf der Grundlage eines streng geheimen „Führerbefehls“ von Adolf Hitler solche illegalen Zwangssterilisierungen an. Mit der Durchführung wurde die Gestapo-Sonderkommission 3 beauftragt, auch unter arbeitsteilig organisierter Beteiligung von nationalsozialistischen Rassehygienikern, Jugendämtern und Wohlfahrtsverbänden, Gesundheitsämtern sowie von lokalen Behörden mit den dafür notwendigen Informations- und Begründungsbeschaffungen. Das AG MOS selbst fasst mit seinem eigenen Erbgesundheitsgericht vor 1945 historisch nachgewiesen mehrere Beschlüsse zur Unfruchtbarmachung von psychisch erkrankten Menschen, im Nazi-Jargon von sogenannten Schwachsinnigen, wie u.a. AG MOS Az. XIII 69/35.
Zeitachsenbezogene Zuständigkeit: Das Reichstagsbrandurteil des Reichsgerichts Leipzig aus 1933 und dessen Aufhebung durch die Generalbundesanwaltschaft beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe aus 2007 über die ca. 75-jährige Zeitachse von 1933 bis 2007 belegt und begründet die rechtliche, fachliche und sachliche Zuständigkeit der AKTUELLEN BRD-Justiz mit dem Amtsgericht Mosbach in der systemübergreifenden Rechtsnachfolge der vorhergehenden politischen-administrativen Systeme. Sowohl nach dem vorhergehenden Deutschen Reich unter dem Nazi-Terror-Regime bis 1945 als auch unter der davor vorhergehenden demokratischen Weimarer Republik bis 1933. Dadurch begründet sich auch hier die zeitachsenbezogene Zuständigkeit des Amtsgerichts Mosbach für die hier vorliegenden Anträge zur Aufarbeitung von Nationalsozialistischem Unrecht und Nationalsozialistischen Verbrechen beim Amtsgericht Mosbach.
2. NS-Zwangssterilisierungen von Afrikanern und Afro-Deutschen
Hiermit ergehen die oben benannten Anträge auf amtsseitige Verfügungen beim Amtsgericht Mosbach zu Überprüfungen erfolgter bzw. nicht-erfolgter Leistungen von Wiedergutmachung und Entschädigung für die durch NS-Zwangssterilisation betroffenen Menschen afrikanischer Herkunft und deutsch-afrikanischen Mischlingskinder sowie für deren Familienangehörige. Und dies sowohl in der eigenen juristischen NS-Aufarbeitung des AG MOS nach 1945 als auch in den Thematisierungen dieser NS-Sachverhalte innerhalb der eigenen NS-Öffentlichkeitsarbeit des AG MOS.
Beispielsweise wurde der nationalsozialistische Rassenhygieniker Eugen Fischer, der maßgeblich an der Organisation und Durchführung der inoffiziell eingesetzten „Sonderkommission 3“ beteiligt war und der nach 1945 in Baden-Württemberg lebte, NICHT strafrechtlich verfolgt. 1937 setzte Fischer mit anderen Professoren die Zwangssterilisierung vieler im Nazi-Jargon sogenannter „Rheinlandbastarde“ als Besatzungsmischlinge und sogenannte Schwarze Schmach, Schwarze Schande bzw. Kinder der Schande durch. In der nationalsozialistischen Rassentheorie wurden solche „Mischprodukte“ als „faulige Bastardbrut“ noch negativer beurteilt als die „gesunden, wenn auch primitiven und tiefstehenden Menschenkinder“ „unvermischter“ Bevölkerung Schwarzafrikas, vor allem aber wurden sie als Schwächung und Gefährdung der „germanischen Rasse“ gesehen und daraus die staatliche Pflicht abgeleitet, „einer weiteren Bastardierung grundsätzlich Einhalt“ zu gebieten (Vgl. HITLER: Mein Kampf, S. 444-446).
Die Umsetzung dieses nationalsozialistischen Rassenschande-Programms begann 1937, indem lokale Beamte angewiesen wurden, über alle „Rheinlandbastarde“ unter ihrer Verwaltung zu berichten. Insgesamt wurden etwa 400 Kinder mit erfasster „Mischabstammung“ zwangssterilisiert, wobei manche Historiker aber auch von bis zu 800 Betroffenen ausgehen. Da diese Sterilisierungen im Unterschied zu anderen Sterilisierungsprogrammen der Nationalsozialisten keine gesetzliche Grundlage hatten, waren sie auch schon damals selbst unter der nationalsozialistischen Rechtslage illegal.
U.a. im September 2021 wurden zur Einweihung von Stolpersteinen die vergessenen schwarzen Opfer der Nationalsozialisten thematisiert, da bis dahin nur wenig an sie erinnerte. Viele Afrikaner stammten aus den deutschen Kolonialgebieten in Afrika von 1884 bis 1920 und/oder waren Darsteller in den damaligen Völkerschauen und Kolonialfilmen.
Mit freundlichen Grüßen
***
Siehe auch:
- HISTORISCHES & AKTUELLES: NS-Opfer afrikanischer Herkunft >>> - NS-Verfolgung, Medizinische Experimente, KZ-Internierung, Ermordung, Zwangssterilisierung von Afrikanern und von deutsch-Afrikanischen Mischlingskindern, etc. - Diskriminierung von Menschen afrikanischer Herkunft vor und nach 1945 >>>
- HISTORISCHES & AKTUELLES: Deutsche Kolonialgeschichte und Kolonialpolitik als Vorbereitung nationalsozialistisch-rassistischer Diskriminierung und Verfolgung >>>
- HISTORISCHES & AKTUELLES: Medizinische und juristische Umsetzung der nationalsozialistischen Zwangssterilisierungspolitik, u.a. auch in Mosbach - Baden >>>
- AKTUELLES: Diskriminierung von Menschen mit afrikanischer Herkunft seit 1945 >>>
1.6 Antrag auf amtsseitige Verfügungen des Amtsgerichts Mosbach zu Benennungen und Überprüfungen der Mitarbeiter des Mosbacher Erbgesundheitsgerichtes beim Amtsgericht Mosbach, des Amtsgerichts und Vormundschaftsgerichts Mosbach, beteiligt an der NS-Zwangssterilisierung und NS-(Kinder)-Euthanasie
6F 9/22, etc.
AG MOS
Hauptstraße 110
74821 Mosbach
DATUM : 07.03 2023
Siehe auch Online-Dokumentation: www.nationalsozialismus-in-mosbach-baden.de
Anträge vom 07.03.2023 zu 6F 9/22 sowie zu 6F 202/21, 6F 2/22, 6F 2/23
auf amtsseitige Verfügungen beim Amtsgericht Mosbach
zu transparenten öffentlichen Benennungen und Überprüfungen der Mitarbeiter*innen
(a) des Mosbacher Erbgesundheitsgerichtes,
u.a. verantwortlich und beteiligt an der
Nationalsozialistischen Zwangsterilisation von psychisch erkrankten Menschen sowie
(b) des Amtsgerichts und Vormundschaftsgerichts Mosbach,
verantwortlich und beteiligt an der NS-(Kinder)-Euthanasie
Sehr geehrte Damen und Herren,
Hiermit ergehen die oben benannten Anträge auf amtsseitige Verfügungen beim Amtsgericht Mosbach zu Benennungen und Überprüfungen der Mitarbeiter*innen…
(a) des Mosbacher Erbgesundheitsgerichtes, u.a. verantwortlich und beteiligt an der NS-Zwangsterilisation von psychisch erkrankten Menschen, im Nazi-Jargon von sogenannten Schwachsinnigen, wie u.a. unter AG MOS Az. XIII 69/35.
(b) des Amtsgerichts und Vormundschaftsgerichts Mosbach, verantwortlich und beteiligt an der NS-(Kinder)-Euthanasie, wie u.a. der Urkundsbeamte Rheinhard in der Vormundschaftssache Gida Falkenstein am 08.10.1945 unter AG MOS FR.N. VIII/595 mit der Verwendung gefälschter Sterbedaten und gefälschter Sterbebegründungen.
Zudem gehören zu dieser hier beantragten transparenten Veröffentlichung die konkreten Informationen, welche dieser Mitarbeiter*innen des Amtsgerichts Mosbach, die vor 1945 zunächst der nationalsozialistischen Terror-, Verfolgungs- und Vernichtungsjustiz gedient haben, dann auch nach 1945 weiter in Diensten der Mosbacher und der Baden-Württembergischen Justiz gewesen sind.
Diese Anträge beziehen sich sowohl auf die eigene juristischen NS-Aufarbeitung des AG MOS nach 1945 als auch auf die Thematisierungen dieser historisch nachgewiesenen NS-Sachverhalte zur eigenen NS-Vergangenheit der Institution des AG MOS selbst innerhalb der heutigen und künftigen NS-Öffentlichkeitsarbeit des AG MOS.
Mit freundlichen Grüßen
***
1.7 Antrag auf amtsseitige Verfügungen des Amtsgerichts Mosbach zur Beteiligung des Amtsgerichts Mosbach selbst und der gerichtlich beauftragten Sachverständigen am gegenwärtigen und künftigen Prozess BEIM DEUTSCHEN BUNDESTAG (a) für die Anerkennung der Opfer der nationalsozialistischen Euthanasie und Zwangssterilisierung als Verfolgte des Nationalsozialismus und (b) für die voranzutreibende Aufarbeitung
6F 9/22, etc.
AG MOS
Hauptstraße 110
74821 Mosbach
Deutscher Bundestag:
Bärbel Bas
Präsidentin des Deutschen Bundestages
Deutscher Bundestag
Platz der Republik 1
11011 Berlin
baerbel.bas@bundestag.de
Ausschuss für Kultur und Medien
Platz der Republik 1
11011 Berlin
Fax: +49 (0)30 227 36502
E-Mail: kulturausschuss@bundestag.de
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Platz der Republik 11
1011 Berlin
Fax: +49 (0)30 227 36051
E-Mail: menschenrechtsausschuss@bundestag.de
Kinderkommission
Platz der Republik 1
11011 Berlin
Fax: +49 (0)30 227 36055
E-Mail: kinderkommission@bundestag.de
Bundestags-Fraktionen:
Fraktionsvorsitzender:
Rolf Mützenich
SPD-Bundestagsfraktion
Platz der Republik 1
11011 Berlin
Fax: (030) 227 - 56211
E-Mail: direktkommunikation@spdfraktion.de
Homepage: www.spdfraktion.de
Fraktionsvorsitzende:
Katharina Dröge
Britta Haßelmann
Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen
Platz der Republik 1
11011 Berlin
Fax: (030) 227 - 56552
E-Mail: info@gruene-bundestag.de
Homepage: www.gruene-bundestag.de
Fraktionsvorsitzender:
Christian Dürr
FDP-Bundestagsfraktion
Platz der Republik 1
11011 Berlin
Fax: (030) 227 -
E-Mail: dialog@fdpbt.de
Homepage: www.fdpbt.de
Fraktionsvorsitzender:
Friedrich Merz
CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag
Platz der Republik 1
11011 Berlin
Fax: (030) 227 - 56061
Kontakt: fraktion@cducsu.de
Homepage: www.cducsu.de
Fraktionsvorsitzende:
Dr. Alice Weidel
Tino Chrupalla
AfD-Bundestagsfraktion
Platz der Republik 1
11011 Berlin
Fax: (030) 227 - 56349
E-Mail: buerger@afdbundestag.de
Homepage: www.afdbundestag.de
Fraktionsvorsitzende:
Amira Mohamed Ali
Dr. Dietmar Bartsch
Fraktion Die Linke im Bundestag
Platz der Republik 1
11011 Berlin
Fax: (030) 227 - 76248
E-Mail: fraktion@linksfraktion.de
Homepage: www.linksfraktion.de
VEREINE:
Vorsitzende Ulla Schmidt
Bundesvereinigung Lebenshilfe e. V. Bundesgeschäftsstelle
Hermann-Blankenstein-Str. 30
10249 Berlin
Bundesvereinigung@Lebenshilfe.de
www.lebenshilfe.de
Margret Hamm
AG Bund der „Euthanasie“-Geschädigten und Zwangssterilisierten
c/o Verein Gegen Vergessen – Für Demokratie e. V.
Stauffenbergstraße 13-14
10785 Berlin
Telefax: (030) 26 39 78 40
Email: bez@ag-bez.de
Internet: www.euthanasiegeschaedigte-zwangssterilisierte.de/
GUTACHTER*INNEN/SACHVERSTÄNDIGE
Klinikum am Weissenhof - Zentrum für Psychiatrie Weinsberg
Geschäftsführerin Anett Rose-Losert
info@linikum-weissenhof.de
Ärztlicher Direktor
Dr. med. Matthias C. Michel
m.michel@linikum-weissenhof.de
74189 Weinsberg
+497134754190
DATUM : 12.03 2023
Siehe auch Online-Dokumentation: www.nationalsozialismus-in-mosbach-baden.de
Antrag vom 12.03.2023 zu 6F 9/22 sowie zu 6F 202/21, 6F 2/22, 6F 2/23
auf amtsseitige Verfügungen des Amtsgerichts Mosbach
zur öffentlichen transparenten Beteiligung der Mosbacher Justizbehörden
sowie der gerichtlich beauftragten Sachverständigen
an den gegenwärtigen und künftigen Prozessen
BEIM DEUTSCHEN BUNDESTAG
(a) für die Anerkennung der Opfer
der nationalsozialistischen Euthanasie und Zwangssterilisierung
als Verfolgte des Nationalsozialismus und
(b) für die voranzutreibende Aufarbeitung
in der NS-Vergangenheitsbewältigung
Inhaltsverzeichnis
1. Medizinische und juristische Umsetzung der NS-Euthanasie und der NS-Zwangssterilisierung
2. Opfergruppen und Tätergruppen
3. Umgang mit den Nazi-Justiz- und Nazi-Medizin-Verbrechen nach 1945
4. Konkrete Tatbeteiligungen des Amtsgerichts Mosbach an der NS-Zwangssterilisation
5. Konkrete Tatbeteiligungen der Mosbacher Justizbehörden an der NS-Euthanasie
5.1 Zivilrechtliche Tatbeteiligung des Amtsgerichts Mosbach an der NS-Euthanasie
5.2 Strafrechtliche Tatbeteiligung der Staatsanwaltschaft Mosbach an der NS-Euthanasie
6. Antragstellungen an das Amtsgericht Mosbach und an die gerichtlich beauftragten Sachverständigen/Gutachter
1. Medizinische und juristische Umsetzung von NS-Euthanasie und NS-Zwangssterilisierung
Sowohl bei der nationalsozialistischen Euthanasie als auch bei der nationalsozialistischen Zwangssterilisierung handelt es sich um Schnittmengen zwischen historisch nachgewiesenen NS-Medizinverbrechen EINERSEITS und NS-Justizverbrechen ANDERERSEITS innerhalb der medizinischen und juristischen Umsetzung der nationalsozialistischen Gesundheits- und Rassehygienepolitik zur systematischen Vernichtung von "unwerten Leben" der "minderwertigen" "Ballastexistenzen", von denen das „rassisch reine“ deutsche Volk befreit werden sollte.
2. Opfergruppen und Tätergruppen
Zu den "minderwertigen" Opfergruppen der nationalsozialistischen Zwangssterilisation zählen u.a. seelisch und körperlich behinderte Menschen, Sinti und Roma, Menschen afrikanischer Herkunft, deutsch-afrikanische Mischlingskinder, Alkoholiker, Langzeitarbeitslose, Fürsorgeempfänger und Asoziale, Zwangsarbeiterinnen, etc.
Unter dem NS-Regime wurden zwischen 1934 und 1945 mindestens 350.000 Menschen zwangsweise sterilisiert. Etwa 5.000 Frauen und Männer starben in Folge der Zwangssterilisationen oder Zwangsabtreibungen. Insgesamt wurden etwa 400 Kinder mit erfasster deutsch-afrikanischer „Mischabstammung“ zwangssterilisiert, wobei manche Historiker aber auch von bis zu 800 Betroffenen ausgehen. Da diese Sterilisierungen im Unterschied zu anderen Sterilisierungsprogrammen der Nationalsozialisten keine gesetzliche Grundlage hatten, waren sie auch schon damals selbst unter der nationalsozialistischen Rechtslage illegal.
In den Jahren 1940 und 1941 wurden mehr als 70.000 Insassen von Heil-und Pflegeanstalten in Gaskammern während der Aktion T4 ermordet und 1941 bis 1945 während der weiterführenden NS-Euthanasie eine unbekannte Zahl durch Entzug der Nahrung oder Überdosierung von Medikamenten ermordet. In "Kinderfachabteilungen" in Heilkliniken wurden die Kinder für Experimente missbraucht und durch eine Injektion oder Verhungern getötet. Die Zahl der Opfer dieser "Kinder-Euthanasie" wird bis 1945 auf ca. 5.000 geschätzt. Jedoch fielen auch anderen "Euthanasie"-Morden im Deutschen Reich und in den besetzten Gebieten tausende Kinder zum Opfer.
Zu den Tätergruppen bei der arbeitsteilig organisierten nationalsozialistischen Euthanasie und Zwangssterilisation zählen Rassehygieniker in der akademischen Debatte sowie in Amtsfunktionen innerhalb der NS-Regierung, als Amtsträger an den Erbgesundheitsgerichten, als medizinische Rasse-Eignungsprüfer, etc.
Zu den Tätergruppen bei der arbeitsteilig organisierten nationalsozialistischen Zwangssterilisation von seelisch und körperlich behinderten Menschen zählen u.a. auch verantwortliche Mitarbeiter*innen von Erbgesundheitsgerichten, von Jugendämtern mit Schutz- und Hilfeauftrag für Minderjährige, von medizinischen Einrichtungen mit dem jeweiligen Fachpersonal, von Gesundheitsämtern, wie Amtsärzte aber auch Anstaltsärzte, u.a. auch als Sachverständige/Gutachter.
Zu den Tätergruppen bei der arbeitsteilig organisierten nationalsozialistischen Zwangssterilisation von deutsch-afrikanischen Mischlingskindern zählen u.a. auch verantwortliche Mitarbeiter*innen der Gestapo (Sonderkommission 3) und Polizei, von lokalen Behörden, von Jugendämtern (u.a. in Vormundschaftssachen) und Wohlfahrtsverbänden mit Schutz- und Hilfeauftrag für Minderjährige, von medizinischen Einrichtungen mit dem jeweiligen Fachpersonal.
3. Umgang mit den Nazi-Justiz- und NS-Verbrechen nach 1945
Das Gesetz zur Zwangssterilisation wurde in 1988 vom Bundestag zum NS-Unrecht erklärt und die Urteile der "Erbgesundheitsgerichte" in 1998 aufgehoben. In 1970 wurde die Landfahrerordnung wegen Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz und damit die weiterhin noch bestehende Diskriminierung von Sinti und Roma aufgehoben. 2007 wurde das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses „in seiner Ausgestaltung und Anwendung“ vom Deutschen Bundestag als „nationalsozialistisches Unrecht“ geächtet.
Am 26.09.2022 fand die öffentliche Anhörung beim Deutschen Bundestag für die Anerkennung von NS-Opfern von "Euthanasie“ und Zwangsterilisationen als NS-Verfolgte statt. Die Berichterstatter aller Fraktionen im Kulturausschuss betonten, dass die Anerkennung des Leids und des Schicksals der Opfer der sogenannten „Euthanasie“ und von Zwangssterilisationen verstärkt in das öffentliche Bewusstsein gerückt werden müsse.
Es wurde in der Abschlusserklärung dieser Lesung und Anhörung am 26.09.2022 darauf hingewiesen, dass SPD, Grüne und FDP sich in ihrem Koalitionsvertrag als amtierende Bundesregierung darauf verständigt haben, auch gemäß des vorliegenden Fraktionsantrages und der öffentlichen Anhörung sowohl diese Anerkennung als NS-Verfolgte als auch die konkrete Vorantreibung der öffentlichen, wissenschaftlichen, historischen und gesellschaftspolitischen Aufarbeitung in dieser Legislaturperiode auf den Weg zu bringen.
4. Konkrete Tatbeteiligungen des Amtsgerichts Mosbach an der NS-Zwangssterilisation
Das Mosbacher Erbgesundheitsgerichtes beteiligt sich historisch nachgewiesen an der juristischen Umsetzung der NS-Zwangsterilisation von psychisch erkrankten Menschen, im Nazi-Jargon von sogenannten Schwachsinnigen, wie u.a. unter AG MOS Az. XIII 69/35. Das Erbgesundheitsgericht Mosbach – Baden argumentiert in seinen Beschlussbegründungen mit standardisierten Textbausteinen nach dem Schema:
„Die Unfruchtbarmachung ist ein unschädlicher Eingriff. Er ruft keine körperlichen oder seelischen Veränderungen hervor. Er verhütet nur die Weitervererbung der Krankheit. Dieses Opfer muss der einzelne Volksgenosse im Interesse der Volksgemeinschaft auf sich nehmen.“ (2004) SCHEUING, Hans-Werner: '...als Menschenleben gegen Sachwerte gewogen wurden': Die Geschichte der Erziehungs- und Pflegeanstalt für Geistesschwache Mosbach/Schwarzacher Hof und ihrer Bewohner 1933-1945, S. 212.
Das AG MOS überprüft zudem dabei in seiner eigenen Sachverhaltsermittlung EXPLIZIT NICHT, ob und inwieweit jeweils der Wille der betroffenen Personen in der Sachverständigenbegutachtung seitens des Amtsarztes und des Gesundheitsamtes Mosbach dokumentiert wurde. Das AG MOS überprüft zudem dabei in seiner eigenen Sachverhaltsermittlung EXPLIZIT NICHT, ob und inwieweit vor der amtsgerichtlichen Beschlussfassung die Untersuchungsergebnisse der Sachverständigenbegutachtung seitens des Amtsarztes/Anstaltsarztes und des Gesundheitsamtes Mosbach sowohl der Erziehungs- und Pflege-Anstalt für Geistesschwache Mosbach/Schwarzach als auch den betroffenen Familien für einen möglichen Widerspruch zugänglich gemacht wurden.
5. Konkrete Tatbeteiligungen der Mosbacher Justizbehörden an der NS-Euthanasie
Das Amtsgericht Mosbach beteiligt sich historisch nachgewiesen im zivilrechtlichen Wirkungsbereich und die Staatsanwaltschaft Mosbach im strafrechtlichen Wirkungsbereich an der nationalsozialistisch arbeitsteiligen juristischen Umsetzung bzw. Deckung der NS-(Kinder)-Euthanasie gemäß den Vorgaben der Schlegelberger-Konferenz.
Als Schlegelberger-Konferenz wird die von Reichsjustizminister Franz Schlegelberger für den 23. und 24. April 1941 im „Haus der Flieger“ in Berlin einberufene Tagung bezeichnet, deren Ziel es war, die Spitzenbeamten der Justiz über die bereits seit Januar 1940 stattfindenden Gasmorde bei der so genannten „Aktion T4“ zu informieren. Die Beamten wurden angewiesen gegenüber der Öffentlichkeit wie folgt vorzugehen: (a) Anzeigen und Eingaben mit Bezug auf die „Euthanasie“-Morde nicht bearbeiten zu lassen sowie (b) die NS-Euthanasie-Massenmordaktion mit der Verwendung gefälschter Sterbedaten und gefälschter Sterbebegründungen zu vertuschen. Unter den mehr als 90 Teilnehmern befanden sich u.a. alle 34 Oberlandesgerichtspräsidenten sowie die 34 Generalstaatsanwälte.
Helmut Kramer urteilt, selbst nach nationalsozialistischer Staatsrechtsdoktrin könne ein solcher im Reichsgesetzblatt nicht verkündeter „Führerbefehl“ keine Rechtsgrundlage für die damals so genannte „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ abgeben. Die Geheimhaltung sei ein untrügliches Kennzeichen für die Rechtswidrigkeit der Aktion. Durch die widerspruchslose Entgegennahme der Stillhalte-Weisung sei somit seitens der deutschen Justiz Beihilfe zum Mord geleistet worden.
Wolfram Wette bezeichnet diese Konferenz als „außerordentliches Exempel der Rechtszerstörung der Justiz“. Die Oberlandesgerichtspräsidenten und Generalstaatsanwälte hätten sich dazu verpflichten lassen, die strafrechtliche Garantie des Rechts auf Leben außer Kraft zu setzen und Klagen niederzuschlagen. So sei die deutsche Justizelite zum Komplizen der rechtswidrigen Tötung von behinderten Menschen geworden.
5.1 Zivilrechtliche Tatbeteiligung des Amtsgerichts Mosbach an der NS-Euthanasie
Das Amtsgericht und Vormundschaftsgericht Mosbach beteiligt sich historisch nachgewiesen an der juristischen Umsetzung der NS-(Kinder)-Euthanasie in der Vormundschaftssache Gida Falkenstein am 08.10.1940 unter AG MOS FR.N. VIII/595 mit der Verwendung gefälschter Sterbedaten und gefälschter Sterbebegründungen gemäß den Vorgaben der zuvor benannten Schlegelberger-Konferenz.
Der Abtransport von Gida Falkenstein vom Schwarzacher Hof der Anstalt Mosbach ist in der Pfleglingsliste am 17.09.1940 unter der Nr. 1806 festgehalten. Historisch nachgewiesen ist, dass Gida Falkenstein am 17.09.1940 in die Vernichtungsanstalt Grafeneck überführt und nach ihrer Ankunft unmittelbar vergast wurde !!! Der falsche Todestermin wird hier mitgeteilt am 08.10.1940 durch das Amtsgericht Mosbach zur amtsseitigen Vertuschung des Nazi-Euthanasie-T4-Mordes an Gida Falkenstein aus der "Erziehungs- und Pflegeanstalt für Geistesschwache in Mosbach" als eine juristisch-verwaltungstechnische Umsetzungsmaßnahme des Führerbefehls zum Gnadentod seitens der damaligen Nazi-Justiz in Mosbach - Baden. Das Amtsgericht Mosbach mit seinen Mitarbeitern beteiligt sich hier an der Nazi-rassenhygienisch-ideologischen Umsetzung der sogenannten Vernichtung von sogenannten Ballastexistenzen und der Vernichtung sogenannten unwerten Lebens.
IM GEGENSATZ DAZU: Richter Lothar Kreyssig verweigerte sich den ihm vorgelegten Führer-Mordbefehl in Form eines Handschreibens vom Oktober 1939 aus der Reichskanzlei als Rechtsgrundlage zur Anweisung des sogenannten Gnadentodes für die Planung und die Organisation der Euthanasie-Massentötungsaktion T4 anzuerkennen. In seiner Funktion und Arbeit als Amts- und Vormundschaftsrichter engagierte sich Lothar Kreyssig öffentlich nachweisbar dann gegen die Ermordung Behinderter und anderer Betreuter im Rahmen der NS-Krankenmorde, untersagte konsequenterweise den Anstaltsleitungen seines Amtsbereichs, Patienten per Deportation auszuliefern und stellte zudem konsequenterweise Strafanzeige gegen Reichsleiter Philipp Bouhler wegen Mordes.
5.2 Strafrechtliche Tatbeteiligung der Staatsanwaltschaft Mosbach an der NS-Euthanasie
Die Staatsanwaltschaft Mosbach beteiligt sich historisch nachgewiesen an der juristischen Umsetzung der NS-(Kinder)-Euthanasie. Die Oberstaatsanwaltschaft Mosbach - Baden beteiligt sich hier an der juristisch-verwaltungstechnischen amtsseitig-internen Diskussion zur Vertuschung der Euthanasie-Massenmorde gemäß dem Führerbefehl zum Gnadentod seitens der Nazi-Justiz in Mosbach - Baden, wie folgt: "Die Forderung, doch „wenigstens vertrauliche Mitteilung der entsprechenden gesetzlichen Ermächtigung an die Justizbehörden" zu machen, s. z. B. auch im Bericht d. OStA Mosbach v. 23. 5. 1941, im Bericht d. GStA Karlsruhe v. 3. 6. 1941 (a.a.O., Sign. R 22/20020)." Die Staatsanwaltschaft Mosbach - Baden stellt sich hier im Mai 1941 explizit nicht eindeutig und offen gegen die bereits laufende und künftige Durchführung des NAZI-EUTHANASIE-MASSENMORDES, sondern die hier untergeordneten konkreten Beamten der Staatsanwaltschaft Mosbach - Baden bitten die ihnen übergeordnete Behörde der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe um eine gesetzlich geregelte Deckung des NAZI-EUTHANASIE-MASSENMORDES. Und zwar nach der Schlegelberger-Konferenz, auf der die führenden Juristen, u.a. auch Oberlandesgerichtspräsidenten und Generalstaatsanwälte zur Durchführung des nicht-öffentlichen sondern geheimen Führer-Erlasses zum "Gnadentot" eingeschworen wurden und diese selbst nicht dagegen protestiert haben.
6. Antragstellungen an das Amtsgericht Mosbach und an die gerichtlich beauftragten Sachverständigen/Gutachter
Hiermit ergehen zu den oben benannten Anträgen an das Amtsgericht Mosbach die folgenden weiteren detaillierten Beantragungen auf amtsseitige Verfügungen, wie u.a. :
(2a) Ein Akten-Vernichtungsverbot und ein beschleunigtes Digitalisierungsgebot amtsseitig zu verfügen für die Gerichtsdokumente des Erbgesundheitsgerichtes Mosbach, des Vormundschaftsgerichts Mosbach, des Amtsgerichts Mosbach und des Landgerichts Mosbach sowie der Staatsanwaltschaft Mosbach aus der NS-Zeit 1933 bis 1945.
(2b) Eine Freigabe für die transparente öffentliche Akten-Nutzung amtsseitig zu verfügen für die zuvor benannten Gerichtsdokumente, wie u.a. zur regionalen, historischen und Hochschul- bzw. Instituts-Forschung, aber auch zur eigenen NS-Öffentlichkeitsarbeit der Mosbacher Justizbehörden zur Aufarbeitung und Bewältigung der eigenen NS-Vergangenheit.
(2c) Die Bewahrung und Förderung geschichtlicher Lern- und Geschichtsorte von nationaler Bedeutung in Mosbach und Baden in der NS-Aufarbeitung amtsseitig zu verfügen u.a. für die Mosbacher Justizbehörden, für das Gesundheitsamt Mosbach und für die Johannes Diakonie Mosbach (Nachfolger der Mosbacher Heil- und Pflegeanstalten) als beteiligte Institutionen an der NS-Euthanasie und NS-Zwangssterilisierung. Und zwar mit der Zielsetzung in den NS-Gedenkstätten Guide in BADEN-WÜRTTEMBERG mittelfristig aufgenommen zu werden.
(2d) Eine Freigabe der zuvor benannten Gerichtsdokumente für den in 2022 und 2023 gegenwärtig und künftig laufenden Prozess der gesellschaftspolitischen und rechtlichen NS-Opferanerkennung beim DEUTSCHEN BUNDESTAG amtsseitig zu verfügen: Die Gerichtsdokumente des Erbgesundheitsgerichtes Mosbach, des Amtsgerichts Mosbach und der Staatsanwaltschaft Mosbach zu den Beteiligungen an der nationalsozialistischen Euthanasie und NS-Zwangssterilisierung sowohl für die Anhörung beim DEUTSCHEN BUNDESTAG zur NS-Verfolgtenanerkennung als auch für die eingangs benannten Fraktionen des Deutschen Bundestages hinsichtlich der geplanten Umsetzung der im Koalitionsvertrag der BUNDESREGIERUNG vereinbarten NS-Opferanerkennung in dieser Legislaturperiode zur Verfügung zu stellen.
(2e) Gerichtlich einzuholende Sachverständigen/Gutachter*innen-Stellungnahmen amtsseitig zu verfügen: sowohl bei den bereits in den AG MOS-Verfahren 6F 9/22 und 6F 202/21 gerichtlich beauftragten und involvierten medizinischen Sachverständigen/Gutachter*innen, wie u.a. beim Klinikum am Weissenhof - Zentrum für Psychiatrie Weinsberg, als auch ggf. bei weiteren gerichtlich zu bestimmenden Sachverständigen/Gutachter*innen der historischen und juristischen Professionen
... bezüglich der folgenden Sachverhalte zu Nationalsozialistischem Unrecht und Nationalsozialistischen Verbrechen …
sowohl (a) zur NS-Euthanasie und NS-Zwangssterilisierung vor 1945 und (b) zu den konkreten Tatbeteiligungen der Mosbacher Justizbehörden (Siehe Kapitel 4 und 5) als auch (c) zur professionskritischen Rolle von Medizinern/Medizinerinnen, Ärzten/Ärztinnen, Psychologen/Psychologinnen, Sachverständigen und Gutachern/Gutachterinnen bei der medizinischen und juristischen Umsetzung innerhalb der nationalsozialistischen Euthanasie und Zwangssterilisierung.
Siehe auch Online-Dokumentation:
www.nationalsozialismus-in-mosbach-baden.de/AKTUELLES/Gerichtliche-Verfahren/NS-Zwangssterilisierungen-in-Mosbach/
Mit freundlichen Grüßen
***
1.8 WIDERSPRUCH und DIENSTAUFSICHTSBESCHWERDE vom 02.07.2023 GEGEN die Mitteilung der Staatsanwaltschaft Mosbach vom 05.06.2023 unter 13 UJs 1570/23 zum Absehen von der Strafermittlungsverfahrenseinleitung hinsichtlich unterlassener juristischer Aufarbeitung von nicht-stattgefundener strafrechtlicher Verfolgung von NS-Täter*innen durch die BRD-Justiz; hier bei der nationalsozialistischen rassistischen Verfolgung von Menschen mit afrikanischem Hintergrund
Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe
Ludwig-Erhard-Allee 4
76131 Karlsruhe
+4972135236725
JUMRIX-E-1402-41/878/4
Ministerin Marion Gentges
Ministerium der Justiz und für Migration Baden-Württemberg
Schillerplatz 4,
70173 Stuttgart
+497112792264
13 UJs 1570/23
Staatsanwaltschaft Mosbach
Hauptstr. 87-89
74821 Mosbach
+ 80066449281269
Siehe auch Online-Dokumentation: www.nationalsozialismus-in-mosbach-baden.de
DATUM: 02.07.2023
WIDERSPRUCH und DIENSTAUFSICHTSBESCHWERDE vom 02.07.2023
GEGEN die Mitteilung der Staatsanwaltschaft Mosbach
vom 05.06.2023 unter 13 UJs 1570/23
zum Absehen von der Strafermittlungsverfahrenseinleitung hinsichtlich
unterlassener juristischer Aufarbeitung von nicht-stattgefundener
strafrechtlicher Verfolgung von NS-Täter*innen durch die BRD-Justiz;
hier bei der nationalsozialistischen rassistischen Verfolgung
von Menschen mit afrikanischem Hintergrund
Systematische Unterfassung von NS-Verbrechen
und rechtsextremistischen rassistischen Straftaten
Sehr geehrte Damen und Herren,
BEGRÜNDUNG UND GLAUBHAFTMACHUNG
die hier mit eingangs benannt WIDERSPRUCH UND DIENSTAUFSICHTSBESCHWERDE beschwerte Staatsanwaltschaft Mosbach führt am 05.06.2023 unter 13 UJs 1570/23 eine hier nachgewiesene systematische Unterfassung sowohl von NS-Verbrechen als auch von rechtsextremistischen rassistischen Straftaten nach 1945 in der fortgesetzten rassistischen Diskriminierung von NS-Verfolgten und NS-Opfern mit der NICHT-Aufklärung unterlassener juristischer Aufarbeitung von NICHT-stattgefundener strafrechtlicher Verfolgung von NS-Tätern durch die BRD-Justiz aus. Und zwar bei der konkreten Benennung des Ermittlungsverfahren benennt die STA MOS hier EXPLIZIT NICHT die hier angezeigten konkreten Sachverhalte der nicht-erfolgten juristischen Aufarbeitung von NS-Verbrechen, hier der NS-Verfolgung von Menschen mit afrikanischem Hintergrund durch die nationalsozialistischen Zwangssterilisierungen. Die STA MOS benennt diese Sachverhalte lediglich in ihrer Begründung NICHT ABER in der Kategorisierung der hier vorliegenden Ermittlungsverfahren, was zur benannten systematischen Unterfassung führt.
Die hier fallverantwortlichen Mitarbeiter*innen bei der Staatsanwaltschaft Mosbach agieren hier damit entgegen…:
… den Rechtsauffassungen des baden-württembergischen Justizministeriums, dass heute und zukünftig noch NS-Verbrechen durch die deutsche Justiz verfolgt (JUMRIX-E-1402-41/878/4 am 20.06.2022) und dass diese statistisch erfasst (JUMRIX-E-1402-41/878/28 am 20.12.2022) würden.
… entgegen den auch noch in 2023 offiziellen Aussagen von Bundesregierung, Bundestag und Bundespräsident zur gesellschaftspolitischen und damit auch zur juristischen Verantwortung für die Verbrechen des Nazi-Terror-Verfolgungs- und Vernichtungsregimes.
Die hier mit eingangs benannt WIDERSPRUCH UND DIENSTAUFSICHTSBESCHWERDE beschwerte Staatsanwaltschaft Mosbach benennt zunächst die in der Anzeige benannten und verstorbenen NS-Haupttäter, deutscher Jurist und nationalsozialistischer Politiker Wilhelm Frick (verst. 16.10.1946) und nationalsozialistischer Rassenhygieniker Eugen Fischer (verst. 09.07.1967). Anschließend missachtet aber die STA MOS die fortgesetzte Verantwortlichkeit für die NICHT-Aufklärung und NICHT-Aufarbeitung von NS-Verbrechen, die sich seit 1945 bzw. seit 1949 im politisch administrativen System der BRD bis heute weitervererbt im Dominoprinzip von einer amtierenden Juristengeneration an die nächste, d.h. bis in die heutige. Die STA MOS benennt hier nicht die behördliche Verantwortungsfortsetzung im Dominioprinzip nach der Alters- bzw. Versterbensamnestie der NS-Haupttäter*innen, da es konkret KEINEN SCHLUSSSTRICH und KEINE VERJÄHRUNG für die Aufklärung, Aufarbeitung und Verantwortungsübernahme für NS-Verbrechen gemäß der geltenden BRD-Gesetzeslage sowie gemäß der Aussagen der benannten politischen BRD-Institutionen geben kann und soll. Die STA MOS missachtet hier dabei, dass sich damit auch die Verjährungsfristen für Strafvereitelung im Amt jeweils ebenso im Dominoprinzip aufsummieren und fortsetzen und zwar bis heute, bzw. bis die juristische Aufarbeitung benannter und angezeigter NS-Verbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit letztendlich erfolgt sein wird.
Die hier mit eingangs benannt WIDERSPRUCH UND DIENSTAUFSICHTSBESCHWERDE beschwerte Staatsanwaltschaft Mosbach benennt EXPLIZIT NICHT die seit 1945 verantwortlichen Mitarbeiter*innen bei der Staatsanwaltschaft Mosbach für die jeweiligen juristischen Aufklärungen und Aufarbeitungen von NS-Verbrechen, die sich nach NICHT-erfolgten Ermittlungen dann aber seit 1945 als weiterhin bestehende rechtsextremistische rassistische Sachverhalte bis heute fortsetzen.
Die hier mit eingangs benannt WIDERSPRUCH UND DIENSTAUFSICHTSBESCHWERDE beschwerte Staatsanwaltschaft Mosbach prüft hier nicht, ob und wann es im Zuge der angezeigten nationalsozialistischen Zwangssterilisierungen von Menschen mit afrikanischem Hintergrund zu Todesfällen gekommen ist, woraus sich dann zudem die NICHT-Verjährung von Mord bzw. Beihilfe zu Mord im Rahmen von nationalsozialistischen Gewaltverbrechen bzw. für deren bisher nicht-erfolgte Aufarbeitung ableitet.
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Michael Uhl
2. Online-Artikel zur medizinischen und juristischen Umsetzung der nationalsozialistischen Zwangssterilisierungspolitik
Opfer der in der NS-Zeit vorgenommenen Zwangssterilisierungen auf der Grundlage des Erbgesundheitsgesetzes wurden nicht als Opfer „typisch“ nationalsozialistischer Verfolgung betrachtet und erhielten keine Wiedergutmachungszahlungen. Denn auch unter rechtsstaatlichen Bedingungen sei Zwangssterilisation möglich gewesen (so bis 1991). Für „vergessene Opfer“ wurde 1990 ein „Härtefonds“ eingerichtet.[21]
1998 wurden die Zwangssterilisationsbeschlüsse der Erbgesundheitsgerichte durch Gesetz aufgehoben und im Mai 2007 wurde das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses durch den Bundestag zu einem NS-Unrechtsgesetz erklärt. Im Januar 2011 gestand der Bundestag den Opfern einen Entschädigungsanspruch im Rahmen des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes (AKG-Härterichtlinien) zu.[22]
https://de.wikipedia.org/wiki/Zwangssterilisation
Nachwuchs unerwünscht - Zwangssterilisation in der Zeit des Nationalsozialismus
Geschichte der Zwangssterilisationen in Württemberg
Dokument Zwangssterilisation Gesundheitsamt
alle Termine
13.06.2023 19:00 Uhr
Vortrag von Dr. Gudrun Silberzahn-Jandt
Circa 400.000 Männer und Frauen, darunter auch noch nicht einmal geschlechtsreife Mädchen und Jungen, wurden während des Nationalsozialismus zwangssterilisiert. Die rechtliche Grundlage bildete das 1933 erlassene Erbgesundheitsgesetz. Nach diesem wurden all diejenigen erfasst, die aufgrund einer Erkrankung oder Behinderung oder schlicht einer solchen Zuschreibung als nicht fortplanzungswürdig galten. Die Operation war mit einem großem Risiko verbunden. Reichsweit geht man von 5000 bis 6000 Todesfällen nach diesem chirurgischen Eingriff aus. Eine Verschärfung des Sterilisationsgesetzes 1935 ermöglichte gar eine Zwangsabtreibung bis zur 20. Schwangerschaftswoche. Viele der Betroffenen litten ihr Leben lang unter der Stigmatisierung. Die Anerkennung als Opfer zog sich über Jahrzehnte hin. Dass die Zwangssterilisation als Unrecht und Verbrechen gewertet wurde, ließ lange auf sich warten.
Die Esslinger Historikerin Dr. Gudrun Silberzahn-Jandt hat sich in verschiedenen Publikationen intensiv mit der Geschichte der Zwangssterilisationen in Württemberg beschäftigt und dazu auch intensiv in den Beständen des Staatsarchivs Ludwigsburg recherchiert. In dem Vortrag stellt sie Ergebnisse ihrer Forschungen vor.
Eintritt frei
Tags:
Vortrag, Staatsarchiv Ludwigsburg, Fachöffentlichkeit, Schule und Bildung, Wissenschaft und Forschung, Bildungsarbeit, 20. Jahrhundert
https://www.landesarchiv-bw.de/
Volk - Gesundheit - Staat
Gesundheitsämter im Nationalsozialismus
Der öffentliche Gesundheitsdienst erlebte in der Zeit des Nationalsozialismus eine bedeutende Aufwertung. Im Zuge seiner Neustrukturierung übernahmen die Gesundheitsämter eine zentrale Rolle in der Gesundheitspolitik. Sie wurden zu Schaltzentralen in der „Erb- und Rassenpflege“ ausgebaut, die die biologistischen Vorstellungen und Zielsetzungen des Staates umsetzen sollten. An zentralen Stellen kooperierten die Gesundheitsämter mit den unterschiedlichsten Institutionen und Organisationen des NS-Systems. Amtsärzte sorgten für die Umsetzung der „Erb- und Rassenhygiene“, entschieden über die Zugehörigkeit zum „rassistisch“ definierten „Volkskörper“ und hatten als Gutachter Einblick in die gesundheitliche und soziale Lage großer Teile der Bevölkerung. Eine bislang wenig beachtete Rolle spielten sie im System der Zwangsarbeit.
Die an der Berliner Charité entwickelte Wanderausstellung präsentiert Tätigkeitsbereiche der Gesundheitsämter während des Nationalsozialismus unter anderem am Beispiel des Landes Württemberg. Im Mittelpunkt steht die Umsetzung der „Erb- und Rassenpflege“, deren Grundsätze die Leitlinie für alle Tätigkeitsbereiche lieferten. Schließlich werden strukturelle, programmatische und personelle Kontinuitäten im öffentlichen Gesundheitsdienst der Nachkriegszeit betrachtet.
In Ludwigsburg wird die Ausstellung um Dokumente aus den Beständen des Staatsarchivs Ludwigsburg ergänzt.
- Flyer zur Ausstellung "Gesundheitsämter im Nationalsozialismus" >>> 75492 flyer-volk-gesundheit-staat-20-3-2023.pdf (pdf/1.93 MB)
Ausstellung
vom 25. April 2023
bis 21. Juli 2023
im Staatsarchiv Ludwigsburg
Anschrift
Staatsarchiv Ludwigsburg
Arsenalplatz 3
71638 Ludwigsburg
Telefon: 07141 64854–6310
E-Mail: staludwigsburg@la-bw.de
Anmeldung zu Führungen:
Telefon: +49 7141 64854-6310
E-Mail:staludwigsburg@la-bw.de
Öffnungszeiten der Ausstellung
Montag - Donnerstag 9.00 – 16.30 Uhr
Freitag 9.00 – 15.30 Uhr
Samstag, Sonntag, Feiertag geschlossen
https://www.landesarchiv-bw.de/
"Tötung in einer Minute." Quellen zur Euthanasie im Staatsarchiv Ludwigsburg.
Zwangssterilisation Erbkranker I
ThemenPräsentationen + Themenzugänge
Die Tötung Erbkranker besitzt eine bis ins 19. Jahrhundert zurückreichende Vorgeschichte. Ausgehend von sozialdarwinistischen Vorstellungen, wurden Ideen der Rassenhygiene und der Eugenik propagiert und dem Staat die Aufgabe zugewiesen, die natürliche Auslese zu steuern und zu verstärken.
Der Nationalsozialismus griff diese Ideen auf und erhob die Forderung, die Träger von "erblicher Minderwertigkeit" an der Fortpflanzung zu hindern. Das Gesetz zur Verhütung erbranken Nachwuchses vom 14. Juli 1933 schuf die Grundlage für die Zwangssterilisation von rund 500.000 Menschen. Es erzwang die Sterilisation von Männer und Frauen, die an Schwachsinn, Schizophrenie, Epilepsie, Taub- und Blindheit sowie an angeborenen körperlichen Missbildungen litten. Die Zwangssterilisation eskalierte jedoch schon bald in der Forderung nach der "Vernichtung lebensunwerten Lebens".
https://www.landesarchiv-bw.de/
2.1 Online-Artikel zur NS-Zwangssterilisierung von von Menschen afrikanischer Herkunft und von Deutsch-Afrikanischen Mischlingskindern
Die in der Zeit der alliierten Rheinlandbesetzung während der Weimarer Republik geborenen deutschen Kinder einiger schwarzer Soldaten und deutscher Frauen wurden als Schwarze Schmach und „Gefahr für die deutsche Rassenreinheit“ bezeichnet. Sie wurden als sogenannte „Rheinlandbastarde“ später von den NS-Behörden erfasst und bis 1937 zwangssterilisiert, wobei dies nicht auf Grundlage des GzVeN erfolge.[18]
https://de.wikipedia.org/wiki/
Zur Zeit des Abzuges der letzten französischen Besatzungstruppen im Jahre 1930 erinnerte die NS-Presse an die „Schwarze Schmach“. „Der Stürmer“ griff dabei das Thema der „Bastardisierung“ erneut auf: „Die Besatzung ist fort, die Besetzung bleibt [...]. Hohnlachend verkünden es die Zeitungen des Diktators Alljuda: 15.000 Kinder bleiben im deutschen Lande am Rhein zurück! 15.000 Kinder von schwarzen und weißen Franzosen, von deutschen Frauen und Mädchen zur Welt gebracht! 15.000 Kinder mit dem Blute von Mongolen, Negern und Juden. 15.000 Bastarde (Mischlinge) bleiben zurück und wachsen heran und werden Bürger des deutschen Staates und Giftträger für's deutsche Blut. 15.000 Bastarde [...] bringen zur Verwesung, was noch deutsch war und darum gut.“[25]
In den ersten Jahren des „Dritten Reiches“ erschienen dann mehrere Heimatromane, in denen die Stationierung von Kolonialtruppen im Rheinland als Höhepunkt der Demütigungen nach der Niederlage im Weltkrieg erschien. Anlässlich der Remilitarisierung des Rheinlandes im Jahre 1936 wurde eine Medaille in Umlauf gesetzt, die auf der Vorderseite die Umrisse des Rheinlandes und das Hakenkreuz zeigte und auf der Rückseite einen schwarzen Soldaten, der eine weiße Frau attackierte.[26] Schon 1933 wurde mit der Erfassung und anthropologischen Untersuchung der Mischlingskinder im Rheinland begonnen. Total wurden 385 Kinder erfasst, ihre Gesamtzahl schätzte man aber auf 500 bis 800. Von verschiedenen Seiten wurde nun – wie vereinzelt schon in den zwanziger Jahren – die Sterilisierung dieser „Rheinlandbastarde“ gefordert. Im Sommer 1937 wurde dann unter strengster Geheimhaltung damit begonnen, die Mischlingskinder zu sterilisieren.[27]
Nach dem Angriff auf Frankreich im Frühjahr 1940, das sich unter anderem auch mit kolonialen Einheiten zu verteidigen versuchte, griff die NS-Propaganda das Thema der afrikanischen Besatzungstruppen im Rheinland erneut auf.[28][29] Während des Westfeldzuges fiel eine große Zahl afrikanischer Soldaten in deutsche Hände. Verschiedentlich wurden sie auf der Stelle ermordet. Die Gesamtzahl der Opfer dieser Massaker wird auf mehrere Tausend geschätzt.[30]
https://de.wikipedia.org/wiki/Schwarze_Schmach
113. C.M.B. (zwangssterilisiertes Mädchen aus Koblenz)
Mahnmal Koblenz Ein virtueller Gedenkort für Koblenz, das nördliche Rheinland-Pfalz und Deutschland
Die Dauerausstellung/Die Personentafeln/113. C.M.B. (zwangssterilisiertes Mädchen aus Koblenz)
Am 7. April 1922 wird C.M.B in Koblenz geboren. Zu dieser Zeit steht das linksrheinische Gebiet, und damit auch Koblenz, unter alliierter Besatzung. Nach dem vom Deutschen Kaiserreich verlorenen I. Weltkrieg war ab Dezember 1918 amerikanisches Militär hier einmarschiert und hatte Verwaltungs- und Justizaufgaben übernommen. Für den Umgang der Amerikaner und Deutschen miteinander hatten sie Regeln aufgestellt. Dazu gehörte das Verbot des „Fraternisierens“. Untersagt war das „Anbandeln“ amerikanischer Soldaten mit deutschen Mädchen und Frauen und umgekehrt. Das zunächst strikte Verbot wurde schon bald gelockert und ein solcher Kontakt in gewisser Weise geduldet.
So kommt es, dass sich C.M.B.s Mutter, die deutsche Staatsangehörige ist, mit einem amerikanischen Soldaten namens Mendiola einlässt. Aus dieser Beziehung geht C.M.B. hervor. Weil ihr Vater ein Farbiger ist, ist sie ein „Mischlingskind“, dem man das auch ansieht. C.M.B. kommt nichtehelich zur Welt, ihr leiblicher Vater heiratet ihre Mutter nicht und erkennt auch seine Vaterschaft nicht an. So hat C.M.B. die deutsche Staatsangehörigkeit ihrer Mutter und wächst bei ihr in Koblenz auf. Sie steht unter Vormundschaft des Jugendamtes Koblenz.
Schon länger sind vor allem Medizinern und Juristen solche „Mischlingskinder“ ein Dorn im Auge. Man empfindet sie als „Schwarze Schmach am Rhein“ und befürwortet zur „Reinerhaltung der Rasse“ ihre Sterilisation.
Die Nazis greifen diese „Stimmung“ auf. Ein gewisser Dr. (Leertaste) Hans Macco schreibt in seiner Schrift: „Rassenprobleme im Dritten Reich“:
(Es) gilt zunächst noch ein Überbleibsel der Schwarzen Schmach am Rhein auszumerzen. Diese Mulattenkinder sind entweder durch Gewalt entstanden oder die weiße Mutter war eine Dirne. (…) So stelle ich als Rheinländer die Forderung auf: Sterilisierung aller Mulatten, die uns die Schwarze Schmach am Rhein hinterlassen hat.
13. April 1933 Der Preußische Innenminister Göring äußert gegenüber den rheinischen Regierungspräsidenten den Wunsch, eine Statistik über diese „Mischlingskinder“ zu erhalten. Der Regierungspräsident von Koblenz meldet 24 solcher „Mischlingskinder“.
14. Juli 1933 Die nationalsozialistische Regierung erlässt das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“. Dies erlaubt eine (Zwangs-)Sterilisation, allerdings „nur“ von Erbkranken. Aufgrund dieses Gesetzes können keine farbigen Kinder unfruchtbar gemacht werden.
Frühjahr 1937 Bei der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) in Berlin wird eine „Sonderkommission 3“ gebildet. Sie hat den Auftrag, die „Rheinlandbastarde“ unauffällig zu sterilisieren. Es werden drei Kommissionen gebildet. Die Kommission III hat ihren Sitz in Koblenz. Dieser Kommission leistet die Geheime Staatspolizei über ihre Staatspolizei(leit)stellen Amtshilfe, über sie läuft der Schriftverkehr der Kommission.
11. Mai 1937 Auch C.M.B. wird in diese „Aktion“ einbezogen. Der Leiter der Staatspolizei(leit)stelle Koblenz übersendet einen Bericht über C.M.B. an die Gestapo in Berlin und legt die Vormundschaftsakten des Jugendamtes Koblenz vor. Der gesamte Vorgang ist Geheime Reichssache.
28. Mai 1937 Die Kommission III verhandelt in Koblenz über C.M.B. Sie ist die „Nummer 43 der Nachweisung“. Anwesend sind ein Regierungsrat als Vorsitzender, ein Amtsarzt, ein Vertreter des Reichsärzteführers und ein Professor als sachverständiger Anthropologe sowie C.M.B.s Mutter. In der Sitzung erklärt sich die Mutter mit der Unfruchtbarmachung von C.M.B. einverstanden.
2. Juni 1937 Zur zweiten Sitzung der Kommission wird auch C.M.B. aus der „Landhilfe“ vorgeführt. Ihre Mutter und ihr Vormund willigen in die Sterilisation ein. Die Kommission fasst folgenden Beschluss: Die deutsche Staatsangehörige (…) ist Abkömmling eines Angehörigen der farbigen ehemaligen Besatzungstruppen und weist eindeutig entsprechende Merkmale auf. Sie ist deshalb unfruchtbar zu machen.
Am selben Tag wird C.M.B. in die Universitäts-Frauenklinik in Bonn aufgenommen und sterilisiert. Die Operation und die Heilung verlaufen „ganz glatt“.
14. Juni 1937 Das Jugendamt Koblenz holt C.M.B. in der Universitäts-Frauenklinik ab.
COPYRIGHT © 2023 MAHNMAL KOBLENZ
https://www.mahnmal-koblenz.de/
Siehe auch:
- HISTORISCHES & AKTUELLES: NS-Opfer afrikanischer Herkunft >>> - NS-Verfolgung, Medizinische Experimente, KZ-Internierung, Ermordung, Zwangssterilisierung von Afrikanern und von deutsch-Afrikanischen Mischlingskindern, etc. - Diskriminierung von Menschen afrikanischer Herkunft vor und nach 1945 >>>
- HISTORISCHES & AKTUELLES: Deutsche Kolonialgeschichte und Kolonialpolitik als Vorbereitung nationalsozialistisch-rassistischer Diskriminierung und Verfolgung >>>
- HISTORISCHES & AKTUELLES: Medizinische und juristische Umsetzung der nationalsozialistischen Zwangssterilisierungspolitik, u.a. auch in Mosbach - Baden >>>
- HISTORISCHES & AKTUELLES: ENTSCHÄDIGUNG VON NS-VERFOLGTEN UND NS-OPFERN : Antrag vom 06.08.2022 an das Amtsgericht Mosbach für Wiederaufnahmeverfahren zur Wiedergutmachung für die Angehörigen von NS-Verfolgten und NS-Opfern afrikanischer Herkunft: Hier Martha Ndumbe >>>
- AKTUELLES: Diskriminierung von Menschen mit afrikanischer Herkunft seit 1945 >>>
Die Nazis greifen die ,,Stimmung“ gegenüber den ,,Rheinland-Bastarden“ auf.
Der Aachener Dr. Hans Nlacco schreibt in seinem Buch ,,Rassenprobleme im Dritten Reich“ Berlin 1933, Seite 13 f :
Ein anderer wesentlicher Grund für unsere Rassenverschlechterung liegt in der Vermischung mit den für uns fremden Rassen. Da gilt es zunächst noch ein Überbleibsel der Schwarzen Schmach am Rhein auszumerzen. Diese Mulattenkinder sind entweder durch Gewalt entstanden oder die weiße Mutter war eine Dirne. In beiden Fällen besteht nicht die geringste moralische Verpflichtung gegenüber dieser fremdrassigen Nachkommenschaft. Etwa 14 Jahre sind inzwischen vergangen; wer von diesen Mulatten noch lebt, wird nun in das zeugungsfähige Alter eintreten, es bleibt also nicht mehr viel Zeit zu langen Erörterungen. Mögen Frankreich und andere Staaten mit ihren Rassefragen fertig werden wie sie wollen, für uns gibt es nur eins: Ausmerzung von allem Fremden, ganz besonders in diesen durch brutale Gewalt und Unmoral entstandenen Schäden. So stelle ich als Rheinländer die Forderung auf: Sterilisierung äller Mulatten, die uns die Schwarze Schmach am Rhein hinterlassen hat! Diese Maßnahme muss innerhalb der nächsten zwei Jahre durchgeführt sein, sonst ist es zu spät, und noch in Jahrhunderten wird sich diese Rassenverschlechterung geltend machen. Mit der gesetzlichen Verhinderung einer Verheiratung mit Rassefremden wird sich nichts erreichen lassen, denn was nicht auf legalem Weg möglich ist, geschieht illegitim.
https://www.mahnmal-koblenz.de/
Siehe auch:
- HISTORISCHES & AKTUELLES: NS-Opfer afrikanischer Herkunft >>> - NS-Verfolgung, Medizinische Experimente, KZ-Internierung, Ermordung, Zwangssterilisierung von Afrikanern und von deutsch-Afrikanischen Mischlingskindern, etc. - Diskriminierung von Menschen afrikanischer Herkunft vor und nach 1945 >>>
- HISTORISCHES & AKTUELLES: Deutsche Kolonialgeschichte und Kolonialpolitik als Vorbereitung nationalsozialistisch-rassistischer Diskriminierung und Verfolgung >>>
- HISTORISCHES & AKTUELLES: Medizinische und juristische Umsetzung der nationalsozialistischen Zwangssterilisierungspolitik, u.a. auch in Mosbach - Baden >>>
- HISTORISCHES & AKTUELLES: ENTSCHÄDIGUNG VON NS-VERFOLGTEN UND NS-OPFERN : Antrag vom 06.08.2022 an das Amtsgericht Mosbach für Wiederaufnahmeverfahren zur Wiedergutmachung für die Angehörigen von NS-Verfolgten und NS-Opfern afrikanischer Herkunft: Hier Martha Ndumbe >>>
- AKTUELLES: Diskriminierung von Menschen mit afrikanischer Herkunft seit 1945 >>>
Arte-Dokumentation "Sie nannten sie die Kinder der Schande"
Veröffentlichungsdatum
17.11.2020
Die nationalsozialistische Rassenpolitik basierte auf einer Reihe pseudowissenschaftlicher Werke über die angebliche "Ungleichheit der Menschenrassen" und die "arische Herrenrasse". Die Ideologie vom "homogenen, erbgesunden, deutschen Volkskörper" hatte den Ausschluss ganzer Bevölkerungsgruppen zur Folge.
Im Frühjahr 1937 wurde in der Berliner Zentrale der Gestapo die sogenannte „Sonderkommission 3“ gebildet. Sie hatte mit dem Auftrag, die Sterilisierung aller Kinder von französischen und amerikanischen Besatzungssoldaten mit deutschen Frauen aus der Zeit der Rheinlandbesetzung (den sogenannten „Rheinlandbastarden“) durchzuführen.
Die eindringliche wie bemerkenswerte Arte-Dokumentation "Sie nannten sie die Kinder der Schande" berichtet über dieses spezielle Kapitel der NS-Schreckensherrschaft, das sich in den linksrheinischen Gebieten ereignet hatte. Online ist der TV-Beitrag noch bis zum 09.12.20 abrufbar. Weiterführend hatte Dr. Gisela Tascher 2016 im SÄB über diese Zwangssterilisationen und ihre juristische "Aufarbeitung" in der Nachkriegszeit an der Saar berichtet: NS-Zwangssterilisationen: Handeln auf Befehl des Führers.
https://www.aerztekammer-saarland.de/
Siehe auch:
- HISTORISCHES & AKTUELLES: NS-Opfer afrikanischer Herkunft >>> - NS-Verfolgung, Medizinische Experimente, KZ-Internierung, Ermordung, Zwangssterilisierung von Afrikanern und von deutsch-Afrikanischen Mischlingskindern, etc. - Diskriminierung von Menschen afrikanischer Herkunft vor und nach 1945 >>>
- HISTORISCHES & AKTUELLES: Deutsche Kolonialgeschichte und Kolonialpolitik als Vorbereitung nationalsozialistisch-rassistischer Diskriminierung und Verfolgung >>>
- HISTORISCHES & AKTUELLES: Medizinische und juristische Umsetzung der nationalsozialistischen Zwangssterilisierungspolitik, u.a. auch in Mosbach - Baden >>>
- HISTORISCHES & AKTUELLES: ENTSCHÄDIGUNG VON NS-VERFOLGTEN UND NS-OPFERN : Antrag vom 06.08.2022 an das Amtsgericht Mosbach für Wiederaufnahmeverfahren zur Wiedergutmachung für die Angehörigen von NS-Verfolgten und NS-Opfern afrikanischer Herkunft: Hier Martha Ndumbe >>>
- AKTUELLES: Diskriminierung von Menschen mit afrikanischer Herkunft seit 1945 >>>
NS-Zwangssterilisationen: Handeln auf Befehl des Führers
Deutsches Ärzteblatt
Archiv Deutsches Ärzteblatt10/2016
THEMEN DER ZEIT
Dtsch Arztebl 2016; 113(10): A-420 / B-353 / C-353
Tascher, Gisela
Die illegale und streng geheime Zwangssterilisation der „Rheinlandbastarde“ von 1937 und die Strafverfolgung der ärztlichen Täter nach 1945.
Vor dem Landgericht Saarbrücken begann im August 1947 ein Strafprozess gegen drei Ärzte wegen „eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit gemäß dem alliierten Kontrollratsgesetz Nr. 10 (KRG 10) von 1945“. Der Tatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung mit anschließendem Verlust der Zeugungsfähigkeit, der den Ärzten in der Anklage zur Last gelegt wurde, lag schon ein Jahrzehnt zurück. Zur Tatzeit 1937 war die Zwangssterilisation von Kindern deutscher Frauen und afrikanischer Besatzungssoldaten aus der Zeit der Rheinlandbesetzung nach dem Ersten Weltkrieg (1918–1926), den sogenannten „Rheinlandbastarden“, nach dem Gesetz nicht zulässig und rein „rassenhygienisch“ und „erbbiologisch“ begründet.
Angeklagt waren auf der Befehlsebene zwei ehemalige hohe Medizinalbeamte und Multifunktionäre des NS-Staates, Obermedizinalrat (OMR) Dr. med. Horst Friedel und OMR Dr. med. Max Obé, und auf der Ebene der Ausführenden der NS-konforme Chefarzt der Frauenklinik am Bürgerhospital Saarbrücken, Dr. med. Karl H. Kiefer. Friedel und Obé bezichtigten sich im Verlauf des Prozesses gegenseitig, federführend die Zwangssterilisationen der „Besatzungsmischlinge“ im Saarland vorbereitet, organisiert und überwacht zu haben. Hierzu ein Zitat von Friedel aus den Prozessakten: „1937 erhielt ich von einem Dienstvorgesetzten Dr. Obé den Auftrag, sogenannte Rheinlandbastarde ärztlich zu untersuchen. Es handelte sich hierbei um Personen, die aus einem Geschlechtsverkehr zwischen deutschen Mädchen und Mitgliedern ausländischer Besatzungstruppen artfremden Blutes stammten und die deutsche Staatsangehörige waren. Diese Bastarde sollten aufgrund eines Führerbefehls sterilisiert werden; die Durchführung lag dem Innenministerium ob. Für diese Sterilisation war erforderlich, den Gesundheitszustand der betreffenden Personen zuvor festzustellen, um jederzeit nachweisen zu können, ob durch die Operation eine Gesundheitsbeschädigung stattgefunden hatte oder nicht. . . . An wie vielen Sitzungen der Kommission ich teilgenommen habe, kann ich nicht sagen.“ Obé habe in seiner Aussage während des Prozesses bestritten, Friedel einen derartigen Auftrag erteilt zu haben, wird in den Prozessakten ausgeführt. „Dr. Obé bestreitet jedoch, einen derartigen Auftrag erteilt zu haben. Er räumt jedoch ein, dass es nicht völlig ausgeschlossen sei, dass er damals durch seinen Vorgesetzten aufgefordert wurde, den Angeschuldigten Dr. Friedel zwecks Teilnahme an einer Kommission zur Untersuchung von sogenannten ,Rheinlandkindern‘zu benennen.“
Verfahren werden eingestellt
Auch die von Kiefer benannten ärztlichen Zeugen sowie alle Angeklagten beteuerten, im Rahmen der Zwangssterilisationen „auf Befehl des Führers“ gehandelt zu haben (1). Alle drei angeklagten Ärzte sowie die meisten Zeugen waren Mitglied der NSDAP und des Nationalsozialistischen Deutschen Ärztebundes (NSDÄB), der ärztlichen Kampforganisation innerhalb der NSDAP (2). Von den angeklagten Ärzten wurde keiner für sein rechtswidriges und „unärztliches“ Handeln zur Rechenschaft gezogen. Keiner der angeklagten Ärzte und auch keiner der an den Zwangssterilisationen beteiligten Zeugen zeigte während des Prozesses ein Unrechtsbewusstsein dafür, dass gesunde Patienten vorsätzlich operiert und damit gesundheitlich geschädigt wurden. Dabei war allen Beteiligten bewusst, dass die Zwangssterilisation der „Besatzungsmischlinge“ streng geheim und nicht gesetzlich gedeckt war.
Vom Landgericht Saarbrücken wurden Horst Friedel und Max Obé am 14. April 1949 freigesprochen. Den Einspruch des Staatsanwalts wies das Oberlandesgericht (OLG) am 1. Juni 1949 ab: „1. Der Angeschuldigte Dr. Max Obé wird aus tatsächlichen Gründen außer Verfolgung gesetzt. 2. Gegen den Angeschuldigten Dr. Horst Friedel wird das Verfahren vorläufig eingestellt.“ Friedel praktizierte zu dieser Zeit in Salzgitter als Arzt, war aber durch die Bescheinigung eines Kollegen nicht reisefähig. Am 26. Juli 1958 wurde das Verfahren gegen ihn auf der Grundlage des Gesetzes Nr. 556 (über die Gewährung von Straffreiheit vom 22. Dezember 1956) endgültig eingestellt (3). Obé wurde trotz seiner bekannten NS-Vergangenheit am 26. Januar 1950 zum ersten Vorsitzenden der Ärztekammer Saar gewählt (7).
Streng geheimer Führerbefehl
Im Frühjahr 1937 ordnete der Reichsminister des Innern auf der Grundlage eines streng geheimen „Führerbefehls“ von Adolf Hitler (vom 18. April 1937, nochmals bestätigt am 7. Mai 1937 nach einem Einspruch des Auswärtigen Amtes) die Sterilisation der sogenannten „Rheinlandbastarde“ im Rahmen einer geheimen Sonderaktion der Gestapo an (4). Daraufhin wurde für diesen Auftrag bei der Gestapo in Berlin die „Sonderkommission 3“ gebildet, der vom Reichsministerium des Innern alle vorliegenden Unterlagen zu den betroffenen Kindern zur Verfügung gestellt wurden. Mit der „erbbiologischen Bestandsaufnahme“ der gesamten reichsdeutschen Bevölkerung war bereits 1933 begonnen worden. Fehlende Unterlagen, wie etwa Vormundschaftsakten, waren bei den zuständigen Amtsgerichten angefordert worden. Nach dem Abschluss der streng geheimen Aktion sollten alle Akten im Reichsministerium des Innern zusammenlaufen und keine auf der unteren Ebene zurückbleiben.
Im Reichsgebiet bildete man drei Kommissionen, die von Beamten der Gestapo geleitet wurden und die über die durchzuführende Sterilisation im Einzelfall entscheiden sollten. Neben zwei ärztlichen Mitgliedern, einem Protokollführer und einem Fotografen gehörten den Kommissionen „anthropologische Gutachter“ an, die Gutachten über die „rassische“ Zugehörigkeit der Kinder anfertigen sollten. Zu diesen Gutachtern gehörten Wissenschaftler wie Prof. Dr. med. Eugen Fischer, Prof. Dr. Wolfgang Abel, Prof. Dr. Herbert Göllner und Dr. Engelhard Bühler vom „Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik“ (KWI) in Berlin-Dahlem, die auch Blut- und Haarproben von den Sterilisierten in Berlin untersuchten. Die Kommission I hatte ihren Sitz in Wiesbaden, die Kommission II in Ludwigshafen und die Kommission III in Koblenz (5).
Mit der Vorbereitung und Organisation der Sterilisation der saarländischen „farbigen Bastarde“ wurde der Leiter der „erbbiologischen Landeszentrale“ des Saarlandes mit Sitz in Saarbrücken, MR Dr. med. Horst Friedel, betraut. Unterstellt war er Regierungsdirektor OMR Dr. med. Max Obé, dem höchsten Medizinalbeamten des Saarlandes. Horst Friedel sollte im Auftrag der NSDAP eine „einheitliche und weltanschauungsmäßig richtig liegende Bearbeitung dieser Aufgaben“ im Saarland gewährleisten. Im Rahmen dieser Tätigkeit leitete er auch den „Sonderauftrag des Reichsministers des Innern für die Sterilisierung der Besatzungsmischlinge des Saarlandes“ unter Einbeziehung sämtlicher Amtsärzte, Gesundheitsämter, Wohlfahrtsämter, Landräte, Bürgermeister, Polizeidienststellen und Standesämter des Saarlandes. Bereits im November 1936 wurden von der „erbbiologischen Landeszentrale“ alle Landräte des Saarlandes „zur Erfassung der ‚farbigen Bastarde‘, die aus der Zeit der fremdländischen Besatzung des Saarlandes stammen“, angeschrieben. Auf diese Tätigkeit war Horst Friedel in der 1935 gegründeten „Führerschule der deutschen Ärzteschaft“ in Alt-Rehse und in der 1933 gegründeten und für alle Amtsärzte des NS-Staates verpflichtenden „Staatsmedizinischen Akademie“ in Berlin-Charlottenburg vorbereitet worden (6).
Bei der Beurteilung des geistigen und seelischen Zustandes der erfassten „Besatzungsmischlinge“ durch die Amtsärzte sollten „alle etwaigen Anzeichen der Minderwertigkeit“ beim Gesundheitsamt dokumentiert werden. Von jedem „Besatzungsmischling“ wurden drei Lichtbilder der Größe 6 x 9 oder 9 x 12 cm angefertigt, die den unbekleideten Oberkörper von vorne und seitlich erkennen ließen, um die „eventuellen fremdrassigen Merkmale“ besser sehen und dokumentieren zu können (7).
Durchführung unter Zwang
Die Gesamtzahl der im Saarland erfassten, begutachteten und dann zwangssterilisierten Personen ist nicht bekannt. Es gibt aber aus dem Jahr 1936 verschiedene Meldelisten der Landräte des Saarlandes (Kreis Saarbrücken-Land und Kreis St. Ingbert) an die „Erbbiologische Landeszentrale“ des Saarlands, in denen Name, Geburtsdatum und teilweise Eltern der dort registrierten „Besatzungsmischlinge“ vermerkt sind (8). Diese Listen werden ergänzt durch die Angaben zur Identität der Zwangssterilisierten aus den Strafprozessakten vom Landgericht Saarbrücken aus dem Jahr 1947.
In diesen Prozessakten ist auch eine auszugsweise Abschrift des Operationsbuches der geburtshilflich-gynäkologischen Abteilung des Bürgerhospitals Saarbrücken von 1937 enthalten, in denen fünf Sterilisationen von weiblichen „Besatzungsmischlingen“ zwischen Juni und September 1937 dokumentiert sind. Dokumentiert sind darin auch die Dauer der Operation, der Operateur, die Operationstechnik und die Methode der Narkose. Insgesamt konnten die Namen von 18 im Saarland erfassten „Besatzungsmischlingen“ (fünf davon männlich) recherchiert werden.
Die „Besatzungsmischlinge“ wurden 1937 gemeinsam mit ihren Müttern in das speziell für diesen Tag wegen Geheimhaltung geräumte Gesundheitsamt Saarbrücken einbestellt und von den dazu bestimmten Mitgliedern der Kommission II ärztlich untersucht und begutachtet, anthropologisch vermessen und fotografiert. Schon kurz nach der Untersuchung wurden die Betroffenen gegen ihren Willen in einem Fahrzeug der Gestapo Saarbrücken, das vor dem Gesundheitsamt bereitstand, zum Bürgerhospital in Saarbrücken gebracht, wo für sie in Absprache mit dem ärztlichen Direktor und unter Umgehung der Krankenhausverwaltung im Keller ein vergittertes Krankenzimmer eingerichtet war. Vor diesem Zimmer hielt ein Kriminalbeamter Wache. Die Zwangssterilisationen wurden meist am nächsten Tag von den Ärzten des Bürgerhospitals durchgeführt; diese führten bereits seit 1935 die Zwangssterilisationen und Zwangsabtreibungen nach dem „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ („Erbgesundheitsgesetz“) vom 14. Juli 1933 aus (9).
Vorgehen gegen „Erbkranke“
Das „Erbgesundheitsgesetz“, das am 1. Januar 1934 in Kraft getreten war, „legalisierte“ die zwangsweise „Unfruchtbarmachung von Erbkranken“, „wenn nach den Erfahrungen der ärztlichen Wissenschaft“ mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten war, dass die Nachkommen dieser „Erbkranken“ an schweren körperlichen und geistigen Erbschäden leiden würden. Als „Erbkranker“ galt, wer an folgenden Krankheiten litt: angeborener Schwachsinn, Schizophrenie, zirkuläres manisch-depressives Irresein, erbliche Fallsucht, erblicher Veitstanz (Chorea Huntington), erbliche Blindheit, Taubheit, schwere erbliche körperliche Missbildung sowie schwerer Alkoholismus.
Schon in den 1920er Jahren wurden die Beziehungen deutscher Frauen zu französischen Besatzungssoldaten aus den afrikanischen Kolonien skandalisiert. Foto: Archiv
Antragsberechtigt für die „Vornahme des unfruchtbar machenden Eingriffs“ war nur der „Erbkranke“, der beamtete Arzt oder der Leiter einer Kranken-, Heil- oder Pflegeanstalt. Der politische Hintergrund dieses Gesetzes waren die „bevölkerungs- und rassenpolitischen“ Grundsätze der NSDAP und des NS-Staates. Im Mittelpunkt dieser Grundsätze standen die „Ausschaltung Erbuntüchtiger von der Fortpflanzung“, die Bekämpfung der „Rassenmischung“ und die „bewusste Förderung wertvoller gesundheitlich und rassisch erbtüchtiger kinderreicher Familien“. Der „rassische Verfall“ und die Kinderlosigkeit des deutschen Volkes wurden als eine „Bedrohung der zukünftigen Weltgeltung des deutschen Volkes“ gesehen, der man so entschieden entgegentreten wollte. Genannt wurden aber auch wirtschaftliche Argumente, wobei vor allem die steigenden Ausgaben des deutschen Reiches für „erblich Belastete, Trinker, Psychopathen, erblich belastete Verbrecher und Asoziale“ und der „steigende Ausfall an Verbrauchern“ durch eine zu geringe Geburtenrate thematisiert wurden. Die größte wirtschaftliche Belastung für das deutsche Volk stellten aber innerhalb dieser Argumentation die „anstaltsmäßig untergebrachten Geisteskranken“ dar. Zu den „erblich Belasteten“ rechnete die NSDAP vor allem „Erbkrüppel“, Blinde, Taubstumme, geistig Gebrechliche, Schwachsinnige und Hilfsschüler. Die Einordnung der „Schwachsinnigen leichterer Form“ in diesen Personenkreis öffnete der Willkür Tür und Tor, da eine Nichteinordnung in traditionelle Lebensformen des NS-Staates auch schon als „leichter Schwachsinn“ ausgelegt werden konnte (10).
Diese Erfahrung machte auch die Mutter eines im Bürgerhospital in Saarbrücken zwangssterilisierten Mädchens, was aus den Strafprozessakten von 1947 hervorgeht. Sophie S. wurde im Juni 1937 zusammen mit ihrer Tochter Gerda, die damals 17 Jahre alt war, in das Gesundheitsamt Saarbrücken vorgeladen und der Kommission II vorgeführt. Gerda S. wurde ärztlich untersucht, gemessen und fotografiert. Ihr wurden auch einige Haare abgeschnitten. Den Frauen wurden zahlreiche Fragen gestellt. Besonders der Mutter wurden von dem Arzt sofort schwerste Vorhaltungen gemacht, weil sie als deutsche Frau ein Verhältnis mit einem Anamiten eingegangen war. Ihr wurde nach der Untersuchung mitgeteilt, dass ihre Tochter sterilisiert werden müsste, womit sie aber nicht einverstanden war. Außerdem wurde ihr mitgeteilt, dass sie selbst wegen ihrer angeblichen „Geistesschwäche“ auch sterilisiert werden müsste. Ihre Tochter wurde gleich nach der Untersuchung von der Gestapo in das Bürgerhospital gebracht und am nächsten Tag zwangssterilisiert. Die Mutter Sophie S. wurde dann später zunächst in das Gesundheitsamt Saarbrücken und danach in das Vormundschaftsgericht Saarbrücken vorgeladen und von einer Kommission untersucht. Sie wurde dort wiederholt Intelligenztests unterzogen. Schließlich wurde sie nicht sterilisiert mit der Begründung, dass sie ja schon sechs Kinder großgezogen habe (11).
Zitierweise dieses Beitrags:
Dtsch Arztebl 2016; 113(10): A 420–2
Anschrift der Verfasserin
Dr. med. dent. Gisela Tascher
Holzerplatz 4
66265 Heusweiler
www.dres-tascher.de
Ausführliche Informationen
zum Führerbefehl, Kurzbiografien
der Täter, Literatur und
Quellenverzeichnis im Internet:
www.aerzteblatt.de/lit1016
oder über QR-Code
https://www.aerzteblatt.de/archiv/175272/NS-Zwangssterilisationen-Handeln-auf-Befehl-des-Fuehrers
Siehe auch:
- HISTORISCHES & AKTUELLES: NS-Opfer afrikanischer Herkunft >>> - NS-Verfolgung, Medizinische Experimente, KZ-Internierung, Ermordung, Zwangssterilisierung von Afrikanern und von deutsch-Afrikanischen Mischlingskindern, etc. - Diskriminierung von Menschen afrikanischer Herkunft vor und nach 1945 >>>
- HISTORISCHES & AKTUELLES: Deutsche Kolonialgeschichte und Kolonialpolitik als Vorbereitung nationalsozialistisch-rassistischer Diskriminierung und Verfolgung >>>
- HISTORISCHES & AKTUELLES: Medizinische und juristische Umsetzung der nationalsozialistischen Zwangssterilisierungspolitik, u.a. auch in Mosbach - Baden >>>
- HISTORISCHES & AKTUELLES: ENTSCHÄDIGUNG VON NS-VERFOLGTEN UND NS-OPFERN : Antrag vom 06.08.2022 an das Amtsgericht Mosbach für Wiederaufnahmeverfahren zur Wiedergutmachung für die Angehörigen von NS-Verfolgten und NS-Opfern afrikanischer Herkunft: Hier Martha Ndumbe >>>
Sterilisierung der „Rheinlandbastarde“
Wolfgang Abel, ”Bastarde am Rhein”, in: Neues Volk. Blätter des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP, Leipzig, 2 (1934)
Im Frühjahr 1937 wurde in der Prinz-Albert-Straße, dem Sitz der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) in Berlin, die sogenannte „Sonderkommission 3“ gebildet, mit dem Auftrag, die Sterilisierung aller Kinder von französischen und amerikanischen Besatzungssoldaten aus der Zeit der Rheinlandbesetzung mit deutschen Frauen (den sogenannten „Rheinlandbastarden“) durchzuführen. Das Reichsministerium des Innern, das zuvor in jahrelanger systematischer Kleinarbeit und in Zusammenarbeit mit lokalen Behörden und Wohlfahrtsverbänden wie der Deutschen Caritas e.V. recherchiert hatte, stellte dazu die nötigen Unterlagen, die jedes Kind genau erfassten, zur Verfügung. Nach Abschluss der Aktion, die streng geheim gehalten wurde, waren mehrere hundert Jugendliche zwangsweise sterilisiert. Niemand von ihnen hat bis heute eine Entschädigung erhalten. Eine Anerkennung als Opfer des Nationalsozialismus blieb diesen Menschen versagt.
https://museenkoeln.de/ausstellungen/
Die Sterilisierung der "Rheinlandbastarde" (1937)
Im Namen der "Rassenreinheit" wurden 1937 fast 400 ethnisch und rassisch "gemischte" Kinder zwangssterilisiert. Die Väter dieser Kinder waren schwarzafrikanische, arabische und vietnamesische Angehörige der französischen Kolonialarmee und gehörten zu den Alliierten Truppen, die das Rheinland nach dem 1. Weltkrieg besetzt hatten.
Bild: Jüdisches Museum, Berlin
Da das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses sich nur auf Personen mit spezifischen "Erbkrankheiten" erstreckte, wurde die Sterilisation der "Rheinlandbastarde" in einer geheimen, illegalen Aktion durchgeführt und von der Gestapo koordiniert. Gesundheitsbeamte und Wissenschaftler wurden von der Polizei abkommandiert, um Kinder zu finden, die hinsichtlich ihres rassischen Hintergrundes zu begutachten und dann in ausgewählte Krankenhäuser zu überführen. Einige der Kinder wurden in Otmar von Verschuers Institut für Erbbiologie und Rassenhygiene in Frankfurt am Main untersucht. Der Anthropologe Eugen Fischer und vor allem sein Assistent Wolfgang Abel warne an diesen Untersuchungen federführend beteiligt.
Bild: Jüdisches Museum, Berlin
Dieses Lichtbild wurde um 1936 in Vorlesungen zum Thema Vererbungslehre an der Staatsakademie für Rassen- und Gesundheitspflege in Dresden verwendet. Die Bildunterschrift lautete: "Mulattenkind einer Deutschen und eines Negers aus den französischen Garnisonstruppen mit ihren deutschen Rassenkameradinnen." (Library of Congress, Washington, D.C.).
Bild: Jüdisches Museum, Berlin
Abbildungstafeln aus einem Zeitschriftenartikel von 1937, dessen Autor Wolfgang Abel sich mit "Mischlingskindern" befasste, die aus marokkanisch-deutschen und vietnamesisch-deutschen Beziehungen hervorgegangen warne. Abel kam zu dem Schluss, dass die sogenannten Bastarde körperlich und geistig "entartet" seien: "In der Mischung von europiden mit negriden und mongoliden Rassen ist die Hauptursache der ungünstigen Stellung der Rheinlandbastarde innerhalb unserer Bevölkerung zu suchen." (aus: Zeitschrift für Morphologie und Anthropologie, 1939, Universitätsbibliothek Johann Christin Soenckenberg, Frankfurt a.M.)
Wolfgang Abel, ”Bastarde am Rhein”, in: Neues Volk. Blätter des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP,
Leipzig, 2 (1934)
Im April 1933 wies Hermann Göring die Regierungspräsidenten im Rheinland an, Statistiken über Anzahl und Alter der von farbigen Besatzungstruppen mit deutschen Frauen gezeugten Kinder zu erstellen. Auch im Regierungsbezirk Köln wurden so genannte „Rheinlandbastarde“ ausgemacht.
Die sog. "Sonderkommission 3" in der Prinz-Albert-Straße, dem Sitz der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) in Berlin, erhielt den Auftrag, die Sterilisierung aller Kinder von französischen und amerikanischen Besatzungssoldaten aus der Zeit der Rheinlandbesetzung mit deutschen Frauen (den sogenannten „Rheinlandbastarden“) durchführen zu lassen.
Die dadurch eingeleitete Entwicklung endete 1937 mit der Sterilisation der erfassten Kinder. Auch in Köln, unter anderem im evangelischen Krankenhaus in Köln-Weyertal, wurden diese Kinder zwangssterilisiert.
Wenn Sie Google Earth installiert haben, klicken Sie bitte auf das Logo:
Das Reichsministerium des Innern, das zuvor in jahrelanger systematischer Kleinarbeit und in Zusammenarbeit mit lokalen Behörden und Wohlfahrtsverbänden wie der Deutschen Caritas e.V. recherchiert hatte, stellte dazu die nötigen Unterlagen, die jedes Kind genau erfassten, zur Verfügung. Nach Abschluss der Aktion, die streng geheim gehalten wurde, waren mehrere hundert Jugendliche zwangsweise sterilisiert. Niemand von ihnen hat bis heute eine Entschädigung erhalten. Eine Anerkennung als Opfer des Nationalsozialismus blieb diesen Menschen versagt.
Quellen:
• Bechhaus-Gerst, Marianne, Afrikanische Kriegsgefangene und
Besatzungssoldaten in Wahn
• "Besondere Kennzeichen Neger" - Schwarze im NS-Staat. Ein
Ausstellungsprojekt des NS-Dokumentationszentrums Köln
• Huck, Jürgen 1971. Die Garnison. (Unser Porz. Beiträge zur
Geschichte von Amt und Stadt Porz, Heft 11.). Porz, Rh.: Verlag
des Heimatvereins.
• Pommerin, Reiner 1979. „Sterilisierung der Rheinlandbastarde.“
Das Schicksal einer farbigen deutschen Minderheit. Düsseldorf:
Droste Verlag.
http://www.oldmkg.hindrichs.org/
Siehe auch:
- HISTORISCHES & AKTUELLES: NS-Opfer afrikanischer Herkunft >>> - NS-Verfolgung, Medizinische Experimente, KZ-Internierung, Ermordung, Zwangssterilisierung von Afrikanern und von deutsch-Afrikanischen Mischlingskindern, etc. - Diskriminierung von Menschen afrikanischer Herkunft vor und nach 1945 >>>
- HISTORISCHES & AKTUELLES: Deutsche Kolonialgeschichte und Kolonialpolitik als Vorbereitung nationalsozialistisch-rassistischer Diskriminierung und Verfolgung >>>
- HISTORISCHES & AKTUELLES: Medizinische und juristische Umsetzung der nationalsozialistischen Zwangssterilisierungspolitik, u.a. auch in Mosbach - Baden >>>
- HISTORISCHES & AKTUELLES: ENTSCHÄDIGUNG VON NS-VERFOLGTEN UND NS-OPFERN : Antrag vom 06.08.2022 an das Amtsgericht Mosbach für Wiederaufnahmeverfahren zur Wiedergutmachung für die Angehörigen von NS-Verfolgten und NS-Opfern afrikanischer Herkunft: Hier Martha Ndumbe >>>
Befreit Heinz Kerz
Heinz Kerz ist ein begeisterter Fußballer und wegen seiner Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft überall beliebt. Doch die Nationalsozialisten sehen in ihm nur “minderwertiges Leben”. Der Grund: Heinz ist der Sohn eines französischen Besatzungssoldaten und als Schwarzer Mensch geboren. In einer geheimen und illegalen Aktion wird er mit hunderten anderen Jugendlichen im Sommer 1937 zwangssterilisiert. Er verbringt zwei Jahre im KZ Dachau in “Schutzhaft”, bis er von den Amerikanern befreit wird. Er stirbt mit 60 Jahren an den Spätfolgen der nationalsozialistischen Gewalt.
RHEINLAND
1920
Heinrich, den alle nur Heinz nennen, wird am 15. April 1920 in der Stadt Nieder-Olm, in der Nähe von Mainz in Rheinhessen, geboren. Zu dieser Zeit ist die Stadt von den Franzosen besetzt. Seine Mutter heißt Maria Baumgärtner und stammt aus Nieder-Olm, sein Vater ist ein französischer Soldat aus einer französischen Kolonie in Afrika, möglicherweise aus Marokko. Mehr ist nicht über den Vater bekannt, nicht einmal sein Name.
1927
SCHULZEIT
Heinz sitzt vorne mit der Tafel
Heinz kommt in die Volksschule und begeistert sich besonders für Sport. Er hat viele Freunde. Sein bester Freund heißt Alfred, er ist nur drei Tage älter als Heinz. Sie haben eine Gemeinsamkeit: Auch Alfreds Vater war ein französischer Soldat, er stammte aus dem Senegal.
Frühe 1930er
Nach der Volksschule besucht Heinz eine Fortbildungsschule in Mainz. Aber vor allem möchte er Sport machen. Besonders gern spielt er Fußball. Er ist Mittelstürmer in der 1. Mannschaft des TSV/FSV Nieder-Olm und schießt viele Tore. Er bekommt den Spitznamen “der schwarze Bomber”.
DIE “SCHWARZE SCHMACH”-KAMPAGNE
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, den Deutschland verlor, regelte der Versailler Vertrag die alliierte Besetzung von großen Teilen des Rheinlands. Damit sollte sichergestellt werden, dass Deutschland seine Nachbarländer nicht wieder angreifen konnte, aber auch deutsche Kriegsschulden bezahlt werden. Die Kriegsgewinner waren damals Frankreich, Belgien, Großbritannien und die USA. Frankreich, die „Grande Nation“, hatte zu diesem Zeitpunkt Kolonien in West- und Nordafrika sowie Asien und setzte auch Soldaten aus diesen Regionen im Besatzungsgebiet ein. In der französischen Armee befanden sich deshalb auch Schwarze Soldaten, sie machten jedoch nur ungefähr 30% aus.
NS-ZEIT
Sommer 1934
MACHTÜBERNAHME
Heinz ist 13 Jahre alt, als die Nationalsozialisten an die Macht kommen. Schon ein Jahr später hat das Regime dafür gesorgt, dass die drei im Ort bestehenden Sportvereine zu einem einzigen Sportverein zusammengefasst werden. Im Juni 1934 ist die Turn- und Sportvereinigung 1893 e.V. (kurz: TuS 1893) fest in der Hand der NSDAP-Ortsgruppe Nieder-Olm.
SPORT IM NATIONALSOZIALISMUS
Der Sport war für die Nationalsozialisten alles andere als ein unwichtiges oder unpolitisches Thema. Sofort nach der nationalsozialistischen Machtübernahme begann das Regime damit, alle Sportvereine im Land in seinem Sinne umzuformen: Man besetzte zum Beispiel wichtige Positionen in den Vereinen mit linientreuen Personen. Ziel der Nationalsozialisten war es, innerhalb der Vereine Kontrolle über die Erziehung und Ausbildung der Kinder und Jugendlichen zu erlangen und sie im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie zu formen. Außerdem war der Vereinssport eine Bühne für die Inszenierung der von den Nazis propagierten “Volksgemeinschaft”.
Eine noch größere Bühne für nationalsozialistische Machtdemonstrationen boten internationale sportliche Wettkämpfe, allen voran die Olympischen Spiele 1936 in Berlin. Hitler war es enorm wichtig, dass die Deutschen zu dieser Gelegenheit der ganzen Welt ihre angebliche Überlegenheit zeigten. Umso ärgerlicher war er, als ausgerechnet ein Schwarzer Mensch zum Star der Olympischen Spiele wurde: Leichtathletiklegende Jesse Owens, der seinen deutschen Konkurrenten im Weitsprung auf den zweiten Platz verwies.
Mitte 1930er Jahre
FREUNDSCHAFT
Schon in den ersten Jahren nach der nationalsozialistischen Machtübernahme hat Heinz schwerwiegende Diskriminierungen durch das Regime erfahren. Er darf nicht mehr in der Fußballmannschaft spielen und auch eine Berufsausbildung wird ihm nicht ermöglicht. Aber er erlebt in seiner Heimat auch viel Akzeptanz und Freundschaft. Auf dem Foto ist er mit seinen Freunden im Schwimmbad von Nieder-Olm zu sehen. An den jährlichen Schwimmwettbewerben darf er jedoch nicht teilnehmen: Diese sind ausschließlich Mitgliedern der SA, HJ und dem BDM vorbehalten.
Mai 1937
ZWANGSSTERILISATION
Heinz Kerz und Georg Mann
Im Zuge einer geheimen und illegalen Aktion, die auf einen direkten “Führerbefehl” zurückgeht, werden Heinz, sein Freund Alfred und mit ihnen mindestens noch 434 andere Schwarze Menschen, meist Jugendliche, unter Zwang sterilisiert. Heinz und Alfred werden dazu nach Darmstadt in ein Krankenhaus gebracht. Das Nazi-Regime will damit verhindern, dass sich die von ihnen gebrandmarkten “minderwertigen Rassen” weiter mit der “arischen Rasse” vermischen, d.h. fortpflanzen.
DIE GEHEIME ZWANGSSTERILISATION
DER “RHEINLANDBASTARDE”
Die Zwangssterilisationen der so bezeichneten “Rheinlandbastarde”, meist Jugendliche, die von Schwarzen Soldaten der französischen Armee und deutschen Frauen während der Rheinlandbesetzung gezeugt wurden, ging auf einen “Führerbefehl”, also eine direkte Anordnung Adolf Hitlers vom Frühjahr 1937 zurück. Durch das “Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses” hatte das Nazi-Regime bereits drei Jahre zuvor Zwangssterilisationen für Menschen mit bestimmten Krankheitsbildern eine gesetzliche Grundlage gegeben. Hiervon waren aber vor allem psychisch erkrankte Menschen betroffen.
Für Zwangssterilisationen allein aufgrund der äußeren Erscheinung gab es selbst im nationalsozialistischen Deutschland keine gesetzliche Grundlage, sodass dieser “Führerbefehl” illegal und unter strengster Geheimhaltung ausgeführt wurde.
Zuständig für die Umsetzung war die für diesen Zweck gebildete “Sonderkommission 3” der Berliner Gestapo mit untergeordneten Kommissionen in Wiesbaden, Ludwigshafen und Koblenz. Mehrere hundert von den Nationalsozialisten als “Rheinlandbastarde” identifizierte Schwarze Menschen wurden in diesem Zusammenhang in Krankenhäusern zwangssterilisiert. Belegbar ist, dass mindestens 436 Personen davon betroffen waren, aber die Dunkelziffer könnte weit höher liegen.
Zwei Jahre nach Kriegsende kam es zu einem Prozess gegen die ausführenden Ärzte, die sich für den Tatvorwurf der “hundertfachen vorsätzlichen Körperverletzung mit anschließendem Verlust der Zeugungsfähigkeit” verantworten mussten. Die Täter zeigten kein Unrechtsbewusstsein und gaben an, „nur auf Befehl des Führers” gehandelt zu haben. Das Verfahren wurde eingestellt.
Frühe 1940er Jahre
HARTER ALLTAG
Vieles ist nicht darüber bekannt, wie es Heinz in den kommenden Jahren bis zu seiner Verhaftung ergeht. Anzunehmen ist, dass er in einfachen Verhältnissen lebt und sich als Hilfs- oder Lagerarbeiter durchbringt. Er wohnt mit seiner Mutter zusammen in einem Wohnwagen, der Bedürftigen als Notunterkunft dient.
14. Mai 1943
VERHAFTUNG UND DEPORTATION
Schreibstubenkarte KZ Dachau
Heinz und Alfred werden von der Gestapo in Mainz am 14. Mai 1943 verhaftet und in Schutzhaft genommen. Nur eine Woche später, am 21. Mai, kommen Heinz und Alfred gemeinsam im KZ Dachau an. Heinz erhält die Gefangenennummer 47.980. Auf seinem Häftlingspersonalbogen halten die Funktionäre im KZ persönliche Angaben zu Heinz und seiner Abstammung fest. Sein Vater sei Marokkaner, schreiben sie.
Alfred Fahr
Heinz und Alfred müssen im KZ Zwangsarbeit leisten. In Dachaus Außenlager Bäumenheim fertigen sie für die bekannte Messerschmitt AG Flugzeugteile an. Heinz gibt später im Rahmen seines Wiedergutmachungsverfahrens an, dass er sich bei der Zwangsarbeit einmal stark am Rücken verletzte, als er eine sehr schwere Kiste hochheben musste. Er muss danach 6 Wochen im Krankenrevier liegen und hat noch Jahre später deswegen Schmerzen.
SCHUTZHAFT
img
Ein entscheidendes Mittel der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft war die sogenannte Schutzhaft. Sie war ursprünglich zum Schutz von Gefangenen in die Gesetzgebung eingebracht worden. Allerdings entwickelte sie sich spätestens ab 1851 in Preußen zu einer repressiven Maßnahme und wurde beispielsweise in der Gründungszeit der Weimarer Republik genutzt, um Kommunisten zu verfolgen. Doch die Nationalsozialisten verwarfen nach der Machtübernahme sämtliche juristischen Anforderungen. Das geschah spätestens durch die „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat“, die Paul von Hindenburg erlassen hatte. Ausschlaggebend war nun, dass nicht mehr das Vorliegen einer Straftat, sondern lediglich der Verdacht darauf erforderlich war, um eine Verhaftung durchzuführen. Faktisch wurde damit ein rechtsfreier Raum geschaffen.
Die Schutzhaft ermöglichte es dem Regime, ihre Gegner ohne richterliche Kontrolle (d.h. ohne Anklage, Beweise oder ein Urteil) in Haft zu nehmen – auch in Konzentrationslagern. Das Vorliegen einer Straftat war nicht mehr nötig für eine Verhaftung, sondern bereits der Verdacht, dass jemand zukünftig eine Straftat begehen könnte, reichte dafür aus.
April 1945
BEFREIUNG
Die Nazis zwingen Heinz und seine Mithäftlinge noch auf einen “Todesmarsch” aus dem KZ Dachau bis nach Bad Tölz. Das bedeutet tagelange Gewaltmärsche bei Schnee und Regen und Übernachtungen im Freien. Heinz gibt später an, in der Haftzeit eine Herzerkrankung erlitten zu haben, und besonders der Todesmarsch strapaziert seine Gesundheit bis auf das Äußerste. Doch er überlebt. Das KZ Dachau wird im April 1945 von den Amerikanern befreit.
NACHKRIEGSZEIT
ENGAGEMENT
Heinz kehrt nach dem Krieg zurück in seine Heimatstadt. Hier will er wieder anknüpfen an die glückliche Zeit seiner Kindheit. Zuerst arbeitet er kurze Zeit als Kraftfahrer und kehrt dann auch beruflich zurück zu dem, was er immer am liebsten gemacht hat: Sport. Noch mit 50 Jahren besteht er die Prüfungen und wird Schwimmmeister im Nieder-Olmer Schwimmbad. Auch Fußball spielt er wieder. Er wird Mitglied des TSV/FSV Nieder-Olm, ist im Sportausschuss und engagiert sich ganz besonders in der Jugendarbeit.
1960er/70er Jahre
Heinz engagiert sich als aktiver Sozialdemokrat auch politisch. Und er ist Mitglied im “Nieder-Olmer Carneval Club”. Fotos aus den 1960er und 70er Jahren zeigen ihn im Kostüm und als Musiker auf der Bühne. Es gelingt ihm, wieder ein glückliches Leben zu führen. Er heiratet seine Dina und führt ein geselliges Leben, umgeben von vielen Freunden und Bekannten, die ihn besonders für sein gesellschaftliches Engagement schätzen.
1980
LEBENSABEND
Im Mai 1980 muss Heinz aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand. Bei der Verabschiedungsfeier von seinem Dienst als leitender Bademeister bekommt er zum Dank vom Bürgermeister der Stadt Nieder-Olm einen Wappenteller überreicht. Aber gesundheitlich geht es Heinz nicht gut. Er leidet seit der KZ-Haft unter Herzproblemen. Er stirbt nur ein halbes Jahr später an einem Herzinfarkt. Sein früher Tod ist auf die Schäden an seiner Gesundheit, die er während der KZ-Haft erlitten hat, zurückzuführen.
ERINNERUNG
ERINNERUNG AN HEINZ
Auch ein Vierteljahrhundert nach seinem Tod erinnern sich die Nieder-Olmer an ihren beliebten Bademeister Heinz. Im Jahr 2005 wird der einstimmige Beschluss gefasst, die neu gebaute Sporthalle ihm zu Ehren “Heinz-Kerz-Sporthalle” zu nennen. Im Jahr 2014 wird noch eine Gedenktafel mit seinem Porträt in der Halle aufgehängt. Darauf wird an sein Schicksal als Verfolgter des NS-Regimes erinnert. “28 Monate im KZ Dachau” ist darauf zu lesen.
WIEDERGUTMACHUNG
Heinz stellt verschiedene Anträge auf Wiedergutmachung für die Schäden, die er als Verfolgter des Nationalsozialismus erlitten hat. Er erhält eine Haftentschädigung für seine Zeit im KZ Dachau sowie Entschädigungen für die Schäden an Körper und Gesundheit, die er in der KZ-Haft und auf dem Todesmarsch erlitten hat. Auch wegen der Zwangssterilisation stellt er einen Antrag; das Verfahren endete mit einem Vergleich. Er bekommt eine Geschädigtenrente aufgrund von Erwerbsminderung.
https://zumfeindgemacht.de/fall/heinz-kerz/
Siehe auch:
- HISTORISCHES & AKTUELLES: NS-Opfer afrikanischer Herkunft >>> - NS-Verfolgung, Medizinische Experimente, KZ-Internierung, Ermordung, Zwangssterilisierung von Afrikanern und von deutsch-Afrikanischen Mischlingskindern, etc. - Diskriminierung von Menschen afrikanischer Herkunft vor und nach 1945 >>>
- HISTORISCHES & AKTUELLES: Deutsche Kolonialgeschichte und Kolonialpolitik als Vorbereitung nationalsozialistisch-rassistischer Diskriminierung und Verfolgung >>>
- HISTORISCHES & AKTUELLES: Medizinische und juristische Umsetzung der nationalsozialistischen Zwangssterilisierungspolitik, u.a. auch in Mosbach - Baden >>>
- HISTORISCHES & AKTUELLES: ENTSCHÄDIGUNG VON NS-VERFOLGTEN UND NS-OPFERN : Antrag vom 06.08.2022 an das Amtsgericht Mosbach für Wiederaufnahmeverfahren zur Wiedergutmachung für die Angehörigen von NS-Verfolgten und NS-Opfern afrikanischer Herkunft: Hier Martha Ndumbe >>>
„Schwarze Schmach“- Die Rheinlandbastarde
Waldi44 Offline
Beiträge: 563
25.10.2014 13:31
Schon vor dem Versailler Vertrag, also im Waffenstillstand von Compiègne vom 11. November 1918, musste die provisorische Reichsregierung einwilligen, dass Truppen der Siegermächte die linksrheinischen
Gebiete und vier rechtsrheinische „Brückenköpfe“ mit je 30 Kilometer Radius um Köln, Koblenz, Mainz und 10 Kilometer Radius um Kehl besetzten. Ausserdem wurde das linksrheinische Gebiet sowie ein 50 km
breiter Streifen östlich des Rheins zur entmilitarisierten Zone erklärt. Der Versailler Vertrag von 1919 wiederholte diese Bestimmungen, befristete die Anwesenheit der ausländischen Truppen aber auf 15
Jahre, welche fünfzehn Jahre nach Inkrafttreten des Vertrags (10. Januar 1920) enden sollte.
Die Verwaltung der besetzten Rheinlande unterstand der Interalliierten Rheinlandkommission mit Sitz beim Oberpräsidium der Rheinprovinz in Koblenz. Die Besetzung wurde zum 30. Juni 1930 vorzeitig beendet.
Dem Versailler Vertrag entsprechend - und auch gemäß den Verträgen von Locarno, in denen das Deutsche Reich 1925 der Entmilitarisierung seines Staatsgebiets westlich einer 50 km östlich des Rheins
gezogenen Linie freiwillig zugestimmt hatte - blieb dieses Gebiet in den Folgejahren entmilitarisierte Zone, bis es Hitler unter Bruch dieser Verträge am 7. März 1936 von der Wehrmacht besetzen ließ.
Bewusst und unter Protest der eigenen Alliierten und anderer Staaten, stationierten die Franzosen schwarzafrikanische Kolonialsoldaten im Rheinland, wie die Turkos und die Tirailleurs sénégalais
(Senegalneger).*
1924**kalkulierten (deutsche) Statistiker bis zu 27 000 Mischlingskinder (andere Quellen sprechen von nur 400 bis 600), die im Reich "Rheinlandbastarde" genannt wurden.
Ein schwedischer Pfarrer namens Liljeblad interessierte sich so sehr für das Phänomen, daß er eigens zu Studien an den Rhein reiste. Eines der Mischlingskinder, berichtete er später erstaunt, habe sogar
"schwarze und weiße Streifen auf dem Rücken" getragen.
Vorurteile und Rassenhaß nutzte Jahre später die Propaganda der Nazis aus. "Mulattenkinder" konnten nach Meinung des NS-Rassenforschers Hans Macco nur "durch Gewalt entstanden" sein, "oder aber die weiße
Mutter war eine Dirne". Es bestehe daher, gutachtete Macco, "nicht die geringste moralische Verpflichtung gegenüber dieser fremdrassigen Nachkommenschaft".
Folgerichtig wurde 1937 eine "Sonderkommission 3" beauftragt, "die unauffällige Sterilisation der Rheinlandbastarde durchzuführen". Schon zuvor waren etwa 400 Afro-Deutsche gegen ihren Willen sterilisiert
worden. Vermutlich rührt die Zahl von "nur" 400 Mischlingskinder daher.
Der bayrische Historiker Friedrich Hartmannsgruber entdeckte auch den Beweis, dass Hitler** persönlich die Sterilisation von 400 "Negerkindern" befahl. Es beginnt für 345 Jugendliche mit einem Termin beim
Kölner Gesundheitsamt. Dort wartet ein Anthropologe. Wenig später werden sie noch einmal bestellt: Es sei ein Eingriff nötig. Als die Jungen und Mädchen aus der Narkose aufwachen, haben sie Schmerzen im
Unterbauch. Man hat sie sterilisiert. "Sie waren Kinder schwarzer Franzosen", sagt Historiker Friedrich Hartmannsgruber. "Die sogenannten Rheinlandbastarde. Wie ich herausgefunden habe, gab Hitler
persönlich den Befehl für die Zwangssterilisation." Wie viele andere Besatzungskinder zwangsoperiert wurden, ist nicht bekannt.
Die meisten Schwarzen in Deutschland waren in dieser Zeit jedoch Kinder der deutschen Kolonisten in Afrika, die Kinder mit einheimischen Frauen hatten. Mit dem Verlust der Kolonien nach dem Ersten
Weltkrieg – geregelt im Friedensvertrag von Versailles – kamen einige der Kolonisten mit ihren Familien nach Deutschland.
*„Schwarze Schmach“
"Einige der Besatzungstruppen stammten aus den Besitzungen und Kolonien Frankreichs in Afrika, wie die Turkos und die Tirailleurs sénégalais. Von deutscher Seite war bereits während des Ersten Weltkrieges
der Einsatz schwarzafrikanischer Soldaten in Europa durch Frankreich als Affront und „Verrat an der Weißen Rasse“ angeprangert worden. Der zeitgenössische Rassismus nahm „Schwarzafrikaner“ kaum als
Menschen wahr. Unter dem Schlagwort der „Schwarzen Schmach“ rief deshalb deren Präsenz in den Besatzungstruppen in der deutschen Öffentlichkeit eine besondere Empörung hervor. Es wurden zahlreiche Plakate,
Karikaturen, Reden, Kolportageromane und Parlamentseingaben produziert, die ausmalten, wie schwarzafrikanische Soldaten, denen ein gesteigerter Sexualtrieb unterstellt wurde, deutsche Frauen
vergewaltigten. Diese Kampagne, die in der Drastik der Darstellung der imaginierten sexuellen Gewalt mitunter pornographische Züge trug, lief vom Beginn der Besatzung 1919 bis zu ihrem Ende 1930, der
Höhepunkt lag in den Jahren 1920/21: Die Satirezeitschrift Kladderadatsch veröffentlichte am 30. Mai 1920 zur Wahl des ersten Reichstags auf ihrer Titelseite eine Zeichnung, die einen braunschwarzen
Gorilla mit französischer Uniformmütze zeigte, der eine weiße, statuenartige Frau fortschleppt. Die Bildunterschrift lautete: „Der schwarze Terror in deutschen Landen“. Ein weiteres Beispiel ist eine
Medaillenprägung von Karl Goetz, die unter dem Titel „Die schwarze Schande“ auf der einen Seite den karikierten Kopf eines afrikanischen Soldaten, auf der anderen Seite eine an einen baumgroßen Phallus
gefesselte (deutsche) Frau zeigt. Adolf Hitler beschrieb 1925 im zweiten Band seiner Programmschrift Mein Kampf die französische Stationierung von „Negern“ im Rheinland als eine gezielte Strategie von
„Juden“, um durch die „dadurch zwangsläufig eintretende Bastardierung die ihnen verhaßte weiße Rasse zu zerstören, von ihrer kulturellen und politischen Höhe zu stürzen und selber zu ihren Herren
aufzusteigen“. Bekannt ist auch Erwin Reuschs Wahlplakat für die DNVP zur Reichstagswahl 1928, das einen wulstlippigen Afrikaner in französischer Uniform zeigte, der drohend über eine Rheinlandschaft
starrt. Die Parole: „Locarno? Wählt deutschnational!“, sollte Wähler gegen die Verständigungspolitik von Außenminister Gustav Stresemann mobilisieren."
**"Bereits 1923 begannen Regierungsstellen mit der Erfassung der Rheinlandkinder, 1933 ordnete Hermann Göring eine Überprüfung und Erweiterung der entsprechenden Listen an. Da eine legale Sterilisierung
der Rheinlandkinder auf der Basis des "Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" nicht möglich war, wurde im Frühjahr 1937 mit ihrer illegalen Sterilisierung begonnen. Koordiniert wurde die Aktion
durch die neu gebildete "Sonderkommission 3" im Gestapo-Hauptquartier. Ihr Überfallcharakter gab den betroffenen Jugendlichen keine Chance, sich zu wehren oder juristische Schritte einzuleiten. Bei 436
enden die in den Aktenkopien enthaltenen "laufenden Nummern" der Schwarzen Deutschen Sterilisationsopfer. Die Zahl der tatsächlich sterilisierten Schwarzen Deutschen ist allerdings weit höher anzusetzen.
Wie die Aussagen von Zeitzeugen belegen, war die Zwangsmaßnahme weder auf die Kinder französischer Kolonialsoldaten noch auf das Jahr 1937 beschränkt."
*** "In Mein Kampf beschrieb Adolf Hitler die französische Stationierung von „Negern“ im Rheinland als eine gezielte Strategie von „Juden“, durch die „dadurch zwangsläufig eintretende Bastardierung die
ihnen verhaßte weiße Rasse zu zerstören, von ihrer kulturellen und politischen Höhe zu stürzen und selber zu ihren Herren aufzusteigen“. In der nationalsozialistischen Rassentheorie wurden solche
„Mischprodukte“ als „faulige Bastardbrut“ noch negativer beurteilt als die „gesunden, wenn auch primitiven und tiefstehenden Menschenkinder“ „unvermischter“ Bevölkerung Schwarzafrikas, vor allem aber
wurden sie als Schwächung und Gefährdung der „germanischen Rasse“ gesehen und daraus die staatliche Pflicht abgeleitet, „einer weiteren Bastardierung grundsätzlich Einhalt“ zu gebieten. Dennoch wurden
keine amtlichen Gesetze gegen die schwarze Bevölkerung oder gegen die Kinder der „Mischabstammung“ verordnet. Jedoch wurde eine inoffizielle Gruppe, die „Kommission Nr. 3“, eingesetzt, um das „Problem der
Rheinlandbastarde“ zu „beheben“. Organisiert von Eugen Fischer und unter Beteiligung von Fritz Lenz wurde beschlossen, diese Kinder zu sterilisieren.
Die Umsetzung des Programms begann 1937, indem lokale Beamte angewiesen wurden, über alle „Rheinlandbastarde“ unter ihrer Verwaltung zu berichten. Insgesamt wurden etwa 400 Kinder mit erfasster
„Mischabstammung“ zwangssterilisiert. Da diese Sterilisierungen im Unterschied zu anderen Sterilisierungsprogrammen der Nationalsozialisten keine gesetzliche Grundlage hatten, waren sie auch damals schon
illegal."
http://f13049.nexusboard.de/
Siehe auch:
- HISTORISCHES & AKTUELLES: NS-Opfer afrikanischer Herkunft >>> - NS-Verfolgung, Medizinische Experimente, KZ-Internierung, Ermordung, Zwangssterilisierung von Afrikanern und von deutsch-Afrikanischen Mischlingskindern, etc. - Diskriminierung von Menschen afrikanischer Herkunft vor und nach 1945 >>>
- HISTORISCHES & AKTUELLES: Deutsche Kolonialgeschichte und Kolonialpolitik als Vorbereitung nationalsozialistisch-rassistischer Diskriminierung und Verfolgung >>>
- HISTORISCHES & AKTUELLES: Medizinische und juristische Umsetzung der nationalsozialistischen Zwangssterilisierungspolitik, u.a. auch in Mosbach - Baden >>>
- HISTORISCHES & AKTUELLES: ENTSCHÄDIGUNG VON NS-VERFOLGTEN UND NS-OPFERN : Antrag vom 06.08.2022 an das Amtsgericht Mosbach für Wiederaufnahmeverfahren zur Wiedergutmachung für die Angehörigen von NS-Verfolgten und NS-Opfern afrikanischer Herkunft: Hier Martha Ndumbe >>>
2.2 Online-Artikel zur NS-Zwangssterilisierung von psychisch erkrankten Menschen, im NS-Jargon von sogenannten Schwachsinnigen
Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses
Das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses (nichtamtlich auch Erbgesundheitsgesetz, GzVeN) vom 14. Juli 1933 (RGBl. I S. 529) war ein deutsches Sterilisationsgesetz. Es trat zum 1. Januar 1934 in Kraft. Das Gesetz diente im NS-Staat der sogenannten Rassenhygiene durch „Unfruchtbarmachung“ vermeintlicher „Erbkranker“ und Alkoholiker. Die Sterilisationsverfahren wurden durch Gutachten von sogenannten Erbgesundheitsgerichten legalisiert. Die Sterilisation wurde auf Antrag (des Betroffenen, überwiegend maßgeblich[1] aber des beamteten Arztes oder „für die Insassen einer Kranken-, Heil- oder Pflegeanstalt oder einer Strafanstalt“ des Anstaltsleiters) durchgeführt, über den Erbgesundheitsgerichte entschieden, die einem Amtsgericht angegliedert waren. Dadurch wurde die eugenische Zwangssterilisation legalisiert.
https://de.wikipedia.org/
Im Jahre 1988 ächtete der Bundestag die auf Grundlage des GzVeN durchgeführten Zwangssterilisierungen. Im Beschluss heißt es:[15]
„Der Deutsche Bundestag stellt fest, dass die in dem Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14. Juli 1933 vorgesehenen und auf der Grundlage dieses Gesetzes während der Zeit von 1933 bis 1945 durchgeführten Zwangssterilisierungen nationalsozialistisches Unrecht sind.“
„Der Deutsche Bundestag ächtet die Maßnahmen, die ein Ausdruck der inhumanen nationalsozialistischen Auffassung vom ‚lebensunwerten Leben‘ sind.“
„Den Opfern der Zwangssterilisierung und ihren Angehörigen bezeugt der Deutsche Bundestag Achtung und Mitgefühl.“
Am 25. August 1998 verabschiedete der Bundestag das "Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege und von Sterilisationsentscheidungen der ehemaligen Erbgesundheitsgerichte. Damit hob er die von den Erbgesundheitsgerichten auf Grundlage des GzVeN erlassenen rechtskräftigen Beschlüsse zur Sterilisierung auf.[13]
2007 wurde das GzVeN „in seiner Ausgestaltung und Anwendung“ vom Deutschen Bundestag als „nationalsozialistisches Unrecht“ geächtet.[5][16] Die Opfer des GzVeN werden jedoch bis zum heutigen Tage nicht als Verfolgte des Nationalsozialismus anerkannt und haben so keinen Rechtsanspruch auf Entschädigung nach dem Bundesentschädigungsgesetz.[17][18]
https://de.wikipedia.org/
Nationalsozialismus
Nach dem am 1. Januar 1934 in Kraft getretenen[13] „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ vom 14. Juli 1933[14] wurden zwischen 1934 und 1945 etwa 400.000 Menschen, die sich im Zugriff des Deutschen Reichs befanden, auf Anordnung der dafür errichteten Erbgesundheitsgerichte auch ohne ihre Einwilligung unfruchtbar[15] gemacht. Betroffen waren nicht nur geistig oder körperlich behinderte Menschen, sondern auch Patienten psychiatrischer Heil- und Pflegeanstalten sowie Alkoholkranke. Etwa 5000 Menschen starben an den Folgen des Eingriffes.[16][17]
https://de.wikipedia.org/wiki/
Jubiläumstagung des Arbeitskreises zur Erforschung der nationalsozialistischen "Euthanasie" und Zwangssterilisation
Medizinische Wissenschaft im Nationalsozialismus und Erinnerungskultur
Veranstaltung für Fach- und Laienpublikum
08.06.2023 bis 10.06.2023
Die Tagung zum 40-jährigen Jubiläum des Arbeitskreises zur Erforschung der nationalsozialistischen „Euthanasie“ und Zwangssterilisation findet dieses Jahr vom 8.-10.6. in Berlin statt.
Die Konferenz steht unter dem Leitthema „Medizinische Wissenschaft im Nationalsozialismus und Erinnerungskultur“. Neben der Teilnahme am historisch-wissenschaftlichen Programm wird es auch Gelegenheit zur Besichtigung verschiedener Gedenkorte und Museen sowie zum Besuch eines Theaterstücks geben.
Der Festakt zum Jubiläum des Arbeitskreises findet am Freitagabend in der Landesvertretung Baden-Württembergs beim Bund statt. Die Staatsministerin für Kultur und Medien, Claudia Roth, und der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, Dr. Felix Klein, haben dafür ihre Teilnahme zugesagt. Den Festvortrag wird Dr. Michael Wunder halten.
Das ausführliche Programm finden Sie hier.
Ausgerichtet wird die Tagung vom Förderkreis Gedenkort T4 e.V. und dem GeDenkOrt.Charité – Wissenschaft in Verantwortung. Sie wird von der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, dem Paritätischen Wohlfahrtsverband Landesverband Berlin e.V. und der Bundesvereinigung Lebenshilfe e.V. unterstützt.
Veranstaltungsorte sind die Charité – Universitätsmedizin Berlin, die Landesvertretung Baden-Württembergs und das Robert-Koch-Institut.
Der GeDenkOrt.Charité lädt alle Interessierten sehr herzlich zu der Tagung ein. Sie können sich bis zum 30.04.2023 auf der Plattform Eveeno anmelden. Die Teilnahmegebühr beträgt 50 Euro. Bei Nachfragen zur Anmeldung wenden Sie sich gern an anmeldung(at)zukunftssicherung-ev.de.
Organisatorisches
Veranstalter
GeDenkOrt.Charité – Wissenschaft in Verantwortung
Förderkreis Gedenkort T4 e.V.
Zeit
Beginn: 08.06.2023, 14:00 Uhr
Ende: 10.06.2023, 14:00 Uhr
Ort
Campus Charité Mitte, CCM
Campus Charité Virchow-Klinikum, CVK
Vertretung des Landes Baden-Württemberg beim Bund, LVBW
Robert Koch-Institut, RKI
https://gedenkort.charite.de/
Downloads Flyer der Jubiläumstagung 20232,75 MB >>>
Kontakt
Lydia Stötzer
Projekt "GeDenkOrt.Charité - Wissenschaft in Verantwortung", Leitung der Geschäftsstelle
+49 30 450 576 001
DEUTSCHER BUNDESTAG
Lesung : Überweisungen im vereinfachten Verfahren
Opfer von NS-„Euthanasie“: „Opfer von NS-'Euthanasie' und Zwangssterilisation als Verfolgte des Nationalsozialismus anerkennen – Aufarbeitung vorantreiben“, lautet der Titel eines Antrags der Fraktion Die Linke (20/2429), der im Ausschuss für Kultur und Medien federführend beraten wird. In ihrem Antrag fordert Die Linke die Bundesregierung auf, den Opfern der aus politischen und volkswirtschaftlichen Gründen geplanten und vollendeten Ermordung während der NS-„Euthanasie“-Programme zwischen 1939 und 1945 in den fünf Mordzentren in Grafeneck (Baden-Württemberg), Brandenburg/Havel (Brandenburg), Bernburg (Sachsen-Anhalt), Hadamar (Hessen) und Sonnenstein (Sachsen) ein würdiges und angemessenes Gedenken zu bereiten, das auch Angehörige und Nachfahren einbezieht. Zudem müsste die Opfergruppe der Verfolgten und Ermordeten angemessen im nationalen Gedenkstättenkonzept des Bundes zu berücksichtigt werden. Darüber hinaus soll die gesellschaftspolitische Bildung über diese Opfergruppe und die damaligen Täter ausgebaut und ein digitaler Gedenk- und Informationsort mit der namentlichen Nennung der Opfer und deren Leidensgeschichte in kommentierter Weise geschaffen werden. Die Linke verweist darauf, dass die Mehrzahl der Zwangssterilisierten und „Euthanasie“-Geschädigten nach 1945 keine angemessene Wiedergutmachung für das ihnen zugefügte Leid erhalten hätten. Ihre Traumatisierung und Stigmatisierung sowie ihre gesundheitlichen Schäden würden bis heute in der Öffentlichkeit zu wenig wahrgenommen.
(ste/irs/08.09.2022)
https://www.bundestag.de/
DEUTSCHER BUNDESTAG
Anhörung : Experten: NS-Opfer von „Euthanasie“ und Zwangssterilisationen anerkennen
Die Opfer der sogenannten „Euthanasie“-Morde und der Zwangssterilisationen während der nationalsozialistischen Diktatur zwischen 1933 und 1945 sollen als NS-Opfer anerkannt und ihre Schicksal verstärkt ins öffentliche Bewusstsein gerückt und in der historischen Aufarbeitung berücksichtigt werden. Dies war das einhellige Votum in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Kultur und Medien am Montag, 26. September 2022.
Der Ausschuss hatte den Historiker Prof. Dr. Wolfgang Benz, den Arzt und Psychiater Prof. Dr. Michael von Cranach, Dr. Ute Hoffmann von der Gedenkstätte für die Opfer der NS-„Euthanasie“ Bernburg, Jan Erik Schulte von der Gedenkstätte Hadamar und Ulla Schmidt von der Bundesvereinigung Lebenshilfe geladen, um über einen entsprechenden Antrag der Linksfraktion (20/2429) zu beraten.
Benz: Erste planmäßig verfolgte Opfergruppe
Wolfgang Benz führte aus, dass behinderte Menschen zu den ersten planmäßig verfolgten Opfern des nationalsozialistischen Rassenwahns gehörten. Den sogenannten „Euthanasie“-Morden seien schätzungsweise 300.000 Menschen zum Opfer gefallen. Ausgehend vom 1933 erlassenen Gesetz „zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ seien zudem bis zum Ende der NS-Diktatur etwa 400.000 Menschen zwangssterilisiert worden.
Unter den Opfern seien nicht nur geistig und körperliche Behinderte gewesen, sondern auch Fürsorgeempfänger, Langzeitarbeitslose, Alkoholiker und sogenannte „Asoziale“. Diese Menschen seien als „Ballastexistenzen“ angesehen worden, von denen das vermeintlich „rassisch reine“ deutsche Volk befreit werden sollte.
Empfehlung: „Eugenik-Opfern“ statt „Euthanasie“
Benz und Michael von Cranach wiesen zudem darauf hin, dass sich die Nationalsozialisten auf eine in dieser Zeit schon lange weit verbreitete Sichtweise stützen konnten. Benz regte an, auf den euphemistischen Begriff „Euthanasie“ zu verzichten und besser von „Eugenik-Opfern“ zu sprechen. Der Begriff „Euthanasie“ stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet so viel wie „schöner Tod“. Cranach führte aus, dass das Thema nach 1945 nicht nur in der Gesellschaft insgesamt, sondern auch in der Psychiatrie lange Zeit verschwiegen worden sei. Noch heute würde das Thema vor allem von „von unten“ aufgegriffen, von Nachfahren der Opfern, von „Stolperstein“-Initiativen und von Psychiatrietätigen.
Cranach warnte, dass die Aufbewahrungsfrist für Kranken- und Verwaltungsakten aus der NS-Zeit verkürzt worden sei. Es müsse dringend ein Verbot für die Vernichtung dieser Akten durchgesetzt werden, da ansonsten die weitere historische Erforschung dieser NS-Verbrechen kaum mehr möglich sei. Die Akten müssten digitalisiert und archiviert werden. Darüber hinaus müsse gewährleistet werden, dass die Krankenhäuser Fragen der Nachfahren nach dem Schicksal der Opfer qualifiziert beantworten können. Insgesamt müsse dem Thema auch in der historischen Bildung mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, beispielsweise durch eine Verankerung in den Lehrplänen für die Schulen.
Experten: Gedenkstätten fehlen Mittel und Personal
Ute Hoffmann und Jan Erik Schulte verwiesen auf die zentrale Bedeutung von Gedenkstätten. Diese würden zum einen die historischen Geschehnisse sowie die Biografien von Opfern und Tätern erforschen. Zum anderen seien es die wichtigsten Einrichtungen bei der Beratung von Angehörigen und Nachfahren der Opfer sowie bei Bildungsangeboten für Schulen.
Allerdings verfügten die Gedenkstätten nicht über die ausreichende finanzielle und personelle Ausstattung, um die Nachfrage zu bedienen. Schulte forderte ein abgestimmtes Vorgehen von Bund und Ländern für eine bessere Unterstützung der Gedenkstätten.
Schmidt: Verbrechen wirken bis in die Gegenwart
Die Vorsitzende der Bundesvereinigung Lebenshilfe, Ulla Schmidt, führte aus, dass es keinen einzigen historischen Grund gebe, die Opfer von „Euthanasie“ und Zwangssterilisation nicht als Opfer des Nationalsozialismus anzuerkennen. Die Vernichtung von Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen sei von den Nationalsozialisten systematisch vorbereitet und durchgeführt wurden.
Diese Verbrechen wirkten bis in die Gegenwart, sagte Schmidt. So bestehe in der deutschen Gesellschaft bis heute ein defizitäres Denken bezüglich Menschen mit Behinderungen. Es müsse ein für allemal klargestellt werden, dass es kein „unwertes Leben“ gebe, sondern dass behinderte Menschen zur Bandbreite der menschlichen Vielfalt dazugehörten.
Berichterstatter der Fraktionen
Die Berichterstatter aller Fraktionen im Ausschuss betonten, dass die Anerkennung des Leids und des Schicksals der Opfer der sogenannten „Euthanasie“ und von Zwangssterilisationen verstärkt in das öffentliche Bewusstsein gerückt werden müsse. Dies sei ein längst überfälliger Schritt sagte Marianne Schieder (SPD) und wies ebenso wie Erhard Grundl (Bündnis 90/Die Grünen) und Thomas Hacker (FDP) darauf hin, dass sich SPD, Grüne und FDP in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt hätten, dies in dieser Legislaturperiode auf den Weg zu bringen.
Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU) sprach von einem der „beschämendsten Kapitel“ in der deutschen Geschichte. Marc Jongen (AfD) sagte, die Anerkennung sei nicht nur „überfällig“, sondern komme zu spät, da von den Opfern so gut wie niemand mehr am Leben sei. Jan Korte (Die Linke) argumentierte, das Beispiel der „Euthanasie“ und der Zwangssterilisationen zeige, dass es zu den „großen Lebenslügen der Bundesrepublik gehöre, dass die NS-Vergangenheit erfolgreich aufgearbeitet worden sei.
Antrag der Linksfraktion
In ihrem Antrag fordert die Linksfraktion die Bundesregierung auf, den Opfern der aus politischen und volkswirtschaftlichen Gründen geplanten und vollendeten Ermordung während der NS-“Euthanasie„-Programme zwischen 1939 und 1945 in den fünf Mordzentren in Grafeneck (Baden-Württemberg), Brandenburg/Havel (Brandenburg), Bernburg (Sachsen-Anhalt), Hadamar (Hessen) und Sonnenstein (Sachsen) ein würdiges und angemessenes Gedenken zu bereiten, das auch Angehörige und Nachfahren einbezieht. Zudem müsste die Opfergruppe der Verfolgten und Ermordeten angemessen im nationalen Gedenkstättenkonzept des Bundes zu berücksichtigt werden. Darüber hinaus soll die gesellschaftspolitische Bildung über diese Opfergruppe und die damaligen Täter ausgebaut und ein digitaler Gedenk- und Informationsort mit der namentlichen Nennung der Opfer und deren Leidensgeschichte in kommentierter Weise geschaffen werden.
Die Linke verweist darauf, dass die Mehrzahl der Zwangssterilisierten und “Euthanasie„-Geschädigten nach 1945 keine angemessene Wiedergutmachung für das ihnen zugefügte Leid erhalten hätten. Ihre Traumatisierung und Stigmatisierung sowie ihre gesundheitlichen Schäden würden bis heute in der Öffentlichkeit zu wenig wahrgenommen. (irs/aw/26.09.2022)
Zeit: Montag, 26. September 2022, 11 Uhr bis 13 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E.200
https://www.bundestag.de/
NS-Opfer von „Euthanasie“ und Zwangssterilisationen
Kultur und Medien/Anhörung - 26.09.2022 (hib 482/2022)
Berlin: (hib/AW) Die Opfer der sogenannten „Euthanasie“-Morde und der Zwangssterilisationen während der nationalsozialistischen Diktatur zwischen 1933 und 1945 sollen als NS-Opfer anerkannt und ihre Schicksal verstärkt ins öffentliche Bewusstsein gerückt und in der historischen Aufarbeitung berücksichtigt werden. Dies war das einhellige Votum in einer öffentlichen Anhörung des Kulturausschusses am Montag. Der Ausschuss hatte den Historiker Wolfgang Benz, den Arzt und Psychiater Michael von Cranach, Ute Hoffmann von der Gedenkstätte für die Opfer der NS-„Euthanasie“ Bernburg, Jan Erik Schulte von der Gedenkstätte Hadamar und Ulla Schmidt von der Bundesvereinigung Lebenshilfe geladen, um über einen entsprechenden Antrag der Linksfraktion (20/2429) zu beraten.
Wolfgang Benz führte aus, dass behinderte Menschen zu den ersten planmäßig verfolgten Opfern des nationalsozialistischen Rassenwahns gehörten. Den sogenannten „Euthanasie“-Morden seien schätzungsweise 300.000 Menschen zum Opfer gefallen. Ausgehend vom 1933 erlassenen Gesetz „zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ seien zudem bis zum Ende der NS-Diktatur etwa 400.000 Menschen zwangssterilisiert worden. Unter den Opfern seien nicht nur geistig und körperliche Behinderte gewesen, sondern auch Fürsorgeempfänger, Langzeitarbeitslose, Alkoholiker und sogenannte „Asoziale“. Diese Menschen seien als „Ballastexistenzen“ angesehen worden, von denen das vermeintlich „rassisch reine“ deutsche Volk befreit werden sollte.
Benz und Michael von Cranach wiesen zudem darauf hin, dass sich die Nationalsozialisten auf eine in dieser Zeit schon lange weit verbreitete Sichtweise stützen konnten. Benz regte an, auf den euphemistischen Begriff „Euthanasie“ zu verzichten und besser von „Eugenik-Opfern“ zu sprechen. Der Begriff „Euthanasie“ stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet so viel wie „schöner Tod“. Cranach führte aus, dass das Thema nach 1945 nicht nur in der Gesellschaft insgesamt, sondern auch in der Psychiatrie lange Zeit verschwiegen worden sei. Noch heute würde das Thema vor allem von „von unten“ aufgegriffen, von Nachfahren der Opfern, von „Stolperstein“-Initiativen und von Psychiatrietätigen. Cranach warnte, dass die Aufbewahrungsfrist für Kranken- und Verwaltungsakten aus der NS-Zeit verkürzt worden sei. Es müsse dringend ein Verbot für die Vernichtung dieser Akten durchgesetzt werden, da ansonsten die weitere historische Erforschung dieser NS-Verbrechen kaum mehr möglich sei. Die Akten müssten digitalisiert und archiviert werden. Darüber hinaus müsse gewährleistet werden, dass die Krankenhäuser Fragen der Nachfahren nach dem Schicksal der Opfer qualifiziert beantworten können. Insgesamt müsse dem Thema auch in der historischen Bildung mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, beispielsweise durch eine Verankerung in den Lehrplänen für die Schulen.
Ute Hoffmann und Jan Erik Schulte verwiesen auf die zentrale Bedeutung von Gedenkstätten. Diese würden zum einen die historischen Geschehnisse sowie die Biografien von Opfern und Tätern erforschen. Zum anderen seien es die wichtigsten Einrichtungen bei der Beratung von Angehörigen und Nachfahren der Opfer sowie bei Bildungsangeboten für Schulen. Allerdings verfügten die Gedenkstätten nicht über die ausreichende finanzielle und personelle Ausstattung, um die Nachfrage zu bedienen. Schulte forderte ein abgestimmtes Vorgehen von Bund und Ländern für eine bessere Unterstützung der Gedenkstätten.
Die Vorsitzende der Bundesvereinigung Lebenshilfe, Ulla Schmidt, führte aus, dass es keinen einzigen historischen Grund gebe, die Opfer von „Euthanasie“ und Zwangssterilisation nicht als Verfolgte des NS-Regimes anzuerkennen. Die Vernichtung von Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen sei von den Nationalsozialisten systematisch vorbereitet und durchgeführt wurden. Diese Verbrechen wirkten bis in die Gegenwart, sagte Schmidt. So bestehe in der deutschen Gesellschaft bis heute ein defizitäres Denken bezüglich Menschen mit Behinderungen. Es müsse ein für allemal klargestellt werden, dass es kein „unwertes Leben“ gebe, sondern dass behinderte Menschen zur Bandbreite der menschlichen Vielfalt dazugehörten.
Die Berichterstatter aller Fraktionen im Ausschuss betonten, dass die Anerkennung des Leids und des Schicksals der Opfer der sogenannten „Euthanasie“ und von Zwangssterilisationen verstärkt in das öffentliche Bewusstsein gerückt werden müsse. Dies sei ein längst überfälliger Schritt sagte Marianne Schieder (SPD) und wies ebenso wie Erhard Grundl (Bündnis 90/Die Grünen) und Thomas Hacker (FDP) darauf hin, dass sich SPD, Grüne und FDP in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt hätten, dies in dieser Legislaturperiode auf den Weg zu bringen. Annette Widmann-Mauz (CDU) sprach von einem der „beschämendsten Kapitel“ in der deutschen Geschichte. Marc Jongen (AfD) sagte, die Anerkennung sei nicht nur „überfällig“, sondern komme zu spät, da von den Opfern so gut wie niemand mehr am Leben sei. Jan Korte (Linke) argumentierte, das Beispiel der „Euthanasie“ und der Zwangssterilisationen zeige, dass es zu den „großen Lebenslügen der Bundesrepublik gehöre, dass die NS-Vergangenheit erfolgreich aufgearbeitet worden sei.
https://www.bundestag.de/
Stellungnahme
der Bundesvereinigung Lebenshilfe e. V.
Zur Anhörung des Kulturausschusses des
Deutschen Bundestages
am 26.09.2022:
Stellungnahme der Sachverständigen Ulla Schmidt, Bundesministerin a.D. und Bundesvorsitzende der Lebenshilfe
Die Bundesvereinigung Lebenshilfe setzt sich seit über 60 Jahren als Selbsthilfevereinigung, Eltern und Fachverband für Menschen mit geistiger Behinderung und ihre Familien ein. In knapp 500 Orts- und Kreisvereinigungen, 16 Landesverbänden und rund 4.500 Diensten und Einrichtungen der Lebenshilfe sind knapp 120.000 Mitglieder aktiv. Die Ziele der Lebenshilfe sind umfassende Teilhabe und Inklusion sowie die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen in Deutschland.
Vorbemerkung
Als Bundesvorsitzende der Lebenshilfe bedanke ich mich herzlich für die Möglichkeit als Einzelsachverständige, eine Stellungnahme abzugeben. Die Bundesvereinigung Lebenshilfe hat Bundesvereinigung Lebenshilfe e. V. Bundesgeschäftsstelle
Hermann-Blankenstein-Str. 30
10249 Berlin
Bundesvereinigung@Lebenshilfe.de
www.lebenshilfe.de
22.09.2022
. Seite 2
sich seit langer Zeit für die Anerkennung des Leids von Menschen mit Behinderung im NS-Regime eingesetzt, was auch mir als Bundesvorsitzende ein wichtiges und persönliches Anliegen ist. So war die Bundesvereinigung Lebenshilfe von Anfang an am Runden Tisch T4 beteiligt, der sich für die Schaffung eines Gedenk- und Informationsortes in Berlin eingesetzt hat. Nach Einweihung des Informations- und Gedenkortes in der Tiergartenstr. 4 hat sich die Lebenshilfe an der Gründung
Förderkreis Gedenkort T4 e.V. beteiligt, der es sich zum Ziel gesetzt hat, das bürgerschaftliche Engagement für den Informations- und Gedenkort zu fördern. Dabei will er insbesondere die Perspektive von Menschen mit Beeinträchtigungen einbringen.
Es war ein Meilenstein, dass im Januar 2017 - am Jahrestag der Befreiung von Ausschwitz - mit Sebastian Urbanski ein Mensch mit einer sogenannten geistigen Behinderung vor dem Deutschen Bundestag sprechen konnte. Er hat den Abgeordneten eindrucksvoll vor Augen geführt, wie wichtig es ist, Menschen mit Behinderung selbst zu Wort kommen zu lassen. Darüber hinaus beteiligt sich die Lebenshilfe an Gedenkstättenarbeit unter der Beteiligung von Menschen mit Beeinträchtigung. So ist in der Gedenkstätte Brandenburg an der Havel mit der dortigen Lebenshilfe ein Projekt umgesetzt orden, in dem Menschen mit Behinderung zu Guides ausgebildet wurden, um seit 2018 durch die Gedenkstätte zu führen. Ähnliche Projekte, in denen Menschen mit Behinderung die Geschichte aufarbeiten und Zeugnis dafür geben, welch unermessliches Leid über Menschen mit Behinderung und ihre Familien in der Zeit des NS-Regimes gebracht wurde, führt die Lebenshilfe an vielen Orten durch, in großem Rahmen und überregional im Landesverband Thüringen. Auch ist die Lebenshilfe an den Fortbildungen in Leichter Sprache beteiligt, die der Förderkreis Gedenkort T4 durchführt.
Aus meiner Sicht ist es sinnvoll und notwendig, die Aufarbeitung des Unrechts und die Förderung der Gedenkstättenarbeit angemessen zu finanzieren. Bisher sind Menschen mit Behinderung nicht als Verfolgte des Naziregimes anerkannt -dies bedaure ich sehr, da aus meiner Sicht ein solcher Schritt eine notwendige Anerkennung des Leids und der Verbrechen an dieser Gruppe wäre. Gerade die Tatsache, dass dieses Leid auch von Organisationen und Einrichtungen ermöglicht wurden, die die Pflege und Betreuung von Menschen mit Behinderung als Aufgabe hatten, ist besonders perfide. Dort, wo man betreut und versorgt wird, muss man sich sicher fühlen und vor Bedrohungen geschützt sein. Viele Einrichtungen der Behindertenhilfe und Psychiatrie haben inzwischen ihre dunkle Geschichte in den Zeiten des NS-Regimes aufgearbeitet und dokumentiert. Viele dieser Einrichtungen und Organisationen tragen so zu einer lebendigen Erinnerungskultur bei. Dennoch bleibt es staatliche Verpflichtung, das Gedenken an die Opfer wach zu halten und ihrer Ausgrenzung entgegenzutreten. Daher ist es auch in der heutigen Zeit entscheidend, diese staatliche Verantwortung in einer systematischen Förderung von Forschung zur Aufarbeitung und Gedenkstättenarbeit umzusetzen.
Meine persönliche Perspektive ist, dass die Anerkennung als Verfolgte des NS-Regimes für die Opfer von Euthanasie und Zwangssterilisation überfällig ist, daher begrüße ich es außerordentlich, dass sich der Kulturausschuss sich nun mit diesen Fragen befasst. Im Folgenden werde ich die Perspektive der Lebenshilfe auf Erinnerungskultur für den Kreis der durch Euthanasie Geschädigten und ihre Zugehörigen darstellen.
. Seite 3
Stellungnahme im Einzelnen
Die Bundesvereinigung Lebenshilfe setzt sich als Selbsthilfeorganisation und Interessenvertretung von Menschen mit geistiger Behinderung und ihren Familien schon seit Langem für ein würdiges Gedenken der Opfer der Euthanasie-Programms unter Einbeziehung ihrer Angehörigen und Nachfahren ein. Dazu gehört aus Sicht der Bundesvereinigung Lebenshilfe, das Gedenken an Opfer der Euthanasie und Zwangssterilisation in das staatliche Gedenkstättenprogramm aufzunehmen. Auch wenn die Bundesvereinigung Lebenshilfe die Errichtung des T4 Denkmals in der Tiergartenstraße lange gefordert und die Umsetzung im Jahr 2014 begrüßt hat, fehlt noch immer eine zentrale Informationsstätte, die gezielt zu den Verbrechen informiert und auch den Familien einen Ort gibt, ihre Geschichte zu dokumentieren. Die Partizipation der Opferverbände, ihrer Zugehörigen und Interessenverbände ist in der Gestaltung der Erinnerungskultur ein
grundlegendes Prinzip, das die Opfergruppen in ihrer speziellen Betroffenheit würdigt und daher unbedingt gewährleistet werden muss. Daher ist die Unterstützung bestehender, regionaler Gedenkstätten in ihrer Bildungsarbeit aus Sicht der Bundesvereinigung Lebenshilfe sehr sinnvoll. Hierbei sollte insbesondere die Ausbildung von Menschen mit Behinderung als Guides einen Schwerpunkt bilden. Der Zulauf zu den Veranstaltungen in Leichter Sprache des Förderkreises Gedenkort T4 in Kooperation mit der Lebenshilfe zeigt bereits, dass Menschen mit Behinderung ein hohes Interesse daran haben, die Geschichte der Euthanasie in der NS-Zeit aufzuarbeiten und dazu zu informieren. Das Beispiel der Guides mit Behinderung in Brandenburg macht zudem deutlich, wie die Darstellung der damaligen Geschehnisse durch Menschen der Opfergruppe in besonderer Weise an Eindrücklichkeit gewinnt. Daher fordert die Bundesvereinigung Lebenshilfe, bei der Förderung der Gedenkstätten insbesondere die Ausbildung von Menschen mit Behinderung einzubeziehen und hierfür Informationen und Fortbildungen in Leichter Sprache zur Verfügung zu stellen.
Als Bundesvereinigung Lebenshilfe sind wir sehr dankbar dafür, dass die Rechtsgrundlage zur Veröffentlichung von Namen inzwischen geklärt wurde. Denn gerade die Nennung des Namens der Opfer gibt dem Leid ein Gesicht und lässt Opfer nicht einfach verschwinden. Daher ermöglichen Gedenk- und Informationsorte mit Nennung der Namen eine einprägsame Erinnerungskultur. Bereits heute gibt es, auch initiiert vom Förderkreis Gedenkort T4, digitale Erinnerungsformate an
Opfer von Euthanasie und Zwangssterilisation, die damit breit zugänglich sind. Auch wenn bereits in ehrenamtlicher Verantwortung solche Gedenk- und Informationsorte entstehen, sieht die Bundesvereinigung Lebenshilfe auch hier eine staatliche Verantwortung. Eine systematische Veröffentlichung von Krankenakten und Gutachten greift allerdings in die persönliche Integrität der Opfer ein, daher sollte sich eine solche Veröffentlichung auf Namen und Lebensgeschichten beziehen, die deutlich machen, dass Mitbürgerinnen und Mitbürger systematisch getötet und missbraucht wurden.
Materialien und Akten zu Fällen von Euthanasie, Zwangssterilisation und Missbrauch von Menschen mit Beeinträchtigung wurden bereits kurz nach dem Krieg vernichtet, so dass sich noch immer erhebliche Defizite in den Erkenntnissen über die damaligen Verbrechen an Menschen mit Behinderung zeigen. Daher ist es aus Sicht der Bundesvereinigung Lebenshilfe umso bedeutender, vorhandene Forschungen und Erkenntnisse zu bündeln, um die Aufarbeitung der Taten und ihrer Grundlagen und Folgen zu verbessern.
https://www.bundestag.de/
Opfer von NS-„Euthanasie“ und Zwangssterilisation als Verfolgte des
Nationalsozialismus anerkennen – Aufarbeitung vorantreiben
Gedenkstätte Bernburg / Hoffmann / 26.09.2022
Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt
Gedenkstätte für Opfer der NS-„Euthanasie“ Bernburg
Dr. Ute Hoffmann /
Betr. Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 23.06.2022
Stellungnahme zur Anhörung am 26.09.2022
Unter dem NS-Regime wurden zwischen 1934 und 1945 mindestens 350.000 Menschen zwangsweise sterilisiert, in den Jahren 1940 und 1941 mehr als 70.000 Insassen von Heil-und Pflegeanstalten in Gaskammern erstickt und 1941 bis 1945 eine unbekannte Zahl durch Entzug der Nahrung oder Überdosierung von Medikamenten ermordet. Beide Maßnahmen – die Zwangssterilisation wie auch die „Euthanasie“ – haben ihren Ursprung in Forderungen nach dem ökonomisch motivierten Ausschluss von leistungsunfähigen und leistungseinschränkten Personen aus der Gesellschaft. Diese Forderungen – gesellschaftlich präsent seit dem Ende des 19. Jahrhunderts – verbanden sich mit der nationalsozialistischen Ideologie und erfuhren vor diesem Hintergrund ab 1933 eine staatlich organisierte und legitimierte Umsetzung. Die Ausgrenzung von kranken, behinderten, sozial unangepassten und alten Menschen wurde von großen Teilen der Bevölkerung mitgetragen, ob wohl NS-Gesundheitsgesetze wie das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ (1933) und das „Gesetz zum Schutz der Erbgesundheit des deutschen Volkes“ (Ehegesundheitsgesetz, 1935) tief in private Bereiche aller Menschen eingriffen. Vorurteile gegen die sog. „Unbrauchbaren“ und „Ballastexistenzen“ gab es eben schon vor 1933 und es gibt sie auch heute noch. Nur vor dem Hintergrund dieser Tradierung wird verständlich, warum nach 1945 eine Strafverfolgung im marginalen Bereich blieb und die Opfer wie ihre Angehörigen um Glaubwürdigkeit und Anerkennung kämpfen mussten.
Das Leiden der Betroffenen ist nicht zu ermessen und darf auch keinerlei vergleichender Wertung unterzogen werden. Trotzdem ist es legitim zu sagen, dass die NS-Gesundheitspolitik ihren wohl prägnantesten Ausdruck im Bau von sechs Gaskammern fand.
Es waren die ersten Einrichtungen dieser Art, die – anders als zum Beispiel im Strafvollzug der USA – einer massenhaften Tötung von Menschen dienten. An diesen Orten befinden sich heute Gedenkstätten in unterschiedlicher Trägerschaft und mit unterschiedlicher Gedenkstätte Bernburg / Hoffmann / 26.09.2022
2
Gestaltung. Dazu kommen an zahlreichen Orten und Einrichtungen, die auf die eine oder andere Weise mit NS-Zwangssterilisation und „Euthanasie“ verbunden sind, kleinere Gedenkstätten mit Ausstellung und Betreuung sowie eine Vielzahl von Gedenkorten ohne Ausstellung, meist in Form von Skulpturen oder Gedenkplatten.
Die Gedenkstätten haben gegenwärtig zwei zentrale Aufgaben:
1. Die Recherchen nach den historischen Abläufen, nach Opfer und Tätern, die Beratung von Angehörigen und die Organisation von Gedenken in einer angemessenen Form,
2. die Vermittlung historischer Abläufe und ihrer Hintergründe im Rahmen der politischen und fachlichen Bildung mit dem Ziel, möglichst eine Auseinandersetzung mit gegenwärtigen Prozessen sozialer Ausgrenzung und Diskriminierung anzuregen.
Zu Punkt 1 – Recherchen und Beratung
Umfang und Art der überlieferten schriftlichen Unterlagen unterscheiden sich stark. In Hinsicht auf die Opfer sind besonders zu berücksichtigen der Bestand R 179 / Kanzlei des Führers im Bundesarchiv Berlin sowie Aufnahme- und Entlassungsbücher der diversen psychiatrischen Heil- und Pflegeanstalten. In Hinsicht auf die Täter und Täterinnen sind es
zeitgenössische Unterlagen aus Hinterlassenschaften sowie der Bestand aus den Vorermittlungen für die wenigen Prozesse in den 1960er Jahren gegen Beteiligte an der „Euthanasie“.
Die Gedenkstätten haben in der Regel umfangreiche Opferdateien. Um diese auch dauerhaft zu sichern, bietet sich eine Kooperation mit den Arolsen Archives als sichere und kostenfreie Möglichkeit an. Da nicht alle Angaben aus den Krankenakten frei im Internet stehen sollten, werden die Arolsen Archives jeweils eine Information bieten mit Basisdaten und einen Weiterverweis an die betreffende Gedenkstätte, wo dann eine entsprechende umfangreichere Beratung stattfinden kann.
Für Angehörige, für ehrenamtlich tätige Heimatforscher, aber auch für staatliche Institutionen wie Friedhofsämter ist die „Beurkundung“ des Todes der Opfer durch die eigens den „Euthanasie“-Anstalten angegliederten Standesämter ein ernsthaftes Problem. Schriftwechsel wie Urkunden enthalten grundsätzlich falsche Angaben über die Umstände des Todes, und es erforderte einiges an Kenntnissen und Erfahrungen, um die tatsächlichen Sachverhalte zu klären. In diesen Fällen sollte mehr auf die Arbeit von Fachleuten gesetzt werden. Die erforderliche Kompetenz ist allerdings ist nur mit personeller Kontinuität und Stabilität zu erreichen. Praktika oder Freiwilligendienste können begleiten und unterstützen, Gedenkstätte Bernburg / Hoffmann / 26.09.2022
3
aber Konzept, Anleitung und Kontrolle gehören in die Hand einer dafür auch ausgebildeten Person. Während die von Zwangsterilisation Betroffenen zumeist aus Scham schwiegen, ist es vielen Angehörigen von Opfern der „Euthanasie“ heute ein Bedürfnis, sich mit dem Schicksal ihres ermordeten Familienmitgliedes zu befassen. Manchen genügt als Antwort auf eine Anfrage die einfache Information. Andere suchen nach geeigneten Formen der Erinnerung, aber nicht jeder möchte dies öffentlich tun. Das Gesamtbild der Angehörigen und ihres Gedenkens ist deshalb ein anderes und vor allem viel differenzierter, als es in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Gemeinsam ist allen, dass sie Ansprechpartner brauchen – für die allgemeine Ermutigung, für die Anleitung, wo man welche Angaben finden kann, und für das Angebot verschiedener Formen individueller Erinnerung. Und die Zahl der Anfragen von Angehörigen ist über die Jahre nicht geringer geworden, und hat auch 2022 noch ein unerwartet hohes Niveau.
Zu Punkt 2 – Vermittlung
Die Vermittlung von NS-Zwangssterilisation und „Euthanasie“ ist ein ebenso komplexes wie schwieriges Feld.
Junge Menschen kennen in der Regel kein anderes gesellschaftliches System als das der Bundesrepublik und sind nur bedingt in der Lage, sich die Auswirkungen einer Diktatur vorstellen zu können. Es mag deshalb bei interessierten Erwachsenen als Individualbesucher ausreichen, eine Ausstellung zu besuchen, um Anregungen für eigene Recherchen zu finden. Ist die Vermittlung als historisch-politische Bildung jedoch integriert in schulische oder Berufsausbildung, bedarf es einer Unterstützung und Begleitung,
- die inhaltlich gliedert und zeitlich kontextualisiert,
- die ausgerichtet ist auf verschiedene Zielgruppen,
- die statt einer passiven Führung eine aktive Beschäftigung ermöglicht und
- die vor allem Fragen und Diskussionen ermöglicht.
Soll die Vermittlung erfolgreich sein, ist der dafür erforderliche Aufwand wesentlich höher, als nach außen hin erkennbar. Auch hier gilt: Honorarkräfte und Freiwillige werden auf jeden Fall gebraucht, aber Konzept, Anleitung und Kontrolle gehören in die Hand einer dafür ausgebildeten Person.
In vielen Bereichen der Gedenk- und Erinnerungskultur wird zu Recht die abnehmende Zahl von Zeitzeugen beklagt. Die Gedenkstätten für Opfer der „Euthanasie“ haben schon immer fast ohne Zeitzeugen auskommen müssen, denn „Euthanasie“-Anstalten Einrichtungen zum Gedenkstätte Bernburg / Hoffmann / 26.09.2022
4
Töten von Menschen waren, gibt es von diesen zwangsläufig keine Selbstzeugnisse über diese letzte Zeit ihres Lebens. Den wenigen Überlebenden wurde nicht geglaubt. Bei den meisten Zwangssterilisierten war es meist die Scham über das Erduldete, die sie verstummen ließ.
Das ist aber gleichzeitig eine Chance in der Vermittlung, denn Empathie mit den Opfern allein ist nicht ausreichend für die historisch-politische Bildung. Hier geht es auch um die Täter und Täterinnen – um ihre Sozialisation, ihre Motivation, um Möglichkeiten zur Verweigerung und die Reflektion nach dem Ende des NS-Regimes. Diese Menschen hatten eine Handlungsoption, ihre Opfer nicht. Die Suche der Täter und Täterinnen nach gutem Verdienst und Gruppengefühl sowie ihre kritiklose Akzeptanz staatlichen Handelns sind grundsätzlich nicht an eine spezielle Staatsform gebunden. Die Zeit des NS-Regime macht jedoch deutlich, was daraus werden kann. Und das wiederum führt zu der Frage nach Gefährdungen heute, auch innerhalb eines demokratischen Staates. Ziel der historisch-politischen Bildung sollte deshalb nicht nur die Aufnahme historischer Fakten und der Respekt vor den Opfern einer zutiefst inhumanen Politik sein, sondern daraus abgeleitet die Überlegung, wie wir im Hier und Jetzt miteinander umgehen und das in Zukunft tun wollen.
https://www.bundestag.de/
Vor 80 Jahren: Beginn der NS-"Euthanasie"-Programme
15.08.2019 / 5 Minuten zu lesen
Mit einem Runderlass vom 18. August 1939 begann der systematische Massenmord der Nationalsozialisten an tausenden Kindern, wenig später unter der "Aktion T4" auch an Erwachsenen. Insgesamt wurden unter dem NS-Regime hunderttausende kranke und behinderte Menschen ermordet.
Beschriftete Steine erinnern auf dem Friedhof der Gedenkstätte Hadamar (Hessen) am 22.11.2013 an die hier bestatteten Opfer der NS-Euthanasie-Morde. Während der NS-Zeit wurden in Hadamar 15.000 Menschen ermordet und verbrannt.
Bereits im Juli 1933, also rund ein halbes Jahr nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten, erließ die Regierung im Juli 1933 das "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses". Es trat am 1. Januar 1934 in Kraft und erlaubte erstmals in Deutschland die Zwangssterilisation. Menschen, die nicht den nationalsozialistischen Rasseidealen entsprachen, sollte so die Möglichkeit verwehrt werden, Kinder zu zeugen. Rund 350.000 bis 400.000 Menschen wurden auf Grundlage dieses Gesetzes während der Interner Link:NS-Herrschaft zwangssterilisiert. Betroffen waren Menschen mit psychischen Krankheiten oder mit körperlichen und geistigen Behinderungen sowie Menschen, die als "asozial" oder "minderwertig" stigmatisiert wurden, wie etwa Alkoholiker.
Einordnung von Menschen als "lebensunwert"
Schon vor den 1930er Jahren kursierten Forderungen, Menschen mit Behinderungen zu töten: Die 1920 von dem Juristen Karl Binding und dem Psychiater Alfred Hoch veröffentlichte Schrift "Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens" sorgte in der Weimarer Republik für teils auch kritische Debatten, fand allerdings später bei den NS-Ideologen Anklang. Das Werk prägte die Vorstellung, Menschen als "lebensunwert" einzustufen zu können. Es regte auch Überlegungen an, menschliches Leben an wirtschaftlicher Rentabilität zu messen und damit die Ermordung von kranken oder behinderten Menschen zu rechtfertigen.
Mit ihren Thesen lieferten Hoch und Binding die zentrale programmatische Grundlage für die NS-"Euthanasie". Der aus dem Altgriechischen stammende Begriff bedeutet eigentlich "schöner Tod", und wurde von den Nationalsozialisten als Umschreibung der systematischen Ermordung von Menschen mit Behinderungen, psychischen Krankheiten und sozialen Stigmata gebraucht.
"Kanzlei" des Führers und Ärzte als Organisatoren der Massenmorde
Die "Euthanasie"-Mordaktionen der Nationalsozialisten an verschiedenen Gruppen fanden parallel zueinander statt. Ihr Planungszeitraum ist wissenschaftlich umstritten. Als ein möglicher Auslöser gilt, dass Hitler im Frühjahr 1939 das Schreiben eines Vaters erhalten habe, der um die Tötung seines behinderten Kindes bat. Hitler ermächtigte zu diesem Anlass den Leiter der "Kanzlei des Führers", Philipp Bouhler, und seinen Leibarzt, Karl Brandt, das Kind zu töten und in ähnlichen Fällen genauso zu verfahren.
Vorbereitet und organisiert wurde der kommende systematische Massenmord von dieser Führungselite der "Kanzlei des Führers" und Ärzten. Zur Tarnung wurde der "Reichsausschuss zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden" gegründet, unter dessen Namen sie die Morde erfassen und verüben ließen.
Runderlass vom 18. August und Beginn der "Kinder-Euthanasie"
Ein zentrales Dokument für die "Kinder-Euthanasie" war der streng vertrauliche Runderlass des Reichsinnenministeriums vom 18. August 1939. Er verpflichtete Ärzte und Hebammen, Kleinkinder und Säuglinge mit bestimmten "schweren, angeborenen Leiden" bei dem Reichausschuss zu melden. Meldepflichtig waren vorerst Kinder bis drei Jahre, später wurde das Alter auf 16 Jahre hochgesetzt. In sogenannten "Kinderfachabteilungen" in Heilkliniken wurden die Kinder anschließend für Experimente missbraucht und durch eine Injektion oder Verhungern getötet. Die Zahl der Opfer dieser "Kinder-Euthanasie" wird bis 1945 auf ca. 5.000 geschätzt. Jedoch fielen auch anderen "Euthanasie"-Morden im Deutschen Reich und besetzten Gebieten tausende Kinder zum Opfer.
Parallel dazu liefen Vorbereitungen, um auch kranke oder behinderte Erwachsene gezielt zu töten. Bouhler und Brandt baten Hitler um eine Interner Link:schriftliche Ermächtigung , die er im Oktober 1939 erteilte. Um den Zusammenhang mit dem Krieg deutlich zu machen, wurde dieser Mordbefehl auf den 1. September 1939, den Tag des Interner Link:Kriegsbeginns , zurückdatiert. Auch diese Ermordungen organisierte die "Kanzlei des Führers", die verschiedene Tarnorganisationen gründete, um das Programm zu verschleiern. Aufgrund des offiziellen Sitzes der verwaltungsintensiven Organisationszentrale mit sechs Abteilungen in der Berliner Tiergartenstraße 4 erhielt die Aktion den Namen "T4".
Aktion T4
Die Leitungen von Krankenanstalten und psychiatrischen Kliniken wurden aufgefordert, auch ihre volljährigen Patienten zu melden. In Berlin überprüften Gutachter die Meldungen und entschieden über das weitere Schicksal. Mit einem "+"-Zeichen auf dem Meldebogen vermerkten sie, wer getötet werden sollte. Die Betroffenen wurden in Krankenanstalten, etwa nach Bernburg, Hadamar, Hartheim und Sonnenstein verlegt und umgebracht.
Dr. Albert Widman, Referent des Kriminaltechnischen Instituts des Reichskriminalpolizeiamtes, entwickelte die Strategie, die Menschen nicht nur durch Injektionen, sondern auch durch giftiges Kohlenmonoxidgas zu töten. Die Ermordung erfolgte in eigens eingerichteten Gaskammern. Das Gas lieferte die IG Farben, also die heutige BASF. Die Leichen wurden eingeäschert und die Angehörige über erfundene Todesursachen in Kenntnis gesetzt.
Widerstand von Geistlichen
Die Interner Link:Nachrichten über die Tötungen blieben nicht geheim, sondern verbreiteten sich innerhalb der Bevölkerung. Einige Familienangehörige wandten sich Hilfe suchend an die Polizei. Richter und Geistliche äußerten ihre Empörung und verlangten ein Ende der Tötungen sowie Aufklärung über das Geschehen. Auf Interner Link:allgemeine gesellschaftliche Proteste stieß die Aktion "T4" jedoch nicht. Anfang August 1941 predigte schließlich der Münsteraner Bischof Clemens August Graf von Galen öffentlich gegen die Morde. Die darauf entstehende Unruhe führte dazu, dass die Aktion "T4" an Erwachsenen im Deutschen Reich auf Weisung Hitlers offiziell eingestellt wurde. Fortgesetzt wurde sie verdeckt an Kindern, in den Konzentrationslagern und in den besetzten Gebieten.
Die systematische Verfolgung und Ermordung von kranken, behinderten oder sozial stigmatisierten Menschen im Rahmen von "T4" legte den Grundstein für weitere Interner Link:systematische Massenermordungen während des Nationalsozialismus. Einige der Beteiligten setzten ihre Erfahrungen beim Töten mithilfe von Gas anschließend in den Vernichtungslagern ein.
Hunderttausende Opfer
Die Schätzungen der Todeszahlen durch die Euthanasie-Programme der Nazis gehen weit auseinander – als gesichert gilt, dass die Opferzahl sechsstellig war. Alleine die Aktion "T4" kostete bis zu ihrer Einstellung im September 1941 Schätzungen zufolge etwa 70.000 Menschen das Leben. In den folgenden Tötungsaktionen starben wohl mindestens 30.000 weitere behinderte und kranke Menschen. Auch kranke Zwangsarbeiter und Häftlinge in Konzentrationslagern wurden gezielt getötet. Insgesamt wurden im Rahmen der "Euthanasie"-Aktionen in ganz Europa etwa 200.000 bis 300.000 Menschen getötet, die als nicht rentabel oder nützlich für die Gesellschaft galten. Opfervertreter gehen von einer noch größeren Zahl aus.
Die Aufarbeitung der Euthanasie-Morde im Nachkriegsdeutschland verlief aus Sicht der Opfervertreter unbefriedigend. Der Großteil der Prozesse gegen die Täter fand kurz nach Kriegsende unter alliierter Gerichtsbarkeit statt. So wurden im Nürnberger Ärzteprozess zwei Hauptverantwortliche und in anderen Verfahren auch medizinisches Personal und Verwaltungskräfte zum Tode verurteilt. In späteren Verfahren fielen die Urteile deutlich milder aus. Das Gesetz zur Zwangssterilisation wurde 1988 vom Bundestag zum NS-Unrecht erklärt und die Urteile der "Erbgesundheitsgerichte" 1998 aufgehoben. Bis heute haben Zwangssterilisierte und Euthanasie-Opfer allerdings keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz.
https://www.bpb.de/
Mehr zum Thema:
Gernot Jochheim: "Gemeinschaftsfremde" und Kranke (Informationen zur politischen Bildung) >>>
Stefanie Graefe: Schöner Tod? "Euthanasie in Vergangenheit und Gegenwart >>>
Zwangssterilisation im Nationalsozialismus
Referat / Aufsatz (Schule), 2002
6 Seiten
M D MAREN DEMBECK (AUTOR:IN)
Zwangssterilisation im Nationalsozialismus
Die Grundlage der Zwangssterilisationen im dritten Reich bildete das national- sozialistische Verständnis der Rassenhygiene, der „Wissenschaft von der Aufwertung der menschlichen Rasse durch verbesserte Fortpflanzung“. Diese strebte die Vermehrung der „rassisch wertvollen“ - und gleichzeitig die Ausrottung der „rassisch minderwertigen“ Volksbürger an und wurde durch die „Deutsche Gesellschaft für Rassenpflege" gefördert. Wie Adolf Hitler auch der Öffentlichkeit mitteilte, galt das Ziel, ein körperlich und geistig weit überlegenes Volk zu schaffen - ganz nach dem Motto dieser Ideologie: „Der Einzelne vergeht, aber das Volk besteht.“ Ab 1920 wurde das zuvor überwiegend populistisch behandelte Thema „Rassenhygiene" der Medizin zugeschrieben und von ihr besetzt. So fanden bereits um diese Zeit erste illegale Sterilisierungen (Unfruchtbarmachungen) von Seiten der „Rassenhygieniker" statt.
Unmittelbar mit der Machtergreifung der NSDAP am 30. Januar 1933 wurde die erste staatliche Maßnahme auf dem Gebiet der "Erb- und Rassenpflege" ergriffen. Man verabschiedete das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" (GzVeN), welches die zwangsweise, das heißt staatlich angeordnete Unfruchtbarmachung von "Erbkranken" legalisierte und am 01.01.1934 in Deutschland; bzw. am 01.01.1940 in Österreich in Kraft trat. Neben der rassischen Begründung für die Sterilisation, spielte vor allem die wirtschaftliche Auswirkung eine große Rolle. Fürsorgebedürftige belasteten den Staat durch Sondereinrichtungen mit einer Unmenge an Reichsmark und insbesondere während der Weltwirtschaftskrise sah man in dem Ausleseverfahren einen Ausweg aus der Patientenreiche Situation. Mit anderen Worten: Der Staat wollte mit den Sterilisationen Fürsorgegelder sparen.
Als Kriterien für eine gesetzesgültige Zwangssterilisierung, und somit auch als Erbkrankheiten galten:
- angeborener Schwachsinn
- Schizophrenie
- manisch-depressives Irresein
- erbliche Fallsucht
- erblicher Veitstanz
- erbliche Blindheit
- erbliche Taubheit
- schwere körperliche Missbildung erblicher Art
- schwerer Alkoholismus
Ein wissenschaftlicher Nachweis der Erblichkeit des Leidens musste und konnte allerdings in der Regel nicht erbracht werden; und auch die Indikation zur Sterilisation wurde binnen kürzester Zeit erweitert (wie z.B. auf Klumpfußträger, politische Gegner, rassisch Unerwünschte). So kam es zu einer zunehmenden Verfälschung von Genauigkeit und Korrektheit des Gesetzes.
Alle Ärzte waren verpflichtet, dem Gesundheitsamt Kandidaten für eine mögliche Unfruchtbarmachung zu melden und somit Sterilisationsanträge zu stellen. Dabei nahmen sie Bezug auf die angelegte Sippenkartei, die sämtliche Informationen und Daten der betroffenen Personen hinsichtlich ihrer Abstammung enthielt. Folgende Bezeichnungen wurden in einer solchen Registratur verwendet:
'Jude' (im Sinne des §2 der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935, RGB1 I, S.1333, also auch Dreivierteljuden):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Nichtjüdische Fremdrassige:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Alle sonstigen Personen, die als nichtdeutschen oder artverwandten Blutes anzusehen sind:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Sonstige Bezeichnungen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Auf diese Weise rückte die Vertrauensbasis zum Arzt, die Ärztliche Schweigepflicht und den „Hippokratischen Eid“ in den Hintergrund und es konnten innerhalb kürzester Zeit alle möglichen „Minderwertigen“ im Deutschen Reich erfasst und auch verfolgt werden. Ebenfalls einen Antrag auf Sterilisation stellen konnte der Betroffene selbst (wobei der Anteil jener nur bei ca. 1% gelegen haben muss), sein gesetzlicher Vertreter oder Pfleger, sowie die Amts- und Gerichtsärzte und Leiter von Heil-, Kranken-, Pflege- und Strafanstalten. Über die Befürwortung, bzw. die Ablehnung der Anträge entschieden letzten Endes die ca. 220 Erbgesundheitsgerichte, die sich jeweils aus einem Richter und zwei Ärzten zusammensetzten. Eine Beschwerde gegen den Beschluss des Erbgesundheitsgerichtes hatte zwar aufschiebende Wirkung, war langfristig gesehen aber erfolglos. Außerdem bestand die Wahrscheinlichkeit einer Inhaftierung des Betroffenen während dieser Frist, um eine zwischenzeitliche Fortpflanzung zu unterbinden. Lediglich eine lebenslange Aufnahme in einer Anstalt auf eigene Kosten konnte dieses schreckliche Schicksal verhindern. Eine Entlassung von Insassen der Heil- und Pflegeanstalten ohne Zwangssterilisation war verboten.
Die Durchführung des möglichst milden, aber immerhin gewaltsamen Eingriffs ging auf verschiedene Weise und meist in Krankenanstalten, seltener auch in Konzentrationslagern vonstatten. Es gab die medikamentöse Sterilisation, die Röntgensterilisation und die Sterilisation durch intrauterine Reizwirkung. Alle drei Methoden der Unfruchtbarmachung entsprangen experimentellen Vorarbeiten und auch ihre Weiterentwicklung wurde von SS-Ärzten in Auschwitz, Ravensbrück und anderen Städten an meist tödlichen Menschenversuchen erprobt. Die Einweisungen ins Krankenhaus mussten oftmals zwangsweise und bei jedem Zwölften sogar mit Gewalt durchgeführt werden (wie aus einschlägigen Statistiken hervor geht).
So ist in sichergestellten Akten z.B. folgendes nachzulesen: "...versucht diese sich erneut der Sterilisation zu entziehen, ein weiteres Verhandeln erscheint zwecklos. Ich bitte nunmehr die polizeiliche Ü berführung in das Krankenhaus Stade...", "Ich bitte die Person zwangsweise ins Krankenhaus Stade zur Sterilisierung polizeilich vorführen lassen zu wollen. Sie hat meiner Aufforderung keine Folge geleistet." "...da sie sich nach Aufforderung im Krankenhaus nicht meldete und sich hartnäckig weigerte, der Aufforderung nachzukommen, musste sie durch einen Gendarmeriebeamten im Kraftwagen nach Stade gebracht und zur Unfruchtbarmachung im Krankenhaus vorgeführt werden."
Für die Betroffenen bedeutete eine Zwangssterilisation gesellschaftliche Diskriminierungen, physische und psychische Schädigungen und Spätfolgen. Die wenigsten Zwangssterilisierten können im nachhinein noch über ihre Erfahrungen im dritten Reich sprechen. Nicht so Frau Nowak. Sie versucht ihre schrecklichen Erinnerungen durch Gespräche zu verarbeiten:
„ ...Außerdem ist einfach nicht zuübersehen, dass unser Körper durch die Operation verstümmelt und damit die Lebensentwicklung zerstört wurde. Die zwischenmenschliche Beziehung war unterbrochen [...] Den Makel, der uns in dieser Zeit angelastet wurde, haben wir ein Leben lang zu tragen. Jeder muss einzeln und allein, mehr oder weniger, damit fertig werden; denn ein Verständnis der Bevölkerung und der Mitmenschen hat es nicht oder nur in wenigen Ausnahmefällen gegeben. Es war eine Diskriminierung, die nur sehr schwer zu verkraften ist. “
1934 wurde das Sterilisierungsgesetz heftig in der Öffentlichkeit diskutiert und fand in weiten Kreisen Zustimmung. Die Kirche zeigte sich zunächst als rigoroser Gegner der zwanghaften Verhütungsmaßnahme und teilte den Gläubigen mit, dass es verboten sei, sich freiwillig sterilisieren zu lassen oder die Sterilisierung eines anderen zu beantragen. Doch nachdem nicht auf ihre Forderungen eingegangen wurde passte sich auch diese an und Anstalten wie die Innere Mission (Diakonisches Werk) beteiligten sich sogar eifrig. 1935 kamen noch zwei weitere Gesetze hinzu. Das Eine erlaubte die Schwangerschaftsunterbrechung bei erbkranken Frauen bis zum 6. Monat, das andere war das „Ehe-Gesundheitsgesetz“ und verbot die Eheschließung in bestimmten Krankheitsfällen. Ebenfalls im gleichen Jahr häuften sich die Todesfälle infolge der Sterilisation und es stieg die Zahl der Selbstmorde an. Dies allein genügte den Nationalsozialisten jedoch nicht, da erst nach Generationen wirkliche Resultate zu erwarten waren. Bis Kriegsausbruch wurde den Zwangssterilisierungen daher immer weniger Beachtung geschenkt und Hitler veranlasste am 01.09.1939 schließlich den Sterilisierungsstopp. Stattdessen sorgte er nun für die Vorantreibung der weitergehenden Maßnahme der Euthanasie, von der auch bereits Zwangssterilisierte nicht verschont blieben.
Zwischen Januar 1934 und Mai 1945 wurden an die 400.000 Menschen zwangsweise unfruchtbar gemacht. 5.000-6.000 der Sterilisations-Opfer (also mehr als 1 Prozent) starben an den Folgen der Operation, die von den NS- Gesundheitsbehörden als harmloser Eingriff hingestellt wurde. 90% davon waren Frauen. In Österreich hatte die „Aktion“ ein geringeres Ausmaß (von 5000 Zwangssterilisierten), da zu diesem Zeitpunkt bereits die Euthanasie praktiziert wurde. Insgesamt gab es bis 1945 zwischen 250.000 und 300.000 Menschen, die jenes entwürdigende Schicksal erfuhren.
Quellenverzeichnis:
Internet
http://www.theo-physik.uni-kiel.de:81/~starrost/akens/texte/demgesch/heesch.html http://www.frauennews.de/themen/kriegsmittel/kriegsm55.htm http://www.vvn-bda.de/stade/zwang.htm
http://www.dielebenshilfe.at
http://www.psychiatrie-erfahrene.de/eigensinn/bilder_tumarkin/alexander_meschnig.htm http://www.irren-offensive.de/hamburg.htm
http://www.doew.at/thema/thema_alt/wuv/euthwid/koenigsegg.html#Zwangssterilisierung http://www.puhli.de/uni/papers/kircheim3reich/
http://www.jugendstiltheater.co.at/neugebauer%2011.1.96.htm
http://www.parlament.ch/afs/data/d/gesch/1999/d_gesch_19990451.htm http://www.wissen.swr-online.de/sf/begleit/bg0030/bg_ns05a.htm http://shoanet.iuk.hdm-stuttgart.de/glossar/Xyz.htm#Zwangssterilisation http://bbeo1.charite.de/asamans/k4.htm
http://viadrina.euv-frankfurt-o.de/~wsgn1/pageH6referat.html
Literatur
“Eugenik Sterilisation Euthanasie - Politische Biologie in Deutschland 1895 - 1945“ (Kaiser / Nowak / Schwartz)
“Sozialdarwinismus, Rassenhygiene, Zwangssterilisation und Vernichtung ‚lebensunwerten’ Lebens“
(Christoph Beck)
„Zwangssterilisation im Nationalsozialismus“ (Gisela Bock)
„Euthanasie im NS-Staat“ (Ernst Klee)
„In Sachen Eva D.“ (Udo Weinbörner)
Anhang:
„...gibt es kein gleiches Recht für alle.
Der Hochwertige hat das Recht, gefördert zu werden, der Minderwertige hat es nicht.“
A. Hitler „Mein Kampf“
“(Es) gibt nur ein heiligstes Menschenrecht, und dieses Recht ist zugleich die heiligste Verpflichtung, nämlich: dafür zu sorgen, dass das Blut rein erhalten bleibt, um durch die Wahrung des besten Menschentums die Möglichkeit einer edleren Entwicklung dieser Wesen zu geben. Ein völkischer Staat wird darum in erster Linie die Ehe aus dem Niveau einer dauernden Rassenschande herauszuheben haben (Die) Ehe ist berufen, Ebenbilder des Herrn zu zeugen und nicht Missgeburten zwischen Menschen und Affen.“
(Hitler, Adolf: Mein Kampf. München 1925, S. 468)
Statistik:
6 von 6 Seiten
Details
Titel
Zwangssterilisation im Nationalsozialismus
Autor
Maren Dembeck (Autor:in)
Jahr
2002
Seiten
6
Katalognummer
V106193
ISBN (eBook)
9783640044726
Dateigröße
415 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Zwangssterilisation, Nationalsozialismus
Arbeit zitieren
Maren Dembeck (Autor:in), 2002, Zwangssterilisation im Nationalsozialismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/106193
Appell zur Anerkennung der Zwangssterilisierten und Euthanasie-Geschädigten als NS-Verfolgte
PRESSEMITTEILUNG
Pressemitteilung im PDF-Format
(Berlin 08.05.14) Die noch lebenden Opfer der nationalsozialistischen Zwangssterilisation und „Euthanasie“-Geschädigte sollen endlich als Verfolgte des NS-Regimes anerkannt und damit den anderen Opfergruppen rechtlich gleichgestellt werden. Dies fordern der Bund der „Euthanasie“-Geschädigten und Zwangssterilisierten (BEZ) und der Arbeitskreis zur Erforschung der nationalsozialistischen „Euthanasie“ und Zwangssterilisation in einem gemeinsamen Appell Ende April an die Bundestagsfraktionen, den Bundespräsidenten und die Landesregierungen.
Zum Hintergrund der Forderungen
Zwangssterilisierten und „Euthanasie“-Geschädigten wurde in der Bundesrepublik bis 1980 jegliche Entschädigung als NS-Opfer verweigert. Die immer wiederkehrende Argumentation dafür war, dass ihr Leid „kein typisches NS-Unrecht“ sei und sie somit nicht unter den § 1 des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) – Verfolgung aus Gründen der Rasse – fallen würden. Man schloss Zwangssterilisierte und „Euthanasie“-Geschädigte aus dem BEG aus.
Der Ausschluss von Opfergruppen hat in der Bundesrepublik Tradition. In der Diskussion um das BEG-Schlussgesetz 1961 ließ sich das Parlament von drei führenden ehemaligen NS-Rassehygienikern beraten: den Professoren Helmut Ehrhardt, Hans Nachtsheim und Werner Villinger. Nicht deren eugenische Argumentation, aber ihre Schlussfolgerung, es handele sich nicht um ein typisches NS-Gesetz, wird bis heute von den Entscheidungsträgern zur Ablehnung der Forderung der Opfer nach Anerkennung als Verfolgte herangezogen. Dies ist für die Betroffenenvertreter „unverständlich und empörend“.
„Ethisch-moralische und politische Pflicht“ die Beschlusslage zu korrigieren
Aus ihrer Sicht ist es eine „ethisch-moralische und politische Pflicht, diese durch personelle und ideologische Kontinuitäten zustande gekommene Beschlusslage“ dringlich zu korrigieren. „Die nach 1945 fortdauernden Diskriminierungen und Ausgrenzungen der Zwangssterilisierten und „Euthanasie“-Geschädigten sollte verurteilt werden und die Betroffenen durch eine ergänzende Regelung zum BEG den anderen NS-Verfolgten gleichgestellt werden. Grundlage hierfür sollte die 2007 im Deutschen Bundestag beschlossene Ächtung des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses und die bereits 1994 erfolgte Anerkennung der Zwangssterilisationen als NS-Unrecht sein“, heißt es in dem Appell.
Die Gleichstellung besonderer Opfergruppen, wie etwa diejenigen, die auf Grund ihrer Gewissensentscheidung oder ihrer künstlerischen oder wissenschaftlichen Richtung verfolgt wurden, mit den anderen NS-Verfolgtengruppen ist bereits im BEG vollzogen. „In diesem Sinne sollte auch die Gruppe der Zwangssterilisierten und „Euthanasie“-Geschädigten anerkannt und gleichgestellt werden, um den wenigen noch lebenden Opfern und ihren Angehörigen Gerechtigkeit zu Teil werden zu lassen“. Denn solange den Opfern nicht der Status als „rassisch Verfolgte“ zuerkannt wird, haben sie, von Härteleistungen abgesehen, weder die volle rechtliche Anerkennung als NS-Verfolgte noch Ansprüche im Sinne des BEG.
Der Appell sowie eine Dokumentation der bisherigen parlamentarischen Debatten ist auf der Webseite des Bund der „Euthanasie“-Geschädigten und Zwangssterilisierten unter www.euthanasiegeschaedigte-zwangssterilisierte.de/ in der Rubrik Rehabilitation abrufbar.
Pressekontakt:
Für den Arbeitskreis zur Erforschung der nationalsozialistischen „Euthanasie“ und Zwangssterilisation:
Dr. Michael Wunder
Beratungszentrum Evangelische Stiftung Alsterdorf
Paul-Stritter-Weg 7
22297 Hamburg
Tel: (040) 50773566
Email: m.wunder(at)alsterdorf.de
Internet: http://www.ak-ns-euthanasie.de
Für die AG Bund der „Euthanasie“-Geschädigten und Zwangssterilisierten:
Margret Hamm
AG Bund der „Euthanasie“-Geschädigten und Zwangssterilisierten
c/o Verein Gegen Vergessen – Für Demokratie e. V.
Stauffenbergstraße 13-14
10785 Berlin
Telefon: (030) 26 39 78 3
Telefax: (030) 26 39 78 40
Email: bez(at)ag-bez.de
Internet: www.euthanasiegeschaedigte-zwangssterilisierte.de/
Über die Arbeitsgemeinschaft Bund der „Euthanasie“-Geschädigten und Zwangssterilisierten:
Der Bund der „Euthanasie“-Geschädigten und Zwangssterilisierten e.V. (BEZ) wurde 1987 in Detmold gegründet und arbeitete bundesweit. Zum 31.12.2009 löste sich der Verein in der Rechtsform als e.V. auf und arbeitet seit 01.01.2010 weiter unter dem Namen „Arbeitsgemeinschaft Bund der „Euthanasie“-Geschädigten und Zwangssterilisierten“ (AG BEZ). Sie unterstützen die Opfer des in der NS-Zeit 1933 erlassenen „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“, auch bekannt als Erbgesundheitsgesetz. Der BEZ leistet betreuende Hilfe für die Opfer z.B. bei Anträgen und Behördenangelegenheiten, forscht in Archiven nach Beweisunterlagen und engagiert sich politisch gegen die damals erlittene Verfolgung.
Über den Arbeitskreis zur Erforschung der nationalsozialistischen „Euthanasie“ und Zwangssterilisation
1983 fanden sich in der Bundesrepublik erstmals haupt- und nebenamtliche Forscherinnen und Forscher unterschiedlicher Fachrichtungen zusammen, um am Beispiel der Institutionen des Gesundheitswesens, in denen sie arbeiten, die Geschichte der NS-Verbrechen an den als „minderwertig“ Erachteten Personen aufzuklären. Dem von ihnen gegründeten Arbeitskreis zur Erforschung der Geschichte von NS-„Euthanasie“ und Zwangssterilisation gehören heute Krankenpflegekräfte, Ärzte, Theologen, Historiker, Juristen, Gedenkstättenmitarbeiter, Pädagogen, Psychologen, Soziologen und Fachjournalisten an. Jährlich finden auf Einladung wechselnder Kooperationspartner eine Frühjahrs- und eine Herbsttagung statt. Der Arbeitskreis versteht sich als offenes Forum und lädt jede und jeden in diesem Themenbereich Arbeitenden zur Mitarbeit ein.
Seit der Gründung hat der Arbeitskreis auch immer wieder zu aktuellen bioethischen Themen kritisch Stellung bezogen, wie z.B. zur Präimplantationsdiagnostik. Diese Papiere finden sich auf der Webseite des AK unter www.ak-ns-euthanasie.de
(C) 2009 - 2023 Arbeitsgemeinschaft Bund der "Euthanasie"-Geschädigten und Zwangssterilisierten
https://www.euthanasiegeschaedigte-zwangssterilisierte.de/
Ex-BEZ-Geschäftsführerin Margret Hamm
„In eine Reihe mit NS-Tätern möchte ich mich nicht stellen“
Hunderttausende Menschen wurden im Rahmen der NS-„Euthanasie“ ermordet oder zwangssterilisiert. Die Aufarbeitung der Verbrechen ist eine der Lebensaufgaben von Margret Hamm vom Bund der Euthanasiegeschädigten und Zwangssterilisierten (BEZ). Das Bundesverdienstkreuz lehnte sie vor ein paar Jahren aber ab.
Margret Hamm im Gespräch mit Johanna Herzing | 29.08.2019
Die ehemalige Geschäftsführerin des Bundes der „Euthanasie“-Geschädigten und Zwangssterilisierten (BEZ), Margret Hamm (re.) und Dlf-Redakteurin Johanna Herzing (Deutschlandradio / Johanna Herzing)
Sprecherin: Das Bundesverdienstkreuz hat sie vor ein paar Jahren abgelehnt. Begründung: Auch Personen mit NS-Vergangenheit hätten die Auszeichnung bereits erhalten. Eine Ehrung der Stiftung Auschwitz-Komitee hingegen nahm sie gern an. Margret Hamm macht keine Kompromisse, zumindest nicht, wenn es um ihr Anliegen geht, an das Leid und das Unrecht zu erinnern, das Menschen im Nationalsozialismus widerfahren ist, weil sie von den Nazis als lebensunwert und minderwertig betrachtet wurden.
Seit den späten 80er-Jahren engagiert sich Margret Hamm im Bund der „Euthanasie“-Geschädigten und Zwangssterilisierten, BEZ. 2001 wurde sie dessen Geschäftsführerin. Ihr Weg zum BEZ verlief, so ihre Selbstauskunft, im Zickzack, beruflich wie räumlich: Geboren am 8. Juli 1945 in Weimar wurde sie im Alter von nur sechs Wochen über die Zonengrenze in den Westen verfrachtet, genauer, in den Osten von Nordrhein-Westfalen, nach Bad Driburg.
Von dort aus zog Margret Hamm mit den Eltern quer durchs Bundesland, begann, deren Wunsch folgend, ihre Berufslaufbahn im Fernmeldeamt. Doch statt Postbeamtin wurde sie maschinenbautechnische Zeichnerin, legte später eine Begabten-Sonderprüfung ab und begann ein Lehramtsstudium in Geschichte, Deutsch und Wirtschaftslehre in Bielefeld. Aus privaten Gründen war Margret Hamm jedoch nur kurze Zeit als Lehrerin tätig. Das Interesse für das Historische aber blieb, und so fand Margret Hamm schließlich zum BEZ. Der Verein hat seine Struktur längst verändert, Margret Hamm aber setzt ihr Lebensmotto fort: im Zickzack durch Deutschland, unterwegs für die Belange der NS-Opfergruppe.
Margret Hamm: Das waren oft dann die Kinder und Enkelkinder, die dann das gemerkt haben, irgendwas in unserer Familie wird zugedeckt, und die Dinge gefunden haben, die sie nicht einordnen konnten. Es gab sozusagen die sogenannten weißen Flecken.
Verraten, verletzt, verdrängt: die Betroffenen.
Johanna Herzing: Frau Hamm, vielen Dank fürs Kommen! „Zeitzeugen im Gespräch“, so heißt die Sendung, und wenn man es ganz genau nimmt, dann, muss man sagen, ist das hier so was wie eine Art Rollentausch für Sie, weil eigentlich sind Sie seit gut zwei Jahrzehnten eine Person, die Zeitzeugen befragt, die mit ihnen arbeitet und sich für ihre Interessen einsetzt. Mit welchen Menschen und mit was für Lebensgeschichten hatten Sie es da zu tun?
Hamm: Um das zu beschreiben müsste man aus meiner Sicht eigentlich früher anfangen, nämlich, dass der Bund der „Euthanasie“-Geschädigten und Zwangssterilisierten eine Opferorganisation ist beziehungsweise gewesen ist, die von den Opfern selbst gegründet worden ist und dadurch schon die Menschen, in Anführungsstrichen, vor Ort gewesen sind.
Und ich bin 2001 nach Detmold gekommen, da hat man mich gefragt, ob ich dort hinkomme, und habe dort dann direkten Kontakt mit den Opfern gehabt, habe aber vorher schon über zehn Jahre für die Opfer im Rhein-Main-Gebiet gearbeitet, in Anführungsstrichen natürlich.
„Die Denunziation war schon Programm des Ganzen“
Herzing: Von welchen Opfern sprechen wir?
Hamm: Von den Opfern der Zwangssterilisation und der Euthanasie. Und der Bund der „Euthanasie“-Geschädigten und Zwangssterilisierten hatte unter anderem auch bundesweit sogenannte Gesprächskreise. Und einer dieser Gesprächskreise war in Frankfurt, und ich habe damals in Offenbach gearbeitet und habe dann hier in Frankfurt diesen Gesprächskreis betreut ist übertrieben, aber ich habe mich monatlich mit den Menschen getroffen und das, was wir uns vorgestellt haben, mit ihnen besprochen. Sie konnten da über ihr Leben erzählen und so weiter. So ist dieser Kontakt auf dieser Ebene entstanden.
Herzing: Was waren das für Lebensgeschichten, was war diesen Menschen widerfahren?
Hamm: Also allgemein vom BEZ die Opfer, die wir betreut haben, das waren weit über 1000, sie waren zwangssterilisiert und ihre Eltern sind in der Euthanasie ermordet worden, und, oder muss man sagen, ja. Und die Menschen, deren Eltern oder Geschwister ermordet worden sind, die nennt man Euthanasie-Geschädigte. Das ist ein Begriff aus der Bürokratensprache, der sich so eingebürgert hat. Das sind die Kinder der ermordeten Eltern.
Herzing: Ungefähr 400.000 Zwangssterilisierte, beinah annähernd so viele Euthanasie-Opfer – wenn wir auf die Überlebenden blicken: Wie hat sich das, was denen passiert war, bemerkbar gemacht?
Hamm: Bei den Zwangssterilisierten war das so, dass sie keine weiterführenden Schulen besuchen durften, dass sie in der Berufswahl eingeschränkt waren, und dass Zwangssterilisierte nur Zwangssterilisierte heiraten durften. Und sie haben da sehr, sehr drunter gelitten, weil sie sind nicht irgendwie hineingestolpert, sondern diese Geschichten, sowohl bei der einen Opfergruppe als auch bei der anderen Opfergruppe, sind häufig denunziert worden, und die Denunziation war schon Programm des Ganzen.
Herzing: Wie muss man sich das vorstellen, so eine Denunziation?
Hamm: Einmal die Möglichkeit, dass Menschen geboren worden sind mit irgendwelchen Handicaps, dass sie dann schon von den verschiedenen Institutionen, die damit in Berührung gekommen sind, angezeigt worden sind, es gab eine sogenannte Anzeigepflicht, und, was ganz verbreitet war, dass die Menschen von Nachbarn angezeigt worden und denunziert worden sind, und sowohl zur Zwangssterilisation, die dann letztendlich erfolgte, als auch, dass Menschen aufgrund dieser Denunziation in der Euthanasie ermordet worden sind.
Das ist ein Bereich, der jetzt so allmählich erst ins sogenannte Bewusstsein der Forschung kommt, und das finde ich ganz wichtig, weil das hat die Menschen geprägt. Sie haben in ihren Lebenszusammenhängen gelebt und wurden von Nachbarn denunziert, dass sich zum Beispiel die Eltern nicht drum kümmern, um ihre Kinder, und so weiter.
Herzing: Ansonsten war das ja ein ganz formeller Vorgang dann, der zur Zwangssterilisation geführt hat. Können Sie das noch mal ein bisschen beschreiben?
Hamm: Ja, das war diese sogenannte Anzeige oder Denunziation. Und das ging über den Amtsarzt und die haben dann die Verfahren in Gang gesetzt, und es gab dann Begutachtungen, je nachdem, von welcher Institution sie angezeigt worden sind, und die Menschen in den Heil- und Pflegeanstalten auch, die wurden auch durch die Anstaltsleitungen angezeigt, und sie unterlagen dann bestimmten Prozeduren.
Es gab sogenannte Intelligenzprüfungsbögen, es gab polizeiliche Zeugnisse, Berichte von Nachbarn. Ich habe mal in Detmold im Archiv – da haben sie dort über 20 Formulare zusammengetragen, die einfach, wenn alles komplett war, so eine Erbgesundheitsgerichtsakte, wie man das nennt, waren das über 20 Formulare, die da drin waren.
Dann gab es die Erbgesundheitsgerichte, die diese Beschlüsse dann gefasst haben, und wenn Eltern sich gewehrt haben, dass ihre Kinder zwangssterilisiert werden sollten, dann konnte man theoretisch an das Erbgesundheitsobergericht gehen, aber wir haben auch bei uns Beispiele in unserem BEZ, dass die Angehörigen, die dann vor dem Erbgesundheitsobergericht recht bekamen, dass es nicht richtig sei, dass ihre Kinder oder ihr Kind zwangssterilisiert werden sollte, es trotzdem zwangssterilisiert worden ist. Also das ist überall eine Grauzone.
„Es gab Menschen, die sehr drunter gelitten haben“
Herzing: Wie haben Sie diese Menschen, die Sie da kennengelernt haben, diese Opfer, wie haben Sie die wahrgenommen? Waren das gebrochene Menschen oder war da eine ganze Bandbreite sozusagen an Umgangsformen mit dem erlittenen Leid?
Hamm: Ich glaube, das geht in den Bereich der Traumaforschung, würde ich behaupten. Ich bin keine Fachfrau in diesem Bereich, ich habe nur drüber gelesen später, sehr, sehr viel später, weil das so auffällig war. Es gab also Menschen, die sehr drunter gelitten haben, unter diesen Traumatisierungen, die das auch zum Ausdruck gebracht haben emotional, es gab aber auch Menschen, die sich andere Welten aufgebaut haben, die in dieser anderen Welt ganz zuhause waren und das alles verdrängt haben und dann ganz, ganz spät und manchmal zufällig die Dinge dann, in Anführungsstrichen, rausgekommen sind. Das war auch sehr oft bei den Kindern von den Euthanasie-Opfern so.
Herzing: Wie trat das dann zutage oder wie wurden die drauf gestoßen?
Hamm: Das waren oft dann die Kinder und Enkelkinder, die dann das gemerkt haben, irgendwas in unserer Familie wird zugedeckt, und die sich dann an den BEZ gewandt haben und die auch manchmal zu Hause, wenn jemand verstorben ist, in den Unterlagen Dinge gefunden haben, die sie nicht einordnen konnten, es gab sozusagen die sogenannten weißen Flecken, und das zum Anlass genommen haben, um dann eine Recherche zu betreiben.
Hamm: Versuchen, dieses Leid zu erfassen, das kann man nicht, aber es versuchen, zu würdigen.
Der Weg zum Bund der „Euthanasie“-Geschädigten und Zwangssterilisierten, BEZ.
Herzing: Ich würde gern noch mal ganz persönlich fragen: Wie sind Sie mit dem Thema in Berührung gekommen? Es war Ihnen ja jetzt nicht so in die Wiege gelegt, Sie waren auch keine Selbst-Betroffene wie andere Personen, die sich beim BEZ sehr stark engagiert haben, die es auch mit gegründet haben. Wie war es bei Ihnen? Wie kamen Sie mit dem Thema in Berührung?
Hamm: Tja, Sie haben es ja gesagt, ich bin nicht selbst betroffen. Ich habe mich mit der Geschichte der NS-Zeit und auch der Weimarer Republik sehr intensiv beschäftigt während meiner Ausbildung und habe dann in den 80er-Jahren, damals lebte ich, zu der Zeit, schon mal in der Region Ostwestfalen und habe die Gründung des BEZ mitbekommen und eine Veranstaltung, es gab damals ein Gesetz, ich glaube, das hieß, das neue Betreuungsrecht, fragen Sie mich jetzt nicht, wie das Gesetz genau hieß, und da war an der Uni Bielefeld eine Veranstaltung mit Herrn Prof. Dörner und Frau Nowak.
Und ich habe daran teilgenommen und dann eben mitbekommen ziemlich schnell, dass diese Gruppe in der Öffentlichkeit absolut keine Menschen hat, die für sie eintreten – Herr Dörner ja, denn er war derjenige, der überhaupt das Ganze mit in Gang gebracht hat, dass der BEZ entstehen konnte, denn vorher hat auf die Menschen kein Mensch gehört, und der war zu der Zeit ja Leiter des Landeskrankenhauses in Gütersloh und hat durch seine Kompetenz erreichen können, dass der BEZ, dass die Betroffenen sich gesammelt haben. Das war 1986, und 1987 konnten sich dann der BEZ durch die Menschen, die selbst von den Schicksalen betroffen gewesen sind, gründen.
„Ich habe die ganzen Gräuel in Buchenwald wahrgenommen“
Herzing: In welcher privaten oder beruflichen Situation waren Sie damals, als Sie bei dieser Veranstaltung waren? War das noch während Ihrer Ausbildungszeit oder waren Sie da schon beruflich aktiv?
Hamm: Ich war, jetzt muss ich mal überlegen, 1987, ich war beruflich aktiv, ja.
Herzing: Als Lehrerin damals?
Hamm: Nein, mein Lebenslauf ist zickzack-mäßig und ich habe damals in der Industrie gearbeitet.
Herzing: Das ist ein ungewöhnlicher Zugang, also ist doch überraschend, dass Sie mit diesem beruflichen Hintergrund dann an so einer Veranstaltung teilgenommen haben.
Hamm: Ja, mich hat dieses Thema durch das Studium absolut interessiert und ich war als junge Frau dann ... Ich bin in Weimar geboren, nur voraus, möchte ich nur sagen, und habe dann später, als ich jung war, noch zu DDR-Zeiten, Buchenwald besucht und habe da die ganzen Gräuel und alles intensiv wahrgenommen, und das war für mich wie so eine Politisierung.
Herzing: Und woher kam dieses Interesse, können Sie das beschreiben? War das Unrechtsempfinden?
Hamm: Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Menschen Menschen so etwas angetan haben. Das war … Ich würde es fast als Unverständnis … Das ist heute noch so, wenn ich von diesen Verbrechen höre, gibt es ja immer noch neuere Forschungen – das kann man sich einfach nicht vorstellen, dass Menschen Menschen so etwas antun.
Das ist ja auch in der heutigen Gesellschaft so, wenn man das um sich herum betrachtet, dass man manche Dinge einfach nicht verstehen kann, dass Menschen so etwas tun. Und eins der Bücher, die mich dann geprägt haben, das war das Buch von Ernst Klee über die NS-Euthanasie.
Herzing: Das war in den 80er-Jahren.
Hamm: Ja, und das hat mich sehr beeindruckt. Und ich war zu der Zeit in Ostwestfalen, ich weiß nicht, ob man es politisch nennen kann, in der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes tätig und habe da Sachen organisiert, Seminare und solche Dinge, und habe eben dort gemerkt, dass Menschen, die eigentlich politisch sein wollten oder waren, über diesen Bereich der Geschichte nichts wussten. Und war so eine Motivation zusätzlich, um da mich weiter zu engagieren. Und eigentlich, seit 1987, 1988, seit dieser Zeit habe ich immer für den BEZ mehr oder weniger im Hintergrund dann gearbeitet.
Herzing: Ich würde gern noch mal so auf die frühere Phase Ihrer Biografie gucken. Sie haben ja im Vorgespräch gesagt, dass Ihr Elternhaus sehr religiös war. Kommt von dieser religiösen Prägung vielleicht auch das Interesse für diese Themen NS-Vergangenheit, NS-Unrechtsregime?
Hamm: Das vermag ich in dieser Form nicht zu beurteilen. Ich kann nur über meine Erfahrungen dieser sehr streng religiösen Prägung etwas sagen, was ich aber nicht möchte. Und ich bin in einer Klosterschule erzogen worden, und das merke ich immer noch, dass diese Prägung, diese konfessionelle Prägung bis ins hohe Alter, so alt, wie ich jetzt bin, mich immer noch prägt, was die moralischen, ethischen Dinge angeht. Und das mag sicherlich eine Motivation sein. Ich kann es aus dem Grund privat nicht jetzt weiter ausführen, weil ich meine Eltern sehr früh verloren habe und ich ihnen Unrecht täte, wenn ich mit ihnen hätte sprechen können und es wäre anders gewesen, aus dem Grund.
„Das ist einfach so ausgeblendet worden“
Herzing: Wie haben Sie Ihre Schulzeit wahrgenommen? NS-Verbrechen, Euthanasie, war das Thema?
Hamm: Überhaupt nicht, das hörte irgendwie vor dem Zweiten Weltkrieg auf und in der Bundesrepublik ging das dann weiter. Das war überhaupt keine Prägung, also kein Unterricht. Also das haben, glaube ich, ganz viele Schüler und Schülerinnen meiner Generation in der Schule so erlebt, dass es einfach ausgeblendet war.
Herzing: 1968 hat sich das ja sehr stark geändert, da gab es dann sozusagen von der jungen Generation den Impetus, sich endlich mit den Naziverbrechen zu befassen, auch mit den Nachkriegskarrieren von NS-Tätern. Wie haben Sie 1968 erlebt? Da waren Sie Anfang 20. Waren Sie auf der Straße, haben Sie sich mit den Themen befasst, haben Sie revoltiert?
Hamm: Ich habe sozusagen meine ersten Konfliktsituationen hinter mir gehabt, weil ich da schon einmal verheiratet war und gerne studieren wollte, und das konnte man damals in Westfalen über die sogenannte Begabten-Sonderprüfung, und war dadurch politisch aktiv.
Herzing: Weil Sie das durchboxen mussten?
Hamm: Genau. Es ist nicht auf Gegenliebe meines Partners gestoßen, und letztendlich ist das Ganze dann auch gescheitert. Ich habe die Sachen in Bielefeld dann mir angehört, wenn so Versammlungen waren von den Studenten, aber ich kam von außen, ich bin nicht da reingewachsen und habe dann die Sachen erlebt und habe es nicht verstanden, diese Politisierung, weil die sehr stark, sage ich mal, parteipolitisch oder ideologisch ausgerichtet war. Das habe ich nicht verstanden.
Und es war aber wie so ein, wie soll ich sagen, wie so ein Kaffeesatz, was einen geprägt hat, diese Herangehensweise. Und das Studium in Bielefeld, da hatte ich wirklich gute Lehrer, die auch dieses Bewusste dann haben prägen können.
Herzing: Sie haben ja im Vorgespräch auch gesagt, dass die Lektüre von Eugen Kogon Sie stark geprägt hat, ein Buch über den Terror in den deutschen Konzentrationslagern, erschienen in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Wann konnten Sie das lesen?
Hamm: Oh, das war erst in den 80er-Jahren. Das war in den 80er-Jahren, wo ich mich dann getrennt habe von meiner ersten Vergangenheit und die zweite sich andeutete, da habe ich das Buch gelesen, und das hat mich doch sehr, sehr, sehr erschüttert, was ich dort gelesen habe.
Und das kann man auch sagen, dass das absolut prägend war, so um dieses Leid zu erfassen, das kann man nicht, versuchen, zu verstehen, kann man auch nicht, aber es versuchen, zu würdigen, was die Menschen da erlitten haben.
Herzing: War Ihr Empfinden, dass das immer noch Tabu-Themen waren zu der Zeit?
Hamm: Aus meiner Erfahrung ja, aber mein Blick war sehr begrenzt, da ich ja nicht in politischen oder in großem öffentlichen Rahmen agiert habe, sondern im ostwestfälischen Kleinklein damals.
„Ich muss die Freiheit haben, auch rechts und links zu denken“
Herzing: Aber es waren jedenfalls keine Themen, über die man in der Familie, im Bekannten-, Freundeskreis irgendwie offen gesprochen hätte?
Hamm: Familie hatte ich schon lange nicht mehr und im Freundeskreis, da waren eben andere politische Dinge im Vordergrund, die besprochen worden sind, die dann aber auch zu einem differenzierten Denken bei mir geführt haben und ich dann die Distanz hatte später.
Herzing: Das waren aktuellere politische Fragen?
Hamm: Ja, das waren so bestimmte Herangehensweisen, die sicherlich einerseits prägend waren in kritischer Auseinandersetzung mit der Zeit des Faschismus und die Zeit danach. Aber eben: Ich kann bis heute nicht mich parteipolitisch festlegen, also ich muss die Freiheit haben, auch rechts und links zu denken. Und das war in dieser Form damals für mich nicht gegeben und deshalb habe ich mich da von diesem ideologischen Denken versucht, zu lösen.
Herzing: Wie war Ihr Freundeskreis da aufgestellt? Entschuldigung, ich bin so neugierig. Also war das sozusagen ein mit dem Kommunismus sympathisierender, studentisch geprägter Bekanntenkreis?
Hamm: Das waren damals Kommunisten, die aber nicht in diesem studentischen Bereich tätig waren, sondern aus dem ganz alltäglichen Leben kamen, also dem normalen Berufsleben. Und was mich aber dann doch auch noch geprägt hat, das war viel, viel später, als ich damals hier im Rhein-Main-Gebiet war, hatte ich einen Freund, der war Kommunist und der war eine ganze Ecke älter als ich, und der hat mir viel, viel über seine eigenen Erlebnisse aus der Zeit erzählen können, und in den 50er-Jahren, als dieses KPD-Verbot war, saß der im Knast und hat über diese Zeit berichtet. Und das hat mich doch sehr nachdenklich gestimmt. Und das war zum Beispiel ein Gesprächspartner, mit dem ich da diskutieren konnte. Das war sehr gut.
Hamm: Es ging ganz oft ums Erzählen des Erlebten, weil wirklich, diese Vereinsamung, die ist ein ganz, ganz großer Bereich, den die Menschen erlitten haben.
Ein Akt der Emanzipation: NS-Opfer schließen sich zusammen.
Herzing: Sie sind 2001 Geschäftsführerin des Bunds der „Euthanasie“-Geschädigten und Zwangssterilisierten geworden. Gegründet wurde der BEZ wiederum 1987, vier Jahrzehnte nach Kriegsende. Warum so spät?
Hamm: Tja, das werde ich oft gefragt, warum so spät – das hat mit der Vorgeschichte sicherlich zu tun, dass eben die Menschen, die Opfer der Zwangssterilisation und auch die Kinder der Ermordeten, traumatisiert waren und diese Erlebnisse in den 50er-, 60er-, 70er- und bis Ende der 80er-Jahre hatten, dass sie kein Gehör fanden und alleine in ihrer Situation standen mit diesen Traumatisierungen und mit dem, was sie erlebt haben und eben an negativen Rückmeldungen immer bekamen, wenn sie Prozesse geführt haben.
Und da muss man bedenken: Im BEZ waren eigentlich fast alle Opfergruppen vertreten, also die zu anderen Opfergruppen gehörten, es waren jüdische Menschen da, es waren Zeugen Jehovas da, es waren sogenannte Prostituierte, sogenannte Asoziale, Sinti und Roma, es waren aus allen Schichten, die einzelne Gruppen waren und auch eigene Organisationen zum großen Teil hatten – bis auf wenige, die immer zu kämpfen hatten wie wir auch. Das Gemeinsame, was sie im BEZ gefunden haben, war entweder die Zwangssterilisation oder die Ermordung der Eltern durch die Euthanasie, denn teilweise sind die Eltern ja auch im Konzentrationslager ermordet worden oder an anderen Stellen. Also das war so das Verbindende. Das war sicherlich einer der Gründe mit, diese Lebensgeschichten, und dieses Vergeblich-gegen-die-Wand-Laufen.
Und wir als BEZ, als Organisation konnten wir das auffangen, und die Menschen hatten ziemlich schnell Vertrauen zur Geschäftsführung beziehungsweise zur Vorsitzenden, die Geschäftsführung wurde dann erst mit meinem Kommen eingeführt. Die Frau Nowak war ja selbst eine zwangssterilisierte Frau und die kannte diese Kämpfe und die kannte die Nöte. Und die Allermeisten waren durch ihre Schicksale eben nicht nur traumatisiert, sondern sie waren ziemlich einsam, hatten durch die beruflichen Hemmnisse, die sie hatten, nicht die Berufsausbildung gehabt, sie haben teilweise in den damaligen Anstalten arbeiten müssen, sie haben Verletzungen erlebt. Und bei denen, die arbeiten mussten, wir haben da Beispiele, dass in den Rentenbescheiden von heute, dass da diese Arbeitsjahre aufgeführt worden sind, aber die Anstalten haben keine Beiträge abgeführt, somit haben sie in ihren Rentenbescheiden auch wiederum Verluste erlitten.
„Ein fruchtbares Geben und Nehmen“
Herzing: Die 80er-Jahre waren ja so die Zeit der Psychiatriereform, auch der Ansatz Geschichte von unten, die Betroffenensicht stärker sichtbar machen. War das so die Folie oder der Hintergrund, vor dem dann die Gründung des BEZ stattfand?
Hamm: Ich würde sagen, absolut, weil der Professor Dörner, der Hauptanstoßgeber, ja aus dieser Bewegung kam, und zu der Zeit entstand damals auch der Arbeitskreis zur Erforschung der Zwangssterilisation und Euthanasie, und der hat dann die Wissenschaft gesammelt. Und es war so, dass zu diesem Zeitpunkt die Wissenschaft von den Opfern lernen konnte, die sich in der Organisation getroffen haben, und die Betroffenenorganisationen, sprich, Frau Nowak und die Beschäftigten im BEZ, haben von der Wissenschaft gelernt. Das war also wirklich ein fruchtbares, würde ich sagen, aus heutiger Perspektive ein fruchtbares Geben und Nehmen.
Herzing: Wie ging diese Gründung dann vonstatten, ganz konkret?
Hamm: Die erste Zeit haben sich die Leute im Bundesgebiet, wo überall sich Menschen gefunden hatten, getroffen und versucht, zu sammeln, und ist hingefahren und so weiter. Und letztendlich zur Gründungsversammlung: Die war in Detmold.
Herzing: Wo Frau Nowak lebte.
Hamm: Genau, und das war ein Grund, warum der BEZ also nicht am Nabel der Welt beheimatet war, sondern im ostwestfälischen Detmold. Und die Menschen, die sich zusammengefunden hatten, die wollten alle aktiv sein, in dieser ersten Phase ganz besonders, und haben das absolut unterstützt. Sie sind in die politischen Gremien gegangen, sie sind in die Versammlung da und da und da hingegangen und haben versucht, ihre Interessen durchzusetzen.
Herzing: Worum ging es konkret? Ging es um einen Austausch oder ging es um mehr?
Hamm: Es ging um mehr. Was ganz am Anfang gravierend war, weil sehr, sehr viele von ihnen eben in bescheidenen finanziellen Verhältnissen lebten, waren die Entschädigungssituationen und dass das überhaupt in Gang kam. Und das Zweite ist die Gleichstellung, worum wir ja schon seit 1987 kämpfen, Frau Nowak schon, die Gleichstellung mit anderen NS-Verfolgten, weil diese Opfergruppe immer noch nicht, die Zwangssterilisierten und die Euthanasie-Geschädigten, immer noch nicht auf der entschädigungspolitischen Ebene als Verfolgte anerkannt werden. Das heißt, dieser Begriff „Verfolgte des NS“ ist gekoppelt an die Entschädigung nach dem Bundesentschädigungsgesetz, das ist so zementiert. Und um diesen Bereich rum gehen diese ganzen Auseinandersetzungen.
Herzing: Das werden wir gleich noch mal vertiefen, die Entschädigungsfragen. Vielleicht können Sie noch ein bisschen über diese Gesprächskreise berichten, die dann eingerichtet wurden – in der ganzen Bundesrepublik?
Hamm: Ja, das war in der ganzen Bundesrepublik. Es gab zwölf und die wurden auch sehr, sehr angenommen.
Stigmatisierung und Beschämung
Herzing: Was wurde da gemacht?
Hamm: Die Menschen haben miteinander gesprochen, sie waren ja alle vereinzelt, sie kannten sich nicht. Also wir hatten ja dann die Adressen, wir haben das vermittelt und es wurde dort gesprochen, und wenn sie Probleme hatten, konnten sie … Wir hatten auch immer sogenannte Gesprächskreisleiter, die dann sie lösen konnten oder versuchten, sie zu lösen oder mit uns Kontakt aufzunehmen. Und es ging ganz oft ums Erzählen des Erlebten, weil wir wirklich, diese Vereinsamung, die ist ein ganz, ganz großer Bereich, den die Menschen erlitten haben durch diese Stigmatisierung, dass sie eben lebensunwert waren in der NS-Ideologie, und diese Beschämung, sie schämten sich auch dafür, dass sie als solches in der Nazizeit stigmatisiert worden sind, und waren dann nach 45 und nach Gründung der Bundesrepublik beschämt darüber, dass man sie immer noch nicht wahrnahm und dass man sie immer noch ausgrenzte und sie so um ihre Dinge kämpfen mussten.
Hamm: Weil es Almosen waren, ganz einfach.
Ein Gesetz mit langer Wirkung, oder: Kampf um Anerkennung und Entschädigung.
Herzing: Es sind zwei Stichtage, die für die Arbeit beim BEZ eine große Rolle spielen, das ist einmal der 14. Juli 1933, der Tag, an dem das sogenannte Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses erlassen wurde, und dann der 1. September 1939, das Datum, das der sogenannte Euthanasieerlass trägt, mit dem Hitler die NS-Euthanasiemorde eingeleitet hat. Beides hat sich auf jeweils hunderttausende von Menschen ausgewirkt: Sie wurden zwangssterilisiert oder ermordet. 1945, könnte man denken, war dieses Gesetz, der Erlass und auch die Ideologie dahinter eigentlich Makulatur – aber das war nicht so, oder?
Hamm: Nein, das war leider nicht so. Das lässt sich eigentlich abbilden an dieser Entschädigungsdiskussion, dass diese Dinge sich fortgesetzt haben in der Bundesrepublik.
Herzing: Warum wurde das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses 1945 nicht automatisch null und nichtig? Was für ein Nachleben hat dieses Gesetz gehabt?
Hamm: Ein ziemlich langes. Erst 2007 hat man es im Prinzip aufgehoben, im Prinzip. Dieses Gesetz ist nach 45, nach der Nazizeit, in den verschiedenen Alliiertenzonen … Unterschiedlich ist man damit umgegangen, und dann später in den verschiedenen Bundesländern auch. Und es ist eigentlich nur in Bayern aufgehoben worden direkt nach dem Krieg, und direkt nach dem Krieg, also ich glaube, 45, 46 war das, im gesamten sowjetischen Bereich. Und in allen anderen Ländern, die es damals gab, hat man unterschiedliche Gründe gefunden, um mit ihnen weiter zu arbeiten, so zum Beispiel in der englischen Zone, dass man das noch mal benutzen können wollte. Und 1974, wurde ja oft gesagt, seit der Zeit gibt es das nicht mehr, das ist aber nicht richtig, denn es wurde damals nur außer Kraft gesetzt, und ein Gesetz, was man außer Kraft setzt, kann man auch wieder in Kraft setzen.
Herzing: Aber es wurde ja in der Nachkriegszeit nicht mehr zwangssterilisiert. Wie hat sich dieser Fortbestand des Gesetzes ausgewirkt?
Hamm: Es gab ganz lange – und deshalb waren auch diese Bestrebungen zu diesem späteren Betreuungsgesetz –, es gab so eine Dunkelzone, wo immer noch sterilisiert worden ist. Das wurde dann geregelt endlich, als dieses neue Betreuungsgesetz dann verabschiedet worden ist. Aber einer der Gründe, warum das auch so weiter lief, das war jetzt nicht nur die unterschiedliche Handhabung in den unterschiedlichen Zonen und späteren Bundesländern, sondern auch die Kontinuität der Täter in den Funktionen, die Beeinflussung gemacht haben.
Als das erste Mal über Entschädigung für Zwangssterilisierte diskutiert worden ist, das war ein Ausschuss 1961, wo Leute als Gutachter eingeladen worden sind, und von den sieben geladenen Gutachtern waren drei NS-Täter, das war Herr Fillinger, Herr Nachtshalm und Herr Ehrhardt, und alle drei waren in diesen Bereichen tätig. Herr Fillinger hat ungefähr 1700 Menschen in Bethel angezeigt zur Zwangssterilisation, hat später als T4-Gutachter die Menschen selektiert für die Euthanasie und war dann in der Bundesrepublik später hoch angesehen, der Herr Nachtsheim hat an epileptischen Kindern geforscht, und der Herr Ehrhardt, der saß im Erbgesundheitsgericht und Erbgesundheitsobergericht und hat die Urteile gefällt.
Und diesem Herrn Professor Ehrhardt sind wir immer noch begegnet, nachdem der BEZ gegründet war, und das hat mich absolut erschrocken, dass der immer noch 1987 vom Bundestag eingeladen worden ist, um als Gutachter zu sprechen. Der hat genau das Gleiche abgelassen, was er 1961 auch schon gesagt hat, dass das alles so rechtens gewesen sei und dass man nichts machen könne, und damals, 61, sprachen sie von Entschädigungsneurosen. Und aufgrund dieser Gutachtertätigkeit 61 sind diese Opfer aus dem BEG ausgeschlossen gewesen.
Herzing: Aus dem Bundesentschädigungsgesetz, das in der Nachkriegszeit eingerichtet wurde, um die Opfer des NS-Regimes zu entschädigen, also finanziell zu entschädigen.
Hamm: Ja.
„Jede Opfergruppe hat für sich was erstritten“
Herzing: Sie sprechen beim BEZ häufig davon, dass die Euthanasie-Geschädigten und Zwangssterilisierten Opfer zweiter Klasse sind. Was genau verbirgt sich hinter diesem Begriff?
Hamm: Einmal, dass es so lange gedauert hat, dass sie bis in die Ende 80er-Jahre nach Gründung des BEZ eigentlich aus dem Blickfeld der Gesellschaft rausgefallen sind, nicht nur der Gesellschaft, auch der Politik, die ja zur Gesellschaft gehört, nicht wahrgenommen worden sind und eben in dieser ganzen Gesetzgebung, die in der Bundesrepublik gelaufen ist, in Klammern, und läuft bis heute, diese Opfer immer ausgegrenzt werden.
Sie können das anhand der Entschädigungsleistungen, die dann vom BEZ erstritten worden sind, nachvollziehen, in welchen kleinen Häppchen, mit welchen kleinen Unterschieden das immer so ein Stückchen weiter … und dann müssen wir jetzt das noch und das noch, aber es war immer im Unterschied zu den anderen Opfergruppen. Und ich hatte, wann war das, …
Herzing: Wie kam es dazu? Führen Sie das nur auf diesen Gutachterausschuss oder diese Anhörungen im Ausschuss 1961 zurück? Oder war das eine gesamtgesellschaftliche Haltung dieser Gruppe der NS-Opfer gegenüber?
Hamm: Sowohl als auch. Die unterschiedliche Haltung in der Gesellschaft hat sich sicherlich da auch widergespiegelt, dass man so damit umgegangen ist, und es hat keiner Anstoß daran gefunden, dass das so war.
Herzing: Also dass man dachte, na ja, bei denen war schon irgendwas komisch, war vermutlich auch nicht Unrecht, was denen widerfahren ist, oder was war das?
Hamm: Ja, das kann ich nicht sagen. Ich möchte keine falschen Dinge behaupten. Aber diese Tendenzen, die sich dann ja in den Jahren wieder bemerkbar machten, gingen ja dahin, dass man wieder Menschen stigmatisiert hat. In der Politik war es so, dass durch die für jede Opfergruppe unterschiedliche Gesetzgebung, die es gab, anstatt für alle Opfer zu sprechen, hat jede Opfergruppe für sich was erstritten. Und wir hatten, als es damals um die Analyse beziehungsweise um die Aufhebung dieses Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses ging, versucht zu erreichen im Vorfeld, da habe ich die verschiedenen größeren Organisationen besucht, um um lobbyistische Unterstützung zu bitten, weil ich immer dachte, Opfer sind solidarisch, in Klammern, sind sie aber nicht gewesen, vielleicht heute, hoffe ich, und wir haben nur gute Ratschläge bekommen, sie haben sich nicht engagiert. Und da war ich sehr, sehr enttäuscht. Und wir haben das alleine dann durchgefochten durch Aktionen.
In den 90er-Jahren lief eine, ich glaube, acht- oder neunjährige Petition diesbezüglich, die nach, ich meine, es war neun Jahre, nach neun Jahren abschlägig behandelt worden ist. Und als ich dann Anfang der 2000er-Jahre nach Detmold kam, hatte ich sozusagen das Näschen voll, und wir haben dann mit einer Postkartenaktion begonnen und die hieß dann „Weg mit dem NS-Rassegesetz“, weil das wurde auch nie so deutlich gesagt. Man hat es ihnen ja immer abgesprochen, dass sie nicht rassistisch verfolgt worden sind, aber wenn man die Analysen und die ganzen Gesetze und die Kommentare zu diesen Gesetzen liest, ist eindeutig: Das war ein rassistisches Gesetz. Ist auch heute in der Forschung so dokumentiert.
Und wir haben das mit so einer Postkartenaktion begonnen, wo wir etliche 1000 haben drucken lassen und die sind verschickt worden auch alle, und dann haben wir zum 27. Januar 2005 an alle Bundestagsabgeordneten eine Forderung gestellt zu diesem Thema, und Ende 2005 hat der Nationale Ethikrat dann einen Beschluss gefasst, dass die Bundesregierung sich mit dem Thema beschäftigen solle. Und daraus ist dann dieses Bestreben geworden, dass man dieses Gesetz annulliert. Das ging dann wieder einige Jahre, und alle Befindlichkeiten der Parteien schwappten hoch, und wir haben also keine parteiübergreifende Stellungnahme erreichen können. 2007 wurde das dann im Bundestag verhandelt und beschlossen, nämlich die Ächtung des Gesetzes, dass man gesagt hat, dieses Gesetz hat nie in der Bundesrepublik Deutschland gegolten. Das war die Aussage. Und seit der Zeit ist es vom Tisch formal.
Herzing: Das war doch ein großer Erfolg für Ihre Organisation.
Hamm: Das war auch ein großer Erfolg. Aber man muss bedenken, dass bis dahin viele, viele, viele Opfer von 1949 an, also seit Gründung der Bundesrepublik, bis 2007 in Prozessen versucht haben, ihr Recht zu bekommen, und immer abgelehnt worden sind mit jenem Paragraph 1 des Bundesentschädigungsgesetzes eben, dass sie nicht rassistisch verfolgt worden sind und dass es kein typisches NS-Unrecht sei. Das war dieser gängige Begriff, der in allen Dingen immer wieder auftaucht.
Herzing: Aber unter dem Strich betrachtet gab es ja Entschädigungszahlungen. Warum waren die nicht gut genug?
Hamm: Weil das Almosen waren, ganz einfach. Wenn jemand nach dem Bundesentschädigungsgesetz entschädigt wird, der kriegte damals ein Mehrfaches von dem, was diese Menschen bekamen, und 1980 gab es das erste Mal die Möglichkeit, sogenannte Einmalzahlung 5000 DM zu erreichen. Und dann dauerte das bis 1990, bis auf Antrag eine laufende Zahlung von 100 DM an die Opfer gezahlt worden ist, auf Antrag, und wer das nicht wusste, der hat eben nichts bekommen.
Herzing: Das heißt, Sie sind über die Jahrzehnte eine perfekte, makellose Antragstellerin und Formularausfüllerin geworden?
Hamm: Oh, das würde ich von mir nicht behaupten, ich hasse es heute noch, mache es nicht gerne. Aber diese Anträge, natürlich, selbstverständlich, aber ich meine jetzt Anträge fürs Finanzamt oder solche Sachen, die liebe ich nicht.
Hamm: Und in eine Reihe mit NS-Tätern möchte ich mich nicht stellen, dafür bin ich zu politisch.
Fragen, Aufgaben und Herausforderungen der Gegenwart.
Herzing: 2009 hat sich der BEZ als eingetragener Verein aufgelöst, seit 2010 gibt es die Arbeitsgemeinschaft Bund der „Euthanasie“-Geschädigten und Zwangssterilisierten. Ist Ihre Arbeit getan oder hat sie sich durch den Tod der Zeitzeugen, der Betroffenen, auch, wenn es jetzt zynisch klingt, von selbst erledigt?
Hamm: Das hat sich nicht erledigt, weil unsere Intention schon seit den 2000er-Jahren so gewesen ist, dass wir mit dem Thema in die Öffentlichkeit gehen wollen, wollen und müssen, weil sich eben Tendenzen in der Gesellschaft, in Gesetzgebung und so weiter wieder abzeichnen, dass Selektionsmöglichkeiten am Lebensanfang und am Lebensende sind. Und wir haben diesbezüglich immer offene Ohren gehabt und haben uns versucht, auch einzubringen in diese Diskussion.
„Diese Ängste muss man ernst nehmen“
Herzing: Das heißt, die Diskussion über Sterbehilfe, über Pränataldiagnostik, über Organspende.
Hamm: Ja.
Herzing: Warum gehen Sie diese Fragen in besonderer Weise an?
Hamm: Weil ich der Überzeugung bin, dass man, nur wenn man sich heute dazu positioniert, die Generation danach muss ich ja sagen schon, obwohl ich ja schon alt bin, versucht, sensibel zu machen für solche Themen. Man kann es nicht miteinander vergleichen, was in der NS-Zeit war und was heute ist oder sich abzeichnet. Aber man kann aufmerksam machen, was in einer relativ kurzen Zeit durch bestimmte Gesetze in der damaligen Gesellschaft geworden ist mit so und so viel hunderttausenden Opfern, und man kann drauf aufmerksam machen, was heute sich abzeichnet. Und in den Ländern um die Bundesrepublik herum gibt es ja schon wieder Euthanasiebestrebungen und gibt es auch Euthanasie.
Und ich finde es ganz, ganz schlimm, wenn so etwas hier in der Bundesrepublik auch möglich wird vor diesem historischen Hintergrund und die Verantwortung, jemanden zu töten – ist meine persönliche Überzeugung –, die möchte ich nicht tragen. Das ist etwas, was, verzeihen Sie den Ausdruck, was etwas Naturgegebenes, Göttliches ist oder was weiß ich, wenn mein Leben beendet werden soll, wenn ich krank bin und so weiter. Das ist eine ganz andere Ebene. Aber ich könnte nicht ertragen, wenn ich die Entscheidung geben muss: Der muss jetzt sterben.
Herzing: Aber Sterbehilfe bedeutet für Sie automatisch Euthanasie? Oder kann es nicht auch ein Selbstbestimmungsrecht sein bei einem todkranken Menschen?
Hamm: Wenn der Mensch selbst es möchte, ja. Aber es gibt ja auch Situationen, wo andere für ihn entscheiden, wenn er nicht mehr kann. Und wer will das entscheiden? Wer will das verwirklichen? Also das ist ein ganz, ganz, ganz kompliziertes Thema und ich beneide die Ärzte beispielsweise nicht oder die Angehörigen, die solche Entscheidungen treffen müssen.
Herzing: Wenn Sie Bilanz ziehen nach all diesen Jahren, wie fällt die aus? Ist die nur bitter, oder haben Sie das Gefühl, Sie haben was erreichen können in der gesellschaftlichen Wahrnehmung?
Hamm: Das Thema scheint an bestimmten Ecken hochzuschwappen, will ich mal so sagen, was das Thema Euthanasie angeht. Es geht aber heute die Diskussion in eine andere Richtung. Heute wird oft gesagt, den Menschen ihre Würde wiedergeben zu wollen durch Namensnennung und so weiter. Da bin ich sehr kritisch.
Herzing: Warum?
Hamm: Wenn ich Menschen die Würde wiedergeben will, dann bedeutet das für mich, dass ich mich auch für sie interessiere und für sie einsetze. Die Menschen, die heute über diese öffentliche Namensnennung diskutieren, die haben sich in aller Regel nicht für die Belange der Opfer eingesetzt, dass sie zum Beispiel gleich behandelt werden, dass sie in ihrem Leben besser zurechtkommen, dass sie medizinisch gut versorgt werden und solche Dinge. Das gehört aber, wenn ich einem Menschen die Würde wiedergeben will, aus meiner Sicht dazu.
Herzing: Das heißt, die Nennung der Namen von Euthanasie-Opfern lehnen Sie ab?
Hamm: Wenn die Angehörigen einverstanden sind, in Ordnung, aber wenn sie nicht einverstanden sind – und da gibt es etliche –, dann muss man das akzeptieren.
Herzing: Frau Hamm, 2016 wollte Ihnen gerne Bundespräsident Joachim Gauck das Bundesverdienstkreuz verleihen, Sie haben es ausgeschlagen. Warum? Das wäre doch eigentlich eine große Würdigung für Ihre Arbeit gewesen und hätte vielleicht auch die Aufmerksamkeit noch mal auf diese Arbeit gelenkt.
Hamm: Das konnte ich nicht ertragen, weil mit diesem Bundesverdienstkreuz ganz viele NS-Täter, sprich, auch die an der Euthanasie und Zwangssterilisation beteiligt waren, beispielsweise Herr Fillinger und Herr Nachtsheim, auch mit ausgezeichnet worden sind. Und in eine Reihe mit NS-Tätern möchte ich mich nicht stellen, dafür bin ich zu politisch, politisch im Sinne nicht von parteipolitisch, möchte ich unterstreichen, aber an politischen Themen interessiert.
Herzing: Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was stünde auf Ihrer Wunschliste? Wären das nur gute Wünsche für die Arbeit des BEZ, oder dürften Sie sich auch ganz persönlich was wünschen?
Hamm: Ich würde mir nur was für die Opfer wünschen.
Herzing: Nämlich?
Hamm: Dass Sie eben den anderen gleichgestellt werden im entschädigungspolitischen Bereich, weil das von ihnen dann die komplette Stigmatisierung nimmt. Dieses letzte, was fehlt, das ist für die Folgegenerationen, denn in Gesprächen erfahre ich immer noch von den Betroffenen, dass sie sich schämen, dass das so war, und dass sie Angst haben, wenn das öffentlich – muss man sich vorstellen –, wenn das öffentlich wird und ihre Enkel bewerben sich irgendwo, dass sie Nachteile dadurch erfahren könnten.
Diese Ängste muss man ernst nehmen. Und deshalb würde ich mir wünschen, dass das komplett, auch wenn die aller-, aller-, allermeisten Menschen tot sind, erreicht werden könnte. Also das wären so grob umrissen meine Wünsche. Persönlich bin ich zufrieden.
!!Herzing: Frau Hamm, vielen Dank für das Gespräch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
https://www.deutschlandfunk.de/
2.3 Weitere Opfer der NS-Zwangssterilisierung wie Alkoholiker, Asoziale, Zwangsarbeiterinnen, Sinti und Roma, etc.
Bei NS-Zwangsarbeiterinnen wurden teilweise Zwangssterilisationen und Zwangsabtreibungen aus rassistischen und arbeitsökonomischen Gründen vorgenommen.[19] Im KZ Auschwitz wurden an Häftlingen Methoden zur Massensterilisation untersucht. Der Arzt Carl Clauberg experimentierte mit ätzenden Flüssigkeiten, die er in den Muttermund der Opfer spritzte, und Horst Schumann setzte seine Opfer Röntgenstrahlungen auf den Unterleib bzw. bei männlichen Probanden auf die Hoden aus.[20]
https://de.wikipedia.org/wiki/
Gedenken in Ulm
:Ranco Brantner: Holocaust-Überlebender und Sinto-Bürgerrechtler
Der Sinto Ranco Brantner überlebte den Holocaust und verbrachte seine zweite Lebenshälfte in Ulm. Selbst traumatisiert durch Zwangssterilisation kämpfte er für Bürgerrechte und Anerkennung. Eine Gedenktafel erinnert an ihn.
05. April 2023, 11:22 Uhr •Ulm
Ein Artikel von
Verena Schühly
Ranco Brantner hat in Ulm Spuren hinterlassen: Der Holocaust-Überlebende setzte sich für die Rechte der Sinti und Roma ein, gleichwohl die eigene Zwangssterilisation in seiner Seele tiefe Wunden verursacht hatte. Brantner lebte von 1972 bis zu seinem Tod 1996 in Ulm und war Mitglied der Wengengeme...
https://www.swp.de/
Zwangssterilisation
Am 14. Juli 1933 verabschiedete die Reichsregierung das »Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses«. Es trat am 1. Januar 1934 in Kraft und beruhte zum Teil auf einem Gesetzentwurf des Preußischen Landesgesundheitsrates zur eugenischen Unfruchtbarmachung 1932.
An Stelle der Freiwilligkeit der Betroffenen trat der staatlich verordnete »unmittelbare Zwang«: In der Folgezeit entstand ein flächendeckendes Netz von Einrichtungen, das die gesamte Bevölkerung nach »erbbiologischen« Kriterien erfasste und einbezog. In jedem Landgerichtsbezirk entstand ein aus Juristen und Ärzten zusammengesetztes »Erbgesundheitsgericht«. Dieses entschied über die von Anstaltsleitern oder Amtsärzten gestellten Anträge zur Zwangssterilisation. Aber auch Hebammen oder Lehrer waren aufgefordert, »rassisch unerwünschte« Personen zu melden.
Opfer der rassenhygienisch begründeten Zwangssterilisierungen wurden psychisch kranke Menschen und »Epileptiker«, Menschen mit körperlichen Behinderungen und andere als »minderwertig« stigmatisierte Menschen - z. B. mit schwerem Alkoholismus - sowie als »asozial« geltende Personen. Das Gesetz und spätere Ergänzungen führten bis 1944 zur zwangsweisen Unfruchtbarmachung von bis zu 400.000 Menschen.
Etwa 5.000 Frauen und Männer starben in Folge der Zwangssterilisationen oder Zwangsabtreibungen, die durch Operationen oder Röntgenstrahlung in Krankenhäusern vorgenommen wurden. Viele Zwangssterilisierte, wie Anna Lehnkering, Margarete H. oder Wilhelm Werner, wurden später im Rahmen der »Aktion T4« ermordet. Eine offizielle Anerkennung als Opfer der NS-Diktatur wird den zwangssterilisierten Menschen bis heute verweigert.
Beschwerde eines Handwerksmeisters an das Erbgesundheitsobergericht Hamm/Westf. gegen die Anordnung seiner Sterilisierung (16. Dezember 1937)
[…] Die Entscheidung über meine Unfruchtbarmachung beruht einzig und allein auf einem Gutachten, das zustande gebracht wurde auf Grund einer nur 19tätigen Beobachtung in der Heilanstalt. […]
Es mag sein, daß meine Krankheit Epilepsie ist. Sie ist zum ersten Male aufgetreten, als ich schon 41 Jahre alt geworden bin. […]
Daß diese Krankheit bei mir vererbbar, bezw. vererblich ist, muß ich auf das entschiedenste bestreiten. […] Im Laufe der Jahre erhöhte sich meine Kinderzahl auf 11. Sämtlich sind sie gesund. […] Die stark vergrößerte Familie, die ständig wachsenden Sorgen und Nöte lassen es verständlich erscheinen bei der angestrengten Tätigkeit, daß meine Nerven häufiger versagten und damit meine Anfälle häufiger auftraten. […]
Meine Frau und ich sind infolge Alters über die Zeit hinaus, wo Kinder aus unserer Ehe entstehen können. Meine Frau ist im 51. Lebensjahre. […] Ich selbst bin im 55. Lebensjahre. Es besteht also keine Gefahr, daß aus unserer Ehe weitere Kinder entstehen könnten. Mich mit anderen Frauen […] abzugeben, habe ich keinen Anlaß. […]
In einem so kleinen Ort wie M. läßt es sich auf Dauer nicht verheimlichen, [daß] ich unfruchtbar gemacht worden bin wegen angeblicher Erbkrankheit. Das sickert doch allmählich in die breite Öffentlichkeit, und dann sind meine Kinder als erblich belastet abgestempelt und in ihrer Zukunft nicht nur bezügl. Familiengründung, sondern auch in manchen anderen Dingen schwerstens benachteiligt.
Zit. nach Jochen-Christoph Kaiser/Kurt Nowak/Michael Schwartz (Hg.): Eugenik, Sterilisation, »Euthanasie«. Politische Biologie in Deutschland 1895–1945. Eine Dokumentation, Berlin 1992, Dok. Nr. 147, S. 196-198.
Zwangssterilisierung und »Rassenschande« aus NS-Sicht
Der Nationalsozialismus steht auf dem Standpunkt, daß eine Vermischung unserer Rassen (nennen wir es einmal, kurz zusammengefasst, der »deutschen« Rasse) mit Fremdrassen (außereuropäischen Rassen) eine Verschlechterung der Erbmasse unseres Volkes darstellt. Und es wird ja auch von Rassenhygienikern, die nicht im nationalsozialistischen Lager stehen, ohne weiteres zugegeben, daß eine Vermischung zweier fremder Rassen im allgemeinen nicht erwünscht ist. Wir nennen eine solche Vermischung Rassenschande und sehen sie als ein schweres Verbrechen gegen das Volkstum und die Rasse des Volkes an. Wenn wir nun auf dem Standpunkt stehen, daß der rückfällige Verbrecher aus eugenischen Gründen zu sterilisieren ist, weil seine Kinder mit Wahrscheinlichkeit keinen Gewinn, sondern eine schwere Belastung für das Volk darstellen, so müssen wir uns dementsprechend auch gegenüber dem Rassenverbrecher stellen.
Martin Staemmler: Die Sterilisierung Minderwertiger vom Standpunkt des Nationalsozialismus, in: Eugenik – Erblehre – Erbpflege, 3 (1933), S. 108.
https://www.t4-denkmal.de/Zwangssterilisation
NS-Vernichtungspolitik
Der Völkermord an den Sinti und Roma
Mit "Vernichtung durch Arbeit" in Konzentrationslagern und Zwangssterilisation wollten die Nazis das "Zigeunerproblem" lösen. In Dachau, Flossenbürg und vor allem in Auschwitz wurde das bittere Realität.
Von: Ernst Eisenbichler / Infografik: Anna Hunger
Stand: 05.04.2012 | Archiv |Bildnachweis
Mit dem bayerischen "Zigeunergesetz" von 1926 hatte sich die Situation für Sinti und Roma schon vor Hitlers Machtübernahme erheblich verschärft. Nach 1933 waren "Arbeitsscheue" und "Asoziale" - im NS-Jargon lebten die Begriffe der 1920er-Jahre fort - noch mehr im Visier der Behörden.
Ab 1935 begann die offizielle Verfolgung aus rassistischen Gründen. Mit den Nürnberger Gesetzen wurden nicht nur Juden, sondern auch Sinti und Roma herabgestuft, obwohl sie im Sinne der Nationalsozialisten wegen ihrer indischen Herkunft eigentlich hätten als "Arier" eingestuft werden müssen. Begründet wurde dies pseudowissenschaftlich: "Artfremdes Blut ist alles Blut, das nicht deutsches Blut ... ist", schrieben Wilhelm Stuckart und Hans Globke, später Kanzleramtschef unter Konrad Adenauer, in den Kommentar von 1936 zu den Nürnberger Gesetzen.
1937 richteten die Nazis eine "Rassenhygienische Forschungsstelle" ein. Deren Leiter Robert Ritter spielte eine maßgebliche Rolle bei der Erfassung der Sinti und Roma. Er ließ 24.000 "Rassegutachten" erstellen - die Vorarbeit für den Genozid.
Die systematische Verschleppung in Konzentrationslager, zunächst nach Dachau, Sachsenhausen und Buchenwald, begann 1936. Ab 1940 wurden Sinti und Roma - unter ihnen auch Kinder - zudem in Arbeitslager und Ghettos im von Deutschland besetzten Polen deportiert. Wer dort nicht durch Hunger und Krankheit zugrunde ging, wurde im Januar 1942 im Vernichtungslager Chelmno vergast. Am 16. Dezember 1942 verkündete SS-Führer Heinrich Himmler den sogenannten "Auschwitz-Erlass".
Ab Februar 1943 wurden insgesamt rund 23.000 Sinti und Roma ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau transportiert, wo die SS ein eigenes "Zigeunerlager" in 30 ursprünglich als Pferdeställe gedachte Baracken einrichtete. Auch die meisten der damals rund 200 in München lebenden Sinti und Roma waren davon betroffen. In einem Vermerk über sie hatte der Leiter der Kriminalpolizeistelle München schon im Oktober 1941 - also vor Himmlers Erlass - die Formulierung "restlose Abschaffung der Zigeuner" gebraucht. Die Polizeiführung ging offenbar davon aus, dass der Genozid beschlossene Sache war.
"Wo wir vorher mit 30 Personen in einer Zelle gelegen hatten, kamen wir jetzt mit 60 Personen in einen Eisenbahnwaggon, darunter 20 Kinder. Fünf Tage fuhren wir, kein Stroh und nichts zum Liegen! Am zweiten Tag erhielten wir den ersten Schluck Wasser."
Bericht eines Münchner Sintos über die Deportation nach Auschwitz
Im Juli 1944 waren nur noch etwa 4.500 Sinti und Roma in Auschwitz-Birkenau am Leben. Einen Monat später wurde das "Zigeunerlager" aufgelöst. Die Arbeitsfähigen wurden nach Buchenwald und Ravensbrück gebracht. Der Rest, etwa 2.900 Menschen, wurde vergast.
Zwangsarbeit im KZ Flossenbürg
Flossenbürger KZ-Häftlinge stellen Werksteine her | Bild: Nederlands Instituut voor Orlogsdocumentatie (Niederländisches Institut für Kriegsdokumentation = NIOD), Amsterdam
KZ-Häftlinge bei der Zwangsarbeit
Auch in den beiden bayerischen Konzentrationslagern waren Sinti und Roma inhaftiert: in Dachau mehrere Hundert, in Flossenbürg mindestens 660, unter ihnen 511 Frauen. Diese wurden vor allem in den Flossenbürg-Außenlagern Wolkenburg und Zwodau zur Zwangsarbeit für Rüstungsfirmen eingesetzt.
Medizinische Experimente und Zwangssterilisationen
KZ Dachau: Unterkühlungsversuch mit Häftling | Bild: picture-alliance/dpa
Unterkühlungsversuch mit Häftling - eines der medizinischen Experimente an lebenden Menschen
Wer in Auschwitz-Birkenau nicht in der Gaskammer umkam, dessen Leben war dort unter anderem durch die berüchtigten Experimente des Arztes Josef Mengele bedroht. Er missbrauchte nicht nur Juden für medizinische Untersuchungen, sondern auch Sinti und Roma. Vor allem seine "Zwillingsforschung" forderte viele Todesopfer, unter ihnen auch Kinder. Auch in Dachau wurden Experimente durchgeführt. An Versuchen mit Unterkühlung oder Trinkbarmachung von Meerwasser starben 80 bis 90 Sinti und Roma.
Küchentrakt des Frauen-KZ Ravensbrück | Bild: picture-alliance/dpa
Im KZ Ravensbrück wurden viele Sinti und Roma zwangssterilisiert.
Ein Völkermord mit Aufschub war die Zwangssterilisaton, die massenweise vor allem im KZ Ravensbrück durchgeführt wurde. Auch Kinder waren von den teils sehr schmerzhaften Eingriffen, oft unter Verzicht auf Narkose, betroffen. Viele Sinti und Roma wurden erpresst: entweder Sterilisation oder KZ.
Bilanz: mehrere Hunderttausend Ermordete
Insgesamt wurden von den 35.000 bis 40.000 erfassten deutschen und österreichischen Sinti und Roma 25.000 ermordet bzw. kamen durch Erschöpfung, Hunger oder Krankheit um. Die geschätzte Zahl der Sinti und Roma, die im nationalsozialistisch besetzten Europa und den mit Hitler-Deutschland verbündeten Staaten ermordet wurden, bewegt sich zwischen 220.000 und 500.000.
Nach 1945: Täter sofort wieder im Amt
Als wäre nichts gewesen: Bei der Münchner Kriminalpolizei gab es bereits 1946 wieder eine Abteilung für "Zigeunerfragen". Sie übernahm nicht nur die Akten der 1899 gegründeten "Zigeunerzentrale", sondern zum Teil auch deren Personal. Etwa Josef Eichberger, der wesentlich bei der Deportation von Sinti und Roma nach Auschwitz mitgewirkt hatte. Oder Rudolf Uschold, auch er ein Mitorganisator der Transporte. Zwei von mehreren Beispielen, doch "Uschold oder Eichberger wurden für ihre Taten nicht zu Verantwortung gezogen", schreibt der BR-Journalist Thies Marsen in seiner Studie "Der vergessene Völkermord".
Opfer von Deportationen oder Zwangssterilisationen erhielten keine angemessene Wiedergutmachtung. Argument: Sinti seien als "Kriminelle" oder "Asoziale" verfolgt worden und hätten daher keine Ansprüche. Viele als Mitläufer eingestufte ehemalige SS-Leute bekamen dagegen großzügige Renten.
Am 14. Oktober 1953 beschloss der Bayerische Landtag eine "Landfahrerordnung", die sich vom "Zigeunergesetz" von 1926 kaum unterschied. Sie entsprach dem nach wie vor grassierenden Geist der Diskriminierung, der auch in einem Urteil des Bundesgerichtshof von 1956 zu Tage tritt: "Zigeuner neigen zur Kriminalität, besonders zu Diebstählen und Betrügereien. Es fehlen ihnen vielfach die Antriebe zur Achtung vor fremdem Eigentum, weil ihnen wie primitiven Urmenschen ein ungehemmter Okkupationstrieb eigen ist." Erst 1970 wurde die Landfahrerordnung wegen Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz aufgehoben.
https://www.br.de/
Zwangssterilisation im Nationalsozialismus: Studien zur Rassenpolitik und Geschlechterpolitik
Bock, Gisela – 2010 der vorliegenden Ausgabe: MV Wissenschaft, Verlagshaus Monsenstein und Vannerdat OHG, Münster
Inhalt
Vorwort zur Neuauflage
Vorwort und Danksagung zur 1. Auflage
Einleitung: Werte und »Minderwertige«
I. Nationalsozialismus und Sterilisationspolitik vor 1933
1. Nationalsozialistische und rassenhygienische Bewegung 1924-1933
2. »Gegenauslese« und »Genotyp«: Darwin, Mendel und die Rassenhygiene
3. »Geburtenauslese gegen Geburtenkontrolle«: Malthusianismus und Rassenhygiene
4. Anthropologischer Rassismus und hygienischer Rassismus
Erster Teil: Pronatalismus und Antinatalismus
II. Körper, Fremdkörper, Volkskörper: Die Eroberung der Macht über das Private
1. Antinatalismus: Das Sterilisationsgesetz von 1933
2. Pronatalismus und Antinatalismus: Gesetzgebung 1933-36
3. »Ungleicher Wert, ungleiche Rechte«: Sterilisationsgesetz, Rassismus und nationalsozialistische
Herrschaft
4. »Keine Kinder um jeden Preis«: Geburtenpolitischer Rassismus und weibliches Geschlecht
III. Pronatalismus: Frauenpolitik und Männerpolitik
1. »Kinder des Vertrauens«? Geburtenentwicklung und Demographie
2. »Mutterkult«? Generatives Verhalten und pronatalistische Propaganda
3. »Gebärzwang«? Generatives Verhalten, Abtreibung und Ökonomie
4. Vaterkult: Wert von Rasse und Wert von Geschlecht
IV. Antinatalismus: Sterilisationsbehörden und Sterilisationsprozesse
1. Mediziner, Psychiater, Juristen
2. Sterilisanden vor Gericht
3. Die quantitative Dimension
4. Regionale Unterschiede
V. Zwang, Freiwilligkeit und Widerstand in der Sterilisationspolitik
1. Formen und Inhalte antinatalistischen Zwangs
2. Reaktionen und Widerstand von Betroffenen
3. Kritik und Widerstand von »Nicht«-Betroffenen
Zweiter Teil: »Fremde Rassen« und das »andere Geschlecht«
VI. Sterilisationspolitik als Rassenpolitik: Diagnosen der »Minderwertigkeit«
1. Wert, Krankheit, Fortpflanzung
2. Erblogik und »Aufartung«
3. Parteipolitik und Rassenpolitik
4. Sterilisationspolitik und »fremde Rassen«
VII. Sterilisationspolitik als Frauen- und Geschlechterpolitik: »Primat des Staates auf dem Gebiet des
Lebens«
1. Geschlechter, Geschlechtlichkeit und Gewalt gegen Frauen
Von der »Fortpflanzungsauslese« zur »Vernichtungsauslese«
Freibriefe und Freiwild
Sexualität in der Sterilisationsdiagnostik
Frauenarbeit und Männerarbeit
Mutterschaft und Vaterschaft
2. Geburtenkrieg im Weltkrieg
Nichtjüdische und nichtzigeunerische (deutsche) Frauen
»Fremdvölkische« Frauen
Jüdische und zigeunerische (deutsche und nichtdeutsche) Frauen
3. Rassenpolitik als Frauenpolitik: Die »Lösung der Frauenfrage«
Minderheit und Mehrheit
Antinatalismus und Männerkult
Abkürzungen
Quellen und Literatur
Personenregister
https://refubium.fu-berlin.de/
2.4 Täter*innen in der NS-Zwangssterilisation
Eugen Fischer (Mediziner)
Eugen Fischer (Mitte) als Rektor während einer Kundgebung an der Berliner Universität 1934. Links Albert Derichsweiler.
Eugen Fischer (* 5. Juni 1874 in Karlsruhe; † 9. Juli 1967 in Freiburg im Breisgau) war ein deutscher Mediziner, Anthropologe, Erbbiologe, Eugeniker und nationalsozialistischer Rassenhygieniker.
Zwischen 1927 und 1942 war Eugen Fischer Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik in Berlin-Dahlem.[5] Von 1933 bis 1935 war er Rektor der Berliner Universität. 1932 wurde er Vorsitzender der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte und 1937 Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften. 1940 trat er in die NSDAP ein und erhielt die Mitgliedsnummer 7.383.062.[1] Auch war er führendes Mitglied im NS-Dozentenbund. 1944 erhielt er den Adlerschild des Deutschen Reiches als höchstmögliche Auszeichnung in der Wissenschaft.
1933 sorgte Fischer als Rektor der Berliner Universität für die Entlassung vieler jüdischer Wissenschaftler. Er unterzeichnete am 4./5. März 1933 den Aufruf „Die Berliner Hochschullehrer für Adolf Hitler“. Ebenso unterstützte er als Redner neben Minister Goebbels die Bücherverbrennung am 10. Mai 1933. 1937 setzte er mit anderen Professoren die (auch damals illegale) Zwangssterilisierung vieler sogenannter „Rheinlandbastarde“ durch.[8] Er war Richter am Erbgesundheitsobergericht in Berlin, Generalarzt für rassenbiologische Fragen der Reichsstelle für Sippenforschung und Ausbilder für Eignungsprüfer zur Eindeutschung polnischer Kinder. 1941 war er im Beirat der „Forschungsabteilung Judenfrage“ in Walter Franks Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschland und dort Mitautor des Bandes „Das antike Weltjudentum. Tatsachen, Texte, Bilder“ in der Reihe „Forschungen zur Judenfrage“ (1943).
1934 schrieb er in der badischen Zeitschrift Mein Heimatland, die Bekämpfung der Juden habe nicht das Ziel, „wirtschaftliche Gewinner, geistige Konkurrenz loszuwerden“, sondern es gehe um „die Rettung der Rasse, die das Deutschtum geschaffen (hat), und ihre Reinigung von Fremdem, rassenmäßig anderem, das ihre geistige Entwicklung in andere Bahnen zu bringen drohte und teilweise gebracht hat. Viele persönlich hochachtbare, gern sich einfügende wertvolle Menschen werden hart und grausam getroffen. Ist ein Opfer zu groß, wenn es gilt, ein ganzes Volk zu retten?“[9]
https://de.wikipedia.org/
Wolfgang Abel (Mediziner)
Wolfgang Abel (* 13. Mai 1905 in Wien; † 1. November 1997 in Mondsee, Oberösterreich) war ein österreichischer Mediziner, Anthropologe und nationalsozialistischer Rassentheoretiker.
Am 20. Mai 1933 beantragte er die Aufnahme in die NSDAP und wurde zum 1. Juni desselben Jahres aufgenommen (Mitgliedsnummer 1.619.908).[2] Er untersuchte 1933 Kinder („Rheinlandbastarde“), die zur Zeit der Rheinlandbesetzung in Beziehungen deutscher Frauen mit Besatzungssoldaten aus den französischen Kolonien gezeugt wurden und war durch seine Forschungen mittelbar beteiligt an deren Zwangssterilisation. Darüber schrieb er 1934 in der Zeitschrift Neues Volk einen Artikel mit dem Titel „Bastarde am Rhein“. Im selben Jahr wurde Abel zusätzlich zu seiner Tätigkeit am KWI Dozent im Fach Anthropologie sowie stellvertretender Leiter der Abteilung Rassenpflege der Deutschen Hochschule für Politik.
Nach seinem Eintritt in die SS im August 1935 (SS-Nummer 271.857)[3] arbeitete er als Experte für das Rasse- und Siedlungshauptamt (RuSHA) der SS und als Obergutachter für das Reichssippenamt. Am KWI stieg Wolfgang Abel 1940 zum Abteilungsleiter Rassenkunde auf. Im Juli 1941 wurde er zum außerordentlichen Professor ernannt.[4] Zuvor bereits Assistent des Eugenikers Eugen Fischer, war er von 1943 bis 1945 dessen Nachfolger auf dem Lehrstuhl für Rassenbiologie der Berliner Universität. Zusätzlich zu seiner Lehrtätigkeit übernahm Wolfgang Abel 1943 die Leitung des Instituts für Rassenbiologie der Deutschen Hochschule für Politik. Nebenbei arbeitete er in dieser Zeit für das Oberkommando des Heeres (OKH).
Im Rahmen des Generalplan Ost und seiner Untersuchungen russischer Kriegsgefangener erarbeitete Abel im Mai 1942 einen Plan für eine „fortschreitende Ausschaltung“ der „russischen Rasse“, mit dem er alle „nordischen russischen Typen“ germanisieren und den Rest nach Sibirien abschieben wollte.[5]
https://de.wikipedia.org/
Fritz Lenz
Fritz Gottlieb Karl Lenz[1] (* 9. März 1887 in Pflugrade; Kreis Naugard, Pommern; † 6. Juli 1976 in Göttingen) war ein deutscher Mediziner und Hygieniker, Anthropologe, Humangenetiker und Eugeniker. In der Zeit der Weimarer Republik und im nationalsozialistischen Deutschen Reich war er einer der führenden Rassenhygieniker.[2]
1921 veröffentlichte er zusammen mit Eugen Fischer und Erwin Baur „das einflussreiche, von Hitler in der Festungshaft in Landsberg in Mein Kampf eingearbeitete Standardwerk“ (Brocke) Grundriss der menschlichen Erblichkeitslehre und Rassenhygiene.[3] Lenz, Baur und Fischer lagen mit dieser Schrift durchaus im Trend einer bereits bestehenden eugenischen Bewegung, die Resonanz in allen politischen Lagern der Weimarer Republik von der Linken bis zur extremen Rechten fand. Das Menetekel des durch Kriegsverlust und Geburtenrückgang drohenden Aussterben des deutschen Volkes sowie das Schreckgespenst drohender Entartung durch die Zunahme sogenannter Keimgifte wie Alkohol, Tuberkulose und Syphilis als Folgen zunehmender Verelendung durch Krieg und Wirtschaftskrisen wurde allgemein anerkannt.[4] 1923 wurde Fritz Lenz als Extraordinarius und Institutsleiter auf den ersten Lehrstuhl für Rassenhygiene in Deutschland an der Universität München berufen. 1931 forderte er, das „untüchtigste Drittel der Bevölkerung“ zu sterilisieren.[2]
Ab Mai 1933 war Lenz Mitglied im „Sachverständigenbeirat für Bevölkerungs- und Rassenpolitik beim Reichsinnenminister“.[7] Der Sachverständigenbeirat war 1933 an der Formulierung des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ beteiligt, das Zwangssterilisationen vorsah. Ab 1935 wurde im Sachverständigenbeirat die Sterilisation der sogenannten „Rheinlandbastarde“ diskutiert und organisiert; eine Maßnahme, die auch nach damaliger Rechtslage illegal war.[8] Am 1. Mai 1937 trat Lenz der NSDAP (Mitgliedsnummer 3.933.993) bei; am 20. Februar 1940 dem Nationalsozialistischen Deutschen Ärztebund.[9] 1939 wurde er Mitglied der American Eugenics Society. Im Oktober 1940 war Lenz an den Beratungen zu einem „Euthanasiegesetz“ beteiligt.[10][11] Das Gesetz war eine Initiative von Ärzten, die zeitgleich an den nationalsozialistischen Krankenmorden, der Aktion T4, beteiligt waren. Diesen Ärzten reichte die bisherige Ermächtigung durch Hitler nicht aus. Hitler lehnte es jedoch aus außenpolitischen Gründen ab, vor Kriegsende ein entsprechendes Gesetz zu erlassen. Lenz war zudem der Autor zweier Denkschriften, über die sich Himmler im Frühjahr 1941 zwar positiv äußerte, aber erklärte, sie ließen sich im Krieg nicht realisieren.[12]
Lenz ging nicht nur von einer Ungleichheit, sondern auch von einer Ungleichwertigkeit der Rassen aus, die für ihn weder beweisbar noch widerlegbar war. Die menschlichen Rassen teilte er in vier Gruppen ein:[17] Auf unterster Stufe standen für ihn dabei Steinzeitkulturen wie die Wedda in Sri Lanka oder die Aborigines in Australien. Auf einer höheren Entwicklungsstufe sah er „Neger“, die er für weniger intelligent als „Weiße“ hielt. Auf einer dritten Stufe standen für ihn sogenannte mongolide Rassen, zu denen er auch mediterrane, orientalische und vorderasiatische Rassen zählte. Dieser Gruppe ordnete Lenz auch die überwiegende Zahl der Juden zu. An höchster Stelle sah er die nordische Rasse, die für ihn der alleinige Schöpfer der abendländischen Kultur war. Die Entwicklung der Kultur im antiken Griechenland war für Lenz die Folge der Einwanderung von Angehörigen der nordischen Rasse. Die Deutschen zählte er überwiegend zur nordischen Rasse.
Die Rezeption des Standardwerkes Baur-Fischer-Lenz durch Hitler in Mein Kampf kommentierte Lenz 1931 mit den Worten: „Jedenfalls hat er [Hitler] die wesentlichen Gedanken der Rassenhygiene und ihre Bedeutung mit großer geistiger Empfänglichkeit und Energie sich zu Eigen gemacht, während die meisten akademischen Autoritäten diesen Fragen noch ziemlich verständnislos gegenüberstehen.“[25]
Für den Humangenetiker Lenz war in der „Rassenfrage“ die Verbindung von Rasse und Seele das eigentlich Wesentliche. So rechtfertigt er in diesem Zusammenhang die Nürnberger Gesetze von 1935: „Wichtiger als die äußeren Merkmale ist die abstammungsmäßige Herkunft eines Menschen für seine Beurteilung. Ein blonder Jude ist auch ein Jude. Ja, es gibt Juden, die die meisten äußeren Merkmale der nordischen Rasse haben und die doch von jüdischer Wesensart sind. Die Gesetzgebung des nationalsozialistischen Staates definiert einen Juden daher mit Recht nicht nach äußeren Rassenmerkmalen, sondern nach der Abstammung“.[26] Im Baur-Fischer-Lenz schrieb er ferner, die Erbanlagen der Juden seien „weniger auf Beherrschung und Ausnützung der Natur als auf Beherrschung und Ausnützung der Menschen“ gerichtet, da sie es verstünden, „sich in die Seele anderer Menschen zu versetzen und sie nach ihrem Willen zu lenken“.[27]
https://de.wikipedia.org/
"minderwertig" und "asozial": Stationen der Verfolgung gesellschaftlicher Aussenseiter Taschenbuch – 3. Mai 2005
Während der Zeit des Nationalsozialismus gerieten in Deutschland ganze Bevölkerungsgruppen ins Visier des NS-Verfolgungsapparats. Als 'asozial' etikettiert, wurden Bettler, Arbeitslose, Obdachlose, Prostituierte, Homosexuelle, Sinti und Roma und sozial unangepasste Jugendliche in Arbeitslagern, Arbeitshäusern und geschlossenen Anstalten interniert, ab 1938 in Konzentrationslager eingewiesen und anderen Zwangsmassnahmen wie zum Beispiel der Sterilisation unterworfen. Die Nationalsozialisten gingen von der Ideologie eines 'gesunden Volkskörpers' aus, die zu einer rassistisch begründeten Hierarchisierung und Selektion von Menschen führte. Die Charakterisierung eines vom nationalsozialistischen Normensystem abweichenden Verhaltens als 'asozial' ermöglichte dabei eine Differenzierung innerhalb der 'Volksgemeinschaft'. Der Sammelband führt in wesentliche Aspekte der Vorgeschichte der nationalsozialistischen Verfolgung gesellschaftlicher Aussenseiter ein, beschreibt die während der NS-Zeit in diesem Zusammenhang ergriffenen Massnahmen, schildert die unterschiedlichen Verfolgungs- und Vernichtungsformen sowie die Rolle von Polizei und Justiz, von Fürsorge und Kommunalverwaltung. Am Beispiel der Verfolgung der Jenischen in der Schweiz werden die Auswirkungen eugenischer und rassenhygienischer Konzepte im Nachbarland aufgezeigt. Schliesslich beleuchtet der Band, in welcher Weise Stigmatisierung und Ausgrenzung von Menschen durch das Etikett 'asozial' bis heute nachwirken.
Siehe auch:
3. YouTube-Videos zur NS-Zwangssterilisierung
09.11.2017 -“Komm mit mir, sei ganz ruhig, wir gehen mal dahin…” - Die Zwangssterilisation des Hans Lieser
filmschnittstelle
Dokumentarfilm von Bettina Leuchtenberg und Harald Günzel , 2007
Grundlage der massenweise durchgeführten Zwangssterilisation ist das aus dem Jahr 1933 stammende „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ (GVen). Als Erbkrankheiten galten beispielsweise „angeborener Schwachsinn, Schizophrenie, manisch-depressives Irresein, erbliche Fallsucht, erblicher Veitstanz, erbliche Blindheit, erbliche Taubheit, körperliche Missbildungen jeder Art und schwerer Alkoholismus“. Auf Grundlage dieses heute immer noch wenig bekannten NS-Gesetzes wurden in der Zeit von 1934 bis 1945 etwa 400.000 Kinder und Erwachsene zeugungsunfähig gemacht.
Ein Opfer des GVen ist ein 1925 in der Nähe von Trier geborener Gehörloser. Ein Trierer Polizist (geb. 1926) hat sich jahrelang für ihn und viele andere Zwangssterilisierte eingesetzt, damit die Betroffenen zumindest eine finanzielle Entschädigung erhielten. Seinem Engagement war es auch zu verdanken, dass das GVen schließlich 1998 – 65 Jahre nach seiner Einführung (!!!) – vom Deutschen Bundestag zum „NS-Unrecht“ erklärt und damit aufgehoben wurde.
Diese beiden hoch betagten Herren konnten wir an authentischen Orten interviewen. Dabei hat ein Dolmetscher die Erinnerungen des gehörlosen Interviewpartners synchron aus der Gebärdensprache übersetzt. Während (bzw. in Kommentierung zu) dem Interview werden auch die authentischen Orte seiner Zwangssterilisation ins Bild gerückt: das „Erbgesundheitsgericht“ als die beschlussfassende Behörde und das für die Durchführung der Operation bestimmte Krankenhaus.
06.09.2018 - Zeitgeschichtliche Filmdokumente 1936 - Erbkrank - Dokumentation - Deutsch
Dokudoku Panik
Das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses (GzVeN) vom 14. Juli 1933 (RGBl. I, S. 529) war ein deutsches Sterilisationsgesetz. Es trat zum 1. Januar 1934 in Kraft. Das Gesetz diente im nationalsozialistischen Deutschen Reich der sogenannten Rassenhygiene durch „Unfruchtbarmachung“ vermeintlicher „Erbkranker“ und Alkoholiker. Die Sterilisationsverfahren wurden durch Gutachten von „Erbgesundheitsgerichten“ legalisiert. Die Sterilisation wurde auf Antrag (des Betroffenen, überwiegend maßgeblich[1] aber des beamteten Arztes oder „für die Insassen einer Kranken-, Heil- oder Pflegeanstalt oder einer Strafanstalt“ des Anstaltsleiters) durchgeführt, über den „Erbgesundheitsgerichte“ entschieden, die einem Amtsgericht angegliedert waren. Dadurch wurde die eugenische Zwangssterilisation legalisiert. Die Bundesregierung erklärte am 7. Februar 1957 vor dem Deutschen Bundestag:
„Das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14. Juli 1933 ist kein typisch nationalsozialistisches Gesetz, denn auch in demokratisch regierten Ländern - z. B. Schweden, Dänemark, Finnland und in einigen Staaten der USA - bestehen ähnliche Gesetze; das Bundesentschädigungsgesetz gewährt aber grundsätzlich Entschädigungsleistungen nur an Verfolgte des NS-Regimes und in wenigen Ausnahmefällen an Geschädigte, die durch besonders schwere Verstöße gegen rechtsstaatliche Grundsätze Schäden erlitten haben.“
28.10.2022- NS-Ärzte: Ihre Verbrechen, ihre Karrieren - Saarländische Mediziner und ihre Unterstützer nach 1945
Saarländischer Rundfunk
Deutsche Mediziner agierten als willige Erfüllungsgehilfen des "Dritten Reichs". Sie experimentierten für ihre Forschungszwecke mit Menschenleben, setzten skrupellos die Ideologie des NS-Regimes um. Allein 350.000 Menschen wurden damals durch ihre biologisch und juristisch willkürlichen Einordnungen als minderwertig abgestempelt und zwangssterilisiert. Viele verantwortliche Mediziner konnten nach dem Krieg 1945 aber ungehindert ihre Karrieren fortsetzen. Gedeckt von alten Kameraden in der Politik und alliierten Besatzern. Auch im Saargebiet und im Bundesland Saarland. Erst spät wird dem Treiben dieser Männer Rechnung getragen. Die Universität des Saarlandes annullierte in diesem Jahr die verliehene Ehrenwürde an den höchsten NS-Medizinalbeamten im Saargebiet, Dr. Max Obé.
Der Film von Mirko Tomic zeichnet die beruflichen und gesellschaftlichen Wege der Ärzte und Mediziner nach und macht deutlich, welche Beziehungsgeflechte hier am Werke waren und warum sie auch nach dem Ende der NS-Zeit nahezu ohne strafrechtliche Verfolgung ihre jeweiligen Karrieren fortsetzen konnten.
Diese Ausgabe von "SAAR3" wurde am 27.10.2022 im SR Fernsehen ausgestrahlt.
31.01.2018 - Gedenken an Opfer von Zwangssterilisierung und Euthanasie
TV Westsachsen
Bereits 1931 erging seitens der Nationalsozialisten die Forderung, das "untüchtigste Drittel der Bevölkerung“ Deutschlands zu sterilisieren. Ihr folgte am 14. Juli 1933 das "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“, das die Zwangssterilisation von vermeintlich genetisch Kranken – wie Schizophrenen, manisch-Depressiven, Huntington-Erkrankten oder schweren Alkoholikern - gestattete. Besonders dieser Opfer der NS-Diktatur wurde dieser Tage gedacht.
12.07.2022 - Von den Nazis sterilisiert: Das schlimme Schicksal des Josef Kaiser aus Speyer
SWR Landesschau Rheinland-Pfalz
Josef Kaiser kam 1921 in Speyer zur Welt. Als Sohn eines Schwarzen französischen Soldaten erlebt er sein Leben lang Hass, Armut und Verfolgung. Seine Witwe hat Josefs berührende Lebensgeschichte mit dem Autor Michael Lauter in einem Buch aufgeschrieben. Unter Tränen erzählt sie, wie schlimm es war, keine gemeinsamen Kinder bekommen zu können, denn ihr Mann wurde von den Nationalsozialisten zwangssterilisiert.
18.05.2022 - Der Weg zur NS-"Euthanasie" - Rassenhygiene, Zwangssterilisation und Propaganda
Gedenkstätte Hadamar
Rassenhygiene und Zwangssterilisation - eine Erfindung der Nationalsozialisten? So einfach kann man das nicht sagen.
Denn der Gedanke, dass die "weiße Rasse" allen anderen Völkern überlegen sei und über andere zu herrschen habe, ist bereits viel früher entstanden. Die Nationalsozialisten griffen diese Idee auf und setzten sie ab 1933 schrittweise um. Sie sprachen davon, dass es "unwertes Leben" gebe und führten gesetzlich legitimiert Zwangssterilisationen ein.
Aber was war für die Nazis "unwertes Leben"? Und wie schafften sie es, so viele Deutsche gezielt von ihren Ideen zu beeinflussen ? Das soll im folgenden Video erklärt werden.
Dieses Video ist Teil einer Video-Reihe, die die Geschichte der nationalsozialistischen "Euthanasie"-Verbrechen in Hadamar behandelt. Weitere Videos und Informationen gibt es auf unserem Kanal, unserer Website: https://www.gedenkstaette-hadamar.de/ oder auf Facebook:
04.10.2022 - Experten: NS-Opfer von „Euthanasie“ und Zwangssterilisationen anerkennen
Deutscher Bundestag
Die Opfer der sogenannten „Euthanasie“-Morde und der Zwangssterilisationen während der nationalsozialistischen Diktatur zwischen 1933 und 1945 sollen als NS-Opfer anerkannt und ihre Schicksal verstärkt ins öffentliche Bewusstsein gerückt und in der historischen Aufarbeitung berücksichtigt werden. Dies war das einhellige Votum in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Kultur und Medien am Montag, 26. September 2022.
https://www.youtube.com/watch?v=5-1Gv-rsdFU
4. Stellungnahmen der vom Amtsgericht Mosbach unter 6F 202/21 gerichtlichen beauftragten Sachverständigen/Gutachter*innen
Expertise der Forensischen Sachverständigen MA Antje C. Wieck aus Kitzingen zur Aufarbeitung von NS-Verbrechen und NS-Unrecht in der NS-Vergangenheitsbewältigung
Die HIER fallverantwortliche Richterin beim Amtsgericht Mosbach Marina Hess verfügt HIER unter 6F 9/22 und 6F 202/21 am 17.08.2022 EXPLIZIT, dass die gerichtlich beauftragte familienpsychologische Forensische Sachverständige für Familienrecht MA Antje C. Wieck, Praxis für KINDER- UND JUGENDLICHENPSYCHOTHERAPIE, Moltkestr. 2, 97318 Kitzingen, eine INHALTLICHE Sachverständigen-Auseinandersetzung mit der Dokumentations-Website "nationalsozialismus-in-mosbach.de" des Kindsvaters, Beschwerdeführers und Nazi-Jägers Bernd Michael Uhl durchführen solle (Siehe im Folgenden!), die diese Sachverständige Gutachterin HIER ABER AKTENKUNDIG NACHWEISBAR im anhängigen Verfahrenskomplex während ihren zwei gerichtlich bestellten Sachverständigengutachten von 2022 bis 2024 DANN ÜBERHAUPT NICHT durchführt.
UND DIES HIER EXPLIZIT AUCH NICHT bzgl. der DARIN KONKRET thematisierten nationalsozialistischen Verbrechen bis 1945 und deren juristischen, politischen und zivilgesellschaftlichen Aufarbeitungen in der NS-Vergangenheitsbewältigung seit 1945, insbesondere HIER auch in der lokalen-regionalen Fall- und Verfahrenszuständigkeit für Mosbach und für den Neckar-Odenwaldkreis.
Die HIER fallverantwortliche Richterin beim Amtsgericht Mosbach Marina Hess verfügt HIER unter 6F 9/22 und 6F 202/21 am 17.08.2022 EXPLIZIT bei der von ihr selbst gerichtlich beauftragten familienpsychologischen Forensischen Sachverständigen für Familienrecht MA Antje C. Wieck, Praxis für KINDER- UND JUGENDLICHENPSYCHOTHERAPIE, Moltkestr. 2, 97318 Kitzingen eine Sachverständigen-Begutachtung bezüglich "der Notwendigkeit einer psychiatrischen Begutachtung" des Kindsvaters, Beschwerdeführers und Nazi-Jägers Bernd Michael Uhl "zur Beurteilung seiner Erziehungsfähigkeit" (Siehe im Folgenden!). UND DIES NACHDEM UNMITTELBAR ZUVOR das erste gerichtlich beauftragte familienpsychologische Gutachten vom 07.04.2022 unter 6F 202/21 und 6F 9/22 sich für den perspektivischen Verbleib des damals anderthalb Jahre alten Kindes beim Kindsvater ausspricht. HIERBEI unterstellt die fallverantwortliche Mosbacher Amts-Familienrichterin Marina Hess im familienrechtlichen Zivilprozess dem Kindsvater, Beschwerdeführer und Bernd Michael Uhl eine mögliche angebliche psychische Erkrankung und eine damit einhergehende eingeschränkte Erziehungsfähigkeit auf Grund seiner konkreten Nazi-Jäger-Eingaben zu den seinerseits beim Amtsgericht Mosbach beantragten juristischen Aufarbeitungen von konkreten Tatbeteiligungen an NS-Verbrechen und NS-Unrecht 1933-1945 und deren mangelhaften juristischen Aufarbeitungen seitens der deutschen Nachkriegsjustiz seit 1945. UND DIES HIER insbesondere auch in der lokalen-regionalen Fall- und Verfahrenszuständigkeit bei NS-Verbrechen und NS-Unrecht in Mosbach und im Neckar-Odenwaldkreis sowie bezüglich dem Versagen der Mosbacher Nachkriegsjustiz seit 1945 bei deren juristischen Aufarbeitungen.
SIEHE DAZU AUCH:
- Rechtsanwaltlicher und gerichtlicher Umgang mit Sachverständigen-Gutachten in Fallbegleitungen - Verfahrensführungen - Verfahrensbearbeitungen- Verfahrensbegleitungen durch RECHTSANWALT Simon Sommer >>>
- Verfahrensinhaltliche und prozessuale Benachteiligungen des Mandanten von Rechtsanwalt Simon Sommer beim Amtsgericht Mosbach unter 6F 211/21, 6F 202/21, 6F 9/22, 6F 2/23, 6F 2/22, etc. sowie unter amtsseitigen KV-BS-Sonderbänden zu Nationalsozialismus, Rechtsextremismus, Rassismus >>>
Klinikum am Weissenhof - Zentrum für Psychiatrie Weinsberg
74189 Weinsberg
Gerichtlich beauftragte
Begutachtung von historischen und aktuellen NS-Verfahren des 21. Jahrhunderts
Sehr geehrte Damen und Herren,
u.a. nehme ich hier auch Bezug auf meine Anschreiben vom 19.01., 20.01. und 21.01.2023
Ich begrüße die im Internet veröffentlichte Ankündigung des Klinikums am Weissenhof der Region Heilbronn-Franken zur offiziellen Gedenkfeier-Veranstaltung mit Minister Manfred Lucha und Gedenkstättenleiter Thomas Stöckle zum NATIONALEN EUTHANASIE-GEDENKTAG am 27. Januar 2023 bezüglich der NS-Vergangenheitsbewältigung.
IHRE Stellungnahme als Klinikum am Weissenhof zu den laufenden gegenwärtigen und künftigen Prozessen BEIM DEUTSCHEN BUNDESTAG (a) für die Anerkennung der Opfer der nationalsozialistischen Euthanasie und Zwangssterilisierung als Verfolgte des Nationalsozialismus und (b) für die voranzutreibende Aufarbeitung in der NS-Vergangenheitsbewältigung ist beantragt (Siehe Anhang). Und zwar bezüglich der folgenden Sachverhalte zu Nationalsozialistischem Unrecht und Nationalsozialistischen Verbrechen …
sowohl (a) zur NS-Euthanasie und NS-Zwangssterilisierung
und (b) zu den konkreten Tatbeteiligungen der Mosbacher Justizbehörden
als auch (c) zur professionskritischen Rolle von Medizinern/Medizinerinnen, Ärzten/Ärztinnen, Psychologen/Psychologinnen, Sachverständigen und Gutachern/Gutachterinnen bei der nationalsozialistischen Euthanasie und Zwangssterilisierung.
Das Amtsgericht Mosbach, dass das Klinikum am Weissenhof unter 6F 202/21 gerichtlich beauftragt, ist selbst in seiner eigenen NS-Vergangenheit historisch nachgewiesen vor 1945 an der juristischen und medizinischen Umsetzung der Nazi-(Kinder)-Euthanasie und der nationalsozialistischen Zwangssterilisierung beteiligt (Siehe Anhang).
Mit freundlichen Grüßen
Siehe auch: