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AKTUELLES:
NS-Opfer und NS-Verfolgte
- Personelle und institutionelle NS-Kontinuitäten ???
- Rassismus und Diskriminierung
seit 1945
Zuletzt AKTUALISIERT am 29.03.2025 !
Seiteninhalt:
- Verfahren beim Amtsgericht Mosbach zu Rechtsextremismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung
1.1 STRAFANZEIGEN vom 24.06.2023 gegen den Deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz wegen des Verdachts auf Volksverhetzung sowie wegen Beleidigung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener durch Verächtlichmachung, Diskriminierung von im rechtsextremistischen Jargon sogenannten „kulturfremden“ Flüchtlingen - Online-Artikel zu NS-Opfern, NS-Verfolgten sowie zu AKTUELLEM über Rassismus und Diskriminierung
2.1 Statistiken zu NS-Opfern und NS-Verfolgten
2.2 Online-Artikel zu AKTUELLEM über Rassismus und Diskriminierung
2.3 Online-Artikel zu AKTUELLEM über Rassismus und Diskriminierung in Mosbach - Baden und Neckar-Odenwaldkreis
2.4 Online-Artikel zu Einbürgerung und Staatsbürgerschaft im Zusammenhang mit Rassismus und Anti-Semitismus - YouTube-Videos zu Rassismus und Diskriminierung
Siehe auch unter AKTUELLES >>> Rassismus und Diskriminierung >>>
- Menschen mit afrikanischer Herkunft >>>
- NS-Verfolgung von Sinti und Roma in Mosbach >>>
- NS-Verfolgung von Homosexuellen >>>
- Nazi-Euthanasie in Mosbach (Baden) >>>
- Judenverfolgung und Anti-Semitismus >>>
- Judenverfolgung in Mosbach >>>
- Judendeportationen in Mosbach >>>
- Nazi-Geschlechterordnung >>>
1. Verfahren beim Amtsgericht Mosbach zu Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung
1.1 STRAFANZEIGEN vom 24.06.2023 gegen den Deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz wegen des Verdachts auf Volksverhetzung sowie wegen Beleidigung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener durch Verächtlichmachung, Diskriminierung von im rechtsextremistischen Jargon sogenannten „kulturfremden“ Flüchtlingen
6F 9/22 u.a.
Amtsgericht Mosbach
Hauptstraße 110
74821 Mosbach
DATUM : 24.06.2023
Siehe auch Online-Dokumentation: www.nationalsozialismus-in-mosbach-baden.de
STRAFANZEIGEN vom 24.06.2023 gemäß § 158 StPO an Amtsgericht Mosbach
unter 6F 9/22, 6F 202/21, 6F 2/22, 6F 2/23
gegen den Deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz wegen des Verdachts auf Volksverhetzung sowie wegen Beleidigung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener durch Verächtlichmachung, Diskriminierung von im rechtsextremistischen Jargon sogenannten „kulturfremden“ Flüchtlingen,
die als Personengruppe unter Einsatz ihres Lebens von Afrika/Asien über das Mittelmeer nach Europa/Deutschland fliehen auf Grund …
(a) von Verlust der eigenen Lebensgrundlagen durch Klimawandel,
(b) von Verfolgungen politischer Opposition,
(c) von sozio-kulturellen und religiösen Minderheiten-Repressionen,
(d) von Menschenrechtsverletzungen
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit ergehen die eingangs benannten Strafanzeigen, da diese öffentlichen und verbreiteten Äußerungen des Beschuldigten sich zur Störung des öffentlichen Friedens mit der Aufstachelung zu Hass oder Gewalt eignen und die Menschenwürde dadurch angreifen, dass die im Mittelmeer zu Tode gekommenen Bootsflüchtlinge mit der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener böswillig verächtlich gemacht werden. Das öffentliche Billigen, Leugnen und gröbliche Verharmlosen u.a. von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen steht unter Strafe:
BEGRÜNDUNG UND GLAUBHAFTMACHUNG:
Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist auf dem 38. Deutschen Evangelischen Kirchentag mit einer Äußerung zum Thema Asyl in die Kritik geraten, die er selbst als Witz klassifiziert hat. Auf dem Evangelischen Kirchentag in Nürnberg Mitte Juni 2023 hatte er zunächst erklärt, dass Deutschland zwar ein Land ohne EU-Außengrenze sei, trotzdem aber die meisten Asylantragsteller habe. Dann sagte Scholz am Samstag: „Ich habe schon den Witz gemacht beim Europäischen Rat: Deutschland muss einen großen Strand am Mittelmeer haben. Denn tatsächlich kommen mehr Flüchtlinge, die über das Mittelmeer nach Europa kommen, in Deutschland an als in den Mittelmeer-Anrainer-Ländern im Einzelnen.“
Die Seenotrettungs-Organisation Sea-Watch kritisierte das: Mehr als 1150 Tote habe es allein 2023 bislang gegeben – und das Einzige, was dem Kanzler einfalle, sei ein „schlechter Witz“, hieß es auf Twitter. „Wer darüber lachen kann, sollte keinen Staat regieren.“
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Michael Uhl
2. Online-Artikel zu NS-Opfern, NS-Verfolgten sowie zur AKTUELLEM über Rassismus und Diskriminierung
80 Jahre Aufstand im Warschauer Ghetto
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am 19. April in Warschau bei der zentralen Gedenkveranstaltung zum achtzigsten Jahrestag des Beginns des Aufstands im Warschauer Ghetto eine Rede gehalten: "Die wichtigste Lehre aus unserer Geschichte lautet: Nie wieder! Nie wieder Rassenwahn, nie wieder entfesselter Nationalismus, nie wieder ein barbarischer Angriffskrieg. Nie wieder – darauf gründet unser gemeinsames Europa."
https://www.bundespraesident.de/
2.1 Statistiken zu NS-Opfern und NS-Verfolgten
So viele Menschenleben forderte der NS-Rassenwahn
GESCHICHTE
von
Matthias Janson,
27.01.2020
Heute jährt sich die Befreiung des NS-Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz zum 75. Mal. Das Lager gilt als Sinnbild für den NS-Massenmord, der während des Zweiten Weltkriegs Millionen Menschen das Leben kostete. Die Grafik zeigt die Gesamt-Todeszahlen nach Opfergruppen. Die meisten Toten forderte die NS-Judenvernichtung. In der Öffentlichkeit weniger bekannt sein dürfte die hohe Zahl an ermordeten sowjetischen Kriegsgefangenen. Sie starben mehrheitlich aufgrund einer von deutscher Seite aus absichtlich schlechten Versorgung mit Lebensmitteln. Bei allen Zahlen handelt sich um wissenschaftlich belegte Mindestzahlen. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion konnten Historiker insbesondere die Zahlen der Toten in Osteuropa präzisieren, weil dort viel Archivmaterial neu erschlossen werden konnte. Außer in den Todeslagern kamen viele Menschen bei Massenerschießungen durch die Einsatzgruppen im rückwärtigen Heeresgebiet der Ostfront um Leben, bei Massakern der Waffen-SS in besetzten Ländern Europas oder in Kriegsgefangenenlagern. Hier fielen sie vielfach dem geplanten Hungertod zum Opfer.
https://de.statista.com/
Nazis töteten ungefähr 17 Millionen Menschen
HOLOCAUST-GEDENKTAG
von
Matthias Janson,
22.01.2021
Während der Hitlerzeit in Deutschland wurden wissenschaftlichen Schätzungen zufolge ungefähr 17 Millionen Menschen von Nationalsozialist_innen und ihren Unterstützer_innen ermordet. Das zeigt die Statista-Grafik auf Basis von Daten, die das United States Holocaust Memorial Museum (USHMM) veröffentlicht hat. Die Schätzungen basieren auf Kriegsberichten derjenigen, die die NS-Bevölkerungspolitik umgesetzt haben, sowie auf demographischen Studien zum Bevölkerungsverlust während des Zweiten Weltkriegs, die nach dem Krieg durchgeführt wurden. Die jüngste Schätzung zur Opferzahl der Homosexuellen beruht auf den Forschungen des deutschen Historikers Dr. Alexander Zinn, der zu dieser Opfergruppe zuletzt intensiv geforscht hat.
Ein Teil der Opfer davon wurde in Deutschland selbst ermordet, etwa in Konzentrationslagern, Gefängnissen, bei Pogromen oder in Krankenanstalten wie Bernburg, Hadamar, Hartheim und Sonnenstein. Eine besonders große Zahl an Menschen wurde in Polen und der ehemaligen Sowjetunion ermordet. Hier hatten die Deutschen Vernichtungslager errichtet, in denen unter anderem ein Großteil der jüdischen Opfer umgebracht wurden. Zudem erschossen Einsatzgruppen im rückwärtigen Heeresgebiet viele Zivilisten, die meisten davon Juden. Den Großteil der russischen Kriegsgefangenen ließ die Wehrmacht in Gefangenenlagern verhungern. In der Grafik nicht aufgeführt sind deutsche politische Gegner und Widerstandskämpfer in von den Achsenmächten besetzten Gebieten. Ihre Zahl ist laut USHMM bislang unbestimmt.
Kommenden Mittwoch, am 27. Januar 2021, ist in Deutschland der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Vor 76 Jahren, am 27. Januar 1945, wurde das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz von Truppen der Roten Armee befreit. Der Gedenktag existiert in Deutschland seit 1996. Im Jahr 2005 wurde der Tag von den Vereinten Nationen zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust erklärt.
https://de.statista.com/
Opferzahlen der durch das nationalsozialistische Regime und seiner Verbündeten von 1933 bis 1945 ermordeten Zivilisten und Kriegsgefangenen
Veröffentlicht von
Bernhard Weidenbach
, 31.05.2021
Die Nationalsozialisten ermordeten während ihrer Herrschaftszeit von 1933 bis 1945 mehrere Millionen Menschen. Neben dem planmäßigen Genozid (Holocaust) an den europäischen Juden mit rund sechs Millionen Opfern, wurden unter anderem rund sieben Millionen sowjetische Zivilisten ermordet. Weitere drei Millionen Soldaten der Sowjetunion überlebten die deutsche Kriegsgefangenschaft nicht. Zahlreiche andere Ethnien und Nationalitäten sowie Minderheiten waren ebenfalls betroffen.
Machtergreifung der Nationalsozialisten und Zweiter Weltkrieg
Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt, schaffte die junge Demokratie ab (Machtergreifung) und errichtete eine Diktatur in der jüdische Bürger, Minderheiten und politisch Andersdenkende verfolgt und getötet wurden. Das nationalsozialistische Deutschland ermordete mehr als sechs Millionen jüdische Menschen in ganz Europa und entfesselte durch den Überfall auf Polen den Zweiten Weltkrieg, der mehr als 70 Millionen Menschenleben forderte.
Nationalsozialistische Ideologie
Die durch staatlichen Antisemitismus vorangetriebene Ideologie der Nationalsozialisten sah die Vernichtungen von "lebensunwertem Leben" vor. "Unwerte" Völker sollten getilgt werden, um den "arischen" Rassen an deren Stelle ein Leben zu ermöglichen. Das erklärte Ziel des NS-Regimes war die vollkommene Auslöschung des jüdischen Volkes und anderer Minderheiten wie Sinti und Roma sowie Homosexuelle.
https://de.statista.com/
2.2 Online-Artikel zu AKTUELLEM über Rassismus und Diskriminierung
Berlin & Brandenburg
Neue Kommission gegen Rassismus tagt zum ersten Mal
28.03.2025, 12:42 Uhr
(Foto: Jens Kalaene/dpa)
Antisemitismus und andere Formen von Rassismus sind in Berlin ein Problem. Das Abgeordnetenhaus sucht jetzt neue Antworten auf die alte Frage, was dagegen zu tun ist.
Berlin (dpa/bb) - Ein neues Gremium aus Politikern, Wissenschaftlern und anderen Fachleuten soll im Berliner Abgeordnetenhaus Strategien gegen Rassismus entwickeln. Eine vom Parlament eingesetzte Enquete-Kommission kam zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammen und nahm damit ihre Arbeit auf. Ihr gehören 24 Mitglieder an, darunter 13 Abgeordnete und 11 externe Experten.
Die Kommission soll für gesellschaftlichen Zusammenhalt, gegen Antisemitismus, Rassismus, Muslimfeindlichkeit und jede Form von Diskriminierung arbeiten. Bis zum Ende der Legislaturperiode im kommenden Jahr hat das Gremium Zeit, dazu abseits der Tagespolitik Ideen und Vorschläge zu entwickeln. Die AfD entsendet als einzige Fraktion keine Mitglieder: Ihre Personalvorschläge waren im Februar im Abgeordnetenhaus durchgefallen.
Berlin soll vielfältig bleiben
Vorsitzender des Gremiums ist SPD-Fraktionschef Raed Saleh. "Mit unserer gemeinsamen Arbeit in der Kommission haben wir die große Aufgabe vor uns, eine Grundlage dafür zu schaffen, das tolerante, das vielfältige Berlin für kommende Generationen zu gestalten und zu schützen", erklärte er zum Auftakt.
"Dabei wird es auch um einen tiefen Blick in die Verwaltung, in bestehende Strukturen und Institutionen gehen." Vorschläge für konkrete gesetzliche Änderungen wolle er ebenfalls in der Kommission diskutieren, so Saleh. In der Kommission werde nicht das lauteste oder das radikalste Wort entscheidend sein, sondern das beste Argument.
"Rassismus ist Gift"
"Antisemitismus, der Hass gegen Menschen jüdischen Glaubens, ist Gift für unsere Gesellschaft", unterstrich Saleh. "Antimuslimischer Rassismus, der Hass gegen Menschen aufgrund ihres muslimischen Glaubens oder aufgrund ihres Aussehens, ist genauso Gift für unsere Gesellschaft."
Das Abgeordnetenhaus kann eine Enquete-Kommission einsetzen, um Entscheidungen über besonders umfangreiche oder komplexe Sachverhalte vorzubereiten. Nach Abschluss ihrer Arbeit gibt die Kommission ihre Ergebnisse dann in einem Bericht an das Parlament weiter.
Quelle: dpa
https://www.n-tv.de/
Studie zu Diskriminierung durch die Polizei
Stand: 28.02.2025, 17:04 Uhr
Von: Pitt von Bebenburg
Demo in Berlin: Rassismus in der polizeilichen Praxis wird seit dem Tod von George Floyd vor fünf Jahren in der US-Stadt Minneapolis intensiv diskutiert. © dpa
Ein Wissenschaftsteam aus Frankfurt und Hamburg will Betroffene in fünf Großstädten über Rassismus-Erfahrungen befragen.
Es ist eines der größten Forschungsprojekte zu Rassismus und Diskriminierungserfahrungen mit der Polizei in Deutschland, das am Montag startet. Ein Team um den Frankfurter Kriminologen Tobias Singelnstein und die Soziologin Eva Groß von der Polizeiakademie Hamburg schickt mehr als 100 000 Briefe heraus, um Menschen zur Teilnahme an einer Erhebung einzuladen und sich ein repräsentatives Bild von der Lage und Erfahrungen mit der Polizei zu machen.
Angeschrieben würden dafür zufällig aus dem Melderegister ausgewählte Personen in Frankfurt, Berlin, Dresden, Hamburg und München, sagte Singelnstein der Frankfurter Rundschau vorab. Das Projekt werde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert und sei auf drei Jahre angelegt. Ein erster Zwischenbericht soll Anfang nächsten Jahres vorgelegt werden.
Vorurteile bei der Polizei verbreitet
Bisher gibt es vor allem Studien, die die polizeiliche Perspektive in den Blick nehmen. So wurden im vorigen Jahr die Ergebnisse der Megavo-Studie veröffentlicht, bei der die Deutsche Hochschule der Polizei im Auftrag des Innenministeriums des Bundes Motivation, Einstellung und Gewalt im Polizeialltag untersucht hat.
Bei der Befragung von Zehntausenden Polizeibediensteten kam heraus, dass ein Großteil von ihnen die Demokratie befürwortet und ein entsprechendes Weltbild hat. Zugleich gaben allerdings 30 bis 40 Prozent der Befragten an, rassistische Äußerungen von Kolleginnen oder Kollegen mitbekommen zu haben. Auch die Einstellung gegenüber muslimischen Menschen und Asylsuchenden war bei einem nennenswerten Teil der Befragten negativ.
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Racial Profiling verhindern
„Uns ist es wichtig, die Betroffenenperspektive stark zu machen“, sagt nun Professor Singelnstein. So war der Kriminologe von der Goethe-Uni bereits in seinem Forschungsprojekt „Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamt:innen“ vorgegangen. Dabei kam ans Licht, dass Polizeigewalt fast nie angezeigt wird. Und selbst wenn solche Fälle gemeldet werden, führt das kaum zu strafrechtlichen Konsequenzen.
Dass die Forschenden nun so viele Einladungsschreiben für ihre Studie verschicken, deutet darauf hin, dass sie davon ausgehen, dass nur ein vergleichsweise kleiner Teil der Bevölkerung Erfahrungen mit Diskriminierung oder Rassismus gemacht hat: „Wenn man 1000 Leute befragt, sind am Ende vielleicht fünf oder zehn dabei, die sagen, dass sie so was schon mal erlebt haben“, stellt Singelnstein fest. Daher müssten viele Menschen angeschrieben werden, um eine statistisch aussagekräftige Zahl von Befragten mit entsprechenden Erfahrungen zu erhalten.
Rassismus in der polizeilichen Praxis werde seit dem Tod von George Floyd vor fünf Jahren in der US-Stadt Minneapolis intensiv diskutiert, betont Singelnstein. Ein weißer Polizist lehnte damals für fast zehn Minuten auf dem Hals des Afroamerikaners. Ein Video davon löste weltweite Proteste aus.
Veraltetes Verständnis von Rassismus
Trotzdem bestünden weiter erhebliche Lücken in der Forschung, erläutert Singelnstein: „Wir gehen davon aus, dass Rassismus und Diskriminierung nicht nur ein Problem der Einstellung Einzelner in der Polizei ist, sondern dass es strukturellen, institutionellen Charakter hat.“ Im Gegensatz dazu pflege die Polizei „eher ein klassisches, man könnte auch sagen veraltetes Rassismusverständnis“.
Es dominiere die Vorstellung, „dass es ein Problem von einzelnen schwierigen Leuten ist, die man finden muss und gegen die man im Zweifelsfall auch mit Disziplinarmaßnahmen vorgehen kann“. Dabei werde die Vorstellung aufrechterhalten, „dass es kein generelles Problem der Polizei in der Praxis“ sei – denn das würde sich mit dem Selbstbild der Polizei beißen. Singelnstein ist überzeugt, dass es nicht ausreicht, „in der Ausbildung zwei Stunden sogenannte interkulturelle Kompetenz zu lernen“. Stattdessen sei ein „breiterer Ansatz“ erforderlich. Die Studie könne dafür Erkenntnisse bringen.
https://www.fr.de/
SACHSENS MINISTERPRÄSIDENT
Scharfe Kritik an Kretschmer-Aussage über „Schüler von außen“
Stand: 23.10.2023 | Lesedauer: 2 Minuten
Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU)
Quelle: dpa/Jens Kalaene
Sachsen Ministerpräsident Kretschmer (CDU) findet, dass wegen Schülern „die von außen kommen“ die Bildungsqualität leide. SPD-Bildungspolitikerin Sabine Friedel nannte die Aussage „beschämend“. Laut ihr seien verfehlte Bildungspolitik und nicht geschaffene Lehrerposten das Problem.
Aus der SPD sind Äußerungen des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) zur Qualität der Bildung im Freistaat ungewöhnlich scharf kritisiert worden.
Sabine Friedel, Bildungspolitikerin und SPD-Abgeordnete im sächsischen Landtag, zeigte sich am Freitag „entsetzt über eine solche Verdrehung der Tatsachen“. „Sächsische.de“ hatte Kretschmer am Donnerstag nach einer Diskussion im Bautzener Schiller-Gymnasium mit den Worten zitiert: „Wir können die Qualität der Bildung nicht mehr garantieren, weil wir Schüler beschulen müssen, die von außen kommen.“ Friedel wies das zurück. Man müsse Verantwortung übernehmen statt Schuld abwälzen.
„Wir können die Qualität der Bildung nicht mehr garantieren, weil das sächsische Bildungssystem jahrzehntelang unterfinanziert war. Weil heute in den Schulen die Lehrkräfte fehlen, die vor fünfzehn Jahren nicht eingestellt wurden. Weil kein Puffer eingeplant und das System drastisch auf Kante genäht ist“, argumentierte die Landtagsabgeordnete Friedel.
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Umer A. kam als Asylbewerber 2015 aus Afghanistan. Ursprünglich wollte er Arzt werden
MIGRANTEN UND BILDUNG
„Konnte mich gar nicht mehr auf die Schule konzentrieren“
Jede Erkältungswelle, jeder kleine Geburtenanstieg und natürlich auch die Aufnahme geflüchteter Kinder und Jugendlicher führe dadurch zu Unterrichtsausfall. „Doch es ist absolut beschämend, jetzt mit dem Finger auf die zu zeigen, die ‚von außen‘ kommen.“
Die CDU und ihre „So-wenig-wie-möglich-Mentalität“
Es sei dringend nötig, dass der Ministerpräsident und seine Partei ihre „So-wenig-wie-möglich-Mentalität aufgeben und anerkennen, dass Systeme Puffer brauchen, um leistungsfähig zu sein“, kritisierte Friedel den Koalitionspartner.
Die SPD-Nachwuchsorganisation Juso sprach von „Hetze“. „Der Ministerpräsident ist offenbar mehr damit beschäftigt, Sündenböcke für die verfehlte CDU-Bildungspolitik zu suchen, als die Probleme wirklich anzugehen. Dass Michael Kretschmer nun Geflüchtete für den Lehrkräftemangel verantwortlich macht, ist geschmacklos und befeuert Fremdenfeindlichkeit in Sachsen unnötig weiter“, betonte Juso-Landesvize Lukas Peger.
Kretschmer hatte wiederholt eine Eindämmung der Migration gefordert. „Die Zahlen müssen dramatisch nach unten im kommenden Jahr, im übernächsten Jahr unter 100.000“, sagte er am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur.
Er sprach sich dafür aus, Familiennachzug zu begrenzen, Sozialleistungen für abgelehnte Asylbewerber zu reduzieren und Grenzkontrollen auch künftig fortzuführen. Bis Ende des Jahres müsse ein „Instrumentenkasten“ vorliegen: „Um die Zahl der illegalen Migranten so zu reduzieren, dass das auch wieder funktioniert. Mit den Kindergärten, mit den Schulen, mit den Deutschkursen, mit den Wohnungen.“
https://www.welt.de/
Rassistische Posts: Auch Polizisten in Verdacht
AKTUALISIERT AM 24.09.2023-08:18
Im Zusammenhang mit Ermittlungen wegen rassistischer, antisemitischer und behindertenfeindlicher Posts in Chatgruppen hat Innenminister Michael Ebling die disziplinarrechtlichen Möglichkeiten bei 49 Polizeibeamten und Beamtinnen geprüft. Fünf von ihnen werden auch strafrechtlich verfolgt, die übrigen 44 seien passiv an den ausgewerteten Chatgruppen beteiligt gewesen, hatte der SPD-Politiker kürzlich im Innenausschuss des Landtags berichtet. Aktuell liefen noch elf Disziplinarverfahren. Die Ermittlungen hätten aber bisher «keine Anhaltspunkte für eine strukturelle rechtsextremistische Ausprägung in der Polizei erbracht».
Die Staatsanwaltschaft Koblenz hatte insgesamt gegen zwölf bei der Polizei Beschäftigte strafrechtlich ermittelt, wie die Ermittlungsbehörde mitteilte. Sieben dieser Verfahren seien eingestellt worden - jeweils gegen drei Bundespolizeianwärter sowie drei Landespolizeibeamte und einen Auszubildenden der Höheren Polizei-Berufsfachschule.
Gegen einen ehemaligen Studenten der Hochschule und einen Landespolizeibeamten sei beim Jugendgericht Montabaur Anklage erhoben worden. Ihnen wird die Verbreitung von Kennzeichen einer ehemaligen Nationalsozialistischen Organisation zur Last gelegt, dem Landespolizeibeamten darüber hinaus Volksverhetzung und gemeinschaftlicher Betrug.
Auch das Verfahren gegen einen Bundespolizeianwärter sei abgeschlossen, Einzelheiten zu diesem Fall nannte die Staatsanwaltschaft aber noch nicht. Das Verfahren gegen einen weiteren Bundespolizeianwärter sei an die Staatsanwaltschaft Aachen abgegeben worden. Ein Verfahren gegen einen Landespolizeibeamten ist noch nicht abgeschlossen.
Die «bestürzenden» Vorfälle habe er genutzt, um «die Werteorientierung innerhalb der Polizei weiter zu stärken», betonte Ebling. So seien in den Behörden Zuständige ernannt worden und die Beschäftigten inzwischen in rund 675 Veranstaltungen für das Thema sensibilisiert worden.
Auch ein Leitfaden zur «reflektierten Kommunikation» sei erstellt worden. In der Hochschule der Polizei (HdP) würden die jungen Kommissaranwärterinnen und -anwärter zu Beginn ihres Studiums im Rahmen einer Initiative mit dem Titel «Kein Schmutz in der Birne, kein Schmutz im Handy, HdP zeigt Haltung» sensibilisiert.
Eine Studie untersucht bereits seit August 2021 das Verhältnis von Polizei und Gesellschaft in Rheinland-Pfalz. Dabei geht es auch um individuelle Einstellungen, demokratische Werte, Führung und Team-Zusammenarbeit in der Polizei, wie Ministeriumssprecherin Sonja Bräuer erläuterte. Mit Ergebnissen ist voraussichtlich Ende 2024 zu rechnen.
Quelle: dpa
https://www.faz.net/
Studie zu Einstellungen in Deutschland
Acht Prozent teilen rechtsextremes Weltbild
Stand: 21.09.2023 18:47 Uhr
Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Verharmlosung von Naziverbrechen: Immer mehr Deutsche teilen laut einer Studie rechtsextreme Einstellungen. Demnach hat sich ihr Anteil im Vergleich zu den Vorjahren praktisch verdreifacht.In Deutschland hat die Zahl der Befürworter rechtsextremer Einstellungen zugenommen. Zu diesem Ergebnis kommt die "Mitte-Studie", mit der im Auftrag der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung alle zwei Jahre die Einstellungen der gesellschaftlichen Mitte abgefragt werden. Acht Prozent der Menschen in Deutschland teilen demnach ein rechtsextremes Weltbild, das ist jeder zwölfte Erwachsene. In den Vorjahren seien dies zwei bis drei Prozent gewesen.Hinzu kämen 20 Prozent der Bevölkerung, die "einem Graubereich" zuzuordnen seien, "die also kein geschlossen rechtsextremes Weltbild haben, die aber auch nicht klar demokratisch orientiert sind", sagte die Sozialpsychologin und Mitverfasserin der Studie, Beate Küpper, im Interview mit tagesschau24.
Player: videoBeate Küpper, Co-Autorin "Mitte-Studie" Friedrich-Ebert-Stiftung, zur Zunahme von rechtsextremen Weltbildern
Sendungsbild | ARD-aktuell8 Min
Beate Küpper, Co-Autorin "Mitte-Studie" Friedrich-Ebert-Stiftung, zur Zunahme von rechtsextremen Weltbildern
tagesschau24, 21.09.2023 18:00 Uhr
Verunsicherung durch zahlreiche KrisenBei allen Indikatoren, mit denen die Expertinnen und Experten rechtsextreme Einstellungen messen, verzeichnet die aktuelle Befragung Anstiege. Dazu gehören nationalchauvinistische Einstellungen, die Verharmlosung der Verbrechen der Nationalsozialisten, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und sozialdarwinistische Haltungen, die zwischen "wertvollem" und "unwertem" Leben unterscheiden.Auch bei der politischen Selbstverortung gäben inzwischen mehr Menschen an, "rechts" oder "eher rechts" der Mitte zu stehen, nämlich 15,5 Prozent gegenüber zehn Prozent bei den beiden vorhergehenden Befragungen, heißt es in der Studie."Rechtsextrem zu sein ist nicht mehr etwas, was hinter vorgehaltener Hand passiert", erläutert Küpper. Das rechtsextreme Selbstverständnis werde mittlerweile "durchaus selbstbewusst nach vorne getragen". Als Gründe für den Trend nennt Küpper die "multiple Krisenlage", die als verunsichernd erlebt werde, sowie ein immer aggressiver auftretender Populismus, der das Gefühl der Bedrohung anheize.
An einer Hausfassade wurde "wir kriegen dich" aufgesprüht und später in "wir lieben dich" übersprüht.
Player: audioMehr politisch motivierte Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte
HINTERGRUND
18.09.2023
Rechte Übergriffe
"Man muss jederzeit mit Angriffen rechnen"
In Deutschland nehmen rechte Gewalttaten und andere Angriffe zu - betroffen sind mehrere Gruppen. mehr
"Antidemokratische Positionen auf dem Vormarsch"Die Studie zeige, "dass sich Teile der Mitte der Gesellschaft von der Demokratie distanzieren oder das Vertrauen in funktionierende Institutionen verloren haben", erklärte der Vorsitzende der Friedrich-Ebert-Stiftung, Martin Schulz. "Populismus und antidemokratische und völkische Positionen sind auf dem Vormarsch." In der Erhebung befürworten mehr als sechs Prozent eine Diktatur mit einer einzigen starken Partei und einem Führer für Deutschland. 16 Prozent sind negativ gegenüber "Ausländern" eingestellt. Rund ein Drittel der Befragten - 34 Prozent - meint zudem, Geflüchtete kämen nur nach Deutschland, um das Sozialsystem auszunutzen.
Logo Friedrich-Ebert-Stiftung
21.09.2023
"Mitte-Studie" der Friedrich-Ebert-Stiftung
fes
Vertrauen in demokratische Institutionen gesunkenGleichzeitig sinkt das Vertrauen in die Institutionen und das Funktionieren der Demokratie auf unter 60 Prozent. Mit 38 Prozent vertritt ein erheblicher Teil der Befragten verschwörungsgläubige Positionen. Populistische und völkisch-autoritär-rebellische Positionen sind ebenfalls verbreitet - bei 33 Prozent beziehungsweise 29 Prozent der Teilnehmenden der Erhebung."Diese Ergebnisse sind nicht nur erschreckend, sondern gebieten konsequentes Handeln - von der Politik, aber auch aus der Gesellschaft selbst", sagte Schulz. Die Menschen verlangten zu Recht nach einem starken, handlungsfähigen und funktionierenden Staat. Aber auch die demokratische Mitte selbst sei gefordert, sich klar von menschenfeindlichen Einstellungen zu distanzieren.Die Friedrich-Ebert-Stiftung gibt seit 2006 etwa alle zwei Jahre eine neue Ausgabe der sogenannten "Mitte-Studie" heraus. Für die aktuelle Erhebung wurden von 2. Januar bis 28. Februar 2.027 Menschen repräsentativ befragt.
Player: audioStudie zu rechtsextremen Ansichten in der GesellschaftHintergrundbild für den Audioplayer | ARD-aktuell
Studie zu rechtsextremen Ansichten in der Gesellschaft
00:0001:16
Lisa Bertram, ARD Berlin, tagesschau, 20.09.2023 16:06 Uhr
https://www.tagesschau.de/
„Wenn wir andere bespucken ...“ZDF-Frau Hayali findet klare Worte zu Islam-Maulkorb von Tagesschau-Sprecher
FOCUS online/Wochit ZDF-Frau Hayali findet klare Worte zu Islam-Maulkorb von Tagesschau-Sprecher
Freitag, 15.09.2023, 10:08
ZDF-Moderatorin Dunja Hayali hat sich mit klaren Worten zum Fall des Tagesschau-Sprechers Constantin Schreiber geäußert. Es führe nur „zu Zerstörung“, wenn man andere Meinungen nicht mehr toleriere. Stattdessen brauche es „Brückenbauerinnen, Mutmacher, Streitbare“.
„Tagesschau“-Sprecher Constantin Schreiber hat sich nach massiven Anfeindungen auferlegt, nicht mehr öffentlich über den Islam zu sprechen. Aus dem Schritt ist eine öffentliche Debatte über Meinungsfreiheit und Cancel Culture entstanden. In diese bringt sich nun auch ZDF-Moderatorin Dunja Hayali ein. Die 49-Jährige schreibt an ihre mehr als 250.000 Follower bei Instagram: „Wenn wir andere Meinungen bewerfen, bespucken oder schlimmer - was bleibt dann noch?“
Es gehe „nur noch um Feindbilder - auf allen Seiten“, so Hayali. „Das führt zu nix, außer Zerstörung.“ Diese betreffe sowohl die politische Kultur als auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Hayali fragt: „Wo sind die Brückenbauerinnen, die Mutmacher, die Streitbaren im besten Sinne?“
Auch Hayali war immer wieder Zielscheibe von Beleidigungen und Drohungen
Auch Hayali, bekannt aus dem „Morgenmagazin“ und dem „Aktuellen Sportstudio“, hatte in der Vergangenheit immer wieder harte Kritik, Beleidigungen und auch Drohungen aushalten müssen. Die häufig meinungsstarke Moderatorin schreibt weiter, wir müssten „uns mit Fakten, Argumenten und Ideen auseinandersetzen“ sowie „Widerspruch und Streit nutzen“.
„Tagesschau“-Sprecher Schreiber hat dies offenbar aufgegeben. Er sagte in einem Interview mit der „Zeit“ über sein Sprechverbot: „Ich werde keine Bücher dazu schreiben, ich lehne Talkshow-Anfragen ab. Ich mache das nicht mehr.“ Der 44-Jährige ist unter anderem Autor der Bücher „Kinder des Koran“ und „Inside Islam“.
pnh
https://www.focus.de/
Hass wird salonfähig
Stand:12.09.2023, 16:51 Uhr
Von: Ursula Rüssmann
Sieht sich gezwungen, eine Selbstverständlichkeit in Erinnerung zu rufen, nämlich: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“: Ferda Ataman, Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung. © Kira Hofmann/photothek/dpa
Der Alarmruf der Bundesbeauftragten ist berechtigt und muss gehört werden – auch in der Regierung selbst. Der FR-Leitartikel von Ursula Rüssmann.
Starke Worte und eine denkwürdige Initiative: Wenn gleich zehn Minderheiten- und Opferbeauftragte der Bundesregierung gemeinsam Alarm schlagen und auf dramatisch zunehmende Hasskriminalität hinweisen, wie gerade geschehen, dann sollten auch die Letzten im Land verstanden haben, wie ernst es ist. Die Beauftragten sehen sich gezwungen, eine Selbstverständlichkeit in Erinnerung zu rufen: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“. Sie warnen damit: Eine, wenn nicht die tragende Säule des demokratischen Rechtsstaats ist instabil geworden.
Zehn Prozent mehr Hassdelikte im Jahr 2022 als im Vorjahr, insgesamt mehr als 11 500: Die steigende Tendenz, auf die die Beauftragten hinweisen, ist nicht nur ein abstrakter statistischer Wert. Sie markiert einen Kulturwandel, und zwar einen zum Schlechten: den Vormarsch gesellschaftlicher Verrohung. Denn hinter den 11 500 bekannten Hassdelikten steht eine um ein Vielfaches höhere Dunkelziffer nicht verfolgter, unwidersprochener Übergriffe, Drohungen und Hetzreden gegen Menschen – sei es weil diese nichtdeutsche Wurzeln haben, eine andere Religion, trans, lesbisch oder einfach weiblich sind, arm sind oder politisch anders denken.
Wie sehr haben wir uns schon gewöhnt an die Alltäglichkeit von Ausfällen gegen Minderheiten? Eingeschlagene Scheiben von Moscheen oder Übergriffe gegen Kopftuchträgerinnen schaffen es kaum noch in die Medien, sie finden aber ständig statt. Attacken auf queere Feste häufen sich. Pauschale „Das Boot ist voll“-Parolen haben sich längst festgesetzt in den Köpfen von weitaus mehr Menschen als denen, die stolz sind, rechtsaußen zu sein. Menschenfeindliches Denken greift um sich in der Mitte der Gesellschaft.
Ein schwarzer Fleck
Aber, und da weist der Alarmruf der Regierungsbeauftragten einen schwarzen Fleck auf: Die wirklich große Gefahr fängt schon viel früher an. Sie wächst dort, wo politisch und medial immer mehr Räume geöffnet werden, in denen Populismus und Geschichtsvergessenheit unwidersprochen platziert werden können. Hier steckt die Legitimationsquelle für rechte Gewalt, hier holen sich die, die Regenbogenfahnen abreißen und gegen Flüchtlinge hetzen, Argumente.
Warum bietet ausgerechnet der öffentlich-rechtliche Rundfunk, gegen dessen Existenz die AfD aggressiv zu Felde zieht, Vertreter:innen der in weiten Teilen rechtsextremen Partei immer wieder eine Plattform für ihre demagogischen und demokratiefeindlichen Thesen? Zuletzt Alice Weidel in der ARD, vorher Chrupalla und viele andere. Weidel und Konsorten können sich freuen: Ihre gezielte Provokation, sie sehe in (Nazi-)Deutschlands Niederlage keinen Grund zum Feiern, ist in der Welt, geadelt durch den Ehrenplatz des Sommerinterviews, und damit freigegeben zur Vervielfältigung. Der 8. Mai, Tag der Befreiung? Zu fürchten ist, dass dieser Erinnerungskonsens bald nicht mehr nur von Rechtsaußen in Frage gestellt wird.
Welches Menschenrecht ist als nächstes dran?
Ähnlich ergeht es einem anderen Erbe des Holocaust: dem internationalen Flüchtlingsvölkerrecht. Längst liefert sich die Union einen offenen Wettlauf mit der AfD, wer schärfer gegen das individuelle Schutzrecht vor Verfolgung agitiert. Wenn jetzt Europäische Menschenrechtskonvention und Genfer Flüchtlingskonvention als überholt diffamiert werden, wenn also politische Willkür die Werte- und Vertragsbindung wegwischt, dann muss man fragen: Welches elementare Menschenrecht wäre als nächstes dran? Meinungs- oder Versammlungsfreiheit? Recht auf Leben?
Statt drei Folgen wie im Vorjahr zeigt das ZDF dieses Jahr nur zwei Ausgaben von „Fernsehgarten on Tour“ mit Andrea Kiewel.Statt drei Folgen wie im Vorjahr zeigt das ZDF dieses Jahr nur zwei Ausgaben von „Fernsehgarten on Tour“ mit Andrea Kiewel.
Zum Glück ist Deutschland in ein so dichtes Netz internationaler Verträge eingebunden, dass ein Ausstieg aus den Flüchtlingskonventionen kaum möglich ist. Der Schaden ist dennoch da - die zunehmende Gewalt gegen Geflüchtete hat auch mit solcher politischer Rhethorik zu tun.
Und auch die Ampel-Regierung kocht heftig mit im Kessel minderheitenfeindlicher Ressentiments. Zunehmende Gewalt in Schwimmbädern? Gibt es nicht, wie Tagesschau.de in einem Faktencheck nachwies. Bundesinnenministerin Nancy Faeser will trotzdem nach Vorfällen in Berlin mehr Polizei in den Bädern und ließ die Behauptung unwidersprochen, schuld seien meist Migranten. Bundesfinanzminister Lindner nimmt sich Alleinerziehende vor, die angeblich immer weniger bereit seien, arbeiten zu gehen – die Berliner „taz“ hat das als Falschbehauptung entlarvt.
Es gäbe weitere Beispiele. Sie sprechen alle die gleiche Sprache: Die wachsende Menschenfeindlichkeit in der Gesellschaft ist auch das Spiegelbild einer zunehmend populistisch getriebenen Politik. Der Alarmruf der Beauftragten wäre noch realitätsnäher gewesen, hätte er sich auch an sie gerichtet.
https://www.fr.de/meinung
Rassistische Schmierereien in Hannover
Menschenrechtsaktivistin: "Hier kippt etwas in Deutschland"
Von
Patrick Schiller
Aktualisiert am 07.09.2023 - 18:09 Uhr
Die Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Düzen Tekkal (Archivbild): Am Mittwoch wurde das Restaurant ihrer Brüder mit rassistischen Parolen beschmiert. (Quelle: Jürgen Heinrich/imago images)
Düzen Tekkal sorgt sich um das gesellschaftliche Klima in Deutschland. Am Mittwoch wurde ein Restaurant ihrer Brüder in Hannover mit rassistischen Sprüchen beschmiert.
Die jüngsten Vorfälle in Hannover, bei denen eine Filiale der Restaurantkette "dean&david" mit rassistischen Parolen beschmiert wurde, haben Empörung und Entsetzen hervorgerufen. Doch obwohl der mutmaßliche Täter am Mittwochabend identifiziert werden konnte, empfindet die Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Düzen Tekkal nicht nur Erleichterung: Die Schwester der Betreiber des betroffenen Restaurants äußerte sich im Gespräch mit t-online besorgt: "Hier kippt etwas in Deutschland."
Das gesellschaftliche Klima in Deutschland werde derzeit schwieriger für Minderheiten, sagt Tekkal: "Das Stammtischniveau wird hier immer schlimmer." Auch ihr Podcast-Partner Khesrau Behroz habe ihr berichtet, dass er sich seit Wochen einmal mehr umdrehe, wenn er draußen unterwegs sei, fügte die gebürtige Hannoveranerin hinzu.
Der Verrohung der Gesellschaft gehe laut Tekkal einer Verrohung der Sitten im Netz voraus: "Hatespeech und Hassrede können irgendwann zu Taten führen", so die 45-Jährige.
Mutmaßlicher Täter gefasst
"Ich bin erleichtert und trotzdem erdrückt, seitdem klar ist, dass der mutmaßliche Täter gefasst werden konnte", sagt Tekkal. Die Schmierereien hatten nicht nur sie und ihre Familie getroffen, sondern auch die Öffentlichkeit schockiert. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) nannte den Angriff am Mittwoch "widerlich". Mehr dazu lesen Sie hier.
Laut derzeitigem Stand der Ermittlungen steht ein 39-jähriger Hannoveraner im Verdacht, für eine Serie "möglicherweise politisch motivierter Farbschmierereien an diversen Objekten im Stadtgebiet Hannover" verantwortlich zu sein. Diese beträfe neben dem Restaurant der Tekkal-Brüder auch eine Reihe weiterer Restaurants sowie eine türkische Moschee, einen türkischen Verein und ein Auto. Mehr dazu lesen Sie hier.
Die Brüder von Düzen Tekkal, Timur und Tamer, hatten die Schmierereien an der Fensterfront am frühen Mittwochmorgen entdeckt. Zunächst hätten sie überlegt, sie einfach wegzuputzen und weiterzumachen, sagt Tekkal. "Aber ich fragte mich: Wie lange wollen wir noch gucken und weitermachen?"
Rassismus in Deutschland: Ein schambehaftetes Thema?
Laut Düzen Tekkal ist es für viele Personen in Deutschland ein Wagnis, nach derartigen rassistischen Vorfällen an die Öffentlichkeit zu treten: "In Deutschland ist Rassismus immer noch schambehaftet", betont sie. Daher sei es für viele Menschen sogenannter Minderheiten schwerer. Sich selbst und ihre Brüder betrachte die als Jesidin in Deutschland aufgewachsene Frau in dieser Minderheitenposition dennoch als privilegiert. Daher habe sie ihre Brüder dazu überredet, mit dem Fall an die Öffentlichkeit zu gehen. Stellvertretend für jene von Rassismus Betroffene, die nicht so viel Schutz erfahren.
Tamer Tekkal zeigt Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay die Scheibe, auf der die rassistischen Schmierereien standen. (Quelle: cch/t-online)
Tatsächlich steht die Familie Tekkal für gelungene Integration: "Mein Bruder Timur hat 20 Länderspiele für Deutschland absolviert, war zwei Jahre bei der Bundeswehr. Mehr Integration geht doch gar nicht." Düzen Tekkal selbst ist neben ihrem Beruf im Journalismus zudem Schriftstellerin, Filmemacherin und Kriegsberichterstatterin.
Als der IS im August 2014 im Nordirak mit der systematischen Vernichtung der Jesiden begann, reiste Tekkal als Kriegsberichterstatterin ins Krisengebiet, später berichtete sie von der Protestwelle im Iran. Sie ist Gründerin und Vorsitzende der humanitären Hilfsorganisation Hawar.help und der politischen Initiative GermanDream.
Unruhige Nacht nach rassistischen Schmierereien
Doch in der Nacht zu Donnerstag habe die ganze Familie unruhig geschlafen: "Man wusste nicht, ob nicht vielleicht noch mehr passiert", sagt Tekkal. Von den rassistischen Schmierereien an einer "dean&david"-Filiale in Hannover ist am Donnerstag nichts mehr zu sehen, sie wurden entfernt.
Dennoch haben sie etwas hinterlassen. "Diese Tat ist wirklich schlimm, denn sie macht auch etwas mit den Menschen", sagt Belit Onay, Oberbürgermeister von Hannover bei einem Ortsbesuch. Sie verändere etwas daran, wie sie zur Arbeit kommen, wie sie sich in der eigenen Heimatstadt bewegen.
https://www.t-online.de/
Wenn Weiße in Deutschland zu bestimmten Zeiten nicht ins Museum dürfen
Das Museum LWL Zeche Zollern in Dortmund lässt Samstag zu bestimmten Zeiten keine Weißen mehr in ihre Kolonialismus-Ausstellung. Finanziert wird der Rassismus vom weiße Steuerzahler selbst. Es ist genug mit diesem Wahnsinn.
Wer samstags das LWL-Museum Zeche Zollern in Dortmund ansteuert, um die aktuell laufende Ausstellungswerkstatt „Das ist kolonial“ zu besuchen und die falsche Hautfarbe besitzt, muss draußen bleiben. Die Ausstellung ist samstags von 10-14 Uhr nämlich nur für „Black, Indigenious and People of Color (BIPoc)“ reserviert. Weißen Menschen ist der Zutritt verwehrt.
In diesem „Safer Space“, heißt es auf der Webseite, könnten sich Menschen, „die von Rassismus betroffen sind, vor weiteren (auch unbewussten) Diskriminierungen schützen“.
31.08.2023 15:00 Von: Bettina Sauer
Die Museumsleitung scheint zum einen davon überzeugt zu sein, dass weiße Menschen „People of Color“ grundsätzlich im Alltag diskriminieren. Des Weiteren gehen die mit Steuergeld gefütterten Ausstellungsmacher davon aus, dass die sogenannte Kolonialgeschichte „bis heute in unserem Alltag präsent“ ist. Deshalb hat man die Ausstellung geschaffen, die nicht fertig ist, sondern „sich im Werden und Wandel“ befindet – das heißt: Besucher sollen die „Spuren und Folgen des Kolonialismus“ durch „künstlerische Aktionen, Workshops und interaktive Performances“ selbst entdecken und die Ausstellung bereichern.
Wolfgang Seitz, Vorsitzender der AfD-Fraktion im Regionalverband Ruhr, ist entsetzt:
„Die Verantwortlichen sind augenscheinlich Anhänger der Critical Race Theory, der zufolge Weiße gar nicht anders können, als Nicht-Weiße andauernd zu diskriminieren. Anscheinend denken sie, sie könnten die Schrecken der Kolonialzeit wiedergutmachen, indem sie jetzt Weiße am Einlass ungleich behandeln. Das ist völlig verrückt. Wenn überhaupt, sollte eine Kolonialismus-Ausstellung Weiße und Nicht-Weiße näher bringen! Da das Museum über die Route Industriekultur im Beritt des RVR liegt, werden wir der Verwaltung hierzu auf den Zahn fühlen. Wie soll so etwas mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz vereinbar sein? Für uns steht fest: Sonderregeln aufgrund von Hautfarbe oder Religion darf es bei uns nicht geben, egal aus welchem Grund.“
Ach ja: Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und existiert nur, weil dem Steuerzahler sein sauer verdientes Geld für solche Projekte abgepresst wird. Auch der verantwortliche Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, Dr. Georg Lunemann, wird von weißen Deutschen finanziert.
(SB)
https://journalistenwatch.com/
Forderung nach „Rassentrennung“
Rassistischer Aufkleber an Bundestagsbürotür eines AfD-Abgeordneten
Ein rassistischer Aufkleber klebte an der Bürotür des AfD-Abgeordneten Jan Wenzel Schmidt im Bundestag. Darauf ist zu lesen: „A separate place for every race“ (auf Deutsch: „Für jede Rasse einen eigenen Platz“).
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Ein rassistischer Aufkleber haftet über Tage an der Bürotür des AfD-Abgeordneten Jan Wenzel Schmidt im Deutschen Bundestag. Darauf wird „Rassentrennung“ befürwortet und die LGBTQIA+-Bewegung verächtlich gemacht. Der Abgeordnete bestreitet, mit dem Aufkleber etwas zu tun zu haben, und teilt mit, er stamme vermutlich von „AfD-Hassern“.
Felix Huesmann
14.07.2023, 18:07 Uhr
Berlin. „A separate place for every race“ – „Für jede Rasse einen eigenen Platz“. Dieser rassistische Spruch steht auf einem Aufkleber in Regenbogenfarben, der nach Informationen des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) in dieser Woche mehrere Tage lang an der Bürotür des AfD-Abgeordneten Jan Wenzel Schmidt in einem Gebäude des Deutschen Bundestags klebte.
Das Abgeordnetenbüro befindet sich im Otto-Wels-Haus des Bundestages an der Andresse Unter den Linden 50 in der Mitte eines Flures, auf dem nur Büros der AfD-Fraktion untergebracht sind. Auch die AfD-Abgeordneten Rainer Rothfuß, Martin Reichardt, Kay-Uwe Ziegler und Michael Kaufmann haben dort ihre Büros.
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AfD-Abgeordneter Schmidt teilt mit, der Aufkleber stamme nicht von ihm
Nach einer Anfrage des RND ließ Wenzel den Aufkleber nun entfernen, wie er mitteilte. Der Aufkleber sei „natürlich nicht“ von ihm oder einem seiner Mitarbeiter an seiner Bürotür angebracht worden. Er vermute, dass ein „AfD-Hasser“ für den Aufkleber verantwortlich sei. „Wenn Friedrich Merz uns unwidersprochen zum ‚Feind‘ erklären darf – und den Feind will man ja, anders als den Gegner, mit allen Mitteln vernichten –, darf man sich nicht wundern, wenn zu schmutzigen Methoden gegriffen wird“, erklärte der AfD-Politiker.
Für die Öffentlichkeit zugänglich ist das Otto-Wels-Haus nicht. Zutritt haben nur Inhaber eines Bundestags-Hausausweises – vor allem Abgeordnete, Mitarbeiter der Abgeordneten, Fraktionen und des Parlaments, Journalisten und angemeldete Gäste von Abgeordneten. Das Anbringen von Aufklebern an Bürotüren ist im Bundestag grundsätzlich verboten.
Der AfD-Politiker und Bundestagabgeordnete Jan Wenzel Schmidt.
Der AfD-Politiker und Bundestagabgeordnete Jan Wenzel Schmidt. Schmidt teilte dem RND mit, weder er noch einer seiner Mitarbeiter habe den Aufkleber an seiner Bürotür angebracht.
© Quelle: Jan Wenzel Schmidt
Das steckt hinter dem Aufkleber
Das Aufklebermotiv mit den Farben der Regenbogenfahne und dem rassistischen Slogan entstammt einer rechtsextremen Onlinesubkultur in Internetforen wie 4chan. Es wird dort genutzt, um gleichzeitig die rassistische Forderung einer „Rassentrennung“ zu verbreiten und die LGBTQ-Bewegung und -Bestrebungen für gesellschaftliche Diversität verächtlich zu machen. Die räumliche Trennung ethnischer Gruppen wird dabei als vermeintlicher Beitrag zu mehr „Diversität“ durch weniger Vermischung dargestellt. Zudem behaupten rechtsextreme Trolle anhand solcher Aufkleber, die Regenbogenfahne sei nun ein Symbol weißer Nationalisten – in der Hoffnung, die LGBTQ-Bewegung zu verunsichern. In den Foren, in denen solche Aufklebermotive verbreitet werden, wimmelt es von rassistischen, antisemitischen und den Nationalsozialismus glorifizierenden Aussagen.
Ist es richtig, ständig über die AfD zu sprechen?
Ein Landrat, der mit Bundespolitik erfolgreich Wahlkampf führt, obwohl er im Amt darauf keinen Einfluss hat, und ein Kleinstadt-Bürgermeister: Die Frage ist, ob die derzeitige Debatte über die Rechten übertrieben ist oder eben nicht.
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Rassistischer Aufkleber auch in AfD-Umfeld aufgetaucht
Doch genau das nun im Bundestag verklebte Aufklebermotiv ist im vergangenen Jahr auch schon im Umfeld der AfD aufgetaucht: Ein rechtsextremer Account aus dem politischen Umfeld der AfD im brandenburgischen Cottbus verbreitete im Juni 2022 auf Instagram ein Foto des Aufklebers zusammen mit dem Text „#Dekadenz hat keine Zukunft #NoPrideMonth“.
Jan Wenzel Schmidt teilte auf RND-Anfrage mit, er habe den Aufkleber nicht nur nicht an seine Bürotür geklebt, sondern unterstütze auch die darauf abgebildete Aussage nicht.
Die Vorstellung, dass sich unterschiedliche Ethnien und Kulturen nicht vermischen sollten, liegt auch dem Konzept des Ethnopluralismus zugrunde, das von rechtsextremen Organisationen wie der Identitären Bewegung und Teilen der AfD vertreten wird. Dieses völkisch-rassistische Gesellschaftsverständnis ist einer der Gründe für die Beobachtung der Partei und insbesondere ihrer Jugendorganisation durch den Verfassungsschutz.
Schmidt hat Verbindungen zur Identitären Bewegung
Vor seiner Wahl in den Bundestag war Jan Wenzel Schmidt ab 2016 Mitglied des Landtags von Sachsen-Anhalt. In dieser Zeit trat er auch bei der rechtsextremen Identitären Bewegung auf. Im Oktober 2022 berichtete die „Welt“, dass Schmidt einen mehrfach verurteilten Gewalttäter aus der Identitären Bewegung als wissenschaftlichen Mitarbeiter in seinem Bundestagsbüro angestellt hatte.
Auch gegen die LGBTQ-Bewegung positioniert sich die AfD immer wieder. Jan Wenzel Schmidt kommentierte erst in der vergangenen Woche auf Twitter eine Meldung der Polizei Sachsen über eine abgerissene und gestohlene Regenbogenfahne mit der Frage: „Ist das Kunst oder kann das weg?“
https://www.rnd.de/
Forschungskolloquium des Lehrstuhls für Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert mit Schwerpunkt im Nationalsozialismus
Forschungskolloquium „Nationalsozialismus und Rassismus“
Institut für Geschichtswissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin
Veranstaltet von: Franka Maubach (Professur „Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert mit Schwerpunkt im Nationalsozialismus“) und Axel Drecoll (Honorarprofessor am Institut für Geschichtswissenschaften an der Humboldt Universität zu Berlin), organisiert zusammen mit: Kolja
Buchmeier und Hannah Sprute (Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten)
Sommersemester 2023, donnerstags, 16.00 – 18.00 Uhr, FRS 191-193, Raum 4026
27.4.2023
Michael Wildt (Berlin)
Historiker streiten
Buchvorstellung und Gespräch
4.5.2023
Uffa Jensen (Berlin)
Ein antisemitischer Doppelmord. Die vergessene Geschichte des Rechtsterrorismus in der Bundesrepublik
Buchvorstellung und Gespräch
11.5.2023
Julia Gilfert (Tübingen)
Historische Orte, gegenwärtige Räume: Raum als Analysekategorie in der Erforschung recht(sextrem)er Einflussnahme auf NS-Gedenk- und Dokumentationsorte
25.5.2023
Ella Falldorf (Jena)
Bilder von Freunden – Bilder von Fremden: Gezeichnete Deutungen der Häftlingsgesellschaft des KZ Buchenwald
1.6.2023, 15-18 Uhr
Cornelia Vossen (Berlin)
Exilgeschichte in der Gesellschaft und im Museum
Besuch der Werkstatt Exilmuseum/Charlottenburg
8.6.2023
Juliane Brauer (Wuppertal)
Gespräch über Musik im Konzentrationslager und die Sound-Geschichte des Nationalsozialismus
(entfällt)
15.6.2023
Emilia Henkel (Jena), Patrice Poutrus (Berlin)
Gespräch über Potenziale einer Zeitgeschichte von Flucht und Asyl
22.6.2023
Daniel Schuch (Jena)
Transformationen der Zeugenschaft. Von David P. Boders frühen Audiointerviews zur Wiederbefragung als Holocaust Testimony
Buchvorstellung und Gespräch
29.6.2023
Valentine Devulder (Paris)
Schwangerschaft im Alltag des Konzentrationslager-Systems
6.7.2023
Johanna Langenbrinck (Berlin)
Antijüdische Gewalt im Stadtraum. Berlin 1918-1933
13.7.2023
Johann Henningsen, Paul Räuber (Rostock)
Wo Lichtenhagen liegt. Neue Forschungen und gesellschaftliche Debatten zum Pogrom ‘92
https://www.geschichte.hu-berlin.de/
Rassismus in Dresden: "Wir hören wöchentlich von verbalen oder physischen Übergriffen"
Immer wieder kommt es in der Stadt zu rassistischen Angriffen und Beleidigungen. Was bedeutet das für die Menschen und auch für das Image von Dresden?
Von Julia Vollmer
03.07.2023, 06:43
Kundgebung gegen Rassismus am Marwa El-Sherbini-Park .
© Christian Juppe
Dresden. Es geschah erst vergangene Woche, am 20. Juni - einem Frühsommertag, vormittags in der Straßenbahn. Mitten in Dresden, in der Friedrichstadt. Ein Unbekannter hat in der Straßenbahn der Linie 1 eine Frau rassistisch beleidigt, so die Polizei. Weil sie ein Kopftuch trug. Der Staatsschutz hat die Ermittlungen übernommen und sucht Zeugen.
Zwischen den Haltestellen „Bahnhof Mitte“ und „Schweriner Straße“ hatte der Täter die unbekannte Geschädigte mehrfach beleidigt. Eine Zeugin rief die Polizei. Der Unbekannte verließ an der Haltestelle Schweriner Straße, die Geschädigte am Postplatz, die Straßenbahn. Die Beamten suchen nun Zeugen. Der Täter war zwischen 1,70 und 1,80 Meter groß, trug ein rotes Oberteil und eine helle kurze Hose. Er hatte zwei Gehhilfen dabei.
Eine Woche vorher, am 11. und 13. Juni, wieder ähnliche rassistische Übergriffe. Zwei ägyptische Staatsbürgerinnen, 16 und 22 Jahre alt, sind von einer unbekannten Frau zweimal bedroht und beleidigt worden. Wieder in einer Straßenbahn. Die beiden Frauen fuhren in einer Straßenbahn der Linie 6 aus der Neustadt in Richtung Gorbitz. Die Unbekannte bedrohte die beiden in der Bahn und verfolgte sie bis zur ihrer Wohnanschrift, teilte die Polizei mit. Die Frauen konnten in das Wohnhaus fliehen.
Am 13. Juni trafen die Opfer in einer Straßenbahn der Linie 7 erneut auf die Täterin. Die Unbekannte erkannte die beiden Frauen wieder und beleidigte sie rassistisch. Die Ägypterinnen erstatteten daraufhin Anzeige auf einem Polizeirevier. Die Dresdner Polizei ermittelt unter anderem wegen Volksverhetzung.
Immer wieder kommt es in Dresden zu rassistischen Übergriffen und Beleidigungen. In erster Linie leiden die Betroffenen, Menschen mit Migrationshintergrund fühlen sich unwohl und unsicher. Aber auch das Image der Stadt leidet, Fachkräfte trauen sich nicht in Dresden zu leben und zu arbeiten.
Wie viele Übergriffe gab es?
Das Landeskriminalamt (LKA) zählt sieben Fälle bisher in diesem Jahr, so Sprecher Tom Bernhardt auf Anfrage. Er kann keine Konzentration auf einen Stadtteil festmachen, dabei waren unter anderem neben der Friedrichstadt auch Cotta , Pieschen und Gorbitz. Vier der sieben Fälle fanden nach 18 Uhr statt. "Somit ist bislang festzustellen, dass politisch motivierte Straftaten vermehrt um die Abendstunden stattgefunden haben. Dies ist anhand der kriminalistischen Erfahrungen und Erkenntnisse auch nachvollziehbar, da in der Dunkelheit das Entdeckungsrisiko geringer ist", sagt der Sprecher.
Im Jahr 2022 wurden in Dresden 26 Fälle zum Unterthemenfeld Rassismus erfasst, so das LKA. Auch hier gab es keine Konzentrationen auf bestimmte Stadtteile, sowohl der Weiße Hirsch war dabei als auch Alt-und Neustadt , Reick und die Friedrichstadt.
Der RAA Sachsen (Regionale Arbeitsstelle für Bildung, Integration und Demokratie e. V.) zählt für Dresden 2023 bisher 42 rechtsmotivierte und rassistische Vorfälle. Für 2022 genau 167. Genannt werden nicht nur Angriffe, sondern auch Vorfälle wie Sachbeschädigungen, Schmierereien oder rechte Propaganda-Aktionen.
Die Fachberatungsstelle Support für Betroffene rechter Gewalt des RAA Sachsen unterstützt in Sachsen seit 2005 Opfer rechtsmotivierter, rassistischer und antisemitischer Gewalt bei der Bewältigung der Tatfolgen und dokumentiert diese Angriffe. Auf die Frage, warum die Zahlen des LKA und des RAA so weit auseinander liegen, sagt Bernhardt: "Wir orientieren uns an vorliegenden, strafrechtlich relevanten Sachverhalten, welche auch angezeigt sind."
Wie geht es den Menschen damit?
"In unserer Beratung erfahren wir wöchentlich von verbalen oder physischen Übergriffen auf Schutzsuchende", sagt Dave Schmidtke vom Flüchtlingsrat. Einige der Betroffenen trauen sich aber nicht diese Vorfälle anzuzeigen. "Ursachen sind hierbei häufig sprachliche Hürden oder schlechte Erfahrungen mit der Polizei", sagt er. Er verweise an die Opferberatungsstellen wie RAA.
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„Die Dunkelziffer der Angriffe ist viel höher. Unserer Erfahrung nach suchen Opfer von Rassismus bei verbalen oder körperlichen Angriffen den Fehler oftmals bei sich und meiden immer mehr den öffentlichen Raum", Douha Al Fayyad vom Ausländerrat. "Sie zeigen Übergriffe aus Scham oder Angst vor möglichen negativen Konsequenzen deshalb nur sehr selten an."
Der Flüchtlingsrat wendet sich mit einem klaren Appell an die Dresdner Verwaltung und den Stadtrat: "Politisch Verantwortliche müssen begreifen, dass eine Diskursverschiebung nach rechts immer fatale Konsequenzen nach sich zieht", so Schmidtke. Es folgen direkte Aggressionen gegenüber Menschen mit Fluchtgeschichte im Alltag und migrationsfeindliche Parteien oder Strömungen erhalten Zulauf, sagt er.
Was bedeutet das für Dresden?
Die syrische Schriftstellerin Douha Al Fayyad ist Doktorandin am Institut für Verfahrens- und Umwelttechnik in Hydrosystemen der TU Dresden und mit im Vorstand des Ausländerrates Dresden. "Wenn ich mit Kopftuch in Dresden unterwegs bin, habe ich schon rassistische Sprüche hören müssen. Bei meiner Arbeit an der Uni bemerke ich auch, dass viele Wissenschaftler Angst haben, sich in Dresden zu bewerben aus Angst vor Anfeindungen", erzählte sie im Interview mit Saechsische.de.
Dresden sei mittlerweile im Ausland bekannt dafür, dass bei rechten Demos nach wie vor jeden Montag rassistische Ideologien verbreitet werden, während nicht-weiße und muslimisch-gelesene Menschen Angst um sich und ihre Familien haben müssen. "Will man Fachkräfte gewinnen und halten, muss man den alltäglichen und strukturellen Rassismus klar benennen", sagt sie.
https://www.saechsische.de/
"Rekordmigration" und "Flüchtlingsströme": Wie Sprache die Gesellschaft beeinflusst
02.07.2023, 15:18
Rebecca Sawicki
Die Stimmung in Deutschland gegenüber Geflüchteten kippt. So zumindest macht es den Anschein: Im Jahr 2022 gab es laut dem Innenministerium deutschlandweit 121 Überfälle oder Angriffe auf Einrichtungen und ihre Bewohner:innen. 2021 waren es 70. Hinzu kommen 1248 Angriffe auf Geflüchtete außerhalb der Einrichtungen. Im ersten Quartal 2023 lag die Zahl der Angriffe höher als in den Vorjahresmonaten.
Immer wieder gibt es Demonstrationen gegen die Aufnahme von Asylbewerber:innen. In Greifswald wurde dem Landkreis per Bürgerentscheid verboten, Flächen für Geflüchtetenunterkünfte zu schaffen. Landkreise und Teile der Bevölkerung warnen vor einem zweiten 2015.
DEUTSCHLAND: Mehr Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte: Wie die Einrichtungen geschützt werden >>>
Angsterzählungen vor Zuständen wie 2015
Damals brannte laut der Amadeo-Antonio-Stiftung und ProAsyl jeden dritten Tag eine Geflüchtetenunterkunft. Doch die Gewalt gegen die Schutzsuchenden ist es nicht, vor der Bürger:innen und Kommunen warnen. Stattdessen geht es um die Menge derer, die kommen. Ein Blick auf die Zahlen zeigt jedoch: Die aktuelle Anzahl derer, die einen Asylantrag stellen ist nicht einmal halb so hoch, wie 2015/2016.
2015 wurde der Hass, der Geflüchteten entgegenschlug, mit den frühen 90er Jahren verglichen. Auch damals brannten Geflüchtetenunterkünfte. Auch damals wurden Asylbewerber:innen angegriffen.
Die 90er, 2015/2016, 2022/2023 – die ausufernde Gewalt gegenüber Schutzsuchender wiederholt sich immer wieder.
Was sich ebenfalls wiederholt: Die Rhetorik, die im Zusammenhang mit Geflüchteten angewandt wird. 1992 bezeichnete der damalige CDU-Generalsekretär Volker Rühe die SPD als "Asylantenpartei". Hintergrund: Die Sozialdemokrat:innen wollten beim damaligen Asylkompromiss der Union nicht direkt mitziehen.
Der damalige CSU-Innenminister Hans-Peter Friedrich warnte vor "Asylmissbrauch". Eine Aussage, die auch an Friedrich Merz erinnert, der im vergangenen Jahr von "Sozialtouristen" gesprochen hatte. Und Merz ist damit nicht allein.
Debatte um Migration wird hitziger
Mal ganz abgesehen von populistischen Aussagen der AfD zum Thema Migration und Geflüchtete, verschärft sich auch bei Politiker:innen anderer Parteien der Ton. CDU-Politiker Jens Spahn spricht zum Beispiel im Interview mit der "Welt" von Zeiten der "Rekordmigration". CDU-Fraktionsvize Andrea Lindholz im Bundestag von einer "Migrationskrise". Unvergessen auch die "Vornamen-Debatte" nach den Ausschreitungen in der Silvesternacht in Berlin.
Die wertkonservative Gruppe Vert-Realos innerhalb der Grünen hatte bereits im Februar mit einem Positionspapier zur Migrationspolitik mehr konsequente Abschiebungen gefordert. Andernfalls würde Kriminalität gefördert. Und auch Verbrechen gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen "nehmen in bestimmten Tätergruppen aus der Zuwanderergemeinschaft zu", zitiert "Focus.de" aus dem Papier. Innerhalb der Grünen kam dieses Memorandum nicht gut an.
SPD-Politiker Sebastian Fiedler wiederum erklärte im Frühjahr 2022, dass er nicht davon überrascht wäre, wenn sich unter die "Flüchtlingsströme" auch "Terroristen" mischen würden. Auf Geheiß des russischen Präsidenten Wladimir Putin oder dem syrischen Machthaber Baschar al-Assad. FDP-Politiker Wolfgang Kubicki warnte im Gespräch mit dem "Spiegel" unterdessen davor, dass deutlich über die Aufnahme von Geflüchteten gesprochen werden müsse, denn "irgendwann explodiert der Laden".
Der Flüchtlingsrat prangert diese "Das-Boot-ist-voll"-Erzählung von allen Seiten hart an. Das sei gefährlich und lenke von den eigentlichen Problemen ab.
Wie Sprache Realitäten schafft
"Argumente, Aussagen, Kritik, Gegenkritik – das, was wir Diskurse nennen, bestimmt selbstverständlich unsere kulturelle und soziale Realität", stellt Jobst Paul gegenüber watson klar. Er ist Sprach- und Kulturwissenschaftler und arbeitet am Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung. Im Idealfall, meint er, würde es innerhalb dieser Diskurse fair und konstruktiv vorgehen – die Menschen gemeinsam ein Problem angehen und lösen.
"Ich denke, das war die Vorstellung hinter Merkels Motto 'Wir schaffen das!'", sagt Paul. Bis zu einem gewissen Punkt habe das auch geklappt: "Unzählige Menschen krempelten sich 2015 die Ärmel hoch und packten an." Aber, räumt der Wissenschaftler ein, nicht alle Akteur:innen wollen bei diesem Lösungsprozess mitmachen.
So sei diese Form der Politik "nicht nach dem Geschmack von jenen, die soziale, ökonomische oder Umwelt-Krisen nicht so sehr als zu lösende Probleme sehen, sondern eher als Chance, Macht über andere zu gewinnen, indem sie 'Schuldige' aufbauen und eine gesellschaftliche Polarisierung herbeiführen."
Und wie Merkels Satz "Wir schaffen das" beeinflussen auch diese Gegenakteur:innen die Realität der Gesellschaft maßgeblich. Auch wenn die tatsächlichen Probleme liegenblieben, meint Paul, genössen die Strippenzieher:innen so eine gewisse Zeit lang Macht.
FILE - Iraqi protesters take a selfie with a poster of German Chancellor Angela Merkel and a German flag, during demonstrations against corruption in Tahrir Square in Baghdad, Iraq, Friday, Sept. 4, 2 ...
2015 prägte Altkanzlerin Angela Merkel ihren wohl berühmtesten Satz: "Wir schaffen das".bild: ap / hadi mizban
Als rhetorisches Mittel würde in diesen Fällen ein "Wir" gegen "Die" eröffnet. Und so ein Bild gezeichnet von Menschen, die von außen eindringen und es auf "die Güter des 'Wir' abgesehen" haben – das wird etwa bei Begrifflichkeiten wie dem "Sozialtourismus" impliziert. Gegebenenfalls kommen diese vermeintlichen Feinde dann auch noch in Massen – die "Rekordmigration".
Paul sagt:
"Das 'Wir' soll gegen den Feind vorgehen, während die politischen Sprecher als Schreibtisch-Täter in ihrer Macht-Position das Wir 'anfeuern', ansonsten aber eigentlich nicht viel mehr tun."
Während Politiker:innen also in ihren Büros sitzen oder auf Bühnen stehen und eine scharfe Rhetorik verwenden, kann sich diese innerhalb der Gesellschaft verselbstständigen und im schlimmsten Fall in tätlichen Angriffen enden.
In den vergangenen Monaten habe die CDU zweifellos versucht, mithilfe einer solchen Rhetorik mit der AfD zu konkurrieren, meint der Experte. "Dieser Versuch erinnert an viele ähnliche Rechtsrucke der CDU und der CSU in den vergangenen Jahrzehnten, die meist zur Stärkung von Rechtsaußen, aber selten zum Machtgewinn von CDU/CSU geführt haben."
Und auch mit der aktuellen Verschärfung der politischen Kommunikation profitiert vor allem eine Partei: die AfD. Aktuell befinden sich die Rechtspopulist:innen in einem Umfragehoch zwischen 18 und 20 Prozent. Gerade haben sie außerdem ihr erstes Landratsmandat gewonnen. Es läuft also.
Dass die AfD ein Hoch hat, sei nicht erstaunlich, meint Paul. Denn die verwendete Rhetorik, auch von demokratischen Politiker:innen signalisiere den Menschen, "dass Rechtsaußen Recht hat und unterstützt werden soll – da wählt man das Original." Erstaunlich sei allerdings, dass die Union diese Folge bisher wohl noch immer nicht verstanden hat – "oder zugunsten kurzfristigen Machtgewinne verdrängt wird."
Wie der Rhetorik begegnet werden müsste
Gleichermaßen erstaunt den Experten, dass diese "leere" Rhetorik auch bei einem Teil der Bevölkerung immer wieder verfängt. "Vermutlich schlägt sich hier das seit langem zu beobachtende Zurückfahren der Bildungssysteme nieder", schätzt Paul die Lage ein.
Die Widerstände gegen bessere Bildung seien Ausdruck einer politischen Haltung: Das Interesse liege womöglich eher am Gebrauch der Rhetorik, als an der Ausbildung ihrer Kritiker:innen.
Gibt es ein Mittel, um den Kreislauf zu brechen? Aus Sicht von Paul ist die Sache klar:
"Die detaillierte sprachkritische, kognitive Aufklärung über die Funktionsweise der Rhetorik der Herabsetzung in den Lehrplänen der Sekundarstufen verankern, aber auch eine entsprechende Erwachsenenbildung einrichten."
Die demokratischen Parteien täten demnach gut daran, die scharfe Rhetorik gegenüber Geflüchteten den Populist:innen zu überlassen. Nur so dürfte es gelingen, den harten Umgangston nicht zu normalisieren.
https://politik.watson.de/
Erstmalig Daten zu antimuslimischem Rassismus erhoben
Sendung: NDR Info | 26.06.2023 | 16:00 Uhr
2 Min | Verfügbar bis 26.06.2025
Im Jahr 2022 wurden in Deutschland 898 Fälle gemeldet - die Dunkelziffer dürfte deutlich höher sein. In Hamburg setzt man auf Verständigung.
https://www.ndr.de/
Rassismus
Lagebild: Fast 900 antimuslimische Vorfälle erfasst
dpa 26.06.2023 - 21:43 Uhr
Immer wieder kommt es zu antimuslimischen Vorfällen - besonders gegenüber Frauen. Foto: picture alliance / dpa
In Deutschland ist Islam- und Muslimfeindlichkeit keine Seltenheit. Die offiziellen Zahlen sind bereits hoch, dazu kommt eine hohe Dunkelziffer.
Berlin - Pöbeleien, Drohungen, Angriffe: 898 antimuslimische Vorfälle hat die Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit im vergangenen Jahr erfasst.
Zu vermuten sei aber eine hohe Dunkelziffer, hieß es im erstmals erstellten Lagebild der Allianz Claim, die vom Bundesfamilienministerium gefördert wird. Rassismus ist laut dem vorgestellten Papier für die Betroffenen alltagsprägend. Viele erfasste Fälle beträfen Frauen.
Schwierige Erfassung
Unter den dokumentierten Fällen waren 500 verbale Attacken - etwa volksverhetzende Äußerungen, Beleidigungen, Bedrohungen und Nötigungen. Bekannt wurden elf Drohbriefe an Moscheen mit "oft exzessiven Gewalt- und Morddrohungen", wie es weiter hieß. Dabei seien Verschränkungen mit dem Antisemitismus erkennbar. Briefe hätten Nazi-Symbole oder Verweise auf die NS-Zeit enthalten.
Daneben nennt das Lagebild 190 Fälle von Diskriminierung und 167 Fälle von "verletzendem Verhalten". In letztere Kategorie fallen 71 Körperverletzungen, 44 Sachbeschädigungen, drei Brandstiftungen und 49 weitere Gewalttaten. Rassistisch motivierte Angriffe auf Jugendliche und Kinder nähmen zu. Es gebe Fälle, in denen Frauen in Gegenwart ihrer Kinder attackiert worden seien. Schwangere Frauen seien in den Bauch getreten oder geschlagen worden.
Von einer hohen Dunkelziffer gehen die Autoren aus, weil eine breite Erfassung fehle. In das erste Lagebild flossen demnach Daten von zehn Beratungsstellen in fünf Bundesländern ein sowie Meldungen über das Portal "I-Report", die Statistik für politisch motivierte Gewalt und Polizei- und Pressemeldungen.
Antimuslimische Straftaten würden oft nicht als solche erkannt, hieß es weiter. Oder Betroffene zeigten sie mangels Vertrauens in die Behörden nicht an. Deshalb fordert Claim unter anderem den Ausbau der Meldestrukturen und Sensibilisierung für das Thema in Behörden, Schulen und Gesundheitswesen.
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DEUTSCHLAND
PECHSTEIN-REDE BEI DER CDU
„... darum ist es umso unglücklicher, das in Uniform getan zu haben“
Stand: 19.06.2023 | Lesedauer: 3 Minuten
Die Bundespolizei-Beamtin und Olympionikin Claudia Pechstein sorgt mit einem Auftritt bei einer CDU-Veranstaltung in Uniform für Entrüstung. Kritiker verweisen auf die Neutralitätspflicht. Die Wintersportlerin selbst sieht keine Verfehlung.
Quelle: WELT
Die Gewerkschaft der Polizei kritisiert den Uniform-Auftritt von Claudia Pechstein beim CDU-Konvent: Ihre Aussagen könnten als die der gesamten Bundespolizei verstanden werden. „Das ist ein Problem.“ Zumal sie sich zu Sachverhalten geäußert habe, „die sehr sensibel sind“.
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Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) mit Zuständigkeit für die Bundespolizei, Andreas Roßkopf, hat den Auftritt von Bundespolizistin und Eisschnelläuferin Claudia Pechstein beim CDU-Grundsatzkonvent scharf kritisiert.
„Es ist grundsätzlich untersagt, an politischen Veranstaltungen in Polizeiuniform teilzunehmen – es sei denn, das wurde im Vorfeld genehmigt und explizit freigegeben. Frau Pechstein gibt dies an – ob es so ist, werden interne Ermittlungen zeigen“, sagte Roßkopf WELT. „Aber: Wir als Polizeibeamte unterliegen der Neutralitätspflicht, die von Frau Pechstein beim Grundsatzkonvent der CDU gemachten Aussagen könnten als die der Bundespolizei verstanden werden. Das ist ein Problem.“
Weiter kritisierte Roßkopf: „Da sie sich außerdem zu Sachverhalten geäußert hat, die sehr sensibel sind und in unserer Gesellschaft äußerst kontrovers diskutiert werden, ist es umso unglücklicher, das in Uniform getan zu haben.“
Pechstein selbst verteidigte ihren Auftritt in Uniform. „Ein ausdrückliches Verbot des Uniformtragens auf Parteiveranstaltungen besteht nicht“, sagte sie der „Bild“-Zeitung.
Innenministerium rechnet mit schneller Klärung
Das Bundesinnenministerium von Nancy Faeser (SPD) rechnet nach der Pechstein-Rede mit einer baldigen dienstrechtlichen Klärung. Die Bundespolizei habe unverzüglich eine Prüfung dazu eingeleitet, sagte eine Ministeriumssprecherin. Grundsätzlich gebe es nach dem Beamtenrecht eine Pflicht zur Neutralität und zur Mäßigung, wenn man sich in der Funktion als Beamter oder Beamtin politisch äußere oder betätige. Als Bürger oder Bürgerin könnten es Beamte aber tun. Es komme auf den Einzelfall an, wie es konkret zu bewerten sei. Dies werde von der Bundespolizei dienstrechtlich geprüft, erläuterte die Sprecherin.
Pechstein warb bei ihrem Auftritt am Samstag für eine Stärkung des Vereins- und Schulsports. Daneben mahnte sie auch Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber an. Das sorge für mehr Sicherheit im Alltag. Öffentliche Verkehrsmittel „ohne ängstliche Blicke“ nutzen zu können, gehöre zu Problemen, die besonders Ältere und Frauen belasteten. Verbesserungen dort sollten wichtiger sein, „als darüber nachzudenken, ob wir ein Gendersternchen setzen oder ob ein Konzert noch deutscher Liederabend heißen darf oder ob es noch erlaubt ist, ein Zigeunerschnitzel zu bestellen.“
„Auch eine Polizistin in Uniform wird das sagen dürfen, was geltendem Recht entspricht“
Die Kritik an Claudia Pechsteins Uniform-Auftritt beim kleinen Parteitag der CDU weist ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Thorsten Frei zurück. Die Aussagen der Eisschnellläuferin und Bundespolizistin zu Migration und Abschiebung seien eine „rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit“.
In der CDU löste der Auftritt Pechsteins gemischte Reaktionen aus. Parteichef Friedrich Merz hatte die Rede als „brillant“ bezeichnet. Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas kritisierte Pechstein dagegen scharf. „In der Schule hätte die Lehrerin ‚Thema verfehlt‘ gesagt bei der Benotung“, sagte sie dem „Spiegel“ am Montag. „Zu den wichtigen Themen Sport und Ehrenamt habe ich leider zu wenig von Frau Pechstein gehört“, sagte Magwas. Pechsteins Rede sei „viel zu pauschal und populistisch“ gewesen, kritisierte die sächsische CDU-Abgeordnete: „Kein guter Auftritt.“
Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Karin Prien zeigte sich enttäuscht darüber, dass Pechsteins Auftritt die Debatte über die Veranstaltung zur künftigen programmatischen Aufstellung der CDU beherrscht. „Allein die Fokussierung auf dieses eine umstrittene Statement zeigt das Problem: Wir reden zu wenig über die wichtigen und substantiellen Impulse etwa von Eva-Maria Welskop-Deffa, Michael Vassiliadis, Tanja Gönner, Ralf Fücks und vielen weiteren Vertretern der Zivilgesellschaft in den zehn Foren“, sagte Prien dem „Spiegel“.
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Olaf Scholz nach Witz über Migration in der Kritik
DEUTSCHLAND
AUF KIRCHENTAG
Veröffentlicht am 12.06.2023
Stand: 16:43 Uhr | Lesedauer: 2 Minuten
38. Deutscher Evangelischer Kirchentag
Olaf Scholz, Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, beim Evangelischen Kirchentag
Quelle: dpa/Daniel Karmann
Bundeskanzler Olaf Scholz hat auf dem Kirchentag einen Witz über Deutschland und Migranten gemacht und dafür heftige Kritik geerntet. Die Organisation Sea-Watch schimpfte: „Wer darüber lachen kann, sollte keinen Staat regieren.“
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist mit einer Äußerung zum Thema Asyl in die Kritik geraten, die er selbst als Witz klassifiziert hat und worüber sich andere wiederum empören. Auf dem Evangelischen Kirchentag in Nürnberg hatte er zunächst erklärt, dass Deutschland zwar ein Land ohne EU-Außengrenze sei, trotzdem aber die meisten Asylantragsteller habe.
Der größte Teil davon sei zuvor nicht in anderen EU-Ländern registriert worden. Dann sagte Scholz am Samstag: „Ich habe schon den Witz gemacht beim Europäischen Rat: Deutschland muss einen großen Strand am Mittelmeer haben. Denn tatsächlich kommen mehr Flüchtlinge, die über das Mittelmeer nach Europa kommen, in Deutschland an als in den Mittelmeer-Anrainer-Ländern im Einzelnen.“
Das Einzige, was dem Kanzler einfalle, sei ein „schlechter Witz“
Die Seenotrettungs-Organisation Sea-Watch kritisierte das: Mehr als 1150 Tote habe es allein 2023 bislang gegeben – und das Einzige, was dem Kanzler einfalle, sei ein „schlechter Witz“, hieß es auf Twitter. „Wer darüber lachen kann, sollte keinen Staat regieren.“
Kritik kam auch vom stellvertretenden Linken-Chef Lorenz Gösta Beutin. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Matthias Hauer schrieb: „Über das Leid von Menschen sollte sich erst recht ein Bundeskanzler nicht lustig machen.“ Die SPD-Influencerin Lilly Blaudszun, Mitglied des Kirchentags-Präsidiums, twitterte: „So sollte ein sozialdemokratischer Bundeskanzler niemals über Menschen sprechen.“
Nach heftiger Kritik bei den Grünen verteidigte Scholz auf dem Kirchentag währenddessen die geplante Reform der europäischen Asylregeln. Es müsse aufhören, dass Länder mit dem Finger auf andere zeigten und sich nicht zuständig fühlten. „Deshalb ist die Verabredung, dass wir einen Solidaritätsmechanismus etablieren“, sagte er. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) rechnet nach der Reform mit sinkenden Flüchtlingszahlen in Deutschland. Die EU-Innenminister hatten am Donnerstag mehrheitlich für eine umfassende Reform gestimmt. So sollen zum Beispiel ankommende Menschen aus als sicher geltenden Ländern nach dem Grenzübertritt in haftähnlich kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen kommen. Dort soll innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden, ob ein Antragsteller Chancen auf Asyl hat. Wenn nicht, soll er umgehend zurückgeschickt werden.
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Nordrhein-Westfalen
Studie zu Polizeigewalt: Opfer haben in Strafverfahren kaum eine Chance
Stand: 16.05.2023 14:44 Uhr
Fälle von Polizeigewalt werden in Deutschland nur selten wirklich untersucht. Betroffene trauen sich kaum Anzeige zu erstatten und Staatsanwälte bringen Polizisten selten vor Gericht. Das zeigt eine unabhängige Studie der Universität Frankfurt.
Von Christina Zühlke
Auch Sven Wille hat an der Studie zu Polizeigewalt teilgenommen. An einem Kreisverkehr in der Nähe des Kölner Doms wurde er von Polizisten zu Boden geworfen, geschlagen und getreten. Dabei wollte er eigentlich beim Christopher Street Day 2016 für Freiheit und Gleichberechtigung demonstrieren. "Die Gewalt hinterlässt auf jeden Fall tiefe Spuren", sagt Wille. Er habe kein Vertrauen mehr in die Polizei, auch nicht in den Rechtsstaat.
Sven Wille mit Blutergüssen im Gesicht Player: video Unabhängige Studie zum Thema Polizeigewalt
Polizisten der Bundespolizei nehmen während einer Übung einen Fußballfan fest | Philipp Schulze/dpa16 Min Unabhängige Studie zum Thema Polizeigewalt >>>
Was Sven Wille erlebte, nennt Studienleiter Tobias Singelnstein einen "typischen Fall". Nicht die Polizisten, die Wille verprügelten, landeten vor Gericht, sondern er. Wegen angeblichen Widerstands gegen die Staatsgewalt. Vier Jahre und vier Verfahren dauerte es, bis vor Gericht geklärt war, dass Sven Wille Unrecht geschehen war. Für ihn eine qualvolle Zeit.Über 3.300 Betroffene befragtTobias Singelnstein hat für die Polizeistudie der Universität Frankfurt - gemeinsam mit drei Kolleginnen - fünf Jahre lang geforscht. Über 3.300 Betroffene von mutmaßlicher Polizeigewalt wurden befragt, ebenso wie Mitarbeitende aus Polizei und Justiz. Eines der Ergebnisse der Studie: Betroffene von Polizeigewalt haben kaum eine Chance im deutschen Justizsystem. "Und für die Betroffenen", ergänzt Singelnstein im WDR-Interview, "stellt sich das häufig sogar als eine Art zweiter Opferwerdung dar, wenn sie feststellen müssen, dass ihnen überall mit Misstrauen begegnet wird und nicht anerkannt wird, was ihnen widerfahren ist".
Kriminologe zu Polizeigewalt: "Kein Problembewusstsein bei den Beamten"
Kriminologe: "Wenig Problembewusstsein"Gleichzeitig, so Kriminologe Singelnstein, sei er überrascht, wie wenig Problembewusstsein Polizei und Justiz hätten. Beispielsweise dafür, dass wer in Deutschland Polizeigewalt anzeigen wolle, nur zur Polizei gehen könne. Im Kapitel "Ausblicke" der fast 500 Seiten langen Studie steht deshalb die Forderung nach einer unabhängigen Kontroll- und Beschwerdestelle für die Polizei. Auch für Personen, die wegen ihres Aussehens immer wieder von der Polizei kontrolliert werden. Polizeikontrollen als "demütigende Erfahrung"Diese Menschen, "die als fremd gelesen werden", sagt Tobias Singelnstein, erlebten Polizeikontrollen "als sehr demütigende Erfahrung, weil sie eben in der Öffentlichkeit etikettiert werden, als die, die gefährlich sind". Das erzeuge ein starkes Gefühl des Ausgeschlossen-Werdens. Christina Sebastian Fiedler, der selbst Polizist ist und für die SPD im Bundestag sitzt kritisierte die Studie dem WDR gegenüber als nicht repräsentativ. Viele der Kritikpunkte, wie etwa Quittungen nach Polizeikontrollen, würden teilweise schon umgesetzt. Alexander Poitz von der Gewerkschaft der Polizei sagte dem WDR, die Polizei könnte Probleme selbst aufklären, es brauche keine unabhängige Stelle dafür: "Wenn ein Bürger Bauchschmerzen mit einem Sachverhalt hat, dann möge er die Struktur nutzen, die vorhanden sind.“ Die Polizei-Gewerkschaften und auch die Personalräte könnten Sachverhalte aufklären und stünden als Ansprechpartner zur Verfügung. Betroffene ernst nehmen und auffangen
Sven Wille
Vier Jahre dauerte der Prozess von Sven Wille.
Sven Wille hätte sich damals nicht der Polizei anvertrauen wollen. Er, der als queerer Teilnehmer der Christopher-Street-Day-Demo von Polizisten geschlagen wurde, bekam nach den für ihn schwierigen Erfahrungen vor Gericht 15.000 Euro Schmerzensgeld vom Land Nordrhein-Westfalen. Trotzdem sagt er, leide er bis heute unter den Folgen. Eine unabhängige Polizeibeschwerdestelle hätte ihm damals geholfen, glaubt er. Über dieses Thema berichten wir am 16.5.23 auch im WDR Hörfunk und Fernsehen.
Westdeutscher Rundfunk
Quelle: WDR
https://www.tagesschau.de/
Rassismus bei der Polizei
"Es braucht noch viel mehr Forschung"
Stand: 04.04.2023 17:41 Uhr
Bei der Polizei gibt es schwierige Arbeitsbedingungen und zum Teil problematische Einstellungen, zeigt eine Studie. Beides gehört aber nicht unbedingt zusammen, sagt der Kriminologe Singelnstein im Interview mit tagesschau.de.tagesschau.de: Die unter dem früheren Innenminister Horst Seehofer in Auftrag gegebene Polizeistudie wurde im Vorlauf stark kritisiert, weil sie neben den politischen Einstellungen auch Stressfaktoren und Arbeitsbedingungen betrachtet, mit denen Polizistinnen und Polizisten im Dienst konfrontiert sind.
Wie sehen Sie das, nachdem nun erste Ergebnisse präsentiert wurden?Tobias Singelnstein: Man merkt dem Konzept an, dass es vorher einen politischen Prozess gab. Da wurden Dinge in einen Topf geworfen, die wenig miteinander zu tun haben. Dass Belastung und Einstellungen zusammen untersucht wurden, erweckt von vornherein den Eindruck, dass beides zusammengehört. Es ist großartig, dass es überhaupt so eine groß angelegte Studie gibt, die fast alle Bundesländer einbezieht und auch viele wichtige Fragen stellt. Aber es ist nicht die Rassismus-Studie, die gefordert wurde. Deshalb kann die Studie nur ein kleiner Beitrag sein, wenn wir uns mit dem Rassismus in der Polizei beschäftigen wollen.
Tobias Singelnstein ist Professor für Strafrecht und Kriminologie am Fachbereich Rechtswissenschaft der Goethe-Universität. Zuvor war er von 2017 bis 2022 Inhaber des Lehrstuhls für Kriminologie an der Ruhr-Universität Bochum. Er gehört zum wissenschaftlichen Beirat des MEGAVO-Studienprojekts, das die Motivation, Einstellung und Gewalt im Alltag von Polizeivollzugsbeamten untersucht.
tagesschau.de: Sowohl im Vorfeld als auch während der Studie gab es immer wieder Bedenken, Polizistinnen und Polizisten würden unter "Generalverdacht" gestellt. Warum ist das so ein großes Thema? Singelnstein: Niemand hat große Lust, sich im beruflichen Kontext kontrollieren zu lassen. Das gilt für die Polizei in besonderer Weise, denn viele Polizisten fühlen sich ohnehin schon kontrolliert. In der Polizei müsste noch viel stärker das Selbstverständnis verankert werden, dass es bei einer Organisation, die über so große exekutive Befugnisse verfügt, auch entsprechende gesellschaftliche Kontrolle braucht." Arbeitsbedingungen verbesserungswürdig"tagesschau.de: Als Stressfaktoren werden im Zwischenbericht zum Beispiel fehlende Entscheidungsspielräume bei der Bereitschaftspolizei und Personalmangel in allen Bereichen benannt. Welchen Einfluss hat das auf die Polizeiarbeit?Singelnstein: Die bisherigen Ergebnisse bestätigen, dass die Arbeitsbedingungen verbesserungsfähig sind - Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Schichtarbeit sind auch wichtige Themen. Das kennt man auch schon aus anderen Arbeiten. Es ist allerdings bisher nicht untersucht, welchen Zusammenhang es mit den anderen Themen der Studie hat.Ob es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen den Arbeitsbedingungen und problematischen Einstellungen gibt, ist schwer zu untersuchen. Das erfordert eine aufwändige Auswertung, die im Zwischenbericht noch nicht enthalten ist.
Rücken von zwei Polizisten Player: audioPolizeistudie: Faeser kündigt Konsequenzen an
04.04.2023 Studie zum Arbeitsalltag Wie tickt die Polizei? Die nach Rassismusvorwürfen veranlasste Untersuchung des Polizeialltags liefert erste Zwischenergebnisse. mehr >>>
tagesschau.de: Auch Gewalterfahrungen spielen der Befragung zufolge eine Rolle im Polizeidienst. Innenministerin Nancy Faeser fordert jetzt bessere Hilfsangebote für Polizistinnen und Polizisten, doch dem Zwischenbericht zufolge werden etwa psychologische Beratungen nur zum Teil angenommen. Was könnte helfen?Singelnstein: Es ist klar, dass es ein herausfordernder Job mit Erfahrungen ist, die schwierig zu verarbeiten sind. In der Polizei gibt es wenig Möglichkeiten, damit umzugehen, wenig Raum für Reflexion und Auseinandersetzung.Mit dem Selbstbild der Polizei ist es aber auch schwer vereinbar, dass man Hilfsangebote in Anspruch nimmt. Es gibt diese zu wenig, das wird schon lange diskutiert. Trotzdem ist es auch so, dass die Angebote, die es gibt, zu wenig angenommen werden. Das liegt zum Beispiel an einem Männlichkeitsbild, das der Inanspruchnahme von Supervision und Hilfe entgegensteht, weil dies als Schwäche angesehen wird."Oft eine verschworene Gemeinschaft"tagesschau.de: Besonders großer Motivator und Hilfe zur Stressbewältigung sind der Studie zufolge die Kollegialität und der Zusammenhalt unter Polizistinnen und Polizisten. Die Studie weist darauf hin, dass dieser Zusammenhalt von außen aber oft als problematisch angesehen wird, weil er verhindern könnte, dass Missstände aufgedeckt werden. Wie schätzen Sie das ein?Singelnstein: In jedem beruflichen Zusammenhang gibt es Kollegialität und Zusammenhalt. Aber bei der Polizei sind diese besonders stark ausgeprägt.Und das ist natürlich ambivalent. Zum einen ist es wichtig, um gut zusammenarbeiten zu können. Aber auf der anderen Seite führt es auch dazu, dass die Polizei oft eine verschworene Gemeinschaft ist, aus der Fehler und negative Dinge nicht nach außen dringen.
Polizisten bei einer Demo gegen Rassismus 19.07.2021 Streit um Studie Wer schaut auf Rassismus bei der Polizei? Polizeigewalt und Racial Profiling war ein großes Thema. Doch es gibt noch keine Untersuchungsergebnisse. mehr >>>
tagesschau.de: Stereotype Einstellungen im Polizeidienst werden - insbesondere bei Brennpunktwachen - häufig mit "Erfahrungswissen" begründet. Bestimmte Personengruppen seien demnach besonders auffällig, der Studie zufolge wird etwa von "dem Bulgaren" gesprochen. Welchen Einfluss hat das Erfahrungswissen auf die Einstellung der Beamtinnen und Beamten? Singelnstein: Das ist eng miteinander verknüpft. Wir wissen aus verschiedenen Studien, dass sich die problematischen Einstellungen eher im Dienst entwickeln, als dass sie von außen hereingetragen werden. Das bedeutet nicht unbedingt, dass man selbst negative Erfahrungen mit bestimmten Personengruppen gemacht haben muss. Denn dieses Erfahrungswissen wird in der Polizei weitergegeben und tradiert und kann so individuelle Einstellungen prägen. Wo dieses Wissen Stereotype und Vorurteile enthält, führt es dazu, dass bestimmten Gruppen bestimmte Eigenschaften zugeschrieben werden. Und einer Einzelperson wird dann unter Umständen diese vermeintliche Eigenschaft der Gruppe zugeordnet, unabhängig davon, ob sie sie hat oder nicht."Es braucht rassismuskritische Aus- und Fortbildung"t agesschau.de: Als mögliche Lösungen gegen die Stereotypisierung werden ausreichend Freizeit, interkulturelle Teams und ein befristeter Verbleib in Brennpunktwachen genannt. Wie sehen Sie diese Lösungsvorschläge?Singelnstein: Damit wird die Idee adressiert, dass es eine Überlastung durch die Erfahrung in Brennpunktwachen gibt. Das kann grundsätzlich passieren und dann können die genannten Maßnahmen einen Baustein darstellen. Aber das ist nur ein Teilaspekt des Problems. Vor allem braucht es mehr rassismuskritische Aus- und Fortbildung, die diese Themen in den Blick nimmt. Und es müssten dringend mal rassistische Wissensbestände im polizeilichen Erfahrungswissen detailliert unter die Lupe genommen werden.
Hessens Innminister Beuth im Gespräch mit einem Polizisten (2016) HINTERGRUND 17.12.2021 Drohmails gegen Politikerinnen Hessens Kampf gegen Rechts Hessens Landesregierung hatte den Kampf gegen die rechte Szene zur Priorität erklärt. mehr >>>
tagesschau.de: Der Zwischenbericht der Studie weist auch darauf hin, dass die Antworten zumindest zum Teil dem entsprechen könnten, was die Befragten für sozial erwünscht halten. Ließe sich das überhaupt verhindern? Singelnstein: Ganz verhindern kann man es nicht. Es gibt einige methodische Herangehensweisen, um diesen Effekt zu reduzieren. Aber man kann in der empirischen Sozialforschung nie perfekt die Wirklichkeit abbilden, sondern sich dem immer nur annähern. Was genauso problematisch ist, sind die geringen Rücklaufquoten. An der Onlinebefragung der MEGAVO-Studie haben sich 16 Prozent beteiligt - das heißt, 84 Prozent haben sich nicht beteiligt. Das ist kein repräsentativer Ausschnitt. Man muss annehmen, dass Menschen mit problematischen Einstellungen sich eher weniger beteiligt haben. "Wir fangen gerade erst an "tagesschau.de: Sie haben sich selbst in einer Studie der Ruhr-Universität Bochum mit der rechtswidrigen Gewaltanwendung durch Polizeibeamte beschäftigt. Was haben Sie dabei festgestellt? Singelnstein: Wir haben in unserem zweiten Zwischenbericht auch das Erfahrungswissen in den Blick genommen. Das bezieht sich im Übrigen nicht unbedingt nur auf Personengruppen, sondern es kann sich auch auf Orte beziehen, zum Beispiel wenn diese als besonders gefährlich wahrgenommen werden. Das kann dazu führen, dass Menschen, die sich an solchen Orten aufhalten, besonders von den Beamten in den Blick genommen und unter Umständen auch anders behandelt werden.Die MEGAVO-Studie bezieht sich stark auf individuelle Einstellungen, die bei Rassismus aber nur einen Teil ausmachen. Die strukturelle Seite des Problems nimmt man auf diese Weise kaum in den Blick. Gerade diese Seite wäre aber besonders wichtig zu untersuchen.tagesschau.de: Braucht es aus Ihrer Sicht also doch noch eine umfassendere Rassismus-Studie, wie sie bereits mehrfach gefordert wurde? Singelnstein: Ja. Wir fangen gerade erst an, über das Problem zu reden. Es braucht noch viel mehr Forschung dazu, mit vielen verschiedenen Forschungsansätzen und methodischen Zugängen, um sich so gut wie möglich der Wirklichkeit anzunähern. Das Interview führte Belinda Grasnick für tagesschau.de.
Dieses Thema im Programm:
Über dieses Thema berichtete MDR aktuell am 04. April 2023 um 17:13 Uhr.
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Wenn Muslime in Deutschland täglich Hass erfahren
Christoph Strack
14.03.2023 14. März 2023
Der 15. März ist der UN-Tag zur Bekämpfung von Muslimfeindlichkeit. Die ist auch in Deutschland ein Problem. Es gibt Erfahrungen - und eine Menge Frust.
Suleman Malik steht vor der fast fertigen Moschee, das Minarett ist noch eingerüstet, bei strahlend blauem Himmel
Der Moschee-Neubau in Erfurt-Marbach ist der erste in den neuen Bundesländern außerhalb BerlinsBild: Christoph Strack/DW
Strahlend blau ist der Himmel über Erfurt, kalt die windige Luft. Aber Suleman Malik ist der schneidende Wind ganz egal. Dieser Tag Anfang März ist ein Festtag für ihn. Jetzt hat der Neubau der Ahmadiyya-Moschee in Erfurt-Marbach ein Minarett, rund neun Meter hoch. Endlich. Es wird der erste Neubau eines muslimischen Gotteshauses auf dem Gebiet der früheren DDR.
Ein schwerer Kran setzte die fünf jeweils tonnenschweren, runden Elemente zusammen. Millimeterarbeit. Der Kran - für Malik ist er so ein Beispiel. Viele Monate hat er versucht, einen Kran zu buchen, der auf matschigem Grund diese Arbeit leisten konnte, erzählt er der Deutschen Welle. Aber eine Mischung aus Rassismus, Rechtsradikalismus und Islamfeindlichkeit habe "viele Baufirmen eingeschüchtert". Malik hatte Zusagen von Unternehmen, die "angefeindet worden" seien und sich wieder zurückzogen. Der Betrieb, der schlussendlich doch zusagte, meldete sich noch Stunden zuvor um Mitternacht ein letztes Mal: Bat um Barzahlung, drängte darauf, dass niemand die Arbeit filme oder fotografiere. So illustriert diesen Text kein Foto mit Kran, ein TV-Team aus der Region beachtet ebenfalls diese Vorgabe.
Suleman Malik vor der Baustelle der Moschee mit strahlend blauem HimmelSuleman Malik vor der Baustelle der Moschee mit strahlend blauem Himmel
Suleman Malik vor dem Neubau der Moschee am Rande von ErfurtBild: Christoph Strack/DW
Malik ist 34. Seit 18 Jahren lebt er in Deutschland. Der gebürtige Pakistaner ist ein gut integrierter Muslim: Er spricht fließend Deutsch, arbeitet als Personalberater, ist stellvertretender Ortsteilbürgermeister in Erfurt-Rieth. Aber die kleine Moschee, die Malik für seine Gemeinde betreut, hat nicht nur mit vielen Bauvorschriften zu kämpfen. Malik erzählt von den Schwierigkeiten, überhaupt in Ostdeutschland Bauunternehmen für das Projekt zu finden.
Schweine-Kadaver und Drohungen
Er erinnert an die Schweine-Kadaver, die Unbekannte auf das Grundstück geworfen haben. Von Drohrufen aus vorbeifahrenden Autos. Und als der Autor dieses Textes am Tag der Moschee-Errichtung einen Tweet mit einem Foto der Moschee verbreitet, dauert es nur gut sechs Stunden, bis eine Person unter ihrem Klarnamen darunter schreibt: "Haben schon vor dieser schlimmen Moschee 260 Katholische Gottesdienste gegen den Moscheebau gemacht! Das ist Ramelows Machwerk, er muß jetzt zur Verantwortung gezogen werden!!!" (Schreibweise des Originals). Malik kennt das. Diese sogenannten Gottesdienste auf der anderen Seite der kleinen Straße im Gewerbegebiet, "immer noch, jeden Montag", sagt er. Die Beschimpfungen und Anfeindungen. Und er weiß, dass Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow - er wird in dem Tweet attackiert - zu dem Projekt und zur Gemeinde steht.
Deutschland garantiert in seinem Grundgesetz, der Verfassung, die Religionsfreiheit - für jede Religion. Das ist nicht in allen Ländern so. Deshalb erklärten die Vereinten Nationen im vorigen Jahr den 15. März zum internationalen Tag zur Bekämpfung von Islamfeindlichkeit. Warum an diesem Tag? Am 15. März 2019 tötete ein Rechtsterrorist in zwei Moscheen im neuseeländischen Christchurch 51 Menschen und verletzte rund 50 weitere.
In Deutschland wird der UN-Tag nicht groß begangen. Dabei hatte auch Deutschland vor drei Jahren eine besonders schwere rassistisch motivierte Bluttat, der überwiegend Muslime zum Opfer fielen. Im Februar 2020 tötete ein 43-Jähriger im hessischen Hanau zehn Menschen und sich selbst. Laut einer im Herbst 2022 vorgestellten Untersuchung des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR) äußerte ein Drittel bis die Hälfte aller Befragten antimuslimische und antiislamische Einstellungen. Und Berichte über Sachbeschädigungen oder Graffiti an einer Moschee irgendwo in Deutschland finden sich fast jede Woche.
Betende Muslime hinter Särgen, die mit Tüchern mit arabischen Schriftzeichen bedeckt sindBetende Muslime hinter Särgen, die mit Tüchern mit arabischen Schriftzeichen bedeckt sind
Trauerfeier für die Opfer des Anschlags von Hanau im Februar 2020Bild: DW/L. Hänel
Der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime, Abdassamad El Yazidi, äußert sich im Gespräch mit der Deutschen Welle ernüchtert, fast frustriert. Der antimuslimische Rassismus sei in Deutschland leider "die Form der Menschenfeindlichkeit, die hoffähig geworden ist, die man ohne vorgehaltene Hand äußern kann", sagt er. "Das passiert im Bundestag, das passiert in den Landtagen durch Faschisten, aber zunehmend auch durch Vertreter der sogenannten etablierten demokratischen Parteien, die in trüben Gewässern fischen und am rechten Rand auf Stimmenfang gehen." Damit werde der Islam als Ganzes diskreditiert.
"Muslime in Deutschland stigmatisiert"
Der 47-jährige Yazidi, ein gebürtiger Hesse, seit langem im interreligiösen Gespräch engagiert, ist eigentlich jemand, der sich zurückhaltend äußert. Heute sieht er die Muslime in Deutschland "stigmatisiert". Der Zentralrat habe die Bundesregierung mehrmals aufgefordert, einen Beauftragten für muslimisches Leben einzusetzen, so, wie es auch einen Beauftragten für jüdisches Leben und einen Beauftragten gegen Antiziganismus gebe. "Es gibt sehr viele Beauftragte, etwa 35, die sehr wichtige Funktionen erfüllen", so Yazidi. "Das ist den Muslimen verwehrt worden, mit scheinheiligen Argumenten." Man wolle sich nicht eingestehen, dass es ein Problem gebe mit antimuslimischem Rassismus, "und das spüren die Muslime".
Deutschland l Zentralrats der Muslime in Deutschland - ZMD Generalsekretär Abdassamad El YazidiDeutschland l Zentralrats der Muslime in Deutschland - ZMD Generalsekretär Abdassamad El Yazidi
Abdassamad El Yazidi, Generalsekretär des Zentralrats der MuslimeBild: picture alliance/AA/A. Hosbas
Dabei gibt es solche Beauftragte in anderen Ländern durchaus. Kanadas Regierungschef Justin Trudeau ernannte im Januar erstmals eine Beauftragte zur Bekämpfung von Islamfeindlichkeit. Bereits seit 2015 hat die EU die Stelle eines Koordinators zur Bekämpfung von Muslimfeindlichkeit. Allerdings blieb der Posten eineinhalb Jahre unbesetzt, bevor ihn Anfang Februar die Diplomatin Marion Lalisse übernahm.
Der Tag der Offenen Moschee
Suleman Malik findet es manchmal eine verrückte Welt. Er weiß, dass auch Muslime selbst Anschläge verüben, Hass ausleben, auch in Deutschland. Vor 18 Jahren floh sein Vater, ein etablierter Kaufmann, Hals über Kopf mit seiner Familie aus Pakistan nach Deutschland. Denn die Maliks sind Ahmadis, Mitglieder der Ahmadiyya. Diese islamische Gemeinschaft, eine Reformbewegung, wird im muslimisch geprägten Pakistan bekämpft. Übergriffe, die Zerstörung von Moscheen, auch Morde sind nicht ungewöhnlich.
So ist die Zentrale der Ahmadiyya heute in London. Zehntausende leben in Deutschland, in diesem Jahr feiern sie 100 Jahre Ahmadiyya in Deutschland. "Das hier in Erfurt wird unsere 78. Moschee", sagt Malik. Noch braucht es eine Weile, den Bau fertigzustellen, vor allem die Außenanlage zu gestalten. "Am 3. Oktober ist Tag der Offenen Moschee in Deutschland", sagt Malik. "Eigentlich wollen wir dann schon hierher einladen."
Ach ja, eins erläutert er noch. Vom Minarett werde künftig kein Muezzin-Ruf ertönen. Aber es sei so etwas wie ein Leuchtturm, der auf das islamische Gotteshaus hinweisen solle.
https://www.dw.com/
Von der Leyen: Rassismus ist in unseren Institutionen
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat Rassismus innerhalb der Institutionen Europas beklagt.
Zum Auftakt des EU-Gipfels gegen Rassismus hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Rassismus innerhalb der Institutionen Europas kritisiert. Zusammen müsse man die verschiedenen Formen von Rassismus verstehen, sagte von der Leyen. Die Demonstrationen der Black-Lives-Matter-Bewegung seien ein Weckruf gewesen.
19.03.2021, 13:10 Uhr
Brüssel. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat Rassismus innerhalb der Institutionen Europas beklagt. „Rassismus ist auf der Straße, an unseren Arbeitsplätzen und sogar in unseren Institutionen“, sagte sie am Freitag zum Auftakt des ersten EU-Gipfels gegen Rassismus. Diese Benachteiligung habe viele Formen, sie zeige sich etwa in rassistischen Bemerkungen gegen schwarze Fußballer, Diskriminierung von Sinti und Roma oder antisemitischen Verschwörungstheorien. „Wir müssen weiterhin über Rassismus in Europa sprechen“, sagte von der Leyen.
Ein Weckruf
Zusammen müsse man auch die verschiedenen Formen von Rassismus verstehen, so die EU-Kommissionspräsidentin. Viele Europäer seien auf die Straße gegangen und hätten klargemacht, dass das Leben von Schwarzen zähle. Auch in Europa hatte die in den USA entstandene Black-Lives-Matter-Bewegung gegen Rassismus und Polizeigewalt demonstriert.
Dies sei ein Weckruf gewesen. „Es hat uns dazu gebracht, in den Spiegel zu sehen und zu reflektieren, wer wir sind und wer wir als Gemeinschaft von freien Menschen sein wollen“, betonte von der Leyen.
RND/dpa
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Streit um Studie
Wer schaut auf Rassismus bei der Polizei?
Stand: 19.07.2021 07:35 Uhr
Polizeigewalt und Racial Profiling - vor einem Jahr ein großes Thema. Innenminister Seehofer geriet unter Druck, weil er eine Studie zu Rassismus bei der Polizei ablehnte, und beauftragte eine Motivationsstudie. Was ist daraus geworden?
Björn Dake
Von Björn Dake, ARD Berlin
Wenn Blaise Francis El Mourabit durch einen Bahnhof läuft, heißt es regelmäßig: Polizeikontrolle! "Mir wurde beispielsweise schon gesagt: Rücken Sie die Drogen doch gleich raus." Was der deutsch-kongolesische Menschenrechtsanwalt beschreibt, nennt sich Racial Profiling. Menschen geraten zum Beispiel durch ihre Hautfarbe ins Visier der Polizei. Dabei sind Kontrollen ohne konkreten Anlass, nur aufgrund des Erscheinungsbilds verboten. Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz kommt im März 2020 zu dem Ergebnis: In Deutschland gebe es "starke Indizien für ein ausgeprägtes Racial Profiling". Die Kommission empfiehlt eine Studie dazu.
Seehofer lehnt Forderungen nach Polizeistudie ab
Die Diskussion wird lauter, durch die Ermordung von George Floyd in den USA und Polizisten-Chats mit rechtsextremen Inhalten. Doch vor einem Jahr sagt Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) über eine Rassismus-Studie: "Jetzt nicht. Jetzt machen wir mal alles andere und setzen das um, was wir vereinbart haben. Wir können nicht jede Woche ein Wünsch-Dir-Was spielen."Seehofer weiche aus, sagt Irene Mihalic im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk. Sie ist selbst Polizistin und sitzt für die Grünen im Bundestag. "Horst Seehofer duckt sich vor diesem Thema einfach total weg." Mihalic ist der Ansicht, dass Seehofer mit seinem Verhalten den Beamten, die vorbildlich ihren Dienst machen, keinen Gefallen tue. Sie seien permanent einem Rassismus-Verdacht ausgesetzt.
Bundesinnenminister sieht Polizei verunglimpft
Im Oktober 2020 beschließt die Bundesregierung eine Studie zu Alltagsrassismus in Auftrag zu geben. Auch eine Untersuchung des Polizeialltags soll es geben. Aber keine Rassismusstudie. Seehofers Begründung: "Die halten ja für uns den Kopf hin und deshalb gibt es jetzt keine Studie, die sich gegen die Polizei mit Unterstellungen oder Vorwürfen richtet. "Der Bundesinnenminister beauftragt stattdessen Anfang Dezember die Hochschule der Polizei in Münster mit einer Studie zur Motivation, Einstellung und Gewalt im Alltag von Polizeivollzugsbeamten. Es ist eine Untersuchung zu Seehofers Bedingungen. Studienleiterin Anja Schiemann betont aber die Unabhängigkeit: "Die Forschung ist ergebnisoffen. Wir machen keine Studie, um Herrn Seehofer zu gefallen.
"Polizeistudie soll in drei Jahren Ergebnisse liefern
Der Bundesinnenminister sagt immer wieder, wie wichtig für ihn der Kampf gegen Rassismus und Rechtsextremismus sei. Seehofer begründet das auch mit den Anschlägen in Hanau und Halle und der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Zu diesem Kampf gehört auch die Polizeistudie. Sie steht im Abschlussbericht des Kabinettausschusses zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus. Die Hochschule der Polizei in Münster plant zwei Befragungswellen. Die erste im Oktober. Die Beamten sollen per Fragebogen und in Interviews Auskunft geben über ihre Einstellungen. Außerdem beobachten Forscher sie bei ihrer Arbeit. Erste Ergebnisse: in drei Jahren.
Polizisten INTERVIEW 17.09.2020 Rechtsextremismus bei Polizei "Strukturen verhindern Aufklärung"
Extremisten in der Polizei finden und bestrafen - das reiche nicht, sagt Polizeiwissenschaftler Behr angesichts der Vorfälle in NRW. mehr >>>
SPD verlangt konsequentes Durchgreifen
Uli Grötsch reicht das nicht. Der SPD-Innenpolitiker aus der Oberpfalz hat lange als Polizist gearbeitet. "Die Lage kann in drei Jahren schon wieder eine ganz andere sein als sie das jetzt gerade ist. Es ploppen immer wieder neue Fälle auf, denen muss konsequent begegnet werden." Grötsch verweist im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk auf die jüngsten Rechtsextremismus-Vorwürfe gegen Mitarbeiter der Bundestagspolizei. Auch Menschenrechtsanwalt El Mourabit fordert schnelle Konsequenzen. Um Vorwürfe von Racial Profiling und Polizeigewalt besser aufklären zu können, schlägt er vor, dass Polizisten bei Kontrollen künftig Bodycams einschalten müssen.
Dieses Thema im Programm:
Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 19. Juli 2021 um 05:55 Uhr.
https://www.tagesschau.de/
Blamage mit Ansage: Wie sich der WDR mit einem Rassismus-Talk blamiert
„Da haben wir uns überhaupt keine Gedanken drüber gemacht“: Moderator Steffen Hallaschka (l.) spricht mit den Gästen (v. l. n. r.) Schlagersänger Jürgen Milski, Autor und Moderator Micky Beisenherz, Schauspielerin Janine Kunze und Entertainer Thomas Gottschalk in der WDR-Sendung „Die letzte Instanz“ unter anderem über Rassismus und Diskriminierung.
Das war die allerletzte Instanz: Im WDR sprechen fünf weiße Menschen über Rassismus - und scheuen keine Peinlichkeit. Wie konnte das passieren? Über eine heftig kritisierte Sendung, die offenbarte: Dem WDR ist der innere Kompass verloren gegangen.
Imre Grimm
01.02.2021, 15:30 Uhr
Stellen wir uns kurz vor, der WDR plane im Jahr 2021 eine Talkshow neuen Stils, in der es unter anderem um Rassismus gehen soll.
Stellen wir uns weiter vor, der Sender sichere sich dazu die Expertise folgender Fachkräfte: Showmaster Thomas Gottschalk, Schauspielerin Janine Kunze („Hausmeister Krause“), Comedyfachkraft Micky Beisenherz („Dschungelcamp“) und Ex-„Big Brother“-Teilnehmer und Zlatko-Kumpel Jürgen Milski.
Stellen wir uns nun drittens vor, diese vier säßen nun bei Moderator Steffen Hallaschka und stimmten mittels roter oder grüner Pappkarten unter anderem über folgende Frage ab: „Das Ende der Zigeunersauce: Ist das ein notwendiger Schritt?“ – und alle vier votierten für das Recht, weiterhin „Zigeunerschnitzel“ und „Mohrenkopf“ sagen zu dürfen.
Fünf weiße Menschen reden über Rassismus
Unvorstellbar? Nicht im WDR. Mit einer überraschend konsequenten Anhäufung von verharmlosenden, naiven und unbedarften Einwürfen zur Frage, ob auch in Deutschland Minderheiten Diskriminierung erlebten, hat die scharfsinnig und flott gemeinte WDR-Sendung „Die letzte Instanz“ einen Shitstorm mit Ansage heraufbeschworen.
Rassismusvorwürfe nach WDR-Show: Janine Kunze und Micky Beisenherz entschuldigen sich
Fünf sehr privilegierte weiße Menschen sprachen da über Rassismus – und empfanden das Problem als nicht sonderlich gravierend. Mehr noch: Gottschalk (70) erzählte, dass er einst auf einer Kostümparty in Los Angeles mit Jimi-Hendrix-Verkleidung das erste Mal erfahren habe, „wie sich ein Schwarzer fühlt“. Im Übrigen meine er es nicht böse, wenn er jemanden als „Mohr“ bezeichne. Überhaupt, fand „Zigeunerschnitzel“-Verteidiger Milski: Die ganze Debatte sei „völlig überzogen“.
Als Jimi Hendrix verkleidet: Thomas Gottschalk verteidigte in der WDR-Sendung „Die letzte Instanz“ die Verwendung von Worten wie „Mohr“. Er meine das nicht respektlos.
© Quelle: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa
Aufschrei im Netz, allgemeines Entschuldigen der Teilnehmer. Beisenherz twitterte zerknirscht: „Wenn da vier Kartoffeln sitzen und über Rassismus mit Karten abstimmen, dann ist im Kern ja schon mal etwas falsch.“ Kunze gelobte Besserung, und der WDR schrieb, die Sendung sei nicht so gelaufen, „wie wir es geplant und uns vorgestellt hatten“. Wobei sich die Frage stellt, was genau sich der Sender geplant und sich vorgestellt hatte. Immerhin entschied er zweimal, die Sendung genau so auszustrahlen, zunächst am 30. November, dann am vergangenen Sonntag.
Dem WDR fehlt der Kompass
Gewiss ist die reflexhafte Empörung in der Erregungsblase der sozialen Medien gern mal greller und lauter, als es dem Anlass angemessen wäre. Dieser WDR-Talk jedoch erregte zu Recht erheblichen Zorn: Besetzung, Tonalität, Dramaturgie, Debattenqualität – es war ein Flop auf allen Ebenen. Damit verstärkt sich der Eindruck, dass insbesondere dem WDR im Strudel aus Sparmaßnahmen, Kritik von rechts und der Suche nach neuen TV-Formaten der innere Kompass verloren gegangen ist.
Intendant Tom Buhrow (der bei Amtsantritt noch flötete, er „bringe die Liebe mit“) machte bei der Aufklärung der Vorfälle von sexueller Belästigung durch WDR-Führungskräfte keine gute Figur, offenbarte Schwächen in der Kommunikation nach innen und außen und warf sich zuletzt voreilig vor Kritikern der Kinderliedparodie „Meine Oma ist ‘ne alte Umweltsau“ in den Staub.
Nun also der missglückte Versuch, den Staub vom Format Talkshow zu pusten. Dabei zeigt sich einmal mehr: Es gibt Themen, die ungeeignet sind für locker-flockiges Parlando. Und: Offenbar nimmt man in Köln gern den billigen Applaus korrektheitsmüder Mehrheitsdeutscher mit, die Gendersternchen, Feminismus und Mehrgeschlechtstoiletten als provozierenden Angriff auf tradierte Lebensweisen missverstehen.
„Rassismus gedeiht immer dort, wo er geleugnet wird“
Es ist ein verbreiteter Irrtum nicht nur unter nicht Farbigen, anzunehmen, ein Problem, dass man selbst nicht am eigenen Leib spüre, sei nicht existent. Ebenso populär ist es, politische Sensibilität mit punktueller Verspanntheit zu verwechseln. Gewiss dürfen und sollten auch weiße Menschen über Rassismus sprechen. Dass diese dann jedoch kollektiv zu dem Schluss kamen, das Problem sei nur mäßig drängend, offenbarte eine profunde Ahnungslosigkeit. „Rassismus gedeiht immer dort, wo er geleugnet wird“, hat der Senegalese Doudou Diène mal gesagt, Politikwissenschaftler und bis 2008 UN-Sonderberichterstatter für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.
Zigeunerschnitzel? Mohrenkopf? „Da haben wir uns überhaupt keine Gedanken drüber gemacht“, sagte Milski fast staunend. Ja, Herr Milski. Genau das ist das Problem.
Anmerkung der Redaktion: Die ursprüngliche Überschrift des Textes haben wir verändert.
https://www.rnd.de/
Mehrheit der Fraktionen gegen den Begriff „Rasse“ im Grundgesetz
Im Bundestag zeichnet sich eine klare Mehrheit dafür ab, den Begriff „Rasse“ in Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes („Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden“) ersetzen zu wollen. Dies wurde am Freitag, 27. November 2020, im Parlament bei der ersten Lesung von fünf Initiativen der Opposition zur Bekämpfung von Rassismus deutlich. Dabei machten insbesondere Vertreter der Koalition und der FDP-Fraktion deutlich, dass dabei aber nicht hinter das bestehende Schutzniveau zurückgegangen werden dürfe und dies nicht einfach werde. Kritik an dem Vorhaben kam von der AfD-Fraktion.
Überweisung mehrerer Anträge
Ein Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, in dem die Fraktion sich für eine „antirassistische, chancengerechte Einwanderungsgesellschaft“ (19/24636) einsetzt, wurde im Anschluss zur weiteren Beratung in den federführenden Innenausschuss überwiesen. Der Gesetzentwurf der Grünen zur Änderung des Grundgesetzes vorgelegt, um den Begriff der Rasse in Artikel 3 Absatz 3 zu ersetzen (19/24434), wird federführend im Rechtsausschuss beraten. Ein weiterer Antrag der Grünen, die Unabhängigkeit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zu stärken (19/24431), wurde federführend an den Familienausschuss überwiesen, obwohl die Grünen und die Linksfraktion die Federführung beim Rechtsausschuss beantragt hatten.
In der Abstimmung konnten sie sich aber nicht gegen die übrigen Fraktionen durchsetzen. Federführend ist der Rechtsausschuss dagegen bei einem Gesetzentwurf der Linksfraktion, die den Begriff der Rasse ebenfalls aus dem Grundgesetz streichen will (19/20628). Ein Antrag der AfD mit dem Titel „Gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken – Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus aufheben“ (19/24654) überwies der Bundestag zur federführenden Beratung an den Innenausschuss.
Regierung legt Maßnahmenkatalog vor
Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Staatsministerin Annette Widmann-Mauz (CDU), verwies darauf, dass der Kabinettsausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus in seinem am Mittwoch vorgelegten Maßnahmenkatalog als eine von 89 Maßnahmen vorsehe, den Begriff „Rasse“ im Grundgesetz zu ersetzen, denn „Sprache prägt das Denken“. Dabei solle jedoch nicht der „Schutzgehalt aus Artikel 3“ geschmälert werden.
Grüne: Noch laufende Legislaturperiode nutzen
Filiz Polat (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, ihre Fraktion lege einen konkreten Vorschlag zur Ersetzung des Wortes „Rasse“ im Grundgesetz vor. Dies müsse jedoch Hand in Hand gehen „mit einer Gewährleistungspflicht des Staates“. Dabei würde sie sich freuen, wenn dieses Vorhaben noch in der laufenden Legislaturperiode mit breiter Mehrheit im Parlament verabschiedet würde.
Nach dem Grünen-Gesetzentwurf sollen in der genannten Grundgesetzpassage die Worte 'seiner Rasse' gestrichen und vor dem Wort 'benachteiligt' die Worte 'oder rassistisch' eingefügt werden; angefügt werden soll der Satz 'Der Staat gewährleistet Schutz gegen jedwede gruppenbezogene Verletzung der gleichen Würde aller Menschen und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin'.
CDU/CSU: Den Begriff „Rasse“ ersetzen
Thorsten Frei (CDU/CSU) betonte: „Es gibt keine menschlichen Rassen.“ In diesem Bereich sei die biologisch-naturwissenschaftliche Forschung so klar wie bei kaum einem anderen Thema. Gleichwohl gebe es Rassismus in der Gesellschaft. Man müsse eine Lösung finden, die nicht „zu einer Verkürzung des absoluten Diskriminierungsschutzes führt, sondern im Gegenteil das hohe Niveau des Schutzes unseres Grundgesetzes“ erhält.
Es gehe darum, den Begriff „Rasse“ zu ersetzen und nicht nur zu streichen, fügte Frei hinzu, der sich zugleich dagegen aussprach, in das Grundgesetz auch die vorgeschlagene „Gewährleistungsfunktion“ aufzunehmen.
SPD: Bestehendes Schutzniveau nicht aufweichen
Auch Dirk Wiese (SPD) unterstrich, „dass es keine Rassen gibt“. Dennoch sei Rassismus leider immer noch allgegenwärtig. Es sei richtig, dass der Kabinettsausschuss das Koalitionsvorhaben bestätigt habe, den Begriff „Rasse“ zu ersetzen.
Die gemeinsame Herausforderung sei nun, dabei das bestehende Schutzniveau nicht aufzuweichen. Dies werde „juristisch nicht ganz einfach sein. Dieser Aufgabe solle man sich parteiübergreifend stellen. Noch könne er “keine Formulierung auf den Punkt bringen, die letztendlich rechtssicher dieses Schutzniveau halten wird„.
FDP: Dies ist keine triviale Aufgabe
Stephan Thomae (FDP) verwies darauf, dass die Verwendung des Begriffs “Rasse„ in Grundgesetz voraussetze, dass es Rassen gibt. Doch “Menschenrassen gibt es eben nicht„.
Deshalb müsse man sich von diesem Begriff lösen, ohne “den Schutzraum einzuengen„ und die “Unrechtskennzeichnung von Rassismus„ aufzuheben. Dies sei eine “nicht triviale Aufgabe„, bei der noch niemand den “Stein des Weisen„ gefunden habe.
Linke fordert Verbot rassistischer Diskriminierung
Gökay Akbulut (Die Linke) sagte, es gebe “Rassismus, aber keine Rassen„. Sie warb dafür, das Wort “Rasse„ im Grundgesetz durch ein “Verbot von rassistischer Diskriminierung„ zu ersetzen, wodurch keine Schutzlücke entstehe. Schon jetzt hätten einige EU-Staaten den Begriff “Rasse„ aus ihrer nationalen Gesetzgebung verbannt.
Der Linken-Gesetzentwurf sieht neben der Streichung der Wörter “seiner Rasse„ in dem Verfassungsabsatz vor, nach Niemand darf die Wörter rassistisch oder einzufügen und nach dem Satz die Formulierung Der Staat gewährleistet den tatsächlichen Schutz vor Diskriminierung, fördert die Durchsetzung des Diskriminierungsverbots und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin anzufügen.
AfD kritisierte Forderung nach einer Tilgung
Marc Jongen (AfD) kritisierte die Forderung nach einer Tilgung des Begriffs “Rasse„ aus dem Grundgesetz. “Wie das Geschlecht in der Gender-Ideologie, so sollen auch alle sonstigen naturgegebenen Unterschiede zwischen den Menschen nur noch eine böswillige gesellschaftliche Konstruktion sein„, monierte er.
Zweifellos könne man darüber diskutieren, ob der Begriff “Rasse„ heute noch angemessen sei. Es sei aber nicht “das Benennen von natürlichen Unterschieden bereits rassistisch, sondern einen Überlegenheitsanspruch, eine Unterdrückung daraus abzuleiten„.
Erster Antrag der Grünen
Die Grünen fordern in ihrem ersten Antrag (19/24636) die Bundesregierung auf, einen “Partizipationsrat Einwanderungsgesellschaft„ als gesetzlich verankertes unabhängiges Gremium mit Vertretern aus der “(post-)migrantischen Zivilgesellschaft„, sowie Wissenschaft und Forschung, ähnlich dem Deutschen Ethikrat, einzurichten und damit unter anderem einen fortlaufenden gesellschaftlichen Diskurs über die Einwanderungsgesellschaft und deren rassismuskritischen Ausgestaltung zu fördern. Zudem soll dafür eine Arbeitsdefinition aller Rassismen in ihren Gemeinsamkeiten und Wechselwirkungen erarbeitet werden, die Eingang in den Gesetzgebungsprozess finden soll.
Des Weiteren soll das Leitbild “Einheit in Vielfalt„ als Gemeinschaftsaufgabe der Gestaltung einer rassismuskritischen und chancengerechten Einwanderungsgesellschaft gesetzlich verankert werden, damit dieses von Bund, Ländern und Kommunen zukünftig stärker als gesamtstaatliche Verantwortung angesehen wird.
Gesetzentwurf der Grünen
im Gesetzentwurf der Grünen zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 3 Absatz 3 – Ersetzung des Wortes Rasse und Ergänzung zum Schutz gegen gruppenbezogene Menschenwürdeverletzungen, 19/24434) heißt es, das Wort Rasse könne zu Missbrauch und falscher Rechtfertigung abwertenden Verhaltens führen werde zu Recht als Beleidigung empfunden. Es gebe daher keine Rassen, sondern Rassismus, den es zu bekämpfen gelte. Im Grundgesetz fehle zudem ein ausdrücklicher Handlungsauftrag an den Staat, Schutz gegen alle Erscheinungsformen gruppenbezogener Verletzung der gleichen Würde aller Menschen zu gewährleisten.
Die Fraktion schlägt vor, das Wort Rasse in Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes durch das Wort rassistisch zu ersetzen, in Verbindung mit der Anfügung einer Gewährleistungsverpflichtung als neuem Satz 3: “Der Staat gewährleistet Schutz gegen jedwede gruppenbezogene Verletzung der gleichen Würde aller Menschen und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.„
Zweiter Antrag der Grünen
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen will die Unabhängigkeit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) stärken. Ihrem zweiten Antrag (19/24431) zufolge soll der Bundestag die Bundesregierung auffordern, einen Gesetzentwurf zur Änderung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) vorzulegen. Danach soll die ADS künftig als Bundesoberbehörde errichtet und deren Leitung künftig auf Vorschlag einer Fraktion oder der Bundestagsabgeordneten in Fraktionsstärke durch den Bundestag gewählt werden.
Durch die Schließung bestehender Lücken im privaten und öffentlichen Bereich soll der Schutz vor rassistischer Diskriminierung sowie vor Diskriminierung wegen des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) deutlich verbessert werden, und die finanzielle und personelle Ausstattung der ADS soll deutlich aufgestockt werden.
Gesetzentwurf der Linken
Auf die Streichung des Begriffs Rasse im Grundgesetz zielt der Gesetzentwurf der Linken (19/20628) ab. Darin plädiert die Fraktion dafür, Grundgesetz-Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 (“Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.„) entsprechend zu ändern. Danach sollen nach den Wörtern “Niemand darf„ die Wörter “rassistisch oder„ eingefügt und die Wörter “seiner Rasse„ sowie das Komma dahinter gestrichen werden.
In der Vorlage führen die Abgeordneten aus, dass rassistische Diskriminierung “auf der Vorstellung der unterschiedlichen Wertigkeit von Menschengruppen„ fuße. “Das Konstrukt der ,Rasse' dient seit dem 18. Jahrhundert als Rechtfertigung von Sklaverei und kolonialer Herrschaft„, schreibt die Fraktion weiter. Schließlich seien auch die “Rassentheorien„ als Zentrum der nationalsozialistischen Ideologie dazu verwendet worden, den planmäßigen Massenmord an Juden, Sinti und Roma und zahlreichen anderen Menschengruppen zu rechtfertigen. Auch heutzutage seien Rassismus und “racial profiling„ Bestandteile des Lebensalltags vieler Menschen in Deutschland.
“Begriff der Rasse streichen„
Der Fraktion zufolge haben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts in einer Erklärung “deutlich gemacht, dass das Konzept der Rasse das Ergebnis von Rassismus ist und nicht dessen Voraussetzung„. Das Deutsche Institut für Menschenrechte kritisiere, dass die Verwendung des Begriffs “Rasse„ im Grundgesetz “Vorstellungen von der Existenz menschlicher Rassen perpetuiert„. “Auf die Erkenntnis, dass der Begriff Rasse im Grundgesetz Rassismus fortsetzt und damit fördert, muss die logische Konsequenz folgen, diesen Begriff zu streichen„, heißt es in der Vorlage ferner.
Darin sprechen sich die Abgeordneten zugleich dafür aus, stattdessen “ein ausdrückliches Verbot rassistischer Diskriminierung„ in Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes zu verankern. Dieser Absatz soll nach ihrem Willen ergänzt werden um den Satz “Der Staat gewährleistet den tatsächlichen Schutz vor Diskriminierung, fördert die Durchsetzung des Diskriminierungsverbots und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin„.
Antrag der AfD
Die AfD fordert, den Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus (NAP) frühestmöglich ersatzlos aufzuheben (19/24654). Zur Begründung heißt es, das Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung in Bielefeld, das die deskriptiven Grundlegungen für den NAP bereitgestellt habe, orientiere sich nicht an wissenschaftlichen, sondern an ideologischen Kategorien. So würde das Institut offen marxistisches Vokabular bedienen, schreiben die Abgeordneten.
Des Weiteren solle die Bundesregierung das Konzept des “Rassismus ohne Rassen wegen seiner wissenschaftlichen Unhaltbarkeit und seiner gesellschaftsspaltenden Konsequenzen in ihrer Kommunikation„ nicht mehr benutzen. Außerdem gelte es, keine wissenschaftlichen Projekte oder Forschungsvorhaben mehr zu fördern, die auf dem “ideologisch geprägten Konzept des Rassismus ohne Rassen„ fußten. Dieses Konzept, so fasst es die Fraktion unter Berufung auf den französischen Philosophen Étienne Balibar zusammen, “postuliere ,nicht mehr die Überlegenheit bestimmter Gruppen oder Völker über andere', sondern beschränke sich darauf, ,die Schädlichkeit jeder Grenzverwischung und die Unvereinbarkeit der Lebensweise und Traditionen zu behaupten'„. Mit diesem Konzept, so die AfD, werde der Rassismusbegriff entgrenzt. (sto/mwo/27.11.2020)
https://www.bundestag.de/
Rechtsextremismus bei Polizei
"Strukturen verhindern Aufklärung"
Stand: 17.09.2020 15:19 Uhr
Extremisten in der Polizei finden und bestrafen - das reiche nicht, sagt Polizeiwissenschaftler Behr angesichts der Vorfälle in NRW. Polizeistrukturen und Solidarität um jeden Preis verhinderten oftmals die Aufklärung, erklärt er im Interview mit tagesschau24.tagesschau24: Der CDU-Innenexperte Armin Schuster sagt, es gelte in der Polizei nun hart auszumerzen, was da passiert. Wie muss das aus Ihrer Sicht aussehen?
Rafael Behr: Diese Reaktion ist sehr nachvollziehbar, aber auch sehr typisch - und wird oft gerade von konservativen Kreisen benutzt: Zu fordern, "hart auszumerzen" und "streng zu verfolgen". Da kommen solche Narrative zum Vorschein wie: "Jetzt wird mit eisernem Besen gekehrt, und dann ist die Welt wieder in Ordnung." Und diese Welt ist nicht in Ordnung.
Rafael Behr lehrt Polizeiwissenschaften mit Schwerpunkt Kriminologie an der Akademie der Polizei Hamburg. Von 1975 bis 1990 arbeitete er als Polizeibeamter in Hessen.
"Es wird viel zu früh blockiert, wenn es um gute Aufklärung geht"
Es sind Strukturen zu beobachten, die Aufklärung gegenüber Extremismen verhindern - auch beim Rechtsextremismus. Die Polizei ist nicht durchgehend rassistisch. Aber es wird viel zu früh blockiert, wenn es darum geht, gut aufzuklären. Also nicht nur mal ein Interview zu führen. Insofern ist die strafrechtliche Komponente ein Mosaikstein. Aber es muss dringend auch an der Kultur der Polizei gearbeitet werden.tagesschau24: Wenn Sie über die Kultur sprechen und über Strukturen, die verhindern, dass aufgeklärt wird - was meinen Sie konkret? Behr: Beispielsweise der sogenannte "Code of Silence", der in der Polizisten-Kultur weit verbreitet ist: Dass man Kollegen nicht verrät, und zwar um keinen Preis. Dass man um jeden Preis Solidarität hält. Dies ist immer mit Gefahren verbunden. Normen, die im Alltag gut funktionieren können, sind auch dafür verantwortlich, dass keine Aufklärung stattfindet. Dass niemand "Stopp" sagt oder sich meldet, wenn er Kollegen sieht, die beispielsweise mit Nazi-Devotionalien zur Dienststelle kommen.
"Es gibt auch Strukturen dahinter"
Man muss individuell auf Menschen und deren Handlungen schauen, aber es gibt auch Strukturen dahinter: Weshalb kann ein Dienstgruppenleiter mit seinen Mitarbeitern über Jahre hinweg diese Dinge pflegen und tun, ohne dass die Umgebung etwas davon erfährt? Das muss doch gefragt werden - und zwar nicht nur für Mülheim oder für Essen, sondern für viele Organisationen in der Polizei.tagesschau24: Sie sagen, zum Teil hätte dieser "Code of Silence" etwas Gutes. Aber was bedeutet er für diejenigen, die sich jetzt an einen Vorgesetzten wenden würden?Behr: Genau das ist das Damoklesschwert für alle Polizisten. Einerseits sind sie rechtlich dazu verpflichtet, Straftaten anzuzeigen. Ansonsten machen sie sich selbst strafbar wegen Strafvereitelung im Amt. Andererseits gilt eben dieser Code der Verschwiegenheit in ihrer Solidargemeinschaft. Gerade die uniformierte Polizei bildet ja eine Gemeinschaft, die gemeinsam Gefahren bewältigen muss.
Player: videoRafael Behr, Akademie der Polizei Hamburg, über rechtsextreme Vorfälle in der Polizei
Sendungsbild | ARD-aktuell8 Min tagesschau24 11:00 Uhr >>>
Da muss man sich aufeinander verlassen können und einander vertrauen. Wenn dieses Vertrauen aber auch für abweichende Situationen untereinander verlangt wird, dann ist es schwierig für den Einzelnen, sich an Vorgesetzte zu wenden. Weil die möglicherweise selbst involviert sind. Eine Reduktion auf konkrete Einzelfälle ist für die Aufklärung der Kultur in der Polizei kontraproduktiv." Externe Beauftragte außerhalb der Polizeilogik nötig"tagesschau24: Wie kann man diese Kultur denn verändern? Gibt es Möglichkeiten, sich zum Beispiel anonym zu melden? Behr: Nur in Einzelfällen. Es gibt beispielsweise in Hessen im Landespolizeipräsidium ein solches anonymes Hinweis-Telefon. In großer Zahl gibt es die noch nicht. Es ist auch nicht sehr bekannt in der Polizei. Wir müssten dringend über externe Beauftragte für die Polizei sprechen, an die sich Menschen wenden können. Extern bedeutet, dass sie nicht in die Logik der Polizei und nicht in deren Hierarchie eingebunden sind.
Holger Münch 17.09.2020 Rechtsextremismus bei Polizei in NRW BKA-Chef fürchtet Vertrauensverlust >>>
"Das sind Vorfälle, die das Vertrauen in die Polizei erheblich erschüttern", so BKA-Chef Münch. mehr
Und wir müssten auch in der Ausbildung dafür sorgen, dass wir beispielsweise wieder politische Bildung stärken, dass wir die Menschen sprechfähig machen. Mich interessieren vor allem diejenigen, die in der Umgebung der Täter sind - und die nichts sagen. Das hat Gründe. Und die müssen wir stärker untersuchen und nicht nur in Richtung Rassismus-Prophylaxe betrachten, sondern allgemeiner mit der Frage: Was ist gute Polizeiarbeit? Da müssen wir sehr viel mehr neutrale Forschung einsetzen.tagesschau24: Sie forschen für die Polizei und sind in der Polizisten-Ausbildung tätig. Welche Rolle spielt denn bei Ihnen das Thema Rechtsextremismus? Behr: Die Thematisierung verstärkt sich zwar in letzter Zeit, aber ansonsten spielt es eine geringere Rolle. Weil man nach wie vor fest davon überzeugt ist, zu den Guten zu gehören - dass einem so etwas selbst nicht passiert. "Wir müssen den Stier bei den Hörnern packen"Ich sehe an der Reaktion des nordrhein-westfälischen Innenministers, wie vorsichtig er damit umgeht zu sagen: Wir verlassen jetzt mal die Ebene der Einzelfälle und wenden uns dem Allgemeinen zu. Das ist auch das Klima in der Polizeiausbildung: Immer, wenn ich in meinem Unterricht beispielsweise mit diesen Gefahren ankomme und über Racial Profiling spreche. Oder über andere Dinge, die Polizisten belasten wie etwa Skandale aus früheren Zeiten. Dann sagen mir oft die Studenten: "Was wollen Sie denn? Wir sind doch die Guten, wir wollen doch in eine gute Polizei hinein."Die Thematisierung ist schwierig und noch nicht übergreifend Konsens. Es hängt oft von einzelnen Personen ab, ob es geschieht. Aber es mehren sich auch die Stimmen unter den Vorgesetzten, die sagen: Wir müssen hier den Stier bei den Hörnern packen und richtig rangehen.tagesschau24: Nun gibt es vor Antritt der Ausbildung bei der Polizei keine Gesinnungsprüfung. Wäre die notwendig - oder sehen Sie eher die Gefahr einer Radikalisierung während der Zeit, die die Beamten dann im Dienst verbringen?Behr: Wir haben keine empirisch belastbaren Hinweise darauf, dass wir ein großes Potenzial von Menschen in die Polizei hineinbringen, die ausdrücklich rechtsextreme Gesinnungen haben. Man kann den Menschen natürlich nicht ins Gehirn oder ins Herz schauen." Keine Überlast von rechtsextremen Bewerbern erkennbar "Das sind alles Prüfungen, die standardmäßig ablaufen. Unsere Erfahrung ist, dass wir keine Überlast von extremistischen Bewerbern haben. Es gibt erkennbare Dispositionen: Die Bewerber sind ordnungsorientiert und wertkonservativ, auch staats- und hierarchiebejahend. Es kann sich dann - möglicherweise durch eine Mischung von Kenntnissen aus dem Kollegenkreis und Arbeitsbedingungen in Brennpunktrevieren - so eine Radikalisierung entwickeln. Die Ausbildung selbst ist aber ein wichtiger Punkt, an dem Vorbeugung betrieben und Bewusstsein geschaffen werden kann. Aber dafür brauchen wir auch Profis, die das können. Ich spreche hier zum Beispiel von einer Verstärkung der Anti-Rassismus-Trainings oder überhaupt von Trainings, in denen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte sozusagen am eigenen Körper lernen, wie es ist, zu einer Minderheit zu gehören. Das Interview führte Julia-Niharika Sen, tagesschau24.Das Interview wurde für die schriftliche Fassung redigiert und leicht gekürzt. Das vollständige Interview finden Sie als Video in dieser Meldung.
Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 17. September 2020 um 11:00 Uhr.
https://www.tagesschau.de/
Politik Rechte Gewalt
Deutlicher Anstieg rechter Gewalt
Bundesweite Tendenz ist in ostdeutschen Ländern besonders stark zu spüren
Christopher Wimmer 09.05.2023, 13:36 Uhr Lesedauer: 4 Min.
Robert Kusche zur Jahresstatistik 2022 zu rechter und rassistischer Gewalt.
Foto: IMAGO
Im Jahr 2022 sind rechte Gewalttaten um 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr angestiegen. Waren es 2021 noch 1151 Fälle, stieg die Zahl 2022 auf 1340 Straftaten an. Insbesondere Körperverletzungsdelikte nahmen deutlich zu. Gleichzeitig kam es zu einer Verdreifachung von Nötigungen und Bedrohungen aus rassistischen und antisemitischen Motiven. Daraus ergibt sich zusammengenommen eine Zahl von 2093 rechten, rassistischen und antisemitisch motivierten Angriffen, von denen 2871 Menschen betroffen waren. Diese Zahlen wurden am Dienstag vom Bundesverband der unabhängigen Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Deutschland (VBRG) veröffentlicht und in der Berliner Bundespressekonferenz vorgestellt. Die Zunahme war besonders deutlich in den ostdeutschen Bundesländern und Berlin, in Baden-Württemberg, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein zu sehen.
Rassismus als hauptsächliches Tatmotiv
»Rassistische Mobilisierungen gegen Geflüchtete in Ostdeutschland, Brandanschläge auf Unterkünfte sowie eine vielerorts unerträgliche Normalisierung von Antisemitismus und Rassismus belasten den Alltag sehr vieler Menschen«, erklärte Robert Kusche vom Vorstand des VBRG in Berlin. Konkret heißt dies, dass im Jahr 2022 in mehr als der Hälfte der Bundesländer täglich mindestens fünf Menschen Opfer rechter Angriffe wurden. Rassismus war 2022 – wie schon in den Vorjahren – das häufigste Tatmotiv. Mehr als die Hälfte aller Angriffe waren rassistisch motiviert und richteten sich überwiegend gegen Menschen mit Migrations- oder Fluchterfahrungen sowie Schwarze Menschen. Immer wieder verschwiegen die Ermittlungsbehörden jedoch Rassismus als Tatmotiv, etwa bei einer schweren Brandstiftung im Keller eines Mehrfamilienhauses in der Nacht vom 9. zum 10. Oktober 2022 in Berlin-Lichtenberg. Rassismus als Tatmotiv wurde erst Wochen später durch Nennung des Brandanschlags in einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage zu Angriffen gegen Geflüchtete und durch Kontaktaufnahme der Bewohner*innen des Hauses mit der Berliner Opferberatungsstelle ReachOut bekannt.
Weitere Ursachen für die Gewalt
Besorgniserregend ist zudem, dass die Anzahl antisemitischer Angriffe im Vergleich zum Vorjahr auf das Vierfache gestiegen ist: von 54 Taten 2021 auf insgesamt 204 im Jahr 2022. Auf Bedrohungen folgten häufig innerhalb kurzer Zeit schwere Gewalttaten, etwa in Brachwitz (Saalekreis/Sachsen-Anhalt). Dort wurde im Sommer 2022 ein 52-Jähriger über Wochen von seinem Nachbarn massiv antisemitisch bedroht. Kurz darauf folgten zwei antisemitisch motivierte Brandanschläge auf das Auto und ein Nebengebäude des Wohnhauses des Angegriffenen durch den mittlerweile in erster Instanz verurteilten Nachbarn.
Auch die Anzahl von trans- und queerfeindlichen Angriffen hat sich im Vergleich zum Vorjahr deutlich erhöht: Sie hat sich auf 174 Fälle verdoppelt und forderte sogar ein Todesopfer. Malte C. starb am 2. September 2022, als er bei einem queerfeindlich motivierten Angriff beim Chistopher Street Day in Münster intervenierte und dabei tödliche Verletzungen erlitt.
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Ebenfalls angestiegen – auf 387 Fälle – ist die Anzahl von Angriffen gegen »politische Gegner*innen«. Unter den Betroffenen sind auch 84 Journalist*innen, die vor allem von Coronaleugner*innen als »Lügenpresse« diffamiert, bedroht und attackiert wurden. Robert Kusche vom VBRG ergänzte dazu eine Besonderheit des letzten Jahres: »Der Anstieg rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt im Jahr 2022 ist vor dem Hintergrund der pandemiebedingten Ausgangsbeschränkungen im Frühjahr 2022 besonders gravierend«, erklärte er.
Kompetenzlücken bei der Strafverfolgung
Doch nicht nur die reine Zunahme der rechten Gewalt, sondern auch der Umgang der staatlichen Stellen mit ihr ist besorgniserregend. Viele Betroffene müssen mit einer Täter-Opfer-Umkehr kämpfen, erklärte die Leiterin der Ombudsstelle zum Berliner Antidiskriminierungsgesetz, Doris Liebscher. Dies zeige sich beispielsweise im Fall des rassistischen Angriffs auf die Schülerin Dilan S. im Februar 2022. Die junge Frau hatte in einer Berliner Straßenbahn Zivilcourage gezeigt und eine Gruppe Erwachsener aus dem rechten Hooliganspektrum aufgefordert, eine Maske zu tragen. Daraufhin wurde die damals 17-Jährige rassistisch und misogyn beleidigt, angegriffen und verletzt. Die rassistische Täter-Opfer-Umkehr der Angreifer wurde in der ersten Polizei-Pressemitteilungen übernommen, die Schülerin als Maskenverweigerin dargestellt, die den Angriff selbst zu verantworten hätte. Erst ihre auf Instagram veröffentlichte Richtigstellung aus dem Krankenhaus führte dazu, dass gegen die Täterinnen ermittelt wurde. Auf eine Entschuldigung der Polizei wartet die junge Frau bis heute vergebens.
»Hinzu kommt, dass insbesondere rassistische Motive von Ermittlungsbehörden und auch von Gerichten nicht als solche erkannt oder nicht berücksichtigt werden«, fügte Liebscher hinzu. Daher dürfte die tatsächliche Zahl der Angriffe in der Realität noch deutlich höher liegen, da Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus als Tatmotive durch Polizei und Justiz nicht lückenlos erfasst werden. Zwar haben in Berlin und in anderen Bundesländern inzwischen bei Polizei und Staatsanwaltschaften Beauftragte für Antisemitismus und in Berlin auch für Hasskriminalität zu Sensibilisierung in den Behörden beigetragen und Fortschritte bei der Erkennung entsprechender Straftaten erreicht. Doch beim Thema Rassismus gebe es »eine große Lücke«, betonte Liebscher. »Es fehlen flächendeckend Rassismus-Beauftragte bei Polizei und Justiz.«
https://www.nd-aktuell.de/
Stübgen verurteilt rechtsextreme und rassistische Vorfälle
BERLIN & BRANDENBURG
Stand: 14:47 Uhr
Michael Stübgen (CDU), Minister des Innern und für Kommunales Brandenburg, spricht während einer Pressekonferenz.
Quelle: Soeren Stache/dpa
Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) hat die rechtsextremen und rassistischen Vorfälle in Burg und Heidesee im Süden des Landes verurteilt. An einer Schule in Burg hatte ein Brief von Lehrkräften mit Schilderungen rechtsextremer Vorfälle vor kurzem bundesweit für Aufsehen gesorgt. In Heidesee war eine Berliner Schulklasse mit größtenteils Migrationshintergrund am Wochenende in einer Ferienanlage rassistisch beleidigt worden und danach abgereist.
Stübgen erklärte, bei den Vorkommnissen in der Schule in Burg (Dahme-Spreewald) gebe es auch Versäumnisse der Schulsozialarbeit. Offensichtlich sei das Problem nicht rechtzeitig aufgefallen. «Jetzt ist es wichtig hier nachzuarbeiten und zu sehen, wie weit ist es denn wirklich damit», sagte Stübgen am Montag in Eisenhüttenstadt.
Die Frage sei, ob es solche Vorfälle an vielen Lausitzer Schulen gebe oder ob es sich, wie er hoffe, um einen Einzelfall handle. «Meine Überzeugung ist: Man muss hier rigoros von Anfang an vorgehen und es nicht zu lange dulden. Sonst wird es immer schlimmer», sagte der Innenminister.
In einem Brief hatten Lehrer anonym geschildert, sie seien an der Schule täglich mit Rechtsextremismus, Sexismus und Homophobie konfrontiert. Es gebe Hakenkreuze auf Möbeln, rechtsextreme Musik im Unterricht und demokratiefeindliche Parolen in den Schulfluren. Zudem erlebten sie eine «Mauer des Schweigens», hieß es in dem Brief. Die Lehrkräfte beklagten mangelnde Unterstützung von Schulleitungen, Schulämtern und Politik. Der Staatsschutz ermittelt.
Nasenkorrektur Berlin: Fachärztin in Mitte
Die rassistischen Beleidigungen gegen eine Berliner Schulklasse mit größtenteils Migrationshintergrund nannte Minister Stübgen «inakzeptabel». Weil er noch nicht alle Details kenne, könne er sich noch nicht ausführlicher dazu äußern, sagte Stübgen.
Die Schülerinnen und Schüler, die in einer Ferienanlage in Heidesee ein Mathe-Camp abhalten wollten, wurden von anderen Gästen laut Polizei in der Nacht zum Sonntag fremdenfeindlich beschimpft und bedroht. Eine körperliche Auseinandersetzung konnte die Polizei verhindern. Die Schulklasse reist noch am Sonntag vorzeitig ab. Der Staatsschutz ermittelt wegen Volksverhetzung und Bedrohung.
dpa-infocom GmbH
https://www.welt.de/
OB nimmt Auszeit im Juni
:Der Absturz des Boris Palmer
von Eva Schiller
Datum:
02.05.2023 17:55 Uhr
Erst Eklat, dann Partei-Austritt und jetzt ist er erstmal abgetaucht: Boris Palmer, der Oberbürgermeister von Tübingen.
Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer hat seinen Parteiaustritt bei den Grünen und eine einmonatige Auszeit angekündigt. Zudem will er sich professionelle Hilfe suchen.
02.05.2023
Sein Jähzorn ist ein offenes Geheimnis - in Tübingen und anderswo. Boris Palmer ist der bekannteste Kommunalpolitiker Deutschlands. Dauergast auf Talkshow-Stühlen. Ein Meister der Provokation, einer, der auf roten Linien balanciert. Jetzt ist er erst mal abgestürzt.
Nach dem Eklat vor der Frankfurter Uni, als mal wieder sein Temperament mit ihm durchging und er sich in krude Nazi-Vergleiche verstrickte, verordnet sich Boris Palmer eine einmonatige Auszeit im Juni.
Auch wenn dieser Zeitraum sicher nicht ausreichen wird, um die vor mir stehende Aufgabe vollauf zu lösen, bin ich doch zuversichtlich, dass es mir gelingen wird, sie anzugehen, genug Abstand zu gewinnen und Kraft zu schöpfen.
Boris Palmer, OB von Tübingen
Außerdem tritt er bei den Grünen aus. Endgültig. Die Partei atmet auf - so viel ist sicher.
Boris Palmer: Winfried Kretschmann winkt ab
Ja, es gibt auch bei den Grünen einen Palmer-Fanclub, zu dem auch Baden-Württembergs Ministerpräsident gehörte. Kretschmann sah in Palmer lange einen würdigen Nachfolger. Einen, der wie er, die grüne Identitätspolitik kritisch sieht. Einen, der über großes politisches Talent verfügt. Der das ausspricht, was viele denken.
Aber jetzt winkt der Ministerpräsident bedauernd ab, wenn er auf Palmer angesprochen wird. Nichts mehr zu retten, zu viel verbrannte Erde hinterlassen. Weite Teile der Grünen verabscheuen Palmer regelrecht, hätten ihn gern schon lange aus der Partei geschmissen.
Twitter-Video zeigt Eklat in Frankfurt
Boris Palmer: Immer wieder gibt es Entgleisungen
Die Liste seiner Entgleisungen ist lang: 2019 regt er sich über Werbeplakate der deutschen Bahn auf, wegen der vielfältigen Testimonials, unter ihnen der schwarze Fernsehkoch Nelson Müller.
Palmer fragt auf Facebook: "Welche Gesellschaft soll das abbilden?" In einem anderen Post über den Fussballer Dennis Aogo verwendet er auch schon das rassistische N-Wort. Später will Palmer das dann ironisch gemeint haben.
Im ZDF-morgenmagazin spricht Omid Nouripour, Grünen-Bundesvorsitzender, auch über Boris Palmer. Er wünscht ihm ein gutes Leben.
Daraufhin, schon vor zwei Jahren, dachte Annalena Baerbock öffentlich über seinen Parteiausschluss nach. Als Kompromiss einigt man sich dann auf eine ruhende Parteimitgliedschaft bei den Grünen.
Wäre Palmer jetzt nicht freiwillig ausgetreten, hätte man ihn ziemlich sicher rausgeworfen. Nachdem nun auch sein größter grüner Fürsprecher und Anwalt Rezzo Schlauch von ihm abgerückt ist.
Nach Eklat in Frankfurt: Wie geht es für Palmer weiter?
Jetzt also eine Auszeit. Mal sehen, wie lange die dauert. Boris Palmer selbst bringt in seiner etwas wirren, psychologisch hoch interessanten persönlichen Erklärung auf den Punkt, was das Problem ist:
Als Politiker und Oberbürgermeister hätte ich niemals so reden dürfen.
Boris Palmer
Und: Wenn er angegriffen werde, dann "wehre ich mich in einer Weise, die alles nur schlimmer macht."
Selbsterkenntnis könnte der erste Schritt zu Veränderung sein: Palmer will sich jetzt professionelle Unterstützung suchen und erstmal die Klappe halten. Im Rathaus hat er sich am Montag erstmal krank gemeldet.
Tübingens Oberbürgermeister will er trotzdem bleiben. Sein Amt aber jetzt mit mehr Demut ausfüllen. Wer ihn kennt, kann sich eins nur schwer vorstellen: Dass er für immer von der politischen Bühne verschwindet.
Quelle: mit Material von dpa
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Nach Eklat von Frankfurt
:Boris Palmer verlässt die Grünen
Datum:
01.05.2023 19:39 Uhr
Nach heftiger Debatte um seinen jüngsten Frankfurt-Eklat verlässt Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer die Grünen. Zuvor hatte er angekündigt, er wolle eine "Auszeit" nehmen.
Boris Palmer, Oberbürgermeister in Tübingen, zieht die Konsequenz aus einem neuerlichen Eklat.
Quelle: imago/ULMER Pressebildagentur
Boris Palmer ist bei den Grünen ausgetreten. Das bestätigte der Landesverband in einer Pressemitteilung: "Boris Palmer hat am heutigen Montag, 1. Mai 2023, seinen Austritt aus der Partei Bündnis 90/Die Grünen erklärt. Seine Austrittserklärung ist beim baden-württembergischen Landesverband eingegangen, sein Austritt gilt unmittelbar." Zuvor hatte Palmer erklärt, eine "Auszeit" nehmen zu wollen.
Palmers Grünen-Mitgliedschaft ruhte bereits
Am Wochenende hatte es große Diskussionen um umstrittene Äußerungen in Frankfurt am Main gegeben. Weil Palmer in den vergangenen Jahren immer wieder mit seiner Wortwahl für Aufsehen gesorgt hatte, ruhte seine Mitgliedschaft bei den Grünen bereits seit April 2022.
Der jüngste Anlass für Wirbel um Palmer: Am vergangenen Freitag bezog er am Rande einer Migrationskonferenz in Frankfurt am Main Stellung zu Art und Weise seiner Verwendung des "N-Wortes". Als er mit "Nazis raus"-Rufen konfrontiert wurde, sagte Palmer zu der Menge: "Das ist nichts anderes als der Judenstern. Und zwar, weil ich ein Wort benutzt habe, an dem ihr alles andere festmacht. Wenn man ein falsches Wort sagt, ist man für euch ein Nazi. Denkt mal drüber nach." Mit dem sogenannten N-Wort wird heute eine früher in Deutschland gebräuchliche rassistische Bezeichnung für Schwarze umschrieben.
Ein Twitter-Video mit dem Vorfall in Frankfurt
Palmer entschuldigt sich bei Wählern
In seiner persönlichen Erklärung vom Montag entschuldigte sich Palmer bei den Menschen, "die ich enttäuscht habe", und betonte, er hätte als Oberbürgermeister "niemals so reden dürfen". Dass der Eindruck entstanden sei, er würde den Holocaust relativieren, "tut mir unsagbar leid".
Boris Palmer im Februar bei "Lanz": Tübinger OB kritisiert Integrationsleistung
"Eines ist mir klar: So geht es nicht weiter", heißt es in der Erklärung, die das "Schwäbische Tagblatt" abdruckte. "Die wiederkehrenden Stürme der Empörung kann ich meiner Familie, meinen Freunden und Unterstützern, den Mitarbeitern in der Stadtverwaltung, dem Gemeinderat und der Stadtgesellschaft insgesamt nicht mehr zumuten."
Die jüngsten Ereignisse in Frankfurt haben mir gezeigt, dass die Verbindung zwischen den schlimmsten Eklats der letzten Jahre nicht das Internet ist, sondern die Situation: Wenn ich mich zu Unrecht angegriffen fühle und spontan reagiere, wehre ich mich in einer Weise, die alles nur schlimmer macht.
Boris Palmer
Palmer will professionelle Hilfe in Anspruch nehmen
Palmer kündigte an, während seiner Auszeit professionelle Hilfe in Anspruch nehmen zu wollen. Er könne nur versuchen, sich "selbst zu ändern". "Solange ich nicht sicher bin, neue Mechanismen der Selbstkontrolle zu beherrschen, die mich vor Wiederholungen sichern, werde ich alle Konfrontationen mit ersichtlichem Eskalationspotenzial durch Abstinenz vermeiden."
Boris Palmer wurde Ende Dezember 2022 wieder zum Oberbürgermeister von Tübingen gewählt.
Palmer war für seine Äußerungen in Frankfurt heftig kritisiert worden. Unverständnis herrschte nicht nur bei den Beteiligten dort, sondern auch in Baden-Württemberg. Anwalt Rezzo Schlauch wandte sich von Palmer ab, auch der Tübinger Grünen-Stadtverband ging auf Distanz.
Palmer ist seit 2007 Oberbürgermeister in der Tübingens - im Dezember 2022 war er als parteiloser Kandidat angetreten und wiedergewählt worden. Mit pointierten Äußerungen etwa zur Flüchtlingspolitik sorgte er immer wieder für Kontroversen und sah sich Vorwürfen wegen Rassismus ausgesetzt. Bundesweites Aufsehen und Anerkennung brachte aber auch sein Management während der Corona-Pandemie sowie seine kommunale Umweltpolitik.
Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) kritisiert die Corona-Politik in Deutschland. Ab Herbst habe die Politik einen Fehler nach dem anderen gemacht.
Quelle: dpa, ZDF
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Kritik an Oktoberfest in München: „Rassistische und sexistische Darstellungen nicht hinnehmbar“
Erstellt: 26.04.2023 Aktualisiert: 26.04.2023, 15:23 Uhr
Von: Kristina Beck
Der Migrationsbeirat und Netzwerk Rassismus- und diskriminierungsfreies Bayern erheben Rassismus-Vorwürfe gegen rassistische Motive auf dem Oktoberfest in München. © Felix Hörhager/dpa
Rassistische und sexistische Darstellungen auf dem Oktoberfest stehen in der Kritik. Was zwei Münchner Institutionen fordern ‒ auch von Wiesn-Chef Baumgärtner
Update: 26. April, 15.18 Uhr
München ‒ Der Migrationsbeirat der Stadt München und Netzwerk Rassismus- und Diskriminierungsfreies Bayern stellen in einer Mitteilung klar, dass sich die Kritik an rassistischen Darstellungen auf das Oktoberfest und nicht wie in der ursprünglichen Mitteilung auf das Frühlingsfest bezieht.
Rassistische und sexistische Darstellungen auf dem Frühlingsfest stehen in der Kritik. Was zwei Münchner Institutionen fordern ‒ auch von Wiesn-Chef Baumgärtner
Erstmeldung: 26. April, 12.39 Uhr
München ‒ Das Netzwerk Rassismus- und diskriminierungsfreies Bayern und der Migrationsbeirat der Stadt München fordern die Münchner Schausteller und Clemens Baumgärtner, Schirmherr, Wirtschaftsreferent und Wiesn-Chef, auf, „dafür Sorge zu tragen, dass rassistische und sexistische Darstellungen aus dem Gelände des Frühlingsfests auf der Theresienwiese verbannt werden“, heißt es in der Mitteilung vom Mittwoch.
Rassismus-Vorwürfe auf dem Frühlingsfest in München
Der Hintergrund: Auf dem Oktoberfest seien verschiedene rassistische und sexistische Motive zu sehen, wie beispielsweise eine Schwarze Person, die den Rock einer Frau anhebt und auf ihren nackten Hintern blickt.
Die Institutionen verweisen dabei auf den kolonialen Kontext, als „Schwarze Menschen als ,exotische und minderwertige Wilde‘ von vielen deutschen Firmen abgebildet und beschrieben worden waren“. Auch heute noch würden Schwarze Menschen weiterhin sexualisiert und exotisiert dargestellt ‒ „und zwar aus Kolonialnostalgie“.
Migrationsbeirat und antirassistischer Verein kritisieren Oktoberfest-Chef
Ihre Kritik richten sie explizit an die Wiesn-Leitung und die Betreiber. Anstatt die rassistischen Darstellungen zu verbannen, werde „lediglich mit Abwehrhaltung und sogar Verharmlosung des Problems reagiert“, sagt Hamado Dipama vom Vorstand des Netzwerks Rassismus- und diskriminierungsfreies Bayern.
Dimitrina Lang, Vorsitzende des Migrationsbeirats der Stadt München, pflichtet ihm bei: „Wir appellieren an dieser Stelle für mehr Zivilcourage, damit Rassismus in unserer weltoffenen Stadt München nicht geduldet wird, denn es gefährdet das friedliche Miteinander und die Demokratie.“
https://www.tz.de/
Mehr Menschen nehmen rassistische Diskriminierung wahr und sehen Handlungsbedarf
25.04.2023
Das Interesse am Thema Gleichbehandlung ist in der Gesellschaft in den letzten fünfzehn Jahren gestiegen und Antidiskriminierungspolitik findet in der Bevölkerung stärkere Unterstützung. Zudem geben heute mehr Personen an, selbst ethnische, rassistische oder religiöse Diskriminierung erlebt zu haben und mehr Menschen sehen Handlungsbedarf.
In einer aktuellen Befragung geben 77 Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung an, sich sehr oder etwas für das Thema Gleichbehandlung zu interessieren. 2008 waren es 63 Prozent. Der Aussage, dass Antidiskriminierungspolitik langfristig dazu führe, dass es allen in der Gesellschaft besser geht, stimmen heute 66 Prozent der Befragten voll und ganz oder eher zu – gegenüber 59 Prozent 2008. Auch acht von zehn gesellschaftlichen Milieus teilen mehrheitlich diese Ansicht. Das ist das Ergebnis der neuen Studie "Diskriminierung in der Einwanderungsgesellschaft", in der unsere Integrations- und Migrationsexpert:innen Ulrike Wieland und Ulrich Kober auf Grundlage einer repräsentativen Umfrage und Milieuanalyse des Sinus-Instituts untersuchen, wie sich Wahrnehmungen von Diskriminierung und Einstellungen zu Antidiskriminierungspolitik in der Bevölkerung zwischen 2008 und 2022 verändert haben.
Insgesamt rückt das Thema Diskriminierung deutlich stärker in den Fokus der Wahrnehmung der Menschen in Deutschland. "Die Befunde der Studie sind eindeutig. Ich sehe darin eine Zeitenwende für die Antidiskriminierungspolitik in Deutschland", sagte die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman: "Die Gesellschaft ist nicht nur bereit für Antidiskriminierung, sie erwartet sie auch – und das milieubergreifend".
Jede:r dritte Befragte mit Migrationshintergrund hat Diskriminierung erlebt
Der Anteil der Befragten, die von eigenen Diskriminierungserfahrungen berichten, ist gestiegen. Heute geben 13 Prozent der Befragten an, dass sie sich in den vergangenen zwölf Monaten wegen ihrer ethnischen Herkunft (zum Beispiel: Sprache, Name, Kultur), aus rassistischen oder antisemitischen Gründen oder wegen ihrer Herkunft aus einem anderen Land sehr oft oder manchmal diskriminiert gefühlt haben. 2008 berichteten sechs Prozent von Diskriminierung wegen ihres "fremdländischen Aussehens" und sieben Prozent fühlten sich als "Ausländer:in" diskriminiert. Sehr ähnlich ist die Entwicklung der persönlichen Betroffenheit von Diskriminierung wegen der Religion oder Weltanschauung. Von entsprechenden Erfahrungen berichten heute 13 Prozent der Befragten, 2008 waren es sechs Prozent. Von den Befragten mit Migrationshintergrund äußert jede:r Dritte (35 Prozent), in den vergangenen zwölf Monaten sehr oft oder manchmal Diskriminierung wegen der Herkunft oder aus rassistischen Gründen erlebt zu haben, und 28 Prozent geben an, von Diskriminierung wegen der Religion oder Weltanschauung betroffen gewesen zu sein.
Mehr Menschen sehen Handlungsbedarf gegen rassistische Diskriminierung
Fast die Hälfte der Befragten (49 Prozent) ist der Ansicht, dass Menschen, die als fremd oder nicht weiß wahrgenommen werden, stark oder sehr stark diskriminiert werden. Damit zeigt sich bei der Wahrnehmung von rassistischer Diskriminierung gegenüber 2008 eine Steigerung um 18 Prozentpunkte: Damals sahen 31 Prozent der Befragten eine starke oder sehr starke Diskriminierung von "Menschen mit fremdländischem Aussehen".
Besonders stark gestiegen ist auch der wahrgenommene Handlungsbedarf in Bezug auf diese Art der Diskriminierung: 70 Prozent der Befragten sprechen sich mit Blick auf die Gleichbehandlung der genannten Personen dafür aus, dass für sie viel oder etwas mehr getan werden sollte, gegenüber 43 Prozent 2008. Bei den jungen Befragten (bis 29 Jahre) ist die Wahrnehmung von rassistischer Diskriminierung besonders ausgeprägt, und sie sehen auch häufiger Handlungsbedarf. Von ihnen meint eine Mehrheit (56 Prozent), dass als fremd oder nicht weiß wahrgenommene Menschen stark oder sehr stark diskriminiert werden. Dass für diese Personen viel oder etwas mehr getan werden sollte, finden 76 Prozent. "Die veränderten Wahrnehmungen und Einstellungen hängen mit demografischen und soziokulturellen Entwicklungen zusammen", so die unsere Integrationsexpertin Ulrike Wieland.
Der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund in der Gesellschaft ist seit 2008 gewachsen, zudem wurde die Problematik rassistischer Diskriminierung in den letzten 15 Jahren vermehrt öffentlich thematisiert und ist stärker ins Bewusstsein der Menschen in Deutschland gerückt.
Ulrike Wieland, Integrationsexpertin der Bertelsmann Stiftung
https://www.bertelsmann-stiftung.de/
Studie: Breite Mehrheit in Deutschland für Antidiskriminierungspolitik
25.04.2023
Ataman: „Diskriminierung spaltet die Gesellschaft, nicht Antidiskriminierung.“
Aktuelle Bertelsmann-Studie: das Interesse am Thema Diskriminierungsschutz steigt in den letzten fünfzehn Jahren erheblich
Mehr Personen als bei Vergleichsstudie 2008 geben an, selbst Diskriminierung erlebt zu haben
Massiver Stimmungswandel sichtbar, Antidiskriminierungspolitik findet in der Bevölkerung milieuübergreifend Unterstützung
Die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, hat heute die neue Studie der Bertelsmann Stiftung zu „Diskriminierung in der Einwanderungsgesellschaft“ mitvorgestellt. „Die Ergebnisse sind eindeutig: Die Haltung zum Thema Antidiskriminierung hat sich in Deutschland seit Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes fundamental geändert. Das Thema ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Wir sehen eine Zeitenwende für Antidiskriminierungspolitik in Deutschland“, sagt Ataman: „Die Gesellschaft erwartet einen funktionierenden Diskriminierungsschutz – und das milieuübergreifend.“
Noch habe Deutschland „eines der schwächsten Antidiskriminierungsgesetze in Europa“. Laut Koalitionsvertrag soll das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz reformiert werden. Bislang hat die Bundesregierung dazu aber noch nichts vorgelegt. Ataman rief Bundesjustizminister Buschmann auf, die im Koalitionsvertrag versprochene AGG-Reform nun rasch umzusetzen. „Dieser Schritt ist längst überfällig, das zeigt diese Umfrage. Herr Buschmann darf jetzt keine weitere Zeit verlieren.“ Die Daten zeigten, es gebe keine gesellschaftliche Spaltung oder Polarisierung bei diesem Thema, „auch, wenn uns das manche weismachen wollen“, so Ataman. „Wer nach dieser Studie noch leugnet, dass das Thema drängt, hat die gesellschaftliche Entwicklung verschlafen.“
Ataman kündigte zudem eine bundesweite Informationskampagne für den Herbst an, um den Schutz vor Diskriminierung bekannter zu machen.
In der aktuellen Studie „Diskriminierung in der Einwanderungsgesellschaft“ der Bertelsmann-Stiftung geben 77 Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung an, sich für das Thema Gleichbehandlung zu interessieren. In einer vergleichbaren Studie von 2008 waren es 63 Prozent. Der Aussage, dass Antidiskriminierungspolitik langfristig dazu führe, dass es allen in der Gesellschaft besser geht, stimmen heute 66 Prozent der Befragten zu – gegenüber 59 Prozent 2008. Acht von zehn gesellschaftlichen Milieus teilen mehrheitlich diese Ansicht.
Der Anteil der Befragten, die von eigenen Diskriminierungserfahrungen berichten, ist gestiegen. Heute geben 13 Prozent der Befragten an, dass sie sich in den vergangenen zwölf Monaten wegen ihrer ethnischen Herkunft (zum Beispiel: Sprache, Name, Kultur), aus rassistischen oder antisemitischen Gründen oder wegen ihrer Herkunft aus einem anderen Land sehr oft oder manchmal diskriminiert gefühlt haben. 2008 berichteten sechs Prozent von Diskriminierung wegen ihres „fremdländischen Aussehens“ und sieben Prozent fühlten sich als „Ausländer:in“ diskriminiert.
Die Autor*innen Ulrike Wieland und Ulrich Kober von der Bertelsmann Stiftung untersuchten für die Studie auf Grundlage einer repräsentativen Umfrage und Milieuanalyse des Sinus-Instituts, wie sich Wahrnehmungen von Diskriminierung und Einstellungen zu Antidiskriminierungspolitik in der Bevölkerung zwischen 2008 und 2022 verändert haben.
Die Studie „Diskriminierung in der Einwanderungsgesellschaft“ finden Sie hier auf den Seiten der Bertelsmann-Stiftung. >>>
https://www.antidiskriminierungsstelle.de/
Umfrage der Bertelsmann Stiftung
Mehrheit will entschlosseneres Handeln der Politik gegen Diskriminierung
In Deutschland bleibt Diskriminierung laut einer Studie ein weitverbreitetes Problem. Viele Menschen fordern demnach größere Anstrengungen der Politik. Auch die Antidiskriminierungsbeauftragte mahnt die Ampel zu mehr Tempo.
25.04.2023, 17.11 Uhr
Antidiskriminierungsbeauftragte Ataman (M.) gemeinsam mit Ulrich Kober (l.) und Ulrike Wieland (r.) von der Bertelsmann Stiftung Foto: Kay Nietfeld / dpa
Zahlreiche Menschen erleben in Deutschland weiterhin Ausgrenzung – und noch mehr wünschen sich stärkere Antidiskriminierungsmaßnahmen durch die Politik. Das geht aus einer neuen Studie der Bertelsmann Stiftung hervor.
Mit 56 Prozent sieht mehr als jede zweite befragte Person die Verantwortung, sich um die Gleichbehandlung benachteiligter Gruppen in der Gesellschaft zu kümmern, vorrangig bei der Politik. An zweiter Stelle werden mit 44 Prozent Ämter und Behörden genannt.
87 Prozent sehen Aufklärungsarbeit in Kindergärten und Schulen als wichtige Aufgabe des Staats zur Bekämpfung von Diskriminierung. 60 Prozent befürworten zudem eine vermehrte Einstellung vielfältigen Personals in Unternehmen – nach 51 Prozent im Jahr 2008.
Im Fokus sollen nach Ansicht vieler Befragter demnach Menschen mit Migrationshintergrund stehen. 70 Prozent der Befragten sind laut der aktuellen Umfrage dafür, dass für Menschen, die als fremd wahrgenommen werden, mehr getan werden sollte. 2008 waren das erst 43 Prozent.
Mehr als jede dritte Person mit Migrationshintergrund beklagt häufige Diskriminierung in jüngerer Vergangenheit
Sie sind der Umfrage zufolge auch immer noch häufig von Benachteiligungen betroffen. Laut der Erhebung gaben 35 Prozent der Befragten mit Migrationshintergrund an, in den vergangenen zwölf Monaten sehr oft oder manchmal wegen ihrer Herkunft oder aus rassistischen Gründen diskriminiert worden zu sein. 28 Prozent wurden demnach aufgrund der Religion oder der Weltanschauung diskriminiert.
Insgesamt gaben 13 Prozent der Befragten an, sich wegen ihrer Sprache und Kultur, aus rassistischen oder antisemitischen Gründen oder wegen ihrer Herkunft aus einem anderen Land oft oder manchmal diskriminiert zu fühlen. Bei einer ähnlichen Umfrage im Jahr 2008 hatten sechs Prozent von Diskriminierung wegen ihres »fremdländischen Aussehens« berichtet, sieben Prozent fühlten sich als Ausländerin oder Ausländer diskriminiert.
»Stärker ins Bewusstsein der Menschen in Deutschland gerückt«
Die Integrationsexpertin der Bertelsmann Stiftung, Ulrike Wieland, verwies darauf, dass nicht nur der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund in der Gesellschaft in den vergangenen 15 Jahren gewachsen sei. Rassismus und Diskriminierung seien auch öffentlich häufiger thematisiert worden und »stärker ins Bewusstsein der Menschen in Deutschland gerückt«.
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»Antidiskriminierung ist in der Mitte angekommen«
Die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, sieht in den Studienergebnissen ein Zeichen dafür, dass die Gesellschaft nicht nur bereit sei für Antidiskriminierung, sondern diese auch erwarte. »Antidiskriminierung ist in der Mitte angekommen«, sagte Ataman bei der Vorstellung des Papiers. Es gebe keine gesellschaftliche Spaltung oder Polarisierung bei dem Thema. Für die Bundesbeauftragte spalte Diskriminierung die Gesellschaft, nicht das Engagement dagegen.
Den Machern der Studie zufolge liegt das gestärkte Bewusstsein für Diskriminierung unter anderem daran, dass der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund gestiegen ist. Es sei nicht verwunderlich, dass es diesen Rückenwind in dieser Frage gebe, sagte Ulrich Kober von der Bertelsmann Stiftung. Man könne nur hoffen, dass die Politik diesen Ball aufgreife.
Die Studie basiert auf einer Umfrage des Sinus-Instituts im Auftrag der Bertelsmann Stiftung im Herbst 2022 unter mehr als 2000 Menschen.
fek/col/AFP/dpa
https://www.spiegel.de/
Handlungsempfehlungen geben
„Null Toleranz“: Faeser verspricht Konsequenzen nach Polizeistudie zu Rassismus
Erste Ergebnisse einer Studie zu Rassismus in der deutschen Polizei zeigen: Von „Einzelfällen“ kann man offenbar nicht einfach sprechen. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) plädiert daher für eine Überprüfung der Aus- und Fortbildung der Beamten.
04.04.2023, 15:18 Uhr
Berlin. Nach ersten Forschungsergebnissen über rassistische Einstellungen unter Polizisten plädiert Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) für eine Überprüfung der Aus- und Fortbildung der Beamten. „Es gibt null Toleranz gegenüber Rechtsextremismus, Rassismus und anderen Formen von Menschenfeindlichkeit“, betonte Faeser nach der Veröffentlichung eines Zwischenberichts einer größer angelegten Polizeistudie am Dienstag in Berlin. Jeder derartige Vorfall müsse „deutliche Konsequenzen haben“.
Die Innenministerin ergänzte, dies sei man Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten schuldig, die für die vielfältige Gesellschaft einstünden. „Wir wollen eine transparente Fehlerkultur stärken und der Entstehung und Verfestigung von Vorurteilen und Diskriminierungen konsequenter entgegentreten“, sagte Faeser. Die Studie werde Handlungsempfehlungen geben, um beispielsweise Maßnahmen in der Aus- und Fortbildung weiterzuentwickeln: „Auch die Hilfsangebote bei Gewalterfahrungen oder extremer Arbeitsbelastung wollen wir auf Grundlage der Studie weiter ausbauen.“
https://www.rnd.de/
Rassismus-Studie
Zahlreiche Vorurteile bei der Polizei
Eine vom früheren Bundesinnenminister Seehofer in Auftrag gegebene Studie zeigt, dass es innerhalb der Polizei deutliche Vorurteile gegenüber bestimmten Bevölkerungsgruppen gibt.
04.04.2023
Vorurteile gegen Muslime und Wohnungslose sind bei der Polizei stärker ausgeprägt als im Durchschnitt der Bevölkerung. (picture alliance/Fotostand/Reuhl )
Für die Studie werden noch bis nächstes Jahr Polizistinnen und Polizisten nach ihren Einstellungen befragt. Jetzt liegen Zwischenergebnisse vor, über die unter anderem Spiegel Online berichtet. Darin zeigt sich, dass zum Beispiel Vorurteile gegen Muslimen und Wohnungslose bei der Polizei stärker ausgeprägt sind als im Durchschnitt der Bevölkerung. Vorurteile gegenüber Ausländern und Sinti und Roma sind ähnlich verbreitet wie in der gesamten Bevölkerung. Die Studien-Macher teilten mit, die Vorurteile seien nicht mit den Leitbildern der Polizei vereinbar. Es gebe aber kaum Fälle, in denen Polizistinnen und Polizisten eine durchgängig problematische und menschenfeindliche Haltung hätten.
Die Studie wird von der Hochschule der Polizei in Münster durchgeführt. Der damalige Bundesinnenminister Seehofer (CSU) hatte sich lange dagegen gewehrt, eine Untersuchung zu Rassismus in der Polizei in Auftrag zu geben. 2020 wurde dann ersatzweise die Studie in Auftrag gegeben, die sowohl die Motivation als auch den Arbeitsalltag und die Einstellungen von Polizisten und Polizistinnen beleuchten sollte.
Demnach gehören die Unplanbarkeit von Dienstzeiten und Mängel in der Ausstattung zu den Belastungsfaktoren, über die Beamte der Bereitschaftspolizei besonders häufig klagen. Wer bei der Kriminal- oder Schutzpolizei arbeitet, erlebt als Stressfaktoren dagegen besonders häufig Personalmangel und den Umgang mit Opfern von Straftaten. Als belastend wird der Kontakt mit Opfern insbesondere dann erlebt, wenn es sich dabei um Kinder handelt oder um Menschen, die den Angehörigen der Polizei zuvor bekannt waren
Diese Nachricht wurde am 04.04.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.
https://www.deutschlandfunk.de/
Rassismus in der Polizei
: Die Einzelfallthese ist offiziell widerlegt
Ex-Innenminister Horst Seehofer hatte sich gegen eine Studie zu Rassismus in der Polizei gesträubt. Zum Glück! Denn es zeigt sich: Das Problem geht weit darüber hinaus.
Ein Kommentar von Frida Thurm
4. April 2023, 15:01 Uhr
Unter jungen Beamten gibt es laut Studie weniger Diskriminierungstendenzen. Doch wann und wie ändert sich diese Haltung? © Boris Roessler/dpa
Der frühere Bundesinnenminister Horst Seehofer hat sich immer verwehrt gegen eine sogenannte Rassismusstudie in der Polizei und wurde dafür viel kritisiert. Nun muss man sagen: Gut so.
Denn Zwischenergebnisse einer breiter angelegten Befragung von Polizistinnen und Polizisten in Deutschland zeigen: Es gibt problematische Tendenzen in der Polizei von Bund und Ländern, die über ein Rassismusproblem hinausgehen.
Doch zunächst die gute Nachricht. Die Studienleiterin Anja Schiemann von der Deutschen Hochschule der Polizei kann nur eine "sehr kleine Gruppe" ausmachen, "die durchgängig problematische Einstellungen zeigt".
Und nun die schlechten: Es gibt laut Schiemann eine große Anzahl von Polizisten, die stereotypen, menschenfeindlichen Aussagen nicht eindeutig ablehnend gegenübertreten.
Zudem sind es laut Zwischenbericht "mehr als nur Einzelfälle", in denen die Einstellungen der befragten Beamten "kaum mit den Leitbildern der Polizei in Einklang zu bringen" seien.
So stimmten 21 Prozent der über 50.000 befragten Polizistinnen und Polizisten der Aussage zu, "Die meisten Asylbewerber kommen nur hierher, um das Sozialsystem auszunutzen", 20 Prozent fanden, Demonstrationen seien "oft nur ein Deckmantel für Menschen, die Krawall machen wollen". 15 Prozent wollen bettelnde Obdachlose aus der Innenstadt entfernen und 14 Prozent stimmten der Verschwörungserzählung zu, es gebe "geheime Organisationen, die großen Einfluss auf politische Entscheidungen haben". Etwa zehn Prozent hegen negative Einstellungen gegenüber muslimischen Menschen.
Und während diese Aussagen zum Teil die Einstellungen der Gesamtbevölkerung widerspiegeln, gehen sie bei islamfeindlichen Haltungen und Vorurteilen gegen obdachlose Menschen darüber hinaus. Das stellten die Forschenden fest, als sie die Ergebnisse mit der Leipziger Mitte-Studie verglichen.
Wohlgemerkt: Die Teilnahme an der Befragung war freiwillig, je nach Bundesland antworteten nur sechs bis dreiunddreißig Prozent, Hamburg und Baden-Württemberg nahmen gar nicht teil. Es liegt nahe, dass Beamte, die besonders problematische Einstellungen hegen, gar nicht erst geantwortet haben. Und die Antworten können auch davon beeinflusst sein, dass die Beamten wissen, dass sie zu Neutralität verpflichtet sind.
Woher kommen problematische Einstellungen?
Nun lässt sich aus diesen Ergebnissen trotzdem Hoffnung schöpfen für zwei Entwicklungen:
Erstens verbietet es sich von nun an für Polizeichefinnen und Politiker, von "Einzelfällen" zu sprechen, wenn es wieder einen rassistischen Vorfall durch Beamte gegeben hat oder wenn wieder eine rechte Chatgruppe auffliegt. Sorry, Horst Einzelfall Seehofer, sorry, Polizeigewerkschaften.
Zweitens stellt sich die Frage, woher die problematischen Einstellungen kommen. Und da wird es interessant: Unter jungen Beamten gibt es laut Studie weniger Diskriminierungstendenzen. Politische Bildung ist auch fester Bestandteil der Polizeiausbildung.
Wann und wie ändert sich diese Haltung? Nur durch das Alter – oder passiert etwas mit den jungen Beamten, wenn sie in die eingeschworenen Dienstgruppen kommen, in der sich bestimmte Dinge längst verselbstständigt haben? In der Witzchen über "den Bulgaren" (Zitat Studie) als normal hingenommen werden, in der sich die Kollegen nicht mehr gegenseitig bremsen, wenn einer von ihnen Stress abbaut, indem er einen Festgenommenen beschimpft? In der sich im schlimmsten Fall sogar Beamte gegenseitig decken, wenn einer von ihnen jemanden verprügelt?
Die Studie hat darauf keine eindeutige Antwort. Polizeiforscher gehen schon länger davon aus, dass es für Polizistinnen und Polizisten viel zu wenig psychologische Unterstützung und Beratung gibt. Die wäre aber wichtig, nicht nur, damit ihr Frust sich nicht gegen Bürgerinnen und Bürger richtet, sondern auch in ihrem eigenen Interesse: In der aktuellen Befragung haben fast 70 Prozent angegeben, im vergangenen Jahr mindestens einmal im Dienst beschimpft worden zu sein, etwa ebenso viele berichten von Gewalterfahrungen.
Beamte seien laut Studie heute auch eher bereit, Hilfe anzunehmen, als früher. Sie stellt aber ebenso fest: Besonders manchen älteren Polizisten stehen dabei traditionelle Männlichkeitsvorstellungen im Weg.
Es könnte am Ende auch Seehofers Vermächtnis sein, wenn sich daran etwas ändert. Zwar verhinderte er, dass das problematische Racial Profiling ebenfalls untersucht wurde – es sei schließlich verboten. Dennoch liefert diese Studie Fakten für die Diskussion um die Polizei, die auch von konservativer Seite nicht zu ignorieren sind. Die These der Einzelfälle ist nun offiziell widerlegt.
https://www.zeit.de/
DISKRIMINIERUNG
Kolumne: Rassismus im neuen Gewand
Die Teilhabe aller gesellschaftlicher Gruppen bedeutet keine Benachteiligung bisheriger Entscheidungsträger. Sie ist ein demokratisches Recht. Gedanken zum Internationalen Tag gegen Rassismus von Sheila Mysorekar.
Datum 20.03.2023
Autorin/Autor Sheila Mysorekar
Demonstration zum Gedenken an die Opfer des rassistischen Anschlags in Hanau am 20. Februar 2022
In Europa sollten wir eigentlich längst so weit sein, Rassismus zu ächten. Doch das ist leider nicht der Fall. In einer Reihe europäischer Länder sind sogar rechtsradikale und rassistische Parteien in Parlamenten oder sogar in der Regierung vertreten.
Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit – wozu Rassismus, Antisemitismus, anti-muslimischer Rassismus, Antiziganismus, aber auch Homophobie oder Transfeindlichkeit gehören – ist leider nach wie vor integraler Teil vieler europäischer Gesellschaften.
Tod im Mittelmeer
Nirgendwo zeigt sich dies deutlicher als in der Abschottung der Grenzen Europas gegen Schutzsuchende aus Afrika, Asien und arabischen Ländern. Es gibt keine Möglichkeiten mehr, ungehindert nach Europa einzureisen und dort einen Asylantrag zu stellen – etwas, was im internationalen Recht verankert ist und zu den Grundrechten aller Menschen gehört.
Die Folge: Seit Anfang dieses Jahres sind bereits mindestens 350 Menschen im Mittelmeer ertrunken. Menschen auf der Flucht vor Krieg und Unterdrückung, verzweifelt genug, um in kleine Schlauchboote zu steigen – in der Hoffnung, die Küste Europas und damit Schutz zu erreichen.
DW-Kolumnistin Sheila Mysorekar, Porträtfoto
2022 waren es laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) mindestens 2406 Menschen, die auf dem Fluchtweg im Mittelmeer starben, im Jahr zuvor über 3000 Personen.
Seit 2014 sind mindestens 26.000 Menschen, die das Mittelmeer überqueren wollten, ertrunken oder vermisst. Die Dunkelziffer ist hoch. Das ist nicht nur ein Skandal: Es ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Permanente Bringschuld
Deutschland ist das Land in Europa, das die meisten Geflüchteten aufgenommen hat, davon je über eine Million aus Syrien und der Ukraine. Andere Länder, wie Ungarn oder jüngst Großbritannien, rühmen sich damit, das Asylrecht in ihrem Staatsgebiet zu auszuhebeln.
Rechtspopulisten jubeln darüber, denn ihr Diskurs ist klar aufgeteilt in "wir" und "die": "wir Deutschen", und dem gegenüber "die Anderen", Migrant*innen und Geflüchtete.
Rassismus hat einen neuen, modernen Anstrich bekommen. Jetzt ist nicht mehr die Rede von "unterlegenen Rassen", sondern von Kulturen, die angeblich "inkompatibel mit den westlichen Werten" seien. Das gilt nicht nur für Geflüchtete; auch Menschen aus internationalen Familien, die seit Generationen in Europa leben.
Es wird eine permanente Bringschuld aufgeladen: sie seien nicht integrationswillig genug, ihre Religion sei rückwärtsgewandt, ihre Bildung zu schlecht. Dass gerade der letzte Punkt mit strukturellem Rassismus zu tun hat, ist oft nicht einmal Politikern und Politikerinnen klar.
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Gleiche Chancen für schwarze und queere Menschen?
Bangen um Privilegien
Gesellschaftlich sehen wir zwei entgegengesetzte Bewegungen: Zum einen haben wir eine zunehmend vielfältige Gesellschaft, wo Minderheiten selbstbewusst ihre Teilhabe einfordern.
Gleichzeitig gibt es einen Rückwärtstrend, der von denjenigen gestützt wird, die um ihre bisherigen Privilegien bangen. Manche kritisieren, sie dürften nichts mehr sagen, ja sogar, dass ihnen Rassismus entgegenschlüge.
Ganz besonders oft hört man dies von gesellschaftlichen Gruppen, die die meisten Entscheidungspositionen in Deutschland fest in ihrer Hand haben. Und ausgerechnet diese Leute haben das Gefühl, dass sie nichts mehr sagen dürften und benachteiligt würden? Wieso?
Ein Grund ist, dass Minderheiten, die bislang keine Stimme hatten, nunmehr ihre Positionen vertreten und auch Forderungen erheben, so etwa die Forderung nach Gleichbehandlung und Teilhabe. Frauen sowieso, aber auch Schwarze und People of Color, queere Menschen und viele andere. Sie wollen mitreden – und das ist ihr gutes Recht.
Kritik ist kein Canceln
Manche Leute, vor allem weiße Männer, empfinden die Tatsache, dass auf einmal Widerspruch kommt, als herabsetzend. Gegenwind zu bekommen ist für sie neu, und daher haben manche das subjektive Gefühl, ihnen werde der Mund verboten.
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Was ist Diversity?
Das Gegenteil ist der Fall: Sie dürfen weiterhin alles sagen; die Medien sind voll mit Interviews mit älteren weißen Männern. Aber ebenso ist es erlaubt, sie zu kritisieren. Kritik ist kein Canceln, sondern es ist Zeichen einer lebendigen demokratischen Gesellschaft, wenn alle lautstark mitdiskutieren.
Zum anderen bedeutet die Forderung nach Teilhabe, dass bisher unterrepräsentierte Gruppen stärker darauf pochen, Zugang zu allen Positionen zu bekommen. Dadurch entsteht mehr Konkurrenz.
Wo es beispielsweise früher normal war, dass der Chef immer ein Mann war, gibt es jetzt mehr Chefinnen. Damit kommen nicht alle Männer klar: Wenn Privilegien aufgegeben werden müssen, dann fühlt sich das an wie eine Herabsetzung – dabei wird nur eine gerechtere Situation für alle hergestellt. Der sogenannte 'umgekehrte Rassismus' ist deshalb ein weiterer beliebter Vorwurf.
All diese Selbstverständlichkeiten werden jedoch immer wieder in Frage gestellt, um die wirkliche Debatte über Rassismus und Machtfragen zu vernebeln. Über die sehr realen Benachteiligungen von Minderheiten haben wir viel zu lange nicht gesprochen. Aber darum muss es gehen: um Teilhabe und Respekt – und um Gerechtigkeit.
Doch es gibt in Deutschland zahlreiche Individuen und Organisationen, die aktiv im Kampf gegen Rassismus sind. Viele von ihnen sind Deutsche aus migrantischen Communities.
Sheila Mysorekar ist Vorsitzende der "neuen deutschen organisationen", einem bundesweiten Zusammenschluss von postmigrantischen Initiativen gegen Rassismus und für Vielfalt.
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Begriff „Rasse“ im Grundgesetz: Habeck kritisiert Groko als kompromissunfähig
Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Der Begriff „Rasse“ wird daraus vorerst nicht gestrichen.
Die große Koalition hat das Vorhaben, den Begriff „Rasse“ aus dem Grundgesetz zu streichen, für diese Wahlperiode als gescheitert erklärt. Grünen-Chef Robert Habeck zeigt sich enttäuscht. Es hätten schließlich zahlreiche Änderungsalternativen vorgelegen.
Daniela Vates und Anja Semonjek
10.06.2021, 10:23 Uhr
Berlin. In der Debatte um die Streichung des Begriffs Rasse aus dem Grundgesetz hat Grünen-Chef Robert Habeck der großen Koalition aus SPD und Union mangelnde Kompromissbereitschaft vorgeworfen. „Dass die Koalition nun nicht mal in der Lage war, sich auf die Streichung eines fachlich falschen und abwertenden Begriffs im Grundgesetz zu verständigen, ist äußerst enttäuschend“, sagte Habeck dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
„Es gibt keine menschlichen Rassen. Deshalb hatten wir vorgeschlagen, den Begriff im Grundgesetz zu streichen und stattdessen von rassistischer Benachteiligung zu sprechen. Wir wären aber auch offen für andere Formulierungen gewesen.“ Es habe eine Vielzahl von Anregungen auf dem Tisch gelegen.
Die Union hatte am Mittwoch erklärt, dass eine Grundgesetzänderung zur Streichung des Rasse-Begriffs in dieser Wahlperiode nicht mehr erfolgen wäre. Für eine Grundgesetzänderung ist in Bundestag und Bundesrat eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig. Die Regierungskoalition hätte also auch Stimmen aus der Opposition dafür gebraucht.
Obwohl es innerhalb der schwarz-roten Bundesregierung Einvernehmen über eine alternative Formulierung zum Verbot von Diskriminierung von Menschen gegeben habe, komme es nun in dieser Legislaturperiode nicht mehr zur Korrektur, beklagte auch die rechtspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Gespräch mit dem RND.
„Wir teilen das Anliegen, den Begriff ,Rasse‘ im Grundgesetz zu ersetzen – und bedauern, dass die Union das Vorhaben blockiert hat“, sagte Keul. Angemessener sei die Formulierung, dass „rassistische“ Diskriminierung oder Diskriminierung aus „rassistischen Gründen“ verboten sei. „Über diese letztgenannte Formulierung bestand sogar in der Bundesregierung Einvernehmen – nur hat die Union verhindert, dass ein Gesetzentwurf überhaupt beschlossen und eingebracht wird.“
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte dafür plädiert, den Begriff „Rasse“ durch eine neue Formulierung zum Schutz vor Rassismus zu ersetzen. Mit Innenminister Horst Seehofer (CSU) hatte sie sich danach auf die Änderung geeinigt, dass niemand aus „rassistischen Gründen“ benachteiligt werden dürfe.
In Artikel 3 Absatz 3 heißt es: „Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstimmung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden (...).“
Keul verwies auf einen Gesetzentwurf der Grünen. Darin werde gefordert, den Artikel 3, Absatz 3 durch eine Gewährleistungspflicht zu ergänzen. Diese laute: „Der Staat gewährleistet Schutz gegen jede gruppenbezogene Verletzung der gleichen Würde aller Menschen und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“
CDU-Rechtspolitiker argumentiert gegen Änderung
Jan-Marco Luczak, rechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, begründete das Nein seiner Fraktion so: „Eine bloße Streichung des Begriffs Rasse kommt nicht in Betracht, da dies den absoluten Diskriminierungsschutz vermindern würde.“ Das von Artikel 3 Absatz 3 verfolgte Ziel bleibe höchst aktuell, nämlich die Bekämpfung von Rassismus.
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Die Väter und Mütter des Grundgesetzes hätten mit der Formulierung in bewusster Abgrenzung zum Rassenwahn der Nationalsozialisten ein Zeichen gegen rassistische Ausgrenzung und Hass setzen wollen, sagte Luczak. Dieser historische Bezug müsse erhalten bleiben. Der Begriff „rassistisch“ sei soziologisch aufgeladen und damit juristisch unscharf.
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Diskriminierende Sprache
: Reden bedeutet Risiko
Das Sprechen über diskriminierende und stigmatisierende Sprache macht uns verletzlich. Gerade deshalb ist es so wichtig, es zu tun.
Von Teresa Koloma Beck
20.03.2020, 20:24 Uhr
Die Debatte um angemessene Bezeichnungen ist richtig und wichtig. © Photo by LinkedIn Sales Navigator/unsplash.com
Reden bedeutet Risiko – Seite 1
Vor einigen Jahren fragte mich ein Student in einer Sprechstunde, wie er in einer Hausarbeit die englischen Begriffe African-Americans und Blacks ins Deutsche übersetzen solle. Diese Frage mag trivial erscheinen, zumal sich in der einschlägigen Literatur leicht Antworten finden ließen. In der konkreten Situation jedoch erzeugte sie Anspannung auf beiden Seiten. Sichtlich nervös trägt der Studierende vor, was er über die Probleme dieser oder jener Begriffsverwendung weiß und warum er unsicher ist. Und auch mich selbst holt das Zuhören aus der Komfortzone. Denn in diesem Gespräch geht es um mehr als nur akademische Konventionen.
Die Frage nach angemessenen deutschsprachigen Bezeichnungen für nicht weiße Menschen ist zwischen uns keine wissenschaftlich abstrakte, sondern unmittelbar sozial relevant. Denn es geht um Begriffe, die – zumindest in ihrer weiten Auslegung – auch mich bezeichnen. Dieser implizite Kontext unseres Gesprächs bleibt unausgesprochen, sorgt aber dafür, dass uns beiden etwas unbehaglich zumute ist. Denn über die trivial erscheinende Frage nach den richtigen Begriffen kommt etwas Persönliches ins Spiel, das die ritualisierte Dramaturgie universitärer Sprechstunden durcheinanderbringt. Für einen Moment wird die Professorin als Teil einer von Stigmatisierung und Diskriminierung betroffenen Minderheit lesbar.
Für einen Moment sitzen wir uns nicht nur als Professorin und Studierender gegenüber, sondern auch als weißer Mann und nicht weiße Frau. Diese Gleichzeitigkeit gegenläufiger sozialer Asymmetrien unterbricht die Routinen des Sprechstundengesprächs. Plötzlich sind wir einfach zwei Menschen, geworfen in eine Kommunikationssituation, in der wir beide verletzlich sind. Wenn auch auf sehr unterschiedliche Art.
Teresa Koloma Beck, Jahrgang 1977, ist Professorin für Soziologie. Sie forscht zu Globalisierungsprozessen und zum Alltag in bewaffneten Konflikten. © privat
Ich selbst bin es nicht nur aus offensichtlichen Gründen. Rassistische Erfahrungen haben einige Jahre meines Lebens in einer Weise geprägt, dass ich das Thema wissenschaftlich lange Zeit vermied. Deshalb bin ich in der Situation nicht nur persönlich verletzlich, sondern für einen Moment auch professionell sprachlos.
Doch auch der Studierende hat sich angreifbar gemacht. Anstatt sich einfach auf Konventionen zu beziehen, fragt er nach meiner Perspektive, die notwendig nicht nur fachlich, sondern auch persönlich ist. Damit riskiert er Belehrung, Zurecht- und Zurückweisung. Er ist nervös, weil er nicht sicher sein kann, dass er in seiner Frage nicht schon ein verletzendes Wort ausgesprochen hat; weil es möglich ist, dass ich das Nachfragen selbst als unangemessen empfinde. Es gibt vielerlei Unsicherheiten und für uns beide steht etwas auf dem Spiel.
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Darüber, was wie gesagt werden kann und wer wie bezeichnet werden sollte, wird in letzter Zeit wieder heftig gestritten. Zu Recht. Denn Sprache dient nicht nur der Verständigung. Sie beeinflusst, was wir denken und uns vorstellen können und damit auch, wie wir die Welt und uns selbst in ihr erfahren und wie wir uns anderen Menschen zuwenden können. In diesem Sinne ist Sprache hochpolitisch. Experimentelle psychologische Untersuchungen zeigen beispielsweise, dass die Verwendung des generischen Maskulinums einen geringeren gedanklichen Einbezug von Frauen zur Folge hat als verschiedene gendersensible Alternativen.
In der kritischen Auseinandersetzung mit stigmatisierender und diskriminierender Sprache geht es also – anders als die Gegner der sogenannten Political Correctness es häufig darstellen – um sehr viel mehr als persönliche Be- und Empfindlichkeiten. Es geht um Möglichkeiten sozialer und politischer Teilhabe. Diese sicherzustellen ist in Demokratien von zentraler Bedeutung. Darum ist die Debatte um angemessene Bezeichnungen richtig und wichtig.
Dennoch wird mir angesichts öffentlicher Kämpfe um nicht diskriminierende Sprache bisweilen unbehaglich zumute. Und zwar immer dann, wenn Debatten so geführt werden, dass der Eindruck entsteht, mit der Festlegung einer korrekten oder angemessenen Terminologie seien alle Probleme gelöst. Dabei fängt das Sprechen dann doch erst an!
Und Gespräche sind immer risikoreich – auch wenn sie auf diskriminierende Sprache verzichten. Diskriminierung ist ein soziales Phänomen, das nicht in Fragen der korrekten Adressierung und Bezeichnung von Personen aufgeht. Sie findet nicht nur statt, wenn rassistische, homophobe, antisemitische, misogyne oder antimuslimische Witze gerissen oder Beleidigungen gerufen werden. Wenn im politischen Kontext von Diskriminierung die Rede ist, geht es um historisch gewachsene gesellschaftliche Strukturen, die die Erfahrung eines Teils der Bevölkerung einschneidend prägen, während sie für viele andere Menschen unsichtbar sind. Deshalb ist es immer möglich, dass das Sprechen über Diskriminierung Verletzungen in Erinnerung ruft oder neue erzeugt. Keine noch so nach allen Seiten abgesicherte Sprache kann das verhindern.
Wer nach Bezeichnungen fragt, erkennt ihre soziale Relevanz an
Der Kampf um angemessene Bezeichnungen sollte sich verbinden mit einem ebenso engagierten Eintreten für das risikoreichere Gespräch über jene historischen Erfahrungen und Prozesse, auf die diese Bezeichnungen verweisen. Sonst riskiert er, letztendlich jenen in die Hände zu spielen, die nichts sehnlicher wünschen, als diese Debatte endlich abzuschließen, um zur Tagesordnung zurückkehren zu können. Sich gegen Diskriminierung einzusetzen heißt, an einer anderen, den gegenwärtigen Verhältnissen angemesseneren Tagesordnung zu arbeiten. Dazu ist es nötig, das Gespräch über Mechanismen und Erfahrungen der Diskriminierung in Gang zu halten.
Diese sind deutlich vielfältiger, als es die Begriffe, die wir derzeit verhandeln, suggerieren. Als Soziologin mit deutschem Pass, die das Glück hatte, die Wissenschaft zum Beruf machen zu können, bin ich im Alltag mit anderen Formen des Rassismus konfrontiert und habe auch andere Möglichkeiten, ihm entgegenzutreten oder auszuweichen, als Menschen, die beispielsweise ohne dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung im Niedriglohnsektor arbeiten. Immer mal wieder werde ich in Gesprächen im privaten oder beruflichen Umfeld aufgefordert, als eine Art Zeugin über rassistische Erfahrung in Deutschland zu berichten. Dann versuche ich klarzustellen, dass ich zwar gern über meine persönlichen Erfahrungen Auskunft gebe, diese jedoch in keiner Weise repräsentativ sind; dass ein Gespräch mit mir keine abschließenden Antworten liefern, sondern nur ein Mosaikstein in einem Bild sein kann, das es zusammenzusetzen gilt. Rassismuserfahrungen sind vielgestaltig. Und die öffentliche Debatte über die Vielfalt des Phänomens hat in Deutschland eben erst begonnen.
Gespräche darüber sind anspruchsvoll, bisweilen sogar eine Zumutung. Sich darauf einzulassen, heißt, sich in Verletzlichkeit und Angreifbarkeit zu begegnen; es heißt, auszuhalten, nie genau wissen zu können, wo die wunden Punkte des Anderen liegen, und auch nicht, mit welchen eigenen wunden Punkten mich das Gespräch konfrontieren wird; es heißt, zuhören wollen und mehr Fragen als Antworten zu haben. Solche Begegnungen sind riskant. Und sie können scheitern. Doch wo sie gelingen, können Allianzen und Erfahrungen von Mitmenschlichkeit entstehen, die in der Arbeit an der langfristigen Transformation diskriminierender Strukturen eine wichtige Ressource darstellen.
Reden heißt Risiko. Doch werden wir nur im Miteinander-Reden etwas verändern können. Mir selbst fällt es sehr viel leichter, mit (begrifflichen) Unsicherheiten meines Gegenübers umzugehen als mit der Selbstgewissheit eines von der eigenen Korrektheit überzeugten Sprechens, der die grundlegenden Fragen für geklärt hält.
Dem Studierenden, der mich damals in meiner Sprechstunde mit seiner Frage überraschte, erklärte ich, dass schwarz ein auch im akademischen Kontext durchaus geläufiger Ausdruck sei, dass er African-Americans im englischen Original belassen könne und diese Festlegungen am Anfang seines Essays kurz erklären solle. Vor allem aber brachte ich meine Anerkennung dafür zum Ausdruck, dass er sich diese Fragen überhaupt gestellt, ihre soziale Relevanz erkannt und riskiert hatte, sie zum Gegenstand eines persönlichen Gesprächs zu machen.
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Drei Jahre nach Anschlag in Hanau
Deutschland hat weiter ein Rassismusproblem
Stand: 19.02.2023 00:26 Uhr
Ende 2020 beschloss die Bundesregierung Maßnahmen gegen Rechtsextremismus und Rassismus. Doch diese müssten auch umgesetzt werden, fordert die Antidiskriminierungsbeauftragte Ataman drei Jahre nach dem Anschlag in Hanau.
Die Maßnahmen im Kampf gegen Rechtsextremismus müssten konsequenter umgesetzt werden - das fordert die Antidiskriminierungsbeauftragte der Bundesregierung, Ferda Ataman. Zum dritten Jahrestag des rassistischen Anschlags in Hanau zieht sie eine Bilanz. Viele von Rassismus betroffene Menschen erlebten im Moment, dass die Diskussion über Diskriminierung als "woke" oder als "Identitätspolitik" verharmlost und als "belangloses Interesse von Minderheiten" abgetan werde, so Ataman.Ende 2020 sei ein Kabinettsbeschluss mit Maßnahmen gegen Rechtsextremismus und Rassismus politische eine Zäsur gewesen, so Ataman. "Umso mehr ist es enttäuschend, dass die Bundesregierung ihre Ankündigungen bis heute nicht umgesetzt hat." Der umstrittene Begriff "Rasse" sei zum Beispiel nicht aus Artikel 3 des Grundgesetzes gestrichen worden.Deutschland habe weiterhin ein Rassismusproblem, sagt Ataman. Das zeige sich unter anderem, wenn Bundespolitiker abfällig über muslimische Jugendliche als "kleine Paschas" redeten. CDU-Chef Friedrich Merz hatte nach den Ausschreitungen in der Silvesternacht in Berlin diesen Ausdruck verwendet.
Zum Gedenken an die Opfer von Hanau halten Menschen Schilder mit ihren Gesichtern und Namen hoch, außerdem ein Schild mit der Aufschrift "Rassismus tötet". | dpa
19.02.2023
Drei Jahre nach Anschlag in Hanau: Die Hinterbliebenen kämpfen weiter >>>
Drei Jahre nach dem Anschlag von Hanau stellen sich manche der Hinterbliebenen unermüdlich ans Rednerpult.
Buschmann: "Fassungslosigkeit, Trauer, Abscheu"Am 19. Februar 2020 hatte ein 43-Jähriger in Hanau neun Menschen aus rassistischen Gründen erschossen und weitere Menschen verletzt. Danach erschoss er seine Mutter und sich selbst.Dass Menschen aufgrund ihrer Herkunftsgeschichte in Deutschland fürchten müssten, Opfer von Gewalttaten zu werden, dürfe nicht geduldet werden, sagt Bundesjustizminister Marco Buschmann. Der Anschlag in Hanau bleibe eine Wunde, die nicht verheile, so der FDP-Politiker.Drei Jahre nach diesem Akt des Terrors blieben "Fassungslosigkeit, Trauer, Abscheu und die Frage: Warum war der Staat nicht in der Lage, seine Bürgerinnen und Bürger zu schützen?", sagt Buschmann. Der Rechtsstaat und seine Vertreter müssten ihre Lehren aus dem Anschlag und ihrem eigenen Versagen ziehen.
Menschen gedenken in München mit Kerzen und Blumen der Opfer des rechtsextremen Terroranschlags von Hanau. (Archivbild: Hanau kommt auch knapp drei Jahre nach dem rassistischen Attentat mit neun Toten nicht zur Ruhe.
Gedenken der Opfer in HanauDie genaue Aufklärung der Umstände des Anschlags von Hanau sei für viele Betroffene von großer Bedeutung, um ihre Trauer erarbeiten zu können, sagt der Opferbeauftragte der Bundesregierung, Pascal Kober. "Auch über das strafrechtlich Notwendige hinaus", so der FDP-Politiker.Vertreter aus Politik, Bürgerschaft und Religionsgemeinschaften gedenken heute der Opfer in Hanau. Zum Gedenken werden unter anderem Bundesinnenministerin Nancy Faeser und die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Annette Kurschus, erwartet.
https://www.tagesschau.de/
Antidiskriminierungsbeauftragte: Rassismus-Problem
Erstellt: 18.02.2023 Aktualisiert: 18.02.2023, 17:41 Uhr
Drei Jahre nach dem rassistischen Anschlag von Hanau übt die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, scharfe Kritik am Umgang mit von Rassismus Betroffenen in Deutschland. „Die Angehörigen von Hanau, aber auch viele andere Menschen, die Rassismus-Erfahrungen machen, erleben gerade, dass Diskriminierung als "woke" oder "Identitätspolitik" verharmlost und als belangloses Interesse von Minderheiten abgetan wird“, sagte Ataman den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag).
Berlin - Gleichzeitig sei zu beobachten, dass nach Ereignissen in der Silvesternacht ein Generalverdacht gegen Menschen mit Migrationshintergrund ausgesprochen wurde. „Deutschland hat ein Rassismus-Problem - das zeigt sich auch daran, wenn Bundespolitiker abfällig über muslimische Jugendliche als "kleine Paschas" reden“, sagte Ataman mit Blick auf umstrittene Äußerungen des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz.
Die Antidiskriminierungsbeauftragte forderte anlässlich des Gedenkens an den rechtsterroristischen Anschlag, dass Maßnahmen gegen Rechtsextremismus konsequenter umgesetzt werden müssten. „Nach dem rassistischen Mordanschlag von Hanau gab es zum ersten Mal einen Kabinettsbeschluss gegen Rechtsextremismus und Rassismus. Das war politisch eine Zäsur. Umso mehr ist es enttäuschend, dass die Bundesregierung ihre Ankündigungen bis heute nicht umgesetzt hat.“ Der umstrittene Begriff „Rasse“ in Artikel 3 des Grundgesetzes etwa sei „trotz entsprechender Ankündigungen in einem Maßnahmenpaket der Bundesregierung noch nicht geändert worden“, sagte Ataman. dpa
https://www.hna.de/
DREI JAHRE NACH HANAU :
Ataman bescheinigt Deutschland Rassismus-Problem
AKTUALISIERT AM 18.02.2023-22:00
Diskriminierung werde hierzulande als „belangloses Interesse von Minderheiten“ abgetan, moniert die Antidiskriminierungsbeauftragte Ataman. Das deutsche Rassismus-Problem zeige sich auch, wenn von „kleinen Paschas“ die Rede sei.
Drei Jahre nach dem rechtsextremistischen Anschlag in Hanau hat die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, den Umgang mit Betroffenen von Rassismus in Deutschland kritisiert. „Deutschland hat ein Rassismus-Problem – das zeigt sich auch daran, wenn Bundespolitiker abfällig über muslimische Jugendliche als 'kleine Paschas' reden“, sagte sie den Funke Zeitungen vom Samstag. Sie bezog sich damit auf eine Äußerung von CDU-Chef Friedrich Merz.
Angehörige von Opfern in Hanau und viele andere Menschen mit Rassismus-Erfahrungen erlebten gerade, dass Diskriminierung verharmlost „und als belangloses Interesse von Minderheiten abgetan wird“, fuhr sie fort. „Gleichzeitig beobachten wir, dass nach Ereignissen in der Silvesternacht ein Generalverdacht gegen Menschen mit Migrationshintergrund ausgesprochen wurde.“
Ataman forderte vor dem Hintergrund des Hanau-Gedenkens, dass Maßnahmen gegen Rechtsextremismus konsequenter umgesetzt werden. Nach der Tat von Hanau habe es „zum ersten Mal einen Kabinettsbeschluss gegen Rechtsextremismus und Rassismus“ gegeben. „Umso mehr ist es enttäuschend, dass die Bundesregierung ihre Ankündigungen bis heute nicht umgesetzt hat.“ So sei etwa der umstrittene Begriff „Rasse“ im Grundgesetz noch immer nicht geändert worden.
Buschmann: Hanau „bleibt eine Wunde, die nicht verheilt“
Der Anschlag von Hanau jährt sich am Sonntag zum dritten Mal. Am 19. Februar 2020 hatte Tobias R. in der hessischen Stadt neun Menschen mit Migrationshintergrund, seine Mutter und sich selbst getötet. Ende Dezember 2021 stellte die Bundesanwaltschaft ihre Ermittlungen zu dem Anschlag ein. Es gebe keine Anhaltspunkte für Mittäter, Anstifter, Gehilfen oder Mitwisser des Attentäters, hieß es. Unter den Angehörigen der Opfer sorgte das für Kritik.
Justizminister Marco Buschmann (FDP) erklärte, der Anschlag in Hanau „bleibt eine Wunde, die nicht verheilt“. „Dass Menschen aufgrund ihrer Herkunftsgeschichte in unserem Land fürchten müssen, Opfer von Gewalttaten zu werden, dürfen wir nicht dulden“, fuhr er fort.
Der Opferbeauftragte der Bundesregierung, Pascal Kober (FDP), gedachte der Todesopfer des Anschlags - sie seien „unvergessen“. Hanau „ist und bleibt für uns alle eine Mahnung, dass viel zu viele Menschen in unserem Land in ihrem Alltag rassistische Gewalt erfahren müssen“, fuhr er fort. „Als Gesellschaft sollten wir alles dafür tun, Rassismus, Gewalt und Diskriminierung jeden Tag zu bekämpfen.“
Quelle: AFP
https://www.faz.net/
Drei Jahre nach Hanau-Anschlag
:Ataman: "Deutschland hat Rassismus-Problem"
Datum:
18.02.2023 16:32 Uhr
Die Antidiskriminierungsbeauftragte bescheinigt dem Land drei Jahre nach Hanau ein Rassismus-Problem. Justizminister Buschmann bezeichnete die Tat als "Wunde, die nicht verheilt".
Drei Jahre nach dem rechtsextremistischen Anschlag in Hanau hat die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, den Umgang mit Betroffenen von Rassismus in Deutschland kritisiert. "Deutschland hat ein Rassismus-Problem - das zeigt sich auch daran, wenn Bundespolitiker abfällig über muslimische Jugendliche als 'kleine Paschas' reden", sagte sie den Funke Zeitungen vom Samstag. Sie bezog sich damit auf eine Äußerung von CDU-Chef Friedrich Merz.
Für seine "Pascha-Bemerkung" bei Markus Lanz hat CDU-Chef Merz viel Kritik bekommen:
Angehörige von Opfern in Hanau und viele andere Menschen mit Rassismus-Erfahrungen erlebten gerade, dass Diskriminierung verharmlost "und als belangloses Interesse von Minderheiten abgetan wird", fuhr sie fort. "Gleichzeitig beobachten wir, dass nach Ereignissen in der Silvesternacht ein Generalverdacht gegen Menschen mit Migrationshintergrund ausgesprochen wurde."
Ataman: Maßnahmen gegen Rechtsextremismus auch umsetzen
Ataman forderte vor dem Hintergrund des Hanau-Gedenkens, dass Maßnahmen gegen Rechtsextremismus konsequenter umgesetzt werden. Nach der Tat von Hanau habe es "zum ersten Mal einen Kabinettsbeschluss gegen Rechtsextremismus und Rassismus" gegeben.
"Umso mehr ist es enttäuschend, dass die Bundesregierung ihre Ankündigungen bis heute nicht umgesetzt hat." So sei etwa der umstrittene Begriff "Rasse" im Grundgesetz noch immer nicht geändert worden.
Rassismus ist in Deutschland tief verwurzelt. Woran liegt das?
Der Anschlag von Hanau jährt sich am Sonntag zum dritten Mal. Am 19. Februar 2020 hatte Tobias R. in der hessischen Stadt neun Menschen mit Migrationshintergrund, seine Mutter und sich selbst getötet. Ende Dezember 2021 stellte die Bundesanwaltschaft ihre Ermittlungen zu dem Anschlag ein. Es gebe keine Anhaltspunkte für Mittäter, Anstifter, Gehilfen oder Mitwisser des Attentäters, hieß es. Unter den Angehörigen der Opfer sorgte das für Kritik.
Buschmann: Hanau - "eine Wunde, die nicht verheilt"
Justizminister Marco Buschmann (FDP) erklärte an diesem Samstag, der Anschlag in Hanau "bleibt eine Wunde, die nicht verheilt". Drei Jahre nach "diesem Akt des Terrors bleiben Fassungslosigkeit, Trauer, Abscheu und die Frage: Warum war der Staat nicht in der Lage, seine Bürgerinnen und Bürger zu schützen?" Der Rechtsstaat und seine Vertreter müssten "ihre Lehren aus diesem Anschlag und aus ihrem eigenen Versagen ziehen".
Dass Menschen aufgrund ihrer Herkunftsgeschichte in unserem Land fürchten müssen, Opfer von Gewalttaten zu werden, dürfen wir nicht dulden.
Marco Buschmann, Bundesjustizminister (FDP)
Der Opferbeauftragte der Bundesregierung, Pascal Kober (FDP), gedachte der Todesopfer des Anschlags - sie seien "unvergessen". Hanau "ist und bleibt für uns alle eine Mahnung, dass viel zu viele Menschen in unserem Land in ihrem Alltag rassistische Gewalt erfahren müssen", fuhr er fort. "Als Gesellschaft sollten wir alles dafür tun, Rassismus, Gewalt und Diskriminierung jeden Tag zu bekämpfen."
Am Sonntag gedenken in Hanau Vertreter aus Politik, Bürgerschaft und Religionsgemeinschaften der Opfer. Erwartet werden unter anderem Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Annette Kurschus.
Quelle: AFP, epd
https://www.zdf.de/
Partei setzt ihm Frist
CDU-Präsidium fordert Maaßen zum Austritt auf
Stand: 30.01.2023 12:53 Uhr
Einstimmig hat das CDU-Präsidium Ex-Verfassungsschutzpräsident Maaßen zum Austritt aus der Partei aufgefordert. Sollte er bis kommenden Sonntag nicht freiwillig austreten, werde die Partei ein Ausschlussverfahren einleiten.Das CDU-Präsidium hat dem früheren Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen eine Frist zum Parteiaustritt gesetzt: Bis zum kommenden Sonntagmittag - 5. Februar - soll er freiwillig austreten.Wenn er der Aufforderung nicht nachkomme, werde die Partei ein Ausschlussverfahren anstreben, "und ihm mit sofortiger Wirkung die Mitgliedsrechte entziehen", teilte die CDU nach Beratungen im Präsidium mit. "Für seine Äußerungen und das damit zum Ausdruck gebrachte Gedankengut ist in unserer Partei kein Platz."
CDU-Chef Friedrich Merz gestikuliert bei einer Rede | dpa
29.01.2023
CDU
Merz sieht keinen Platz mehr für Maaßen >>>
Der neue Vorsitzende der Werteunion, Maaßen, ist in der CDU unerwünscht.
"Offenkundig nicht am Wohl der CDU gelegen"In dem Beschlusstext des Bundesgremiums heißt es über Maaßens Aussagen: "Immer wieder gebraucht er die Sprache aus dem Milieu der Antisemiten und Verschwörungsideologen bis hin zu völkischen Ausdrucksweisen."Ihm sei "offenkundig nicht am Wohl der CDU gelegen. Er verstößt im Gegenteil laufend gegen die Grundsätze und Ordnung der Partei." Generalsekretär Mario Czaja habe Maaßen daher aufgefordert, die Partei zu verlassen. Das Präsidium unterstütze die Aufforderung und habe dafür die Frist bis Sonntag gesetzt.
Hans-Georg Maaßen | UWE MEINHOLD/EPA-EFE/REX
28.01.2023
Ex-Verfassungsschutzchef
Maaßen neuer Chef der Werteunion >>>
Ex-Verfassungsschutzpräsident Maaßen ist zum Chef der rechtskonservativen Werteunion gewählt worden.
Vorsitzender der WerteunionAußerdem habe sich das Präsidium "mit der sogenannten 'Werteunion' befasst" und "seine politische Missbilligung dieser Organisation bekundet". Wer Mitglied der CDU sei, könne nicht gleichzeitig Mitglied der Werteunion sein, hieß es.Maaßen war am Wochenende mit 95 Prozent der Stimmen zum Vorsitzenden der Werteunion gewählt worden, einem Zusammenschluss rechtskonservativ ausgerichteter Unionsanhänger, der nicht als offizielle Parteigliederung anerkannt ist. Die 2017 gegründete Werteunion versteht sich als Gruppierung konservativer Christdemokraten. Sie argumentiert, dass die CDU unter der damaligen Parteivorsitzenden Angela Merkel zu weit nach links gerückt sei und wieder konservativere Positionen vertreten müsse.Sie hat nach eigenen Angaben rund 4000 Mitglieder - nicht alle von ihnen sind auch Mitglieder der CDU oder CSU.
Thomas Haldenwang | picture alliance/dpa
28.01.2023
Verfassungsschutzpräsident Haldenwang
"Maaßen schadet dem Bundesamt"
Haldenwang wirft seinem Vorgänger vor, mit "sehr radikalen Äußerungen" seiner Behörde zu schaden.
Tweet mit VerschwörungsideologienIn den vergangenen Tagen war Maaßen erneut stark in die Kritik geraten. In einem Tweet behauptete er, Stoßrichtung der "treibenden Kräfte im politischen-medialen Raum" sei ein "eliminatorischer Rassismus gegen Weiße". In einem Interview sprach der 60-Jährige von einer "rot-grünen Rassenlehre".Maaßen war von 2012 bis 2018 Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz. Er musste den Posten räumen, nachdem er rechtsextreme Ausschreitungen in Chemnitz in Zweifel gezogen hatte. 2021 scheiterte er bei der Bundestagswahl als CDU-Direktkandidat in Thüringen. Der Landesvorstand der Thüringer CDU hatte ihn bereits am Donnerstagabend einstimmig aufgefordert, die Partei zu verlassen.
https://www.tagesschau.de/
Früherer Verfassungsschutzpräsident:
CDU prüft Parteiausschluss von Hans-Georg Maaßen
Hans-Georg Maaßen kritisiert einen angeblichen "eliminatorischen Rassismus gegen Weiße". Der Generalsekretär lässt Konsequenzen prüfen – unter anderem einen Ausschluss.
Aktualisiert am 24. Januar 2023, 15:53 Uhr
Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, fa
Nach erneuten umstrittenen Äußerungen des früheren Geheimdienstchefs und CDU-Bundestagskandidaten Hans-Georg Maaßen prüft seine Partei auch die Möglichkeit eines Ausschlussverfahrens. Generalsekretär Mario Czaja habe "die Prüfung von Parteiordnungsmaßnahmen bis hin zum Parteiausschluss" in Auftrag gegeben, teilte eine Parteisprecherin auf Anfrage mit.
CDU-Chef Friedrich Merz kritisierte Maaßen deutlich, ließ ein Verfahren zum Parteiausschluss aber zunächst offen. "Die Äußerungen von Herrn Maaßen sind erneut inakzeptabel", sagte Merz, der auch Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag ist. "Wir werden uns mit diesem Fall weiter beschäftigen und ihn auch unter diesem Aspekt beurteilen." Auf Nachfrage ergänzte Merz, es werde keine vorschnelle Entscheidung über ein Ausschlussverfahren geben.
Zuvor hatte Czaja Maaßen auf Twitter zum Parteiaustritt aufgerufen. "Für seine Äußerungen und das damit zum Ausdruck gebrachte Gedankengut ist in unserer Partei kein Platz", twitterte der Generalsekretär. "Ich fordere Herrn Maaßen deswegen entschieden auf, aus der CDU Deutschlands auszutreten."
Die CDU distanziere sich mit Nachdruck von den Äußerungen Maaßens, schrieb Czaja. "Immer wieder gebraucht er die Sprache aus dem Milieu der Antisemiten und Verschwörungsideologen und stellt sich wieder und wieder in Nähe der AfD", kritisierte der Generalsekretär.
Zuvor hatte Maaßen in einem Tweet behauptet, Stoßrichtung der "treibenden Kräfte im politischen-medialen Raum" sei ein "eliminatorischer Rassismus gegen Weiße". Zudem hatte er dem Publizisten Alexander Wallasch ein Interview für dessen Blog gegeben. In diesem hatte Maaßen ebenfalls von Rassismus, der "gegen die einheimischen Deutschen betrieben" werde, gesprochen.
Häufige Themen auf Wallaschs Blog sind unter anderem eine vermeintlich außer Kraft gesetzte Rechtsstaatlichkeit während der Corona-Pandemie und Einwanderung, die als "illegale Massenzuwanderung" betrachtet wird. Maaßen sorgt spätestens seit seinem Ausscheiden aus dem Verfassungsschutz regelmäßig mit derartigen Äußerungen für harte Kritik.
Karin Prien will Maaßens Ausschluss beantragen
CDU-Vorstandsmitglied Karin Prien kündigte an, sie werde auf der nächsten Sitzung des Gremiums einen Ausschlussantrag gegen Maaßen stellen, sollte dieser nicht von selbst gehen. "Maaßen und seine Äußerungen sind in der CDU nicht mehr tolerabel. Antisemitische Codes, Verharmlosung von Rassismus und zur Schau gestellte Offenheit für Rechtsextreme – das alles ist mit Werten der CDU unvereinbar", twitterte Prien. Die Politikerin hatte bereits Anfang Januar Maaßens Ausschluss gefordert. Maaßen hatte zuvor ein Video des umstrittenen Mikrobiologen und Bestsellerautors Sucharit Bhakdi verbreitet, in dem dieser einen Stopp der Corona-Impfungen fordert.
Der frühere CDU-Generalsekretär Peter Tauber schrieb ebenfalls auf Twitter: "Schmeißt ihn endlich raus." Auch die Thüringer CDU, die Maaßen bei der vergangenen Bundestagswahl als Direktkandidaten aufgestellt hatte, distanzierte sich. "Die Äußerungen von Herrn Maaßen spiegeln weder die Sprache noch die Geisteshaltung der CDU Thüringen wider", teilte Christian Herrgott, Generalsekretär des Thüringer CDU-Landesverbandes, in dem Maaßen Mitglied ist, mit. "Die Sprache von Antisemiten und Verschwörungsideologen hat keinen Platz in unserer Mitte."
https://www.zeit.de/
"Rassismus gegen Weiße": Maaßen droht nach Twitter-Eklat CDU-Ausschluss
Nach mehreren umstrittenen Äußerungen des Ex-Verfassungsschutzpräsidenten legen mehrere CDU-Größen ihm den Parteiaustritt nahe - und drohen im Zweifel mit einem Ausschluss.
24.01.2023, 15:30
Die Karriere des ehemaligen deutschen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen in der CDU scheint zu Ende zu gehen. Nachdem er auf Twitter behauptet hatte, "eliminatorischer Rassismus gegen Weiße" wäre die "eine treibende Kraft des politisch-medialen Systems", forderten ihn am Dienstag mehrere CDU-Politiker zum Parteiaustritt auf. CDU-Generalsekretär Mario Czaja schrieb etwa auf Twitter: "Für seine Äußerungen und das damit zum Ausdruck gebrachte Gedankengut ist in unserer Partei kein Platz".
Die Stellvertretende CDU-Vorsitzende, Karin Prien, drohte sogar damit, einen Antrag auf einen Parteiausschluss Maaßens zu stellen: "Sollte Herr Maaßen bei unserer nächsten Bundesvorstandssitzung am 13. Februar noch Mitglied der CDU sein, werde ich einen entsprechenden Antrag an den Bundesvorstand stellen, ihn aus unserer Partei auszuschließen", sagte Prien am Dienstag in Kiel.
Selbst Maaßens eigener Landesverband, die Thüringer CDU, distanzierte sich von Maaßen: "Die Äußerungen von Herrn Maaßen spiegeln weder die Sprache noch die Geisteshaltung der CDU Thüringen wider. Die Sprache von Antisemiten und Verschwörungsideologen hat keinen Platz in unserer Mitte", teilte Christian Herrgott, Generalsekretär des Thüringer CDU-Landesverbandes mit.
Maaßen ortet Schmutzkübelkampagne
Neben den oben genannten Äußerungen gab Maaßen zuletzt dem Publizisten Alexander Wallasch ein Interview für dessen Blog. Darin spricht Maaßen ebenfalls von Rassismus, der "gegen die einheimischen Deutschen betrieben" werde. "Dieses Denken ist Ausdruck einer grün-roten Rassenlehre, nach der Weiße als minderwertige Rasse angesehen werden und man deshalb arabische und afrikanische Männer ins Land holen müsse", sagte Maaßen. Häufige Themen auf Wallaschs Blog sind unter anderen eine vermeintlich außer Kraft gesetzte Rechtsstaatlichkeit während der Corona-Pandemie und Einwanderung, die als "illegale Massenzuwanderung" betrachtet wird.
Der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau Dora, Jens-Christian Wagner, warf Maaßen in einem Gastbeitrag für die "Jüdische Allgemeine" vor, "klassische rechtsextreme Schuldumkehr" zu betreiben. "Wenn er vom "eliminatorischen Rassismus" spricht, dann ist das ein Anklang an den von Daniel Goldhagen in den öffentlichen Diskurs eingeführten Begriff des eliminatorischen Antisemitismus, der zum Holocaust geführt habe", sagte Wagner der Deutschen Presse-Agentur.
Maaßen ortet dagegen eine "Schmutzkampagne" (sic!) gegen seine Person. Er will nach eigenen Angaben am kommenden Samstag als Vorsitzender der Werteunion kandidieren. Die erzkonservative Gruppierung hat nach eigenen Angaben rund 4.000 Mitglieder - nicht alle von ihnen sind auch Mitglieder der CDU oder CSU. Die Gruppierung stellte sich hinter Maaßen. "Zu keinem Zeitpunkt hat es je eine antisemitische Aussage von Hans-Georg Maaßen gegeben", teilte die Werteunion mit.
https://kurier.at/politik/ausland/rassismus-gegen-weisse-maassen-droht-nach-twitter-eklat-cdu-ausschluss/402303293
Lagebericht Rassismus in Deutschland
Engagement für Antirassismus braucht Unterstützung
Rassismus existiert nicht nur in Form von gewalttätigen Anschlägen. Er hat auch strukturelle Auswirkungen, die in fast allen Lebensbereichen zu Benachteiligungen führen können, so etwa bei der Bildung, Arbeit oder bei der Gesundheit. Staatsministerin Alabali-Radovan will den Abbau von Rassismus vorantreiben.
Für die Bundesregierung hat die Bekämpfung von Rassismus und jeder anderen Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit höchste Priorität. Deshalb ist Staatsministerin Reem Alabali-Radovan nicht nur Integrationsbeauftragte, sondern seit Februar 2022 zusätzlich Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus. Sie hat im Kabinett ihren Bericht vorgelegt. Der Titel lautet „Rassismus in Deutschland: Ausgangslage, Handlungsfelder, Maßnahmen“.
Den vollständigen Bericht „Rassismus in Deutschland: Ausgangslage, Handlungsfelder, Maßnahmen“ gibt es auf der Seite der Integrationsbeauftragten.
Gegenstrategien zu Rassismus entwickeln
„Gemeinsam sind wir die Brandmauer gegen rassistischen Hass," sagte die Ministerin bei der Vorstellung ihres Berichts. Ereignisse wie die rassistische Mordserie des Terrornetzwerks NSU und die terroristischen Anschläge von Halle und Hanau machen deutlich, wie wichtig es ist, das Thema Rassismus zu beleuchten und konsequente Gegenstrategien zu entwickeln. Rassistisch motivierte Gewalttaten sind dabei nur ein Teil des Phänomens. Hinzu kommen rassistische Diskriminierungen im Alltag, die sich bei der Bildung, der Arbeit, der Gesundheit oder bei der Wohnungsfrage auswirken. „Gemeinsam müssen wir Strukturen aufbrechen, damit Herkunft kein Schicksal ist,“ bekräftigte Alabali-Radovan.
Der Bericht der Integrationsbeauftragten gibt zunächst einen Überblick zu wissenschaftlichen Erkenntnissen im Bereich Rassismus. Er benennt dabei auch bestehende Lücken etwa bezüglich der Datenlage und zeigt auf, wo Rassismusforschung weiter gestärkt werden muss. Staatsministerin Alabali-Radovan will den fachlichen Austausch stärken, um zum Beispiel zu einheitlicheren Standards bei der Datenerhebung zu kommen.
Ausgangslage und wichtige Fakten zu Rassismus
Der Lagebericht führt wichtige Erkenntnisse zusammen. Sie zeigen: Rassismus bewegt und trifft viele Menschen. So sagen 90 Prozent der Befragten in einer repräsentativen Umfrage, dass es Rassismus in Deutschland gibt, 22 Prozent haben ihn selbst erfahren (Nationaler Diskriminierungs- und Rassismusmonitor des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung). Auch die Kriminalitätsstatistiken sprechen eine klare Sprache: Das Bundeskriminalamt listete 2021 in den Fallzahlen der Politisch motivierten Kriminalität 21.964 rechte Straftaten. Darunter waren 1.042 Gewalttaten, von denen zwei Drittel rassistisch motiviert waren.
Erscheinungsformen und Handlungsfelder
Der Lagebericht arbeitet heraus, dass Rassismus viele Erscheinungsformen hat. Er manifestiert sich in Vorurteilen, Ausgrenzung und Diskriminierung bis hin zu Hasskriminalität. Aber immer führt Rassismus dazu, dass bestimmte Gruppen als nicht-zugehörig markiert, als minderwertig, kriminell oder bedrohlich stigmatisiert werden – ob Eingewanderte, Geflüchtete, Schwarze, Muslime oder Juden, Sinti und Roma.
Mit vereinten Kräften handeln
Probleme erkennen und benennen, Lösungsansätze entwickeln und in die Tat umsetzen; nach dieser Leitlinie erläutert der aktuelle Integrationsbericht die von der Bundesregierung bereits ergriffenen Maßnahmen und Strategien zur Bekämpfung von Rassismus. In ihrer Funktion als Antirassismusbeauftragte ist Alabali-Radovan innerhalb der Bundesregierung dafür zuständig, diese Maßnahmen zwischen den Ministerien zu koordinieren. Der am 14. Dezember 2022 im Kabinett beschlossene Entwurf für das Demokratiefördergesetz enthält erstmals einen gesetzlichen Auftrag des Bundes zur Stärkung der Demokratie und der Prävention jeglicher Form von Extremismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.
Schon seit 2015 existiert das Bundesprogramm „Demokratie leben!“, das zivilgesellschaftliches Engagement für Demokratie und gegen Extremismus fördert. Weit über 330 lokale Partnerschaften werden über das Bundesprogramm auf kommunaler Ebene dabei unterstützt, Extremismus vorzubeugen und Vielfalt zu gestalten.
Hilfsangebote auch in ländlichen Regionen
Staatsministerin Alabali-Radovan möchte in ihrer Funktion als Antirassismusbeauftragte den Kampf gegen Rassismus weiter intensivieren. Denn dieser sei eine große Gefahr für unsere Demokratie, so die Ministerin. Professionelle und zugleich niedrigschwellige Beratung in Migrantenorganisationen werde weiter gestärkt. Es gehe bewusst auch um Angebote in kleinstädtisch oder ländlich geprägten Regionen, in denen es für Betroffene bislang schwierig sei, Hilfe zu erhalten.
Geplant ist außerdem die gezielte Unterstützung von Menschen, die sich zum Beispiel im Gemeinderat vor Ort gegen Rassismus oder Rechtsextremismus engagieren. Auch in den Sportvereinen und -verbänden sollen Projekte der Antirassismusarbeit gefördert werden.
Mittwoch, 11. Januar 2023
https://www.bundesregierung.de/
RASSISMUS-BERICHT DER AMPEL
: Schwere Vorwürfe gegen die Union
VON TOBIAS SCHRÖRS-AKTUALISIERT AM 11.01.2023-17:21
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung stellt den ersten Lagebericht zu Rassismus vor. Sie kritisiert, dass in der Debatte über die Silvesternacht rassistische Ressentiments bedient worden seien.
Erstmals hat die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung einen Lagebericht zu Rassismus in Deutschland vorgestellt. „Das ist eine Premiere“, sagte Reem Alabali-Radovan. Die Integrationsbeauftragte, die zugleich Beauftragte für Antirassismus ist, hob drei Befunde hervor: Erstens wisse die Bevölkerung in Deutschland, dass es Rassismus gebe und dieser bekämpft werden müsse.
Tobias Schrörs
Politikredakteur.
Folgen
Zweitens brauchten Betroffene mehr Unterstützung. Und drittens sei Antirassismus „systemrelevant für unsere Demokratie“. Alabali-Radovan sagte, es sei selten wichtiger als heute gewesen, gemeinsam den Anfängen zu wehren. Das zeigten jährlich rund 22 000 Angriffe von rechts sowie einschneidende Ereignisse wie die NSU-Mordserie und die Anschläge von Halle und Hanau.
Ferner habe die Debatte über die Silvesternacht gezeigt, „dass wir es auch 2023 leider nicht schaffen, in unserem Einwanderungsland solche Themen zu diskutieren, ohne dabei rassistische Ressentiments zu bedienen“. Täter müssten nach ihren Taten beurteilt werden, nicht nach ihren Vornamen.
Bürger erster und zweiter Klasse?
Sie bezog sich damit auf eine Anfrage der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Die CDU will wissen, welche Vornamen die deutschen Tatverdächtigen aus der Silvesternacht haben. „Das teilt Menschen auf in Bürgerinnen und Bürger erster und zweiter Klasse“, sagte Alabali-Radovan. „Ich finde es sehr erschreckend, dass die Union jetzt diese Debatte so nutzt und Menschen stigmatisiert, rassistische Ressentiments weiter schürt.“ Das spalte die Gesellschaft.
rstmals hat die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung einen Lagebericht zu Rassismus in Deutschland vorgestellt. „Das ist eine Premiere“, sagte Reem Alabali-Radovan. Die Integrationsbeauftragte, die zugleich Beauftragte für Antirassismus ist, hob drei Befunde hervor: Erstens wisse die Bevölkerung in Deutschland, dass es Rassismus gebe und dieser bekämpft werden müsse.
Tobias Schrörs
Politikredakteur.
Folgen
Zweitens brauchten Betroffene mehr Unterstützung. Und drittens sei Antirassismus „systemrelevant für unsere Demokratie“. Alabali-Radovan sagte, es sei selten wichtiger als heute gewesen, gemeinsam den Anfängen zu wehren. Das zeigten jährlich rund 22 000 Angriffe von rechts sowie einschneidende Ereignisse wie die NSU-Mordserie und die Anschläge von Halle und Hanau.
Ferner habe die Debatte über die Silvesternacht gezeigt, „dass wir es auch 2023 leider nicht schaffen, in unserem Einwanderungsland solche Themen zu diskutieren, ohne dabei rassistische Ressentiments zu bedienen“. Täter müssten nach ihren Taten beurteilt werden, nicht nach ihren Vornamen.
Bürger erster und zweiter Klasse?
Sie bezog sich damit auf eine Anfrage der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Die CDU will wissen, welche Vornamen die deutschen Tatverdächtigen aus der Silvesternacht haben. „Das teilt Menschen auf in Bürgerinnen und Bürger erster und zweiter Klasse“, sagte Alabali-Radovan. „Ich finde es sehr erschreckend, dass die Union jetzt diese Debatte so nutzt und Menschen stigmatisiert, rassistische Ressentiments weiter schürt.“ Das spalte die Gesellschaft.
Sie erinnerte an eine Studie der Universität Mannheim aus dem Jahr 2018, wonach Grundschulkinder mit einem türkischen Namen im Fach Deutsch bei gleicher Leistung von angehenden Lehrkräften schlechter benotet würden. Zudem verwies sie auch auf Erhebungen zum sogenannten Racial Profiling und kündigte einen Runden Tisch mit der Bundespolizei und dem Innenministerium an.
Opferinitiativen sollen gestärkt werden
Alabali-Radovan kündigte ferner an, niedrigschwellige „Community-basierte Beratung“ in Migrantenorganisationen zu fördern, indem sogenannte Antirassismus-Berater geschult werden und hauptamtlich arbeiten können. Für den Ausbau der Beratungsstrukturen seien vier Millionen Euro jährlich vorgesehen.
Zudem sollen Opferinitiativen gestärkt und es soll ein Expertenrat Antirassismus geschaffen werden. Ein weiteres Vorhaben Alabali-Radovans ist es, kommunale Entscheidungsträger zu stärken, die sich gegen Rassismus engagieren. Besondere Hoffnung setzt die Integrationsbeauftragte auf die Förderung von Prävention in Sportvereinen, die für sie „wichtige Verbündete“ seien.
Quelle: F.A.Z.
https://www.faz.net/
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Maßnahmenkatalog des Kabinettausschusses zur
Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus
25. November 2020
Einleitung
Mit der Einrichtung des Kabinettausschusses im März dieses Jahres hat die Bundesregierung ein klares Signal gesetzt und den Kampf gegen Rechtsextremismus sowie gegen Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Muslimfeindlichkeit, Anti-Schwarzen Rassismus und alle anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit auf die höchste Verantwortungsebene gehoben.
Der Kabinettausschuss knüpft mit neuen Initiativen und Maßnahmen an die bisherige Arbeit der Bundesregierung an, die der Kabinettausschuss in seinem Bericht vom 20. Mai dieses Jahres näher dargestellt hat.
Der Kabinettausschuss schlägt der Bundesregierung vor, den angefügten Maßnahmenkatalog zu verabschieden. Dieser berücksichtigt die Stellungnahmen der Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft, insbesondere von Migrantenorganisationen, und der Wissenschaft sowie der Länder, die der Kabinettausschuss zur Vorbereitung seiner Maßnahmen angehört hat.
https://www.bmfsfj.de/
PRÄVENTION
Projekte gegen Rassismus
Bei der Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit legen wir einen besonderen Schwerpunkt auf die Präventionsarbeit an Schulen. Denn gerade junge Menschen wollen wir verstärkt für diese Themen sensibilisieren.
Wir fördern folgende Projekte in diesem Bereich:
Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage
Schritte gegen Tritte
https://sozialministerium.baden-wuerttemberg.de/
Weiterführende Links
Netzwerk „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage"
https://sor-bw.de/
Projekt „Schritte gegen Tritte“
https://www.schuelerarbeit.de/arbeitsfelder/schritte-gegen-tritte/
Vernetzung (Gemeinsam gegen Rassismus)
https://sozialministerium.baden-wuerttemberg.de/
Beratung und Auskunft für Betroffene von rechter Gewalt
https://sozialministerium.baden-wuerttemberg.de/
2.3 Online-Artikel zu AKTUELLEM über Rassismus und Diskriminierung in Mosbach - Baden und Neckar-Odenwaldkreis
POL-HN: Pressemitteilung des Polizeipräsidiums Heilbronn vom 07.06.2021 mit Berichten aus dem Neckar-Odenwald-Kreis
Mosbach: Person angegriffen und beleidigt - Zeugen gesucht
Bereits vergangene Woche Dienstag griff ein 39-Jähriger eine Frau am Bahnhof in Mosbach an. Gegen 21.45 Uhr begab sich der Täter zu einer Frau, die sich am Bahnsteig zum 1. Gleis aufhielt. Dort schlug er ihr ins Gesicht und beleidigte die Frau mit rassistischen Äußerungen. Anschließend mischte sich ein Passant ein, der ebenfalls rassistisch beleidigt wurde. Die Frau stieg daraufhin in die Bahn der Linie S1 ein und fuhr in Richtung Osterburken davon. Die Polizei hat die Ermittlungen aufgenommen und bittet die geschädigte Frau sich beim Polizeirevier Mosbach, Telefon 06261 8090 zu melden. Zudem werden Zeugen des Vorfalls ebenfalls gebeten sich an die Polizei zu wenden.
https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/110971/4934955
Rollstuhlfahrer am Bahnhof attackiert
Mosbach
25.11.17
Ein 57-jähriger Mann, der mit seinem Rollstuhl durch die Fußgängerunterführung am Bahnhof fuhr, wurde von zwei bislang unbekannten Männern aufgefordert, ihnen Zigaretten zu geben. Als der Betroffene dies verneinte, wurde er von einem Angreifer in den Rollstuhl gedrückt und beschimpft. Der zweite Täter beschädigte mit einem Tritt den Rollstuhl. Die beiden Männer, die Bier trinkend beim Fahrkartenautomat saßen, werden wie folgt beschrieben: "Ein Angreifer ist laut Polizei etwa 1,85 Meter groß, muskulös und hat vermutlich blond gefärbte Haare. Am Hals soll er ein Hakenkreuz und am linken Unterarm die Zahl 88 tätowiert haben. Am Tattag trug er vermutlich eine Jeans, Springerstiefel mit weißen Schnürsenkeln, ein kanadisches Holzfällerhemd sowie eine Fliegerjacke. Der andere, gleich große aber vermutlich etwas jüngere Mann hat eine Glatze und trägt eine dunkle runde Hornbrille. Er soll ähnlich wie sein Begleiter bekleidet gewesen sein."
https://www.rnz.de/
Antidemokratische Vorfälle und Ereignisse in Baden-Württemberg: Rechtsextremismus, religiös begründeter Extremismus und Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit 2019
Zum vierten Mal gibt das Demokratiezentrum Baden-Württemberg einen chronologischen Überblick über antidemokratische Vorfälle, die sich dem Phänomenbereich der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit zuordnen lassen. Grundlage für die Darstellung bilden wie in den Vorjahren die Recherche von Medienberichten, deren anschließende Kategorisierung sowie die Auswertung von Drucksachen des Bundestags. Mit Übergriffen auf Flüchtlingsunterkünfte, antimuslimischen Straftaten und Islamfeindlichkeit lassen sich auch im Jahr 2019 Schwerpunkte ausmachen, die nahelegen, dass gerade besonders Schutzbedürftige und Minderheiten grundsätzlich in einem besonders hohen Maße von solchen Vorfällen betroffen sind.
Zusammenhalt im Sport
Wie handeln, wenn ein Vereinsmitglied andere rassistisch beleidigt? Was tun, wenn einzelne Mitglieder die Werte des Sportvereins missachten? Wie damit umgehen, wenn kaum noch eine aktive Beteiligung am Vereinsleben stattfindet?
„Zusammenhalt im Sport in Baden-Württemberg“ (ZiS) unterstützt Vereine dabei, sich gegen menschenfeindliche Ideologien zu positionieren, Vereinsstrukturen partizipativ zu gestalten und aktiv demokratische Prozesse zu intensivieren. In Baden-Württemberg wird ZiS in Kooperation mit dem Landessportverband Baden-Württemberg und den drei Sportbünden (Badischer Sportbund Nord, Badischer Sportbund Freiburg, Württembergischer Landessportbund) umgesetzt. Es ist Teil des Bundesprogramms „Zusammenhalt durch Teilhabe“ und wird durch das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) gefördert.
Durch kostenlose (Aus-)Bildungsmaßnahmen und Beratungen wird allen interessierten Vereinen umfassende Unterstützung angeboten, um die Teilhabe und Partizipation im Sportverein zu stärken sowie Rassismus und Diskriminierung keinen Raum zu geben.
https://www.badischer-sportbund.de/
Vortrag „Mosbach im Nationalsozialismus“
In einem öffentlichen Bildervortrag wird Arno Huth einen groben Überblick über die Geschichte Mosbachs im Nationalsozialismus geben. Die Veranstaltung soll dabei der Gründung einer Arbeitsgruppe dienen, die zu diesem Thema einen Stadtrundgang konzipieren möchte. Dafür sollen im zweiten Teil des Abends weitere Ideen, Inhalte und praktische Vorschläge gesammelt und diskutiert werden. Es geht um die Verknüpfung von Orten, Ereignissen, Personen und die Einbettung des lokalen Geschehens in die große Geschichte. Die Stadtgeschichte Mosbachs bietet diesbezüglich eine Fülle von Ereignissen und Bildern. Die Veranstaltung findet am Donnerstag, den 13. Februar 2020 ab 19.30 Uhr im Nebenzimmer des Gasthauses Lamm in Mosbach statt. Die Initiative „Mosbach gegen Rechts“ lädt zu dieser Veranstaltung alle Leute ein, die mitarbeiten oder ihre Erfahrungen einbringen wollen oder einfach nur am Vortrag interessiert sind.
https://mosbach-gegen-rechts.de/
Siehe auch unter AKTUELLES >>> Rassismus und Diskriminierung >>>
- Menschen mit afrikanischer Herkunft >>>
- NS-Verfolgung von Sinti und Roma in Mosbach >>>
- NS-Verfolgung von Homosexuellen >>>
- Nazi-Euthanasie in Mosbach (Baden) >>>
- Judenverfolgung und Anti-Semitismus >>>
- Judenverfolgung in Mosbach >>>
- Judendeportationen in Mosbach >>>
- Nazi-Geschlechterordnung >>>
Antidiskriminierungsbeauftragte stellt Jahresbericht vor
16.08.2022
Die Zahl der gemeldeten Fälle von Diskriminierungen in Deutschland bleibt auf hohem Niveau. Das zeigt der Jahresbericht 2021 der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, den die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, am Dienstag in Berlin vorgestellt hat.
Im Jahr 2021 gab es mehr als 5.600 Beratungsanfragen an die Antidiskriminierungsstelle, die mit einem vom Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geschützten Diskriminierungsmerkmal zusammenhingen. Das ist der zweithöchste Wert in der Geschichte der Antidiskriminierungsstelle, die 2006 gegründet wurde. Der leichte Rückgang gegenüber dem Vorjahr (6383) ist auf weniger Anfragen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, insbesondere zur Maskenpflicht, zurückzuführen. Die Anzahl der Beratungsanfragen zu allen anderen Diskriminierungen blieb unverändert hoch.
„Die Zahl der uns geschilderten Diskriminierungsfälle ist alarmierend. Sie zeigt aber auch, dass sich immer mehr Menschen nicht mit Diskriminierung abfinden und Hilfe suchen“, sagte die Beauftragte bei der Vorstellung des Jahresberichts. Ataman appellierte an alle Menschen, die Diskriminierung erleben, dagegen vorzugehen – wenn nötig vor Gericht. An die Bundesregierung richtete sie die Forderung, Betroffenen bessere Möglichkeiten zu geben, ihre Rechte durchzusetzen – etwa durch eine Verlängerung der Fristen und durch ein Verbandsklagerecht. „Das deutsche Antidiskriminierungsrecht muss endlich internationalen Standards entsprechen. Bisher schützt es nicht wirkungsvoll vor Diskriminierung. Die von der Koalition angekündigte AGG-Reform muss umfassend und zeitnah kommen“, sagte Ataman.
Für ihre Amtszeit kündigte im Juli gewählte Bundesbeauftragte zunächst folgende Schwerpunkte an:
Den Schutz vor Diskriminierung stärken: Dafür will sie die Reform des AGG begleiten, Rechtsgutachten vorlegen und Perspektiven von Betroffenen einbringen.
Das AGG bekannter machen: Alle Menschen sollten ihre Rechte kennen und wissen, was sie gegen Diskriminierung tun können.
Ein flächendeckendes Beratungsangebot gegen Diskriminierung schaffen: Dazu soll ein Förderprogramm mit den Ländern und der Zivilgesellschaft aufgebaut werden.
Beratungsstatistik im Überblick
2021 wurden der Antidiskriminierungsstelle des Bundes insgesamt 5.617 Fälle gemeldet, die mit einem im AGG genannten Diskriminierungsgrund zusammenhingen. Davon bezogen sich 37 Prozent der Fälle auf rassistische Diskriminierung. An zweiter Stelle folgte mit 32 Prozent das Merkmal Behinderung und chronische Krankheiten. Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts machten 20 Prozent der Anfragen aus, aufgrund des Alters 10 Prozent. 9 Prozent bezogen sich auf den Merkmalsbereich Religion und Weltanschauung und 4 Prozent auf die sexuelle Identität.
Die meisten Diskriminierungserfahrungen wurden im Arbeitsleben (28 Prozent) und beim Zugang zu privaten Dienstleistungen gemeldet (33 Prozent). In 37 Prozent der Fälle hat sich die Diskriminierung allerdings in einem Lebensbereich abgespielt, der nicht oder nur teilweise vom AGG geschützt ist. Der größte Anteil davon betrifft Benachteiligungen im Bereich des staatlichen Handelns, also beispielsweise durch Ämter, durch die Polizei oder die Justiz. Aber auch im Bildungsbereich, in den sozialen Medien oder im öffentlichen Raum wurden regelmäßig Benachteiligungen, diskriminierende Beleidigungen bis hin zu Gewalt erlebt und geschildert.
Mehr als 2.000 Anfragen hat das Beratungsteam erhalten, in denen Bezug auf ein Merkmal genommen wurde, das vom Diskriminierungsschutz im AGG nicht erfasst wird. Rechnet man diese zu den Fällen mit AGG-Merkmalsbezug hinzu, erhöht sich die Gesamtzahl der Anfragen auf 7.750 – und liegt damit auf ähnlichem Niveau wie 2020 (7.932 Anfragen) und deutlich über dem der Vorjahre (2018: 4220; 2019: 4247 Anfragen).
https://www.antidiskriminierungsstelle.de/
Den Jahresbericht 2021 finden Sie hier.
https://www.antidiskriminierungsstelle.de/
„Rassismus pur“ – Kritik an angeblicher „Stammbaumforschung“ nach Krawallen in Stuttgart
Stuttgart am 21. Juni: Polizeieinheiten sammeln sich, um gegen Randalierer vorzugehen. Bei Auseinandersetzungen mit der Polizei haben dutzende gewalttätige Kleingruppen die Innenstadt verwüstet und mehrere Beamte verletzt.
Die Polizei will nach den Randalen in Stuttgart Umfeld und familiären Hintergrund bei mutmaßlichen Tätern untersuchen. Das öffentliche Interesse und Nachfragen nach einem möglichen Migrationshintergrund der Tatverdächtigen hätte die Behörde dazu veranlasst. Im Nachgang entbrannte eine Debatte um den Begriff „Stammbaumforschung“. Die innenpolitische Sprecherin der Grünen nennt das Vorgehen einen „Kniefall vor Rechtspopulisten“. Inzwischen hat die Polizei allerdings relativiert: Eine Stammbaumforschung finde nicht statt.
Markus Decker
12.07.2020, 14:31 Uhr
Berlin. Der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, hat die von der Stuttgarter Polizei geplante angebliche Stammbaumforschung bei Verdächtigen der Krawalle in der Stadt scharf kritisiert. „Stammbaumforschung ist Rassismus pur und ein Skandal, der umgehend gestoppt werden muss”, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) und forderte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) auf, „seine Position zur Rassismusstudie zu korrigieren”.
Die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, sagte dem RND: „Das ist ein Kniefall vor Rechtspopulisten und führt uns in ein ganz gefährliches Fahrwasser. Ich bin entsetzt.” Die Polizei müsse ein Interesse daran haben, die Täter ausfindig zu machen. Sie wisse nicht, was eine Stammbaumforschung dazu beitragen könne. Diese sei lediglich „geeignet, die Bevölkerung massiv zu spalten”. Mihalic betonte, der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) müsse dem Vorhaben „einen Riegel vorschieben. Das geht gar nicht anders.” FDP-Innenexperte Konstantin Kuhle schloss sich dem an.
Polizei begründet Vorgehen mit Fragen nach Migrationshintergrund
Der baden-württembergische Grünen-Bundestagsabgeordnete Danyal Bayaz äußerte sich ebenfalls kritisch. „Stammbaumforschung ja, aber keine Studie zu Racial Profiling? So stärken wir nicht das Vertrauen in unsere Polizei, im Gegenteil”, schrieb er bei Twitter. Täter müssten entlang ihrer Taten bewertet werden, nicht ihrer Herkunft, fügte Bayaz hinzu. „Alles andere leistet Spaltern Vorschub.” Und es sei „ohne Mehrwert für die Sicherheit”.
Der baden-württembergische CDU-Bundestagsabgeordnete und Innenexperte Armin Schuster erklärte hingegen: „Ich kann beim Vorgehen der Polizei Stuttgart keinen Fehler erkennen. Soziologische Täteranalysen sind nach solchen Exzessen polizeilicher Standard. Wie soll die Polizei denn sonst zielgerichtete Strategien und Präventionsmaßnahmen für kommende Lagen entwickeln?”
CDU-Innenexperte widerspricht
Schuster fuhr fort: „Vielleicht halten sich einige politische Hobby-Sicherheitsexperten einfach mal zurück. Die andauernden rhetorischen Tritte linker Politiker gegen die Polizei werden immer mehr zum eigentlichen Sicherheitsrisiko.“
Die „Stuttgarter Zeitung” hatte zuvor berichtet, der Stuttgarter Polizeipräsident Franz Lutz habe am Donnerstagabend im Gemeinderat der Stadt angekündigt, bei den Tatverdächtigen der Stuttgarter Krawallnacht vom 21. Juni mit deutschem Pass mithilfe der Landratsämter deutschlandweit Stammbaumrecherche betreiben zu wollen. Er hatte dort auf Antrag der CDU zum aktuellen Ermittlungsstand berichtet.
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Die Stuttgarter Polizei betreibt Stammbaumforschung bei den Tatverdächtigen der Stuttgarter Krawallnacht. (Symbolbild)
Nach Krawallen in Stuttgart – Polizei will angeblich “Stammbaumforschung” bei Tatverdächtigen >>>
Die Stuttgarter Polizei begründet ihr Vorgehen nach Angaben des Blattes mit dem öffentlichen Interesse an den Ausschreitungen. „Die grundlegende Erhebung personenbezogener Daten bemisst sich an der Schwere des Delikts, hier kommt dazu, dass ganz Deutschland auf den Fall blickt”, sagt Jens Lauer, ein Sprecher des Polizeipräsidiums Stuttgart. Dabei würden auch Fragen nach der Nationalität oder einem etwaigen Migrationshintergrund gestellt. Diesen sehe die Polizei per Definition bei „einem Elternteil ohne deutsche Staatsbürgerschaft” als erfüllt an.
Begriff „Stammbaumforschung” nicht gefallen
Inzwischen hat die Polizei allerdings relativiert. Der Begriff „Stammbaumforschung” sei nicht gefallen. Die Stuttgarter Nachrichten zitieren dazu den Sprecher der Stadt, Sven Matis. Er habe den Mitschnitt des Vortrags von Polizeipräsident Lutz angehört. Darin falle der Begriff „Stammbaumforschung” nicht.
Brisanter Fall für Baden-Württembergs Grüne
Der baden-württembergische Datenschutzbeauftragte Stefan Brink hält die Ermittlungen laut „Stuttgarter Zeitung” zumindest für überprüfungswürdig. „Aus unserer Sicht ist eine rechtliche Grundlage für solche Nachforschungen zunächst nicht erkennbar”, sagt er. Für eine fundierte Bewertung benötige er aber nähere Auskünfte der Polizei.
Der Fall ist vor allem für die Grünen heikel. Denn sie stellen mit Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg den Ministerpräsidenten und mit Fritz Kuhn in Stuttgart auch den Oberbürgermeister.
Randale in Stuttgart: Polizei sieht keine politische Motivation
Nach einer Drogenkontrolle in Stuttgart habe es schwere Randale in der Innenstadt gegeben. Dabei sei es zu Angriffen auf Polizei und Läden gekommen.
© Quelle: Reuters
In Stuttgart war es in der Nacht zum 21. Juni zu schweren Auseinandersetzungen gekommen. Randalierer hatten damals Schaufenster zerstört und Geschäfte geplündert. Nach Angaben der Polizei waren 400 bis 500 Menschen an der Randale beteiligt – oder hatten dabei zugeschaut. Wie es weiter hieß, besäßen von den bislang 27 vorläufig Festgenommenen etwa die Hälfte einen ausländischen Pass, neun davon hätten einen Flüchtlingsbezug. Zudem hätten mehrere gefasste Personen mit deutschem Pass einen Migrationshintergrund.
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Sawsan Chebli rät zu Klagen gegen rassistische Beleidigungen
Sawsan Chebli, Staatssekretärin für bürgerschaftliches Engagement in Berlin.
Die SPD-Politikerin Sawsan Chebli wird regelmäßig rassistisch beleidigt. Sie rät zum juristischen Kampf gegen solche Hassatttacken, man dürfe vor Rassisten nicht kapitulieren. Sie habe mehrmals erlebt, dass Verurteilte am Ende des Prozesses Reue zeigten.
23.06.2020, 21:04 Uhr
Berlin. Die Staatssekretärin in der Berliner Senatskanzlei, Sawsan Chebli, plädiert dafür, sich gegen rassistische Beleidigungen juristisch zu wehren. "Es lohnt sich", sagte die SPD-Politikerin am Dienstagabend auf "Spiegel Online" in einem Gespräch mit dem Journalisten Markus Feldenkirchen. "Ich habe auch Reaktionen bekommen, wenn ich gewonnen habe, dass die gesagt haben: "Es tut mir total leid im Nachhinein"."
Einige hätten gemerkt, dass sie zur Rechenschaft gezogen werden könnten. "Das hat ja Konsequenzen", sagte Chebli. "Du bist dann eine Person, die nicht mehr im Hintergrund agiert. Das hat Auswirkungen auf die Familie, auf den Job, du musst Geld zahlen. Zweimal mindestens haben mir die Leute gesagt, wenn sie es rückgängig machen könnten, würden sie es rückgängig machen."
Chebli wird immer wieder Ziel von Hassattacken
Chebli, gebürtige Berlinerin und Staatssekretärin für Bürgerliches Engagement, hat palästinensische Wurzeln und erhebt immer wieder ihre Stimme gegen Rassismus, Hass, Intoleranz und für eine offene Gesellschaft. Insbesondere in den sozialen Medien wird sie deshalb regelmäßig angegriffen und beleidigt.
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“Ich habe inzwischen Polizeischutz, inzwischen ist die Bedrohungslage so groß, dass ich nicht mehr frei sein kann”, sagte sie. “Wenn die meinen, dass die Reaktion darauf ist, dass man keine Anzeigen stellt, dann haben wir kapituliert vor diesen Rassistinnen und Rassisten. Das ist total wichtig, und ich kann nur jeden ermuntern, es zu machen.”
RND/dpa
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Rassismus in der Sprache
Uns fehlen die Worte
Immer wieder werden in unserer Sprache rassistische Begriffe verwendet, oft auch unbeabsichtigt. Wir haben für vieles leider keine Worte, meint unsere Kolumnistin und rät zum Nachfragen.
Von Marina Weisband | 10.06.2020
Rassismus steckt in vielen Begriffen unserer Sprache (dpa/ Wolfram Steinberg)
Ich zog kurz die Luft ein, als Anne Will vergangenen Sonntag in ihrer Sendung zur Situation in den USA von einem „Rassenproblem“ sprach, was Alice Hasters sofort zu „Rassismusproblem“ verbesserte.
Die Moderatorin stellte später auf Twitter klar, dass es sich um einen echten Versprecher gehandelt hatte. Die Reaktionen auf diese wenigen Sekunden fielen allerdings turbulent aus und zeigen, wie emotional Sprache aufgeladen ist. Denn sie hat Macht. Sie hat Macht, Realität zu verändern oder zu zementieren.
Überall taucht das Wort „Rassenunruhen“ auf
Wer ist schuld an etwas, wie unterscheiden sich Menschen, welche Eigenschaften schreiben wir ihnen zu? Begriffe tragen Antworten auf diese Fragen in sich. Und manche sind nicht hilfreich.
Zum Beispiel das Wort Rassenunruhen. Das Wort ist eine Eindeutschung von race riots. Eine ziemlich schlechte, denn das Wort „race“ hatte im Englischen schon immer eine starke soziale Bedeutung, währen das deutsche Wort „Rasse“ ein biologistisches ist und die Existenz von Menschenrassen suggeriert, die es nicht gibt. Dennoch taucht das Wort „Rassenunruhen“ vom Spiegel bis zur Deutschen Welle überall auf.
Haben wir ein „Vokabel-Defizit“?
Als Moderatorin Marietta Slomka diesen Begriff versehentlich im „heute journal“ benutzt, geht sie damit in einer Folgesendung vorbildlich transparent und selbstkritisch um. Im Interview mit dem Kabarettisten Marius Jung stellt sie dar, wie sogar sensibilisierte Menschen immer wieder solche veraltete und geladene Sprache verwenden – und damit auch alte Ungerechtigkeiten am Leben halten.
Sie fragt ihn, ob wir Deutschen eigentlich ein „Vokabel-Defizit“ hätten, weil es zum Beispiel kein Pendant in der deutschen Sprache für den Begriff PoC – Person of Color – gebe. Und Jung sagt dazu, das gelte „überhaupt für Menschen, die nicht der Norm entsprechen“.
Es passiert ständig: wir sagen zum Beispiel „Fremdenfeindlichkeit“, wenn wir Rassismus meinen, und machen damit Menschen, die seit Generationen in Deutschland wohnen, zu Fremden.
Rassismus kein Thema unserer Kultur
Wir haben deshalb so wenige Worte, um über Rassismus zu sprechen, weil es nicht Teil unserer Kultur ist, über Rassismus zu sprechen. Das ganze Thema wird als Minenfeld empfunden, weil die oberste Priorität darin besteht, selbst kein Rassist zu sein.
Viele Menschen betonen, wann immer es um Rassismus geht: „Ich sehe keine Hautfarbe! Ich beurteile jeden individuell.“ Und ich verstehe den Impetus. Sie WOLLEN sagen: „Ich bin kein Rassist, der Menschen nach ihrer Hautfarbe beurteilt.“ Was sie aber in Wirklichkeit sagen, ist: „Ich weigere mich, den Rassismus zu sehen, dem Menschen wegen ihrer Hautfarbe ausgesetzt sind.“
Wir müssen sprechen
Denn Rassismus funktioniert – genau wie andere Unterdrückungsstrukturen – dadurch, dass er für Unbetroffene unsichtbar ist. Um ihn aufzulösen, müssen wir ihn sichtbar machen und über ihn sprechen. Denn wir alle können rassistisch sein, was uns nicht gleich den vernichtenden Stempel Rassist aufdrückt.
Ich höre oft: „Man weiß ja gar nicht, was man heute noch sagen darf.“ Dazu Folgendes: Wenn du nicht weißt, was du sagen darfst, um deine Mitmenschen nicht zu verletzen, dann hast du sie nicht gefragt. Du hast nicht mit ihnen gesprochen. Und wir müssen sprechen.
Marina Weisband wurde 1987 in der Ukraine geboren und kam 1994 als Kontingentflüchtling nach Deutschland. Von 2011 bis 2012 war sie politische Geschäftsführerin der Piratenpartei. Die Schwerpunkte der Autorin und Diplompsychologin sind Partizipation und Bildung. In ihrem Buch „Wir nennen es Politik“ schildert sie Möglichkeiten neuer politischer Partizipation durch das Internet. Seit 2014 leitet sie bei politik-digital.de das aula-Projekt zur Demokratisierung von Schulen.
https://www.deutschlandfunk.de/
Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 17 / 2811
17. Wahlperiode
Beschlussempfehlungen und Berichte
des Petitionsausschusses
zu verschiedenen Eingaben
27. Petition 17/980 betr. Erinnerungskultur
Der Petent moniert die Unterscheidung von Opfern des Nationalsozialismus in „jüdisch“ und „nichtjüdisch“ und fordert, die aus seiner Sicht dadurch entstehende nazistische Konnotation und Stigmatisierung abzulehnen sowie die Verwendung der beiden Begrifflichkeiten landesweit zu unterbinden.
Die Prüfung der Petition hat Folgendes ergeben: Oftmals ist zusammenfassend von „nichtjüdischen“ Opfern die Rede. Mit dieser Bezeichnung wird nichts über den tatsächlichen Verfolgungszusammenhang der benannten Gruppe ausgesagt. Allerdings ist die Bezeichnung „nichtjüdisch“ gerade im Kontext der Opfer des NS-Regimes als Abgrenzung zur besonders verfolgten Gruppe der „jüdischen“ Opfer und der Shoa zunächst naheliegend und daher nicht unüblich.
Die Kategorien „jüdisch“ und „nichtjüdisch“ werden vor allem im Forschungskontext verwendet. Eine öffentliche Auseinandersetzung damit und mit der Frage, was die Kategorien mit der Wahrnehmung der Opfergruppen bedeuten könnte, ist sicherlich denkbar, der Diskurs gehört aber zunächst in die Fachwelt und in den wissenschaftlichen Austausch. Im Übrigen besteht Wissenschaftsfreiheit. Begriffe und Kategorien ergeben sich in der Forschung und wissenschaftlichen
Publikation aus dem Diskurs und aus fachlichen Erwägungen, sie können von der Landesregierung weder verordnet noch unterbunden werden.
Der Beauftragte der Landesregierung gegen Antisemitismus äußerte sich im Kontext der Petition wie folgt:
„Entsprechend unserem Konzept der Menschenwürde sowohl in der säkular-humanistischen wie religiösen Traditionen ist Verstorbenen grundsätzlich unter Nennung ihrer Namen zu gedenken. Dies schließt bei Opfern von Verbrechen und Mord auch die klare Benennung des Unrechts ein, wobei sich etwa die antisemitische NS-Ideologie verschwörungsmythologisch gegen Menschen jüdischer Herkunft wie zum Beispiel auch gegen nichtjüdische Roma & Sinti, demokratische Oppositionelle, Zwangsarbeiter/-innen oder Homosexuelle richtete. Das Anliegen des Petenten könnte also nur insofern
aufgegriffen werden, dass kein Mensch und schon gar kein Mordopfer unter Leugnung der Namen auf eine Gruppenzugehörigkeit reduziert werden soll. Gerade deswegen sind jedoch auch die verschiedenen, im Kern verschwörungsmythologischen und damit menschenverachtenden Begründungen für die NS-Morde bewusst zu machen und klar zu benennen. Die vom NS-Regime verfolgten Menschen stehen nicht in einer Konkurrenz zueinander, sondern verweisen als Mitglieder verfolgter Gruppen miteinander auf die Erinnerungs- und Schutzwürdigkeit jedes einzelnen menschlichen Lebens.“
Beschlussempfehlung:
Der Petition kann nicht abgeholfen werden.
Berichterstatter: Marwein
https://www.landtag-bw.de/
Von Blicken und Brandbomben. Antimuslimischer Rassismus heute
Antimuslimischer Rassismus heute – eine Bestandsaufnahme
Bericht anlässlich der bundesweiten bpb-Fachtagung am 1. und 2. Juli 2019 in Celle
Aylin Karabulut(Mehr zum Autor)
10.10.2019 / 10 Minuten zu lesen
"Wir und die Anderen" – Antimuslimischer Rassismus
Strukturelle Diskriminierung von Musliminnen und Muslimen sowie muslimisch markierten Personen
Sprechen als Sprechen über?
Welche politischen Bildungsräume braucht die Migrationsgesellschaft?
Antimuslimischer Rassismus als Angriff auf unsere Gesellschaft
Kaum ein gesellschaftspolitisches Thema ist im aktuellen Diskurs so dauerhaft präsent und polarisierend wie der Diskurs über Musliminnen und Muslimen und die Frage nach ihrer Passung im Rahmen von gesellschaftlichen Zugehörigkeitsordnungen. Im Kontext von Selbstvergewisserungsdiskursen und Grenzziehungsbewegungen zwischen den Konstruktionen eines vermeintlich urdeutschen, christlichen und homogenen "Wir" und einem defizitären nicht-deutschen (muslimischen) "Anderen" erscheinen die dominanten Sprecherinnenrollen manifest. Das Sprechen im Kontext von Musliminnen und Muslimen und allen, die als solche adressiert werden, ist demnach primär durch ein Sprechen über sie gekennzeichnet. Als Subjekte scheinen muslimisch markierte Personen nur marginal sichtbar zu sein – vielmehr fungieren sie als Objekte von Diskursen, die strukturell von antimuslimischem Rassismus durchzogen sind. Vor dem Hintergrund hegemonialer Machtverhältnisse erscheinen Narrative über die Diversität muslimischer Lebensrealitäten sowie die Erfahrungswelten und Perspektiven von Musliminnen, Muslimen und muslimisch markierten Personen im wissenschaftlichen sowie im gesellschaftspolitischen Diskurs daher vergleichsweise unterrepräsentiert (vgl. Spivak 1984).
Gezielte Gewalt und antimuslimischer Terror, wie zuletzt in Christchurch, und die zahlreichen Drohungen und Anschläge auf Moscheen in Deutschland, verdeutlichen die Brisanz und Angespanntheit der aktuellen Situation, die in Unsicherheitsempfindungen und Gefühlen von Angst sowie Bedrohung innerhalb der muslimischen Communities münden. Insbesondere der öffentliche Umgang mit antimuslimischen Gewalttaten ist dabei oftmals bezeichnend und als Ausdruck der aktuellen Diskurslage und Positionierungen gegenüber dieser verletzlichen Gruppe zu verstehen. So sprach die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern in ihrer Rede nach dem rechtsterroristischen Attentat in Christchurch auf zwei Moscheen die Worte "They are us" und drückte ihre tiefe Solidarität und Verbundenheit mit den Opfern und der gesamten muslimischen Community aus, indem sie Personen dieser Gruppe explizit als Teil der Gesamtgesellschaft inkludierte. Dass die attackierten Musliminnen und Muslime ein Teil der Gesellschaft sind, die es solidarisch zu schützen gilt, und ein Anschlag auf sie ein Anschlag auf die Gesamtgesellschaft darstellt, bildet einen starken Gegenentwurf zu antimuslimischen Ressentiments und den üblichen Reaktionen von Politikerinnen und Politiker (vgl. Tagesschau 2019, Kurt 2019).
Die Tat in Neuseeland zeigt auf besondere Art, dass wir einen kritischen und international vernetzten Diskurs über antimuslimischen Rassismus brauchen, da sich der Attentäter von Christchurch, ein Australier, ideologisch stark auf rechtsextreme europäische Diskurse bezog. So teilte er auf seinem Facebook-Profil vermehrt Artikel mit Europabezug, wie beispielsweise einen Artikel zu rechtsextremen Soldaten in der deutschen Bundeswehr (vgl. Spiegel Online 2019, Quent/Büüsker 2019). Darüber hinaus stand der Attentäter von Christchurch in Kontakt mit dem Sprecher der Identitären Bewegung Österreichs, Martin Sellner. Über den mehrmaligen Kontakt hinaus erhielt Sellner zudem eine Spende vom Christchurch-Attentäter, weshalb in der Folge entsprechende Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden (vgl. Mascolo/Pittelkow/Riedel 2019). Auch in Deutschland ist ein Erstarken von antimuslimischem Rassismus in seinen unterschiedlichen Ausdrucksformen festzustellen. Daher gilt es, antimuslimischen Rassismus stets klar als solchen zu benennen und systematisch zu dekonstruieren und Strategien zu entwickeln, um ihn zu überwinden.
"Wir und die Anderen" – Antimuslimischer Rassismus
Die Auseinandersetzungen über muslimische Lebenswelten und islamische Glaubensfragen sind primär durch stark vereinheitlichende stereotype Darstellungsweisen gekennzeichnet, die eine Anschlussfähigkeit für antimuslimischen Rassismus aufweisen (vgl. Hafez/Schmidt 2015, Shooman 2014). Die kritische Auseinandersetzung mit antimuslimischem Rassismus als Phänomen rekurriert dabei auf eine Wissenschaftstradition, die aus einer gesamtgesellschaftlichen und somit strukturellen Perspektive vereinheitlichende Bezugnahmen auf den islamischen Glauben und muslimisch markierte Personen dekonstruiert. Diese vereinheitlichenden Bezugnahmen werden ausgehend von historischen Kontinuitäten in den Blick genommen, indem defizitäre und stereotypisierende Zuschreibungen aus einer Ungleichheitsperspektive heraus deskonstruiert werden. Das Phänomen des antimuslimischen Rassismus rekurriert somit in seinen theoretischen Ursprüngen auf die wissenschaftlichen Ausarbeitungen zum Orientalismus Edward Saids (vgl. ebd. 1981) und die darauf basierenden Postcolonial Studies. Antimuslimischer Rassismus bezeichnet vor diesem Hintergrund einen "Rassismus ohne Rassen" beziehungsweise einen "kulturellen Rassismus" (vgl. Hall 1989, Adorno 1975, Balibar 1992, Attia 2013). Während biologische Rassismen auf die Abwertungen von nicht-weißen Menschen anhand biologischer Merkmale verweisen, bezeichnet das Phänomen des antimuslimischen Rassismus den Wechsel einer biologisch verorteten Defizitmarkierung und -zuschreibung hin zur Zuschreibung von ‚kulturellen Defiziten’ in der "Sprache, Hautfarbe, den Gewohnheiten, der Religion, der Familie, den Verhaltensweisen, den Wertesystemen" (Hall 1989: 917). Unverändert bleiben jedoch die strukturellen Mechanismen der Naturalisierung, der Homogenisierung, Polarisierung und der daran geknüpften Hierarchisierung sowie Benachteiligung der als defizitär markierten sozialen Gruppe (vgl. Rommelspacher 2011). Durch antimuslimischen Rassismus findet in der Folge eine starke Abwertung von als muslimisch kategorisierten Menschen statt, indem "religiöse mit sozialen, kulturellen, gesellschaftlichen, politischen und anderen Differenz(ierung)en und Position(ierung)en vermengt" (Attia 2013) werden. Antimuslimischer Rassismus ist dabei – entgegen einer singulär individualisierenden Perspektive – als strukturelles Phänomen zu verstehen, das in allen gesellschaftlichen Milieus und Kontexten verbreitet und verankert ist (vgl. Zick/Klein 2014).
Das Phänomen des antimuslimischen Rassismus verweist dabei jedoch nicht etwa singulär auf Personen, die sich selbst als muslimisch definieren, sondern vielmehr auf ein imaginiertes Phantasma von Personen, die von außen als muslimisch markiert werden. Diese als muslimisch markierten Personen erfahren in der Folge strukturelle und vereinheitlichende Homogenisierungen, Abwertungen und Benachteiligungen. Infolgedessen sind auch Personen von antimuslimischem Rassismus betroffen, die sich selbst nicht als muslimisch definieren und sich nicht der islamischen Glaubensgemeinschaft zugehörig fühlen – aber aufgrund von vermeintlichen Differenzmarkern als muslimisch konstruiert werden. Anhand dieser machtvollen und folgenreichen Differenzierung, die als Prozess des Otherings bezeichnet wird, werden Fragen der gesellschaftlichen Zugehörigkeit und dem Zugang zu Ressourcen und Privilegien verhandelt (vgl. Bozay 2011).
Als Konsequenz der strukturell vereinheitlichenden und negativen Bezugnahmen auf muslimisch markierte Personen und homogenisierende Zuschreibungen über "den Islam" als Religion werden sie zur negativen Abgrenzungsfolie in der Selbstvergewisserung einer konstruierten vermeintlich eindeutigen deutschen, weißen, christlichen und fortschrittlichen nationalen Identität, aus der sie systematisch exkludiert werden (vgl. Castro Varela/Mecheril 2016).
Strukturelle Diskriminierung von Musliminnen und Muslimen sowie muslimisch markierten Personen
Vor dem Hintergrund vereinheitlichender und defizitärer Diskurse über muslimisch markierte Personen sind die Effekte von strukturellem, antimuslimischem Rassismus in zahlreichen wissenschaftlichen Studien in Bezug auf unterschiedliche gesellschaftliche Sphären hinreichend dokumentiert und verweisen auf die systematische Benachteiligung dieser Gruppe. Diese wissenschaftlichen Forschungsergebnisse zu antimuslimischem Rassismus beziehen sich beispielsweise auf vereinheitlichende und Stereotype (re-)produzierende Diskurse und Mediendarstellungen (vgl. Shooman 2014) sowie Implikationen und Annahmen von Zugehörigkeit. In der Folge wird Muslimisch-Sein in besonderem Maße mit negativen Annahmen assoziiert. Demnach führte die Information, dass eine Person muslimisch ist, bei den Befragten einer Studie des BIM zu deutlich abweisenden Einstellungen gegenüber dieser Person. So gaben 30 Prozent der Befragten an, dass es ihnen unangenehm sei, wenn eine muslimische Person in ihre Familie einheiraten würde (vgl. Canan/Foroutan 2016). Über tendenziell deutlich negativere Einstellungen gegenüber Musliminnen und Muslimen hinaus wird durch visuelle muslimische Markierungen Zugehörigkeit verhandelt und deutlich zurückgewiesen. Vor diesem Hintergrund hielten ca. 40 Prozent der Befragten der Studie "Deutschland postmigrantisch I" das Verzicht auf ein Kopftuch für notwendig, um Deutsche oder Deutscher zu sein (vgl. Foroutan et al. 2014) und rekurrieren somit auf das verbreitete Narrativ der fundamentalen Unvereinbarkeit von Muslimisch- und Deutsch-Sein.
Antimuslimischer Rassismus manifestiert sich jedoch auch strukturell in Benachteiligungen, etwa hinsichtlich des Zugangs zum Arbeits- und Wohnungsmarkt. So sind insbesondere Frauen mit einem Migrationshintergrund, die einem Hijab tragen, auf dem Arbeitsmarkt in besonders hohem Maße von strukturellen Diskriminierungsmechanismen betroffen und werden im Vergleich zu einer nicht-muslimischen und herkunftsdeutschen Frau auf Grundlage derselben Bewerbung viel seltener zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen (vgl. Weichselbaumer 2016). Die Frage danach, wer in unserer Gesellschaft welche Positionen bzw. Ämter bekleiden darf, erscheint dabei für Musliminnen und Muslime ebenfalls eingeschränkt. So sprechen sich ca. 57 Prozent der Befragten der repräsentativen "Mitte"-Studie von 2012 gegen den gleichen Zugang von Musliminnen und Muslimen zu allen gesellschaftlichen Positionen aus (vgl. Decker et al. 2012: 92) und weisen somit das gesellschaftliche und demokratische Verständnis von Meritokratie und Gleichberechtigung für muslimische Personen deutlich zurück.
Sprechen als Sprechen über?
Über die strukturellen Benachteiligungen in unterschiedlichen Lebensbereichen hinaus manifestiert sich antimuslimischer Rassismus in einem Ungleichgewicht im Diskurs über Musliminnen und Muslime sowie Personen, die muslimisch markiert werden. So wird diese Gruppe in medialen sowie politischen Darstellungen und Auseinandersetzungen in der Regel durch die nicht markierte, weiße und christliche Position vereinheitlichend dargestellt. In der Folge führt dies dazu, dass muslimische Personen und jene, die als solche markiert werden, vornehmlich als Gesprächsobjekte in Diskursen präsent sind. Die Rolle des Subjekts in diesen Diskursen sowie der Zugang zu Ressourcen symbolischer Macht wird ihnen jedoch vor dem Hintergrund von hegemonialen Machtungleichheiten und Othering-Prozessen strukturell kaum zugestanden (vgl. Attia 2014, Bourdieu 1991, Cheema 2017, Hall 1989). Die Bezugnahme sowie das Sprechen im Kontext von muslimischen und muslimisch markierten Personen und der islamischen Religion sind in Folge dessen durch ein defizitäres Sprechen über gekennzeichnet. Insbesondere das Fehlen von Räumen und strukturellen Möglichkeiten der Selbstrepräsentation führen zu einer Manifestation von Diskursen, die durch antimuslimischen Rassismus geprägt sind. Die Darstellungen von Gegendiskursen und -narrativen erhalten vor diesem Hintergrund keinen hinreichenden Raum und werden im gesellschaftlichen Diskurs kaum sichtbar. In der Folge bleibt die Fremdkonstruktion von muslimischen und muslimisch markierten Personen und die damit einhergehenden systematisch defizitären vereinheitlichendem Zuschreibungen aus der privilegierten Position im Rahmen der Machtasymmetrie weiterhin die dominante diskursive Bezugnahme auf sie.
Über wissenschaftliche Forschungsergebnisse zur strukturellen Diskriminierung von Musliminnen und Muslimen hinweg ist im aktuellen Diskurs eine Verschiebung festzustellen, die eine Infragestellung von muslimisch markierten Personen in Bezug auf ihre Zugehörigkeit zur deutschen Gesellschaft bis hin zur Zurückweisung von grundlegenden Menschenrechten von Personen of color und als muslimisch markierten Personen zur Folge hat. Verstärkt werden diese Narrative durch die zunehmende Verschränkung dieser Themenbereiche mit Diskursen über die innere Sicherheit. In der Folge führt dies zu einem dominanten Framing des Islam sowie Musliminnen und Muslimen in Szenarien von Bedrohungskonstruktionen. Im Diskurs über muslimische Personen und den islamischen Glauben ist vor diesem Hintergrund eine Polarisierung zu verzeichnen, die im europäischen und westlichen Diskurs in einer Versicherheitlichung des Themas mündet, sodass Aspekte der inneren Sicherheit zum zentralen Diskursrahmen werden, in dem über Musliminnen und Muslime sowie den Islam gesprochen wird. Versicherheitlichung meint in diesem Zusammenhang die Verschiebung der Diskurse rund um den Islam von der gesellschaftlichen Sphäre hin zur sicherheitspolitischen Auseinandersetzung insbesondere nach 9/11, sodass die Konstruktion von Muslimisch-Sein und der islamischen Religion in westlichen Ländern vorrangig als Bedrohung und potenzielles Sicherheitsrisiko erfolgt (vgl. Amin-Khan 2012, Cesari 2013, Bayoumi 2009).
Welche politischen Bildungsräume braucht die Migrationsgesellschaft?
Vor dem Hintergrund von tendenziell vereinheitlichenden und negativ konnotierten Bezugnahmen auf den Islam, muslimische Personen und als solche markierte, erscheint die Empathie mit Betroffenen und die Selbstrepräsentation ihrer diversen Positionen für die Auseinandersetzung mit antimuslimischem Rassismus zentral. Die Relevanz der Auseinandersetzung mit antimuslimischem Rassismus speist sich dabei insbesondere aus der Präsenz des Themas im gesellschaftspolitischen Diskurs und seiner zunehmenden Polarisierung. Viele muslimische und muslimisch markierte Personen stellen sich vermehrt die Frage, wie sie mit Erfahrungen von antimuslimischer Hetze und rassistischem Hass umgehen können, wenn diese Teil ihrer alltäglichen Erfahrungswelt sind. Für die Überwindung von antimuslimischem Rassismus bedarf es jedoch mehr: Es bedarf gesamtgesellschaftlicher subversiver Antworten und solidarischer Praktiken, die ein Gegengewicht zu antimuslimischem Rassismus bilden. Antimuslimischer Rassismus ist nicht das Problem der Betroffenen, er ist das Problem unserer Gesamtgesellschaft. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass dieses Problem "allerdings sehr unterschiedlich erlebt werden kann – je nachdem, welche Machtposition ich einnehme und welche Privilegien ich genieße und je nachdem, welche Machtressourcen mir verwehrt werden" (Messerschmidt 2010: 44).
Für den Kontext der politischen Bildung stellt sich somit die wichtige Frage danach, wie eine politische Bildung in der deutschen Migrationsgesellschaft aussehen muss, die das Phänomen des antimuslimischen Rassismus aufgreift, sichtbar macht und Präventions- sowie Handlungsmöglichkeiten für die Bildungsarbeit entwickelt. Für die Schaffung dieser politischen Bildungsräume erscheint vor diesem Hintergrund ein tiefgehendes Bewusstsein für strukturelle Diskriminierungsmechanismen elementar. So erfordert die Auseinandersetzung mit Rassismen ein hohes Maß an Sensibilität für unterschiedliche Positionierungen und Betroffenheitsperspektiven (vgl. Boger/Simon 2016). Während einige Teilnehmende nach einer Veranstaltung über antimuslimischen Rassismus nach Hause fahren und das Thema beiseitelegen können, haben muslimisch markierte Personen dieses Privileg nicht. Antimuslimischer Rassismus ist Teil ihrer alltäglichen Erfahrungswelt und determiniert die Erfahrungen, die sie jeden Tag in unserer Gesellschaft machen. Diese unterschiedlichen Positionierungen professionell zu berücksichtigen und sie zu navigieren, ist eine Herausforderung politischer Bildungsräume in der Migrationsgesellschaft. So stellt sich die Frage danach, wie ein solcher politischer Bildungsraum aussehen kann, der einerseits nicht muslimisch markierte Personen für antimuslimischen Rassismus und ihre eigenen Privilegien sensibilisiert und andererseits Raum für das Empowerment muslimisch markierter Personen schafft, um beiden Erfahrungsräumen, Bildungsbedürfnissen und Verantwortungen gleichermaßen gerecht zu werden.
Für diese Art der politischen Bildung in der Migrationsgesellschaft braucht es neue Konzepte, Zugänge und Impulse – einen diskriminierungskritischen politischen Bildungsraum 2.0. Für das Gelingen erscheint die Überwindung der weißen eurozentristischen Perspektive elementar. Auf der Grundlage der Berücksichtigung von vielfältigen nicht-weißen und nicht-eurozentrischen Zugängen bedarf es Räumen der politischen Bildung und der Etablierung eines kritischen Diskurses, der im Rahmen des Kontroversitätsgebots des ‚Beutelsbacher Konsens‘ die Repräsentation von Migrantinnen und Migranten, Personen of color und muslimisch sowie muslimisch markierten Personen stärker fokussiert.
Antimuslimischer Rassismus als Angriff auf unsere Gesellschaft
In der pluralen Migrationsgesellschaft Deutschland ist antimuslimischer Rassismus ein Angriff auf unsere Gesamtgesellschaft. Die Schaffung einer Vielzahl von Auseinandersetzungsräumen erscheint daher als unabdingbar, um einerseits ein Bewusstsein für antimuslimischen Rassismus zu schaffen, andererseits das Phänomen zu erfassen und darüber hinaus Solidarisierungsprozesse anzuregen. Die Perspektive auf antimuslimischen Rassismus als strukturelle Diskriminierungsform ist dabei aus wissenschaftlicher und auch gesellschaftlicher Perspektive zentral für die Auseinandersetzung. Im Kontext der vermeintlichen Eindeutigkeit im Sprechen über Musliminnen und Muslime erscheint darüber hinaus die Relevanz der Abbildung von diversen muslimischen Lebenswelten und Perspektiven als zentrale Aufgabe, um eine adäquate Repräsentation der Diversität muslimischer Lebensrealitäten zu ermöglichen und subversiven Narrativen den notwendigen Raum zu geben.
Muslimische und muslimisch markierte Personen sind ein gleichberechtigter Teil der Gesamtgesellschaft – und als solcher müssen sie auch wahrgenommen und repräsentiert werden (und sich selbst repräsentieren können). Damit dies gelingt, ist es notwendig, antimuslimischen Rassismus als strukturelles Problem unserer Gesellschaft zu verstehen – und nicht als eine Herausforderung, der sich Musliminnen und Muslime sowie als solche Adressierte allein stellen müssen. Die Bundesrepublik Deutschland ist dabei als postnationalsozialistische und postkoloniale Nation ist einer besonderen Verantwortung, antimuslimischen Rassismus als solchen klar zu benennen und sich gegen ihn zu positionieren.
Neben vielen weiteren Bereichen sind insbesondere zivilgesellschaftliche Organisationen und staatliche Bildungsinstitutionen gefragt, rassismuskritische Transformationsprozesse zu gestalten und kritische sowie solidarische Diskursräume über antimuslimischen Rassismus zu ermöglichen. Mithilfe von diskriminierungskritischen politischen Bildungsräumen, die aus einer rassismuskritischen Perspektive auf migrationsgesellschaftliche Realitäten Bezug nehmen, können gesellschaftlich höchst relevante sowie erforderliche Auseinandersetzungs- und Diskursräume geschaffen werden. Dabei sind Bildungskontexte im Spezifischen genauso wie Akteurinnen und Akteure auf allen gesellschaftlichen Ebenen im Allgemeinen dazu angehalten, antimuslimischen Rassismus kritisch aufzugreifen und ihm kontinuierlich entschieden entgegenzutreten, denn:
"Injustice anywhere is a threat to justice everywhere" (Martin Luther King)
https://www.bpb.de/
Siehe auch unter AKTUELLES >>> Rassismus und Diskriminierung >>>
- Menschen mit afrikanischer Herkunft >>>
- NS-Verfolgung von Sinti und Roma in Mosbach >>>
- NS-Verfolgung von Homosexuellen >>>
- Nazi-Euthanasie in Mosbach (Baden) >>>
- Judenverfolgung und Anti-Semitismus >>>
- Judenverfolgung in Mosbach >>>
- Judendeportationen in Mosbach >>>
- Nazi-Geschlechterordnung >>>
Die Polizei: Helfer, Gegner, Staatsgewalt: Inspektion einer mächtigen Organisation | Die erste kritische & wissenschaftlich fundierte Bestandsaufnahme zu Arbeit und Wirkung der Polizei
Der Apparat im Staat. Die Polizei wird gebraucht und gefürchtet und ist immer wieder in den Schlagzeilen. Doch wie arbeitet und wirkt sie und wie ist ihr Verhältnis zur Gesellschaft? Der Rechtsanwalt Benjamin Derin und der renommierte Polizeiforscher und Kriminologe Tobias Singelnstein zeigen die strukturellen Probleme einer mit weitgehenden Befugnissen und einer Gewaltlizenz ausgestatteten Organisation. Dazu gehören mangelnde Fehlerkultur und Transparenz, Korpsgeist und Rassismus, aber auch Überforderung aufgrund einer wachsenden Zahl an Aufgaben, für die die Beamt:innen nicht immer angemessen ausgebildet sind. Zugleich sorgt die Polizei durch ihre Lobbyarbeit für Polarisierung und neigt zur Verselbstständigung. Die Autoren zeigen, dass die Polizei sich wandeln muss, wenn sie den gesellschaftlichen Veränderungen gerecht werden will und damit eine rechtsstaatliche Einhegung gewährleistet ist. »Sachlich, differenzierend und wissenschaftlich fundiert. Derin und Singelnstein liefern die Grundlage und überzeugende Argumente für eine längst überfällige Polizeireform.« Günter Wallraff. »In einer demokratisch verfassten Gesellschaft muss Staatsgewalt begrenzt und kontrolliert werden. Dafür liefert dieses Buch einen wertvollen Beitrag, weil es diejenigen kritisch unter die Lupe nimmt, die das Gewaltmonopol dieses Staates tagtäglich ausüben und leider auch oft missbrauchen.« Georg Restle. »Das Buch ist ein Muss für alle, die Cop Culture und Polizeiproblem in all ihren Facetten verstehen wollen.« Seda Başay-Yıldız
2.4 Online-Artikel zu Einbürgerung und Staatsbürgerschaft im Zusammenhang mit Rassismus und Anti-Semitismus
Gesetzentwurf liegt vor
Ampel einigt sich auf Vereinfachung der Einbürgerung
Stand: 19.05.2023 13:33 Uhr
Die Ampel hat sich auf eine Reform des Einbürgerungsrechts geeinigt. Grundsätzlich sollen Migranten schneller den deutschen Pass bekommen. Nach Drängen der FDP wurde der ursprüngliche Entwurf in zwei Punkten verschärft. Nach langen Diskussionen hat sich die Ampelkoalition in Grundzügen auf eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts geeinigt. Das hat das Bundesinnenministerium nun bestätigt. Zuvor hatten verschiedene Medien darüber berichtet.
Die Reform sieht eine deutliche Vereinfachung der Einbürgerung und Integration vor. So sollen Migrantinnen und Migranten bereits nach fünf Jahren Aufenthalt in Deutschland zu Staatsbürgern werden können statt bislang nach acht Jahren. Bei "besonderen Integrationsleistungen" wie guten Sprachkenntnissen, ehrenamtlichem Engagement oder sehr guten Leistungen im Job soll eine Einbürgerung schon nach drei Jahren möglich sein.
03.03.2023 Gesetzentwurf der Innenministerin FDP fordert höhere Hürden für Einbürgerung >>>
Die FDP will nur Menschen einbürgern, die ihren eigenen Lebensunterhalt bestreiten können. mehr
Nur mündliche Sprachnachweise für Menschen über 67 JahreAuch in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern sollen schneller Deutsche werden können, heißt es in dem 49-seitigen Gesetzentwurf, auf den sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Justizminister Marco Buschmann von der FDP geeinigt haben. Die Bedingung: Ein Elternteil muss seit fünf Jahren rechtmäßig in Deutschland leben. Bislang galt das erst nach acht Jahren. Bei Senioren, die älter als 67 Jahre sind, will Faeser dem Bericht zufolge schriftliche Sprachnachweise als Voraussetzung streichen. Stattdessen sollen sie künftig nur noch mündliche Sprachkenntnisse nachweisen müssen.Zu den weitreichenden Änderungen zählt demnach auch, dass die bisherige Staatsangehörigkeit nicht mehr aufgegeben werden muss. Der alte Rechtsgrundsatz entspreche ohnehin nicht mehr der Praxis, heißt es in dem Papier. Seit Jahren würden die meisten Einbürgerungen trotz weiterer Staatsangehörigkeit vollzogen.
Innenministerin Faeser will ein neues Einbürgerungsgesetz. Die Kritik des Koalitionspartners FDP ist überraschend. mehr
Keine Einbürgerung bei bestimmten Straftaten
Vor allem die FDP hatte in der Ampelkoalition Kritik an ersten Reformplänen vom November geübt. Der überarbeitete Entwurf trägt dem Rechnung. Straftaten, die demnach aus antisemitischen, rassistischen, fremdenfeindlichen oder sonstigen menschenverachtenden Motiven begangen wurden, verhindern eine Einbürgerung. "Da gibt es keinerlei Toleranz", betonte Bundesinnenministerin Faeser gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio. "Wer unsere Werte nicht teilt, kann nicht Deutscher werden." Staatsanwaltschaften sollen Einwanderungsbehörden künftig solche Straftaten aktiv melden, um Einbürgerungen in solchen Fällen zu verhindern.
Darüber hinaus gilt nun: Wer in Deutschland eingebürgert werden will, muss wirtschaftlich integriert sein. Der Lebensunterhalt für sich und die eigenen Familienangehörigen muss daher grundsätzlich ohne Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestritten werden können. Ausnahmen gelten für die sogenannten Gastarbeiter und die Vertragsarbeitnehmer, die bis 1990 in die ehemalige DDR eingereist sind. Auch "Aufstocker", die in Vollzeit arbeiten und in den vergangenen zwei Jahren mindestens 20 Monate lang beschäftigt waren, sind von dieser Regelung ausgenommen. Zudem gibt es Ausnahmen für in Vollzeit arbeitende Ehepaare und eingetragene Lebenspartner mit minderjährigen Kindern.
Entwurf soll heute an die Bundesländer gehenDer Entwurf soll heute zur Anhörung an Bundesländer und Verbände gehen. Im Sommer soll das Gesetz dann vom Kabinett verabschiedet werden. "Wir wollen, dass Menschen, die Teil unserer Gesellschaft geworden sind, unser Land auch demokratisch mitgestalten können“, sagte Faeser.Dies sei auch entscheidend, "um die Fachkräfte zu gewinnen, die wir dringend brauchen". Zugewanderte würden mit der Reform nicht mehr gezwungen, "einen Teil ihrer Identität aufzugeben". Dies sei ein "Paradigmenwechsel".
Dieses Thema im Programm:
Über dieses Thema berichtete Inforadio am 19. Mai 2023 um 09:03 Uhr.
https://www.tagesschau.de/
Die Einbürgerung soll einfacher werden: Details zur Gesetzesreform
Stand: 19.05.2023, 17:51 Uhr
Menschen aus dem Ausland, die schon lange legal in Deutschland leben, sollen schneller zu Staatsbürgern werden - wenn sie ihren Lebensunterhalt ohne Sozialleistungen bestreiten können. Die Ampel hat sich jetzt auf eine Reform des Gesetzes geeinigt.
Der neue Gesetzentwurf soll die Einbürgerung erleichtern und doppelte Staatsbürgerschaften sollen grundsätzlich möglich sein. Voraussetzung für die schnellere Einbürgerung soll sein, dass man den Lebensunterhalt für sich und seine Familie ohne Sozialleistungen bestreiten kann. Bei besonderen Integrationsleistungen sollen auch drei Jahre genügen. Der neue Entwurf soll nun zur Abstimmung an Länder und Verbände gehen.
Wozu soll die Wartezeit bis zur Einbürgerung eigentlich verkürzt werden? Warum soll häufiger die doppelte Staatsbürgerschaft erlaubt sein? Weshalb ist das besonders für Türken in Deutschland interessant? Und welche Argumente gibt es gegen die Pläne? Fragen und Antworten.
Warum soll die Einbürgerung schneller als bisher erfolgen?
Die Einbürgerung soll künftig in der Regel schon nach fünf statt nach acht Jahren möglich sein. Auf diesen Plan hatte sich die Ampel-Regierung schon im Koalitionsvertrag geeinigt. "Wir wollen, dass Menschen, die Teil unserer Gesellschaft geworden sind, unser Land auch demokratisch mitgestalten können", sagte Nancy Faeser. Gute Beispiele wie Kanada zeigten, dass diese Perspektive auch entscheidend sei, um dringend gebrauchte Fachkräfte zu gewinnen.
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Nandy Faeser, Bundesinnenministerin (SPD)Nancy Faeser (SPD)
Dazu sollten sie auch wählen und für öffentliche Ämter kandidieren dürfen, wofür die Staatsbürgerschaft Voraussetzung sei, so Faeser. Die Einbürgerung stärke auch die Integration. Auch in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern sollen schneller Deutsche werden können. Die Bedingung: Ein Elternteil muss seit fünf Jahren rechtmäßig in Deutschland leben. Bislang galt das erst nach acht Jahren.
Auch für die ältere Generation, häufig die sogenannten Gastarbeiter, die vor Juni 1974 eingewandert sind, soll es einfacher werden. Sie sollen künftig keinen schriftlichen Deutsch-Test mehr machen müssen, um eingebürgert zu werden. Der Nachweis mündlicher Sprachkenntnisse soll reichen. Auch sollen sie keinen schriftlichen Einbürgerungstest mehr machen müssen.
Im EU-weiten Vergleich bürgert Deutschland übrigens nicht besonders viele Menschen ein - gemessen an der Zahl derjenigen Menschen, die ohne deutsche Staatsbürgerschaft in Deutschland leben. Die höchste Einbürgerungsrate hatte 2020 Schweden. Dort wurden 8,6 Prozent aller Ausländer, die in dem Jahr dort lebten, eingebürgert. In Deutschland lag die Rate bei 1,1 Prozent.
Rund 10,7 Millionen Menschen lebten Ende 2021 mit ausländischer Staatsbürgerschaft in Deutschland. Rund 5,7 Millionen von ihnen halten sich seit mindestens zehn Jahren in Deutschland auf.
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Welche Faktoren schließen eine Einbürgerung aus?
Vor allem auf Drängen der FDP wurde der Entwurf noch einmal nachgeschärft. In der Neufassung wird nun klarer geregelt, dass bestimmte Straftaten eine Einbürgerung ausschließen. Ausdrücklich genannt werden etwa rassistische, menschenverachtende oder antisemitische Handlungen - und die Staatsanwaltschaft muss künftig die Einbürgerungsbehörde auf Anfrage über solche Taten informieren.
Stephan Thomae, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-BundestagsfraktionFDP-Innenexperte Stephan Thomae
"Besonders wichtig ist das klare Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und unseren liberalen Werten", sagt der FDP-Innenexperte Stephan Thomae. "Diesbezüglich wollen wir Prüfungen und Sicherheitsabfragen verstärken."
Kritik an den geplanten Erleichterungen kommt unter anderem aus der Union. Durch die Reform "steigt das Risiko, dass vorschnell Personen eingebürgert werden, welche nicht ausreichend integriert sind", warnte Unions-Innenexperte Alexander Throm (CDU). Der AfD-Innenpolitiker Gottfried Curio kritisierte, die Reform werde die ohnehin schon "anwachsende Rekordeinwanderung" weiter steigen lassen.
Warum soll häufiger die doppelte Staatsbürgerschaft erlaubt sein?
Der so genannte Doppel-Pass soll mit der Reform künftig von der Ausnahme zur Regel werden. Die Eingebürgerten sollen prinzipiell ihre ursprüngliche Staatsangehörigkeit behalten dürfen. Bislang war die doppelte Staatsangehörigkeit nur in Ausnahmefällen möglich. Diese bisherige Regelung entspreche nicht mehr der Praxis, heißt es in dem Entwurf. Zugewanderte würden mit der Reform nicht mehr gezwungen, "einen Teil ihrer Identität aufzugeben".
Tatsächlich ist die doppelte Staatsbürgerschaft in Deutschland eine Ausnahme. Laut Mikrozensus 2021 gibt es in Deutschland etwa 2,9 Millionen Doppelstaatler. Das entspricht etwa 3,5 Prozent der Bevölkerung. Das Statistische Bundesamt geht allerdings davon aus, dass die tatsächliche Zahl höher ist. Die meisten Doppelstaatler stammen aus Polen, Russland und der Türkei.
Statistisches Bundesamt zu doppelter Staatsbürgerschaft | destatis.de
Anrecht auf die doppelte Staatsbürgerschaft haben bislang unter anderem:
Menschen, deren Herkunftsland die alte Staatsbürgerschaft nicht zurücknimmt (z.B. Iran, Afghanistan, Marokko)
Kinder von Eltern mit deutscher und anderer Staatsbürgerschaft
Flüchtlinge, z.B. wenn ihnen im Heimatland Verfolgung droht
eingewanderte Israelis
Ausnahmen für die doppelte Staatsbürgerschaft | integrationsbeauftragte.de
Warum ist vor allem Türken die doppelte Staatsbürgerschaft wichtig?
In Deutschland leben laut Mirkozensus etwa 280.000 Menschen, die sowohl die türkische als auch die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Diese doppelte Staatsbürgerschaft basiert bislang aber auf Ausnahmeregelungen. Denn bisher gilt das Prinzip, Mehrstaatigkeit zu vermeiden.
Derzeit leben in Deutschland knapp 1,5 Millionen Türkinnen und Türken ohne deutschen Pass. Das ist etwa jeder achte Ausländer. Für viele von ihnen ist die türkische Staatsbürgerschaft Ausdruck ihrer Identität, daher wollen sie sie nicht aufgeben und sich nicht einbürgern lassen.
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Wie geht es jetzt weiter mit dem Gesetzentwurf?
Bei dem Entwurf von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) handle es sich um die "finale Einigung" der Ampel-Partner, hieß es aus Koalitionskreisen. Im weiteren parlamentarischen Verfahren und der Verbändeanhörung könnten sich aber noch kleinere Änderungen ergeben.
Bis zum Sommer soll das Kabinett den Gesetzesentwurf verabschieden. Anschießend berät und entscheidet der Bundestag.
https://www1.wdr.de/
Gesetzentwurf für modernes Staatsangehörigkeitsrecht veröffentlicht – Faeser: "Erwerb der Staatsangehörigkeit ist stärkstes Bekenntnis zu Deutschland"
PRESSEMITTEILUNG 19.05.2023
Mehrstaatigkeit soll möglich werden / Einbürgerungen nach fünf oder drei statt acht Jahren / Würdigung der Gastarbeitergeneration
Ein deutscher Pass auf einer EinbürgerungsurkundeQuelle: picture alliance / Laci Perenyi
Das Bundesinnenministerium hat den Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts – ein zentrales Reformvorhaben der Bundesregierung – heute veröffentlicht. Länder und Verbände können nun hierzu Stellung nehmen. Die Mehrstaatigkeit soll möglich und der Weg zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit einfacher werden. Eine Einbürgerung soll in der Regel nach fünf statt wie bisher nach acht Jahren möglich sein, bei besonderen Integrationsleistungen kann die Voraufenthaltszeit auf bis zu drei Jahre verkürzt werden.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser: "Ich freue mich sehr, dass wir mit dem neuen Staatsangehörigkeitsrecht eines der wichtigsten Fortschrittsthemen der Ampel umsetzen. Wir wollen, dass Menschen, die Teil unserer Gesellschaft geworden sind, unser Land auch demokratisch mitgestalten können. Gute Beispiele wie Kanada zeigen uns, dass diese Perspektive auch entscheidend ist, um die Fachkräfte zu gewinnen, die wir dringend brauchen.
Viele Zugewanderte fühlen sich als Deutsche, wollen aber den Bezug zu ihrem Herkunftsland nicht komplett kappen. Sie werden künftig nicht mehr gezwungen sein, einen Teil ihrer Identität aufzugeben. Wir vollziehen den lange überfälligen Paradigmenwechsel und lassen die Mehrstaatigkeit zu. Zugleich ermöglichen wir die Einbürgerung schon nach fünf statt nach acht Jahren. Wer besonders gut integriert ist, kann diesen Zeitraum auf bis zu drei Jahre verkürzen. Das gilt für Menschen, die sehr gut Deutsch sprechen, im Job herausragende Leistungen erzielen oder sich ehrenamtlich engagieren. Die enorme Lebensleistung der Gastarbeitergeneration für unser Land wollen wir würdigen. Deshalb sehen wir für sie deutliche Erleichterungen bei der Einbürgerung vor.
Der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit ist das stärkste Bekenntnis zu Deutschland. Wer Deutsche oder Deutscher wird, bekennt sich zum Leben in unserer freiheitlichen und vielfältigen Gesellschaft. Deshalb gilt auch: Rassismus, Antisemitismus oder jede andere Form von Menschenfeindlichkeit steht einer Einbürgerung entgegen – da gibt es keinerlei Toleranz. Wer unsere Werte nicht teilt, kann nicht Deutscher werden."
Ende 2021 lebten rund 72,4 Millionen Menschen mit deutscher und rund 10,7 Millionen mit ausländischer Staatsangehörigkeit in Deutschland, von denen sich rund 5,7 Millionen bereits seit mindestens zehn Jahren in Deutschland aufhielten. Der Anteil von Einbürgerungen im Inland im Verhältnis zu der seit mindestens zehn Jahren in Deutschland lebenden ausländischen Bevölkerung befindet sich dauerhaft auf niedrigem Niveau; im Jahr 2021 lag er bei nur 2,45 Prozent. Auch im EU-Vergleich hat Deutschland eine besonders niedrige Einbürgerungsrate.
Dies zeigt, dass nach wie vor ein bedeutender Teil der Menschen, die seit Jahren ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben und längst fester Bestandteil der Gesellschaft sind, nicht gleichberechtigt demokratisch teilhaben und mitwirken können. Das Staatsangehörigkeitsrecht muss daher modernisiert werden, um den Bedürfnissen vieler Menschen mit Einwanderungsgeschichte angemessen Rechnung zu tragen.
Dazu gehören vor allem Möglichkeiten zur schnelleren Einbürgerung. Sie sind ein weiterer Anreiz, sich schnell zu integrieren. Hierfür sind Aspekte wie Sprachkenntnisse, Bildung, berufliche Eingliederung, bürgerschaftliches Engagement und staatsbürgerliche Kenntnisse besonders wichtig.
Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung
Wer in Deutschland eingebürgert werden will, muss sich zu den Werten einer freiheitlichen Gesellschaft bekennen. Dazu gehören insbesondere die Würde und Gleichheit aller Menschen. Wer diese Werte nicht teilt oder ihnen gar zuwiderhandelt, darf nicht deutscher Staatsangehöriger werden. In das Staatsangehörigkeitsgesetz wird daher ausdrücklich folgender Satz aufgenommen: "Antisemitisch, rassistisch, fremdenfeindlich oder sonstige menschenverachtend motivierte Handlungen sind mit der Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland unvereinbar und verstoßen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes."
Außerdem sieht der Entwurf eine Regelung vor, die gewährleisten soll, dass die Staatsangehörigkeitsbehörden sicher von aus menschenverachtenden Beweggründen begangenen Straftaten erfahren. Die Staatsanwaltschaften müssen nach dem Gesetzentwurf künftig den Staatsangehörigkeitsbehörden auf Anfrage Informationen über diese Straftaten mitteilen.
Sicherung des Lebensunterhalts
Wer in Deutschland eingebürgert werden will, muss wirtschaftlich integriert sein. Der Lebensunterhalt für sich und die eigenen Familienangehörigen muss daher grundsätzlich ohne Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestritten werden können. Um hier Klarheit zu schaffen, werden Ausnahmen nun ausdrücklich im Gesetz benannt. Diese Ausnahmen sollen u.a. Gastarbeitern, die bis 1974 in die Bundesrepublik eingereist sind, und Vertragsarbeitnehmern, die bis 1990 in die ehemalige DDR eingereist sind, zugutekommen sowie Familien mit minderjährigen Kindern, wenn ein Ehegatte oder eingetragener Lebenspartner in Vollzeit erwerbstätig ist.
Weitere Erleichterungen für Gastarbeitergeneration
Gastarbeiter in den westdeutschen Bundesländern und Vertragsarbeitnehmer in der ehemaligen DDR haben einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung Deutschlands geleistet. Sie haben aber in der Vergangenheit keine oder nur wenig Integrationsangebote erhalten. Ein schriftlicher Sprachnachweis und der Einbürgerungstest sollen daher für sie nicht notwendig sein. Vielmehr soll der Nachweis mündlicher deutscher Sprachkenntnisse ausreichen.
Öffentliche Einbürgerungsfeiern
Die Einbürgerung ist für alle Beteiligten ein Grund zum Feiern. Die Eingebürgerten können gleichberechtigt am politischen Leben in Deutschland teilnehmen. Der Staat darf sich über jeden neuen, nun gleichberechtigten Staatsangehörigen freuen. Der Gesetzentwurf sieht deshalb vor, dass die Einbürgerungsurkunde nach Möglichkeit in einem feierlichen Rahmen ausgehändigt werden soll, in einer öffentlichen Einbürgerungsfeier und unter Verwendung der nationalen Symbole der Bundesrepublik Deutschland.
Der Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts ist hier abrufbar. >>>
https://www.bmi.bund.de/
Änderung an Staatsangehörigkeitsgesetz
:Keine Einbürgerung für Antisemiten
Die Große Koalition will bestimmten Straftätern die deutsche Staatsangehörigkeit zeitweise verwehren – eine Reaktion auf Hetze vor Synagogen.
FREIBURG taz | Antisemitische und rassistische Straftäter:innen dürfen auch nach leichteren Taten zeitweise nicht eingebürgert werden. Das wird der Bundestag noch in dieser Woche beschließen. Zudem soll Antisemitismus im Einbürgerungstest zum Thema werden.
Die Idee für die Verschärfung des Einbürgerungsrechts stammt von Mathias Middelberg, dem innenpolitischen Sprecher der Union. Er wollte auf antisemitische Kundgebungen vor Synagogen reagieren. Ursprünglich schlug Middelberg als Formulierung vor: „Die Einbürgerung ist ausgeschlossen, wenn der Ausländer eine antisemitisch motivierte Handlung vorgenommen hat.“ Ute Vogt, innenpolitische Sprecherin der SPD, fand jedoch den Begriff „Handlung“ zu unbestimmt. Daher wird nun auf strafrechtliche Verurteilungen abgestellt.
Zwar ist eine Einbürgerung schon bisher ausgeschlossen, wenn Ausländer:innen bereits strafrechtlich verurteilt wurden. Laut Staatsangehörigkeitsgesetz gilt dies aber ausnahmsweise nicht bei Haftstrafen bis zu drei Monaten und Geldstrafen bis 90 Tagessätzen. Diese Ausnahmen sollen nun entfallen, wenn jemand wegen einer antisemitischen, rassistischen, fremdenfeindlichen oder sonstig menschenverachtenden Straftat verurteilt wurde. „Antisemitisch motivierte Straftaten sind nie eine Bagatelle“, betont CDU-Mann Middelberg.
Die Einbürgerungsbehörde muss künftig also prüfen, ob eine Beleidigung oder eine Körperverletzung antisemitisch, rassistisch oder sonst menschenverachtend motiviert war und ob sich im Strafurteil ein entsprechender strafverschärfender Hinweis findet. Eine antisemitische Motivation ist im Strafgesetzbuch erst seit diesem Jahr ausdrücklich als strafverschärfend erwähnt, zuvor galt Antisemitismus als Unterfall der Menschenverachtung.
Neue Fragen im Einbürgerungstest
Die Verurteilung verhindert die Einbürgerung aber nicht dauerhaft, sondern nur, solange das Urteil im Bundeszentralregister aufgeführt ist. Verurteilungen bis zu 3 Jahren Haft oder 90 Tagessätzen Geldstrafe werden nach fünf Jahren im Register getilgt.
Als weitere Maßnahme fordert die Große Koalition, dass Fragen zum Antisemitismus und zum Existenzrecht Israels in den Einbürgerungstest aufgenommen werden. Der Test besteht aus 33 wechselnden Multiple-Choice-Wissensfragen, wovon 17 richtig beantwortet werden müssen. Beispiel: „Welches Recht gehört zu den Grundrechten in Deutschland? Waffenbesitz, Faustrecht, Meinungsfreiheit oder Selbstjustiz?“
Tatsächlich enthält der Gesamtkatalog aus 300 Testfragen bisher keine Fragen zum Antisemitismus. Doch selbst wenn hier zwei Fragen aufgenommen würden, würde das den Charakter als Wissenstest nicht verändern.
Viel relevanter bleibt die bereits bestehende Regelung, dass jede:r Einbürgerungswillige ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung abgeben muss. Bei Personen, die nach der Einbürgerung antisemitisch auffallen, kann das Bekenntnis eventuell als vorgetäuscht gewertet und die Einbürgerung zehn Jahre lang zurückgenommen werden.
Das Gesetz soll in der Nacht zu Freitag um 5.50 Uhr gemeinsam mit anderen Änderungen des Staatsangehörigkeitsrechts beschlossen werden.
https://taz.de/
Bundesrat stimmt zu: Keine Einbürgerung mehr bei Verurteilung wegen Rassismus
Ein deutscher Reisepass (Symbolbild)
Der Bundesrat billigt nach antiisraelischen und antijüdischen Vorfällen eine Änderung im Staatsangehörigkeitsrecht. Menschen, die wegen rassistisch oder antisemitisch motivierter Straftaten verurteilt worden sind, dürfen nicht mehr eingebürgert werden. Auch können Verfolgte des Nazi-Regimes und deren Nachkommen künftig ohne weitere Auflagen die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben.
25.06.2021, 16:23 Uhr
Berlin. Wer wegen einer rassistisch oder antisemitisch motivierten Straftat verurteilt worden ist, kann in Deutschland künftig nicht mehr eingebürgert werden. Diese Einschränkung wurde nach antiisraelischen und antijüdischen Vorfällen kurzfristig in eine Liste an Änderungen im Staatsangehörigkeitsrecht aufgenommen, die der Bundesrat am Freitag billigte.
Bei schweren Straftaten galt dies bereits. Nun kann eine Einbürgerung auch bei Jugendstrafen und weniger gravierenden Delikten verwehrt werden, wenn das Gericht ein antisemitisches oder rassistisches Motiv als strafverschärfend festgestellt hatte.
Zu den Änderungen gehört auch, dass Verfolgte des Nazi-Regimes und deren Nachkommen künftig ohne weitere Auflagen die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben können. Entsprechende Erlasse des Innenministeriums von 2019 werden auf eine gesetzliche Grundlage gestellt und großzügiger ausgestaltet. So war eine erleichterte Einbürgerung bisher nur möglich, wenn mindestens ein Elternteil vor dem 1. Januar 2000 geboren war. Diese Einschränkung fällt weg.
Regelung für Ausländerzentralregister
Der Antrag ist kostenlos, andere Staatsangehörigkeiten darf man behalten. Betroffene müssen lediglich nachweisen, dass ihre Vorfahren zwischen 1933 und 1945 in Deutschland verfolgt wurden oder zu Gruppen gehörten, die damals verfolgt wurden. Das kann Nachfahren von Juden, Sinti und Roma ebenso betreffen wie Nachkommen von psychisch Kranken oder politischen Gegnern der Nationalsozialisten.
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Der Bundesrat stimmte außerdem einer Regelung zu, die eine Speicherung aller relevanten ausländerrechtlichen Daten in einem bundesweiten Register vorsieht. Im Ausländerzentralregister soll künftig auch zentral das Ergebnis der Echtheitsprüfung von vorgelegten Dokumenten erfasst werden.
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Stephan Mayer (CSU), versicherte, sensible Informationen aus Asylverfahren - etwa zu politischen Aktivitäten oder sexueller Orientierung - seien von der Übermittlung an Drittstaaten „kategorisch ausgeschlossen“.
RND/dpa
https://www.rnd.de/
Migration :
Keine Einbürgerung mehr bei Verurteilung wegen Rassismus
25. Juni 2021, 16:14 UhrLesezeit: 1 min
Direkt aus dem dpa-Newskanal
Berlin (dpa) - Wer wegen einer rassistisch oder antisemitisch motivierten Straftat verurteilt worden ist, kann in Deutschland künftig nicht mehr eingebürgert werden.
Diese Einschränkung wurde nach antiisraelischen und antijüdischen Vorfällen kurzfristig in eine Liste an Änderungen im Staatsangehörigkeitsrecht aufgenommen, die der Bundesrat billigte. Bei schweren Straftaten galt dies bereits. Nun kann eine Einbürgerung auch bei Jugendstrafen und weniger gravierenden Delikten verwehrt werden, wenn das Gericht ein antisemitisches oder rassistisches Motiv als strafverschärfend festgestellt hatte.
Zu den Änderungen gehört auch, dass Verfolgte des Nazi-Regimes und deren Nachkommen künftig ohne weitere Auflagen die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben können. Entsprechende Erlasse des Innenministeriums von 2019 werden auf eine gesetzliche Grundlage gestellt und großzügiger ausgestaltet. So war eine erleichterte Einbürgerung bisher nur möglich, wenn mindestens ein Elternteil vor dem 1. Januar 2000 geboren war. Diese Einschränkung fällt weg.
Der Antrag ist kostenlos, andere Staatsangehörigkeiten darf man behalten. Betroffene müssen lediglich nachweisen, dass ihre Vorfahren zwischen 1933 und 1945 in Deutschland verfolgt wurden oder zu Gruppen gehörten, die damals verfolgt wurden. Das kann Nachfahren von Juden, Sinti und Roma ebenso betreffen wie Nachkommen von psychisch Kranken oder politischen Gegnern der Nationalsozialisten.
Der Bundesrat stimmte außerdem einer Regelung zu, die eine Speicherung aller relevanten ausländerrechtlichen Daten in einem bundesweiten Register vorsieht. Im Ausländerzentralregister soll künftig auch zentral das Ergebnis der Echtheitsprüfung von vorgelegten Dokumenten erfasst werden. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Stephan Mayer (CSU), versicherte, sensible Informationen aus Asylverfahren - etwa zu politischen Aktivitäten oder sexueller Orientierung - seien von der Übermittlung an Drittstaaten "kategorisch ausgeschlossen".
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Einbürgerungsstopp für Antisemiten: Die freie Gesellschaft ist keine Einbahnstraße
Die Koalition hat sich auf einen Ausschluss der Einbürgerung nach antisemitischen Straftaten geeinigt. Anlass sind die judenfeindlichen Parolen auf Demonstrationen zum Nahostkonflikt. Auf dem Verordnungsweg wird man dem Antisemitismus unter Migranten jedoch kaum beikommen, kommentiert Thoralf Cleven.
Thoralf Cleven
18.06.2021, 16:44 Uhr
Als Israel im Mai auf Hamas-Raketen mit dem Beschuss des Gaza-Streifens antwortete, da blühte er auch in Deutschland schnell wieder auf: der häufig als Israel-Kritik verbrämte Judenhass. Überall in der Bundesrepublik kam es zu Demonstrationen, auf denen nicht „Schwerter zu Pflugscharen“ gefordert wurden – sondern Tod dem jüdischen Aggressor. Sogar Synagogen wurden wieder zum Ziel.
Allein in NRW registrierten die Behörden im Zusammenhang mit den Unruhen im Nahen Osten mehr als 100 Straftaten in kürzester Zeit. Bei einem Großteil handelte es sich um antisemitische oder anti-israelische Taten – Gewalt, das Tragen verfassungswidriger Symbole oder Beleidigungen. Unter den Tätern sind Deutsche, die meisten stammen jedoch aus Syrien, dem Irak, dem Libanon oder aus der Türkei.
Wenig Friedensbewegung, dafür viel Hass also: Arabischstämmige Jugendliche aus Syrien und Libanon Seit an Seit mit türkischen „Grauen Wölfen“. Auch die deutsche rechtsextremistische Szene solidarisiert sich in solchen Momenten gern mit Palästina. Es ist eine unheilige Allianz, die da auf deutschen Straßen marschiert.
Mobilisierungskraft des Nahostkonflikts
Die Mobilisierungskraft des Nahostkonflikts in einem Milieu, das ansonsten kaum zu Protesten neigt, hat die Koalition geschockt. In Herkunftsländern wie Libanon, Syrien, Iran oder Irak sind Antisemitismus und Israelfeindlichkeit aber Staatsdoktrin. Und schon seit Jahren weisen Extremismusexperten und nicht zuletzt die jüdische Gemeinschaft darauf hin, dass sich etwas anstaut unter Migranten mit muslimischem Familienhintergrund.
Es ist der von Generation zu Generation weitergegebene und kaum zu durchbrechende Antisemitismus.
Die Frage ist, ob der Ausschluss einer Einbürgerung nach antisemitischen Taten oder entsprechenden geringfügigen Gesetzesverstößen, worauf sich Union und SPD nun geeinigt haben, daran etwas ändern kann. Nicht jeder Antisemit oder Rassist, auf den diese Verschärfung zielt, will auch Deutscher werden. Und: Schon heute steht die Verurteilung wegen einer Straftat einer Einbürgerung generell entgegen.
Zur Wahrheit gehört aber gleichzeitig, dass Menschen, die bereits in dritter oder vierter Generation in Deutschland wohnen, selbst zum Ziel rassistischer Anfeindungen werden und Ausgrenzungen im Job, in Behörden oder auf der Wohnungssuche erleben müssen.
Es ist also ein Stück Symbolpolitik, die der eigenen Ohnmacht Rechnung trägt, zumal die Verschärfung Teil eines Gesetzes für die Wiedereinbürgerung von NS-Verfolgten und ihrer Nachfahren werden soll, über das der Bundestag in der nächsten Woche abstimmen soll.
Natürlich bleibt es wichtig, Judenhass und Rassismus auf allen Ebenen einen Riegel vorzuschieben – und jeder Vorstoß, das Problem anzuerkennen und dagegen vorzugehen ist begrüßenswert. Zur Wahrheit gehört aber gleichzeitig, dass Menschen, die bereits in dritter oder vierter Generation in Deutschland wohnen, selbst zum Ziel rassistischer Anfeindungen werden und Ausgrenzungen im Job, in Behörden oder auf der Wohnungssuche erleben müssen. Die Folge: Sie igeln sich ein und bilden Parallelgesellschaften.
Das entschuldigt zwar keine antisemitischen Entgleisungen. Es zeigt aber: Auf dem Weg von Gesetzen und Verordnungen sind integrative Fortschritte nur in beschränktem Umfang zu erreichen.
Die freie Gesellschaft ist eben keine Einbahnstraße, auf die Menschen anderer Herkunft gefälligst einzubiegen haben. Sie ist im Idealfall ein Boulevard für alle mit bunten Ständen am Rand – und mit Gegenverkehr. Es sind also Überzeugungen gefragt und, ja: Wem Antisemitismus zuwider ist, der muss auch dafür öffentlich wie privat einstehen.
Solange es allenfalls die Polizei kümmert, wenn israelische Fahnen verbrannt und Juden auf der Straße angegriffen oder beleidigt werden, solange wähnen Antisemiten die schweigende Mehrheit in Deutschland hinter sich.
https://www.rnd.de/
STAATSANGEHÖRIGKEITSRECHT
Keine Einbürgerung von antisemitischen Straftätern
Der deutsche Pass soll künftig bei Rassismus und Antisemitismus verwehrt werden.
Foto: imago/CHROMORANGE
Einigung von CDU/CSU und SPD: Bei judenfeindlichen und rassistischen Straftaten wird Pass verweigert
von Michael Thaidigsmann
18.06.2021 12:04 Uhr
Die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD haben sich auf die Verschärfung des Staatsangehörigkeitsrechts geeinigt.
Demnach soll künftig bei Vorliegen von antisemitischen sowie bei anderen rassistischen Straftaten ein Antrag auf Einbürgerung abgelehnt werden. Der CDU-Innenpolitiker Mathias Middelberg bestätigte gegenüber dieser Zeitung die Einigung auf der Ebene der Fachpolitiker der Regierungskoalition. Die muss nun noch von den zuständigen Bundesministerien in einen Gesetzentwurf gegossen werden.
BEKENNTNIS Demnach soll das vor der Einbürgerung verlangte Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung sinngemäß durch den Hinweis ergänzt werden, dass antisemitisch, rassistisch, fremdenfeindlich oder sonstige aus Menschenverachtung heraus begangene Straftaten mit der Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes unvereinbar sind und gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung verstoßen.
Im Strafrecht ist bereits jetzt verankert, dass bei der Strafzumessung die Motivation des Täters berücksichtigt wird. So heißt es im Paragrafen 46 des Strafgesetzbuches: »Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.« Als Beweggründe werden dort »rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende« Aspekte genannt, die von den Gerichten bei der Strafzumessung zu würdigen sind. Selbige Kriterien sollen nach Wunsch von CDU/CSU und SPD künftig auch im Einbürgerungsrecht gelten.
Nach dem Plan der Koalition wird die bestehende Bagatellgrenze, derzufolge Personen, die zu einer Geldstrafe von weniger als 90 Tagessätzen oder zu einer Freiheitsstrafe unter drei Monaten verurteilt wurden, trotz Vorstrafen eingebürgert werden können, künftig wegfallen. Damit könnte Ausländern, die wegen Volksverhetzung verurteilt werden, das Erlangen des deutschen Passes unmöglich gemacht werden.
EINBÜRGERUNGSTEST Bereits jetzt ist Voraussetzung für eine Einbürgerung, dass ein Antragsteller nicht zuvor wegen einer mittelschweren oder schweren Straftat verurteilt worden ist.
»Mit dieser Nachschärfung im Staatsangehörigkeitsgesetz können wir künftig die Einbürgerung von Antisemiten oder Rassisten besser verhindern.«
MATHIAS MIDDELBERG (CDU)
»Mit dieser Nachschärfung im Staatsangehörigkeitsgesetz können wir künftig die Einbürgerung von Antisemiten oder Rassisten besser verhindern. Wer zu einer antisemitisch, rassistisch oder fremdenfeindlich motivierten Straftat verurteilt worden ist, kann kein deutscher Staatsangehöriger werden. Das gilt künftig auch bei nur geringfügigen Verurteilungen«, sagte Mathias Middelberg dieser Zeitung.
Mit der Verschärfung des Staatsangehörigkeitsrechts und weiteren Maßnahmen, insbesondere der Überarbeitung des Fragenkatalogs des Einbürgerungstests, ziehe man »Konsequenzen aus den unerträglichen antisemitischen Ausschreitungen im Mai. Wenn die Existenz des Staates Israel deutsche Staatsräson ist, muss das in jedem Fall im Einbürgerungsrecht erkennbar sein«, so der CDU-Innenexperte.
Erst Anfang vergangener Woche hatte Middelberg der Union seinen Vorschlag unterbreitet, der Bundestag möge vor der Sommerpause und der Neuwahl im September tätig zu werden. Anlass waren die anti-israelischen und zum Teil antisemitischen Demonstrationen auf deutschen Straßen im Mai. In Gelsenkirchen waren propalästinensische Demonstranten vor die dortige Synagoge gezogen und hatten Parolen wie »Scheiß Juden« und »Israel Kindermörder« gebrüllt. Die dortige Polizei löste die Versammlung auf. Gegen 13 Tatverdächtige verschiedener Nationalitäten laufen strafrechtliche Ermittlungen, teilte ein Polizeisprecher mit.
»VERWEIGERUNGSHALTUNG« Middelberg stellte allerdings klar, dass sich die Neuregelung des Einbürgerungsrechts nur auf verurteilte Straftäter beziehen und nicht sonstige antisemitisch motivierte Handlungen umfassen werde. Letzteres sei auf Bedenken beim Koalitionspartner SPD gestoßen. Die Sozialdemokraten setzten zudem durch, dass nicht nur antisemitische, sondern generell rassistische Straftaten zum Ausschlussgrund für eine Einbürgerung werden sollen.
Darüber hinaus will die Koalition die bei Einbürgerungswilligen vorgeschriebenen Tests anpassen und Themen wie Antisemitismus und Deutschlands Haltung zum Existenzrecht Israels stärker berücksichtigen.
Auch die baden-württembergische SPD-Abgeordnete Ute Vogt, die die Einigung für die SPD ausgehandelt hatte, begrüßte die Neuerung. »Wir setzen damit ein deutliches politisches Signal, dass Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit bei uns keinen Platz haben.« Die SPD-Innenpolitikerin forderte allerdings erneut CDU und CSU dazu auf, sich auch in der Frage des koalitionsintern umstrittenen Demokratiefördergesetzes zu bewegen. »Zur besseren Bekämpfung von Antisemitismus brauchen wir aber auch praktische Maßnahmen, wie sie das Demokratiefördergesetz vorsieht. Die CDU muss daher hier dringend ihre Verweigerungshaltung aufgeben!« so Vogt am Freitag gegenüber dieser Zeitung.
PRAXIS Noch ist zudem unklar, inwiefern die geplante Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes in der Praxis zu Änderungen bei der Einbürgerung von Ausländern führen wird. Vonseiten der Opposition kam am Freitag zumindest keine Ablehnung des Vorhabens.
Die innenpolitische Sprecherin von Bündnis90/Die Grünen im Bundestag, Irene Mihalic, sagte zu, man werde den Vorschlag der Koalition prüfen. Der Jüdischen Allgemeinen teilte Mihalic mit: »Das Ziel der Initiative ist grundsätzlich sehr zu unterstützen, denn wir brauchen einen umfassenden und konsequenten Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus.«
Gleichzeitig gab sie zu bedenken, dass die Änderung im Staatsangehörigkeitsrecht »kein Allheilmittel gegen Antisemitismus sein« werde, denn dabei handele es sich um ein viel breiteres Problem, welches auch andere gesellschaftliche Gruppen betreffe.
RECHTSLAGE Bayerns Innenminister Joachim Hermann (CSU) steht einer Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes wohlwollend gegenüber. »Wenn wir die Rechtslage normativ klarstellen und besonders hervorheben, dass die Einbürgerung eines Ausländers, der sich antisemitisch betätigt, ausgeschlossen ist, setzen wir ein wichtiges Signal«, sagte Hermann dieser Zeitung. Darüber hinaus, so Hermann weiter, müsse man nicht nur die Prävention im Kampf gegen den Antisemitismus verstärken, »sondern auch überlegen, inwiefern wir gesetzgeberisch tätig werden können.«
»Zur besseren Bekämpfung von Antisemitismus brauchen wir auch das Demokratiefördergesetz«
UTE VOGT (SPD)
Auch Baden-Württembergs Antisemitismusbeauftragter Michael Blume hält eine Verschärfung des Staatsangehörigkeitsrechts für richtig. Er unterstütze das Anliegen Middelbergs, auch wegen seiner Symbolik, und verwies auf den baden-württembergischen Innenminister Thomas Strobl (CDU), der nach dem Brandanschlag auf die Ulmer Synagoge vor zwei Wochen gesagt hatte: »Wer Antisemit ist, ist nicht integriert.«
Blume sagte gegenüber der Jüdischen Allgemeinen: »Machen wir doch endlich den Stand der Wissenschaft klar: Wer glaubt, freiheitliche Gesellschaften würden durch jüdische Weltverschwörer dominiert, lehnt damit immer auch unsere Demokratie ab. Antisemitismus und Grundgesetz sind unvereinbar!«
RECHTSRAHMEN Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte, bei den anti-israelischen und antisemitischen Ausschreitungen im Mai habe der überwiegende Teil der ermittelten Tatverdächtigen einen arabischen Migrationshintergrund gehabt. »Meine Innenministerkollegen und ich wollen in Kürze darüber beraten, wie antisemitische Straftaten noch präziser erfasst werden können, um ein realistisches Bild zu vermitteln. Das Potenzial von judenfeindlichen Menschen sei mit der Migration seit 2015 größer geworden, so Reul.
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius will die vorgeschlagenen Änderungen beim Staatsangehörigkeitsrecht noch prüfen. Grundsätzlich hält der SPD-Politiker aber den bestehenden Gesetzesrahmen im Kampf gegen Antisemitismus für ausreichend. Auch Pistorius‹ NRW-Kollege Reul findet, dass die rechtlichen Möglichkeiten zur Verfolgung von Straftaten grundsätzlich ausreichend seien und sie von den Behörden auch »konsequent genutzt« würden.
Der nordrhein-westfälische Landtag berate aber aktuell über ein Gesetz, das bei Demonstrationen den Versammlungs- und Polizeibehörden mehr Rechtssicherheit bei einschränkenden Maßnahmen geben soll.
https://www.juedische-allgemeine.de/
Koalitionsfraktionen wollen Antisemiten und Rassisten von Einbürgerung ausschließen
Veröffentlicht am 18.06.2021 | Lesedauer: 2 Minuten
Demonstranten bei der Kundgebung „Gegen jeden Antisemitismus!“ mit Israelfahnen vor der Neuen Synagoge in Erfurt (Archivbild)
Quelle: dpa/Michael Reichel
Wer mit einer antisemitisch oder rassistisch motivierten Straftat aufgefallen ist, soll künftig kein deutscher Staatsbürger mehr werden können. Damit wolle man Konsequenzen ziehen „aus den unerträglichen antisemitischen Ausschreitungen“ im Mai.
Die Koalitionsfraktionen von Union und SPD haben sich nach einem Bericht der „Bild“-Zeitung auf eine Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts verständigt. Künftig soll demnach jede Verurteilung zu einer antisemitisch oder rassistisch motivierten Straftat zu einem Ausschluss von der Einbürgerung führen.
Auch Verurteilungen zu einer antisemitischen Straftat unterhalb der Schwelle der sogenannten Bagatelldelikte sollen dazugehören.
Der CDU-Innenexperte Mathias Middelberg sagte „Bild“: „Diese Nachschärfung im Staatsangehörigkeitsrecht ist wichtig, um künftig die Einbürgerung von Antisemiten oder Rassisten zu verhindern.“
Wer zu einer antisemitisch, rassistisch oder fremdenfeindlich motivierten Straftat verurteilt worden sei, könne kein deutscher Staatsangehöriger werden. Künftig gelte das auch bei geringfügigen Gesetzesverstößen.
Damit wolle die Koalition Konsequenzen „aus den unerträglichen antisemitischen Ausschreitungen“ im Mai ziehen, sagte Middelberg. „Wenn die Existenz des Staates Israel deutsche Staatsräson ist, muss das in jedem Fall im Einbürgerungsrecht erkennbar sein.“
Während der erneuten Eskalation des Nahost-Konfliktes hatte es im Mai in mehreren deutschen Städten propalästinensische Demonstrationen gegeben, bei denen auch antisemitische Parolen skandiert worden waren. Anschließend hatten verschiedene Politiker Konsequenzen angemahnt.
So hatte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) ein hartes Durchgreifen gefordert. Zudem müsse man arabischstämmige Zuwanderer stärker für „diese ganz besondere Bedeutung (von) Deutschlands Verhältnis“ zu Juden sensibilisieren.
Auch Berlins Innensenator Andreas Geisel hatte nach israel- und judenfeindlichen Ausschreitungen ein hartes Durchgreifen der Justiz gefordert. „Antisemitismus hat auf unseren Straßen nichts zu suchen. Ich gehe davon aus, dass der Rechtsstaat jetzt auch Zähne zeigt“, erklärte Geisel auf der RBB-Hörfunkwelle Radioeins.
dpa/säd
https://www.welt.de/
Empathie
„Hass ist einfach salonfähig geworden“
Das generelle politische Klima sei im Moment kein fruchtbarer Boden für Empathie, sagte die Neurowissenschaftlerin Grit Hein im Dlf. Negative Erfahrungen würden Mitgefühl hemmen. Deshalb brauche Empathie Beispiele und Vorbilder um sich aufzubauen.
Grit Hein im Gespräch mit Christiane Kaess | 24.12.2019
Auf dem Bildschirm eines Smartpones sieht man eine Antwort eines Users auf einen Post auf Twitter.
Negative Erfahrungen können Empathie hemmen, sagt die Neurowissenschaftlerin Grit Hein (dpa/ Fabian Sommer)
Christiane Kaess: Hass und Hetze im Internet, im Extremfall wird daraus Gewalt, Bedrohungen von Politikern, eine polarisierte Gesellschaft, in der viele nur noch ihre Meinung gelten lassen. Immer mehr bestimmen diese Themen gesellschaftliche Diskussionen. Was passiert da, wenn wir uns gegenseitig nicht mehr zuhören, kein Verständnis, keine Empathie mehr für den anderen aufbringen?
Ich konnte vor der Sendung mit Grit Hein darüber sprechen, sie ist Professorin am Zentrum für Psychische Gesundheit des Uniklinikums Würzburg, sie forscht über neuronale Mechanismen, soziale Motivation und soziale Interaktion. Ich habe sie zuerst nach ihrer Bestandsaufnahme gefragt: Fehlt unserer Gesellschaft tatsächlich die Empathie?
Grit Hein: Meiner Meinung nach kann man nicht generell sagen, dass unsere Gesellschaft empathiearmer geworden ist, aber ich denke, dass Empathielosigkeit salonfähig geworden ist in unseren Tagen.
Kaess: Warum ist das so?
Hein: Das hat sicherlich viele Gründe. Also einige hatten Sie schon genannt, soziale Medien, jeder kann sich in seine Meinungsblase zurückziehen, der Blick wird häufig nicht mehr geweitet, ist eingeschränkt. Wir wissen allerdings auch schon im Kleinen, also von unseren Forschungen, dass Empathie an sich ein zartes Pflänzchen ist. Also Empathie ist auf der einen Seite natürlich fester Bestandteil unserer westlichen Gesellschaft, das hatten Sie auch schon gesagt, ist fest in der Weihnachtsbotschaft verankert. Aber auf der anderen Seite wissen wir, dass es sehr viele Faktoren gibt, die Empathie einfach abschwächen können.
Die Kölner Journalistin und Schriftstellerin Husch Josten
Buchautorin Husch Josten: " Wir müssen über die Verrohung der Verhältnisse reden“
Das Unsägliche ist sagbar geworden, sagt die Schriftstellerin Husch Josten. „Wir sind längst über diesen Punkt hinaus, dass wir uns Gedanken machen müssen nur über die Sprache.“ Das größere Problem sei die barbarische Niedertracht dahinter.
„Negative Erfahrungen können Empathie hemmen“
Kaess: Welche Faktoren sind das? Unter welchen Umständen können Menschen denn dann nicht mehr empathisch sein?
Hein: Also ein wichtiger Faktor scheint tatsächlich Ähnlichkeit zu sein, also es scheint uns leichter zu fallen, Empathie mit Personen zu empfinden, die uns ähnlich sind. Also Empathie per se scheint wirklich im Prinzip auf eine bestimmte Personengruppe ursprünglich eingeschränkt zu sein. Und ein anderer wichtiger Faktor ist die Einschätzung, ob jemand meine Empathie verdient. Also wenn der Eindruck entsteht, dass jemand, der Empathie beansprucht, dessen nicht würdig ist, wird Empathie gekappt sozusagen.
Kaess: Können Sie ein Beispiel dafür nennen?
Hein: Im engen Familienkreis wird jeder sicherlich Beispiele finden können, auf politischer Ebene ist ein Beispiel meiner Meinung nach die Vorkommnisse am Silvesterabend in Köln, die unter anderem dazu geführt haben, dass die Empathie, die gerade Flüchtlingen entgegengebracht wurde ursprünglich, doch erst mal einen Dämpfer erhielt. Wir wissen aus unseren Forschungen, dass negative Erfahrungen, auch indirekte negative Erfahrungen, also beispielsweise über die Medien vermittelte negative Erfahrungen, Empathie hemmen können. Und die gute Nachricht ist aber, dass wir aufzeigen können, dass positive Lernerfahrungen Empathie auch wieder aufbauen.
Kaess: Mit dem Beispiel von der Kölner Silvesternacht meinen Sie jetzt damit, dass dieser Aspekt, jemand verdient Empathie, nicht mehr gegeben ist, weil es eben zu diesen sexuellen Übergriffen durch Flüchtlinge auf Frauen kam?
Hein: Ja, beispielsweise. Aus unseren Forschungen wissen wir ganz klar, dass negative Erfahrungen, also Erfahrungen, die sozusagen, im Englischen sagt man deservingness, diesen Aspekt des deservingness ja infrage stellen, Erfahrungen sind, die Empathie reduzieren. Das ist ein sehr starker Faktor.
Kaess: Sind denn abgesehen davon ganz generell in unserer Gesellschaft eher Umstände gegeben, die es günstig machen für Empathie, oder wo, würden Sie sagen, hakt es da?
Hein: Also ich denke, dass das generelle politische Klima im Moment kein fruchtbarer Boden für Empathie ist. Das hatte ich ja schon eingehend gesagt. Ich denke nicht, dass wir sagen können, dass der Mensch per se, dass wir alle per se weniger empathiefähig geworden sind. Aber Hass ist einfach salonfähig geworden, Hass wird propagiert und gebiert neuen Hass. Gut, Empathie braucht Beispiele, braucht Vorbilder, und Empathie braucht den Nährboden, um sich zu entfalten, und im Moment ist unser Klima kein empathieförderliches.
„Empathiefähigkeit wird nicht gefördert“
Kaess: Haben Sie auf der anderen Seite positive Beispiele dafür?
Hein: Es gibt sehr, sehr viele positive Beispiele. Deswegen, denke ich, wäre es eben auch verfehlt, generell, also uns allen Empathiefähigkeit abzusprechen. Es gibt unendlich viele Menschen um uns herum, die sich jeden Tag im hohen Maße empathisch verhalten und sich um andere aufopferungsvoll kümmern. Und es gibt auch ganz, ganz viele Beispiele, wo natürlich dann auch Empathie eingefordert und gelebt wird, im privaten Umfeld und natürlich auch im gesellschaftlichen Umfeld. Deswegen denke ich, dass natürlich man nicht platt sagen kann, dass unsere Gesellschaft generell an Empathielosigkeit leidet, also dass Menschen generell an Empathielosigkeit leiden. Ich glaube aber, dass die Empathiefähigkeit, die wir haben, im Moment eben einfach nicht gefördert wird.
Kaess: Sie haben jetzt dieses Beispiel Flüchtlingspolitik schon angesprochen. Das war ja fast so wie ein Gradmesser für eine humane und empathische Gesellschaft in den letzten Jahren. Und als 2015 besonders viele Flüchtlinge nach Europa gekommen sind, hat sich Deutschland anfangs sehr offen gezeigt, auch andere westeuropäische Länder, die nehmen bis heute Flüchtlinge auf. Aber in Osteuropa zum Beispiel ist diese Bereitschaft gar nicht vorhanden. Ist denn Empathie kulturell auch anders ausgeprägt?
Hein: Das denke ich generell nicht. Ich denke, dass Empathie beispielsweise auch natürlich durch wirtschaftliche Faktoren stark beeinflusst wird. In dem Moment, wenn Ressourcenknappheit beispielsweise herrscht, sehen wir das Phänomen, dass Empathie sich immer mehr auf den engen Personenkreis natürlich auch zurückzieht. Also mit anderen Worten, ich kann es mir auch immer weniger leisten, mit allen anderen empathisch zu sein. Also wirtschaftliche Faktoren spielen sicherlich eine Rolle. Ich glaube nicht, dass man jetzt sagen kann, dass es Kulturen gibt, die empathischer sind als andere. Die Ausprägung von Empathie mag unterschiedlich sein, aber die Empathiefähigkeit des Menschen ist gegeben, und das sehen wir beispielsweise eben auch in unseren Versuchen mit neurowissenschaftlichen Methoden, dass Empathie in uns angelegt ist, also in jedem von uns. Und das ist auch kulturübergreifend der Fall.
Kaess: Und wenn man es geschichtlich betrachtet: Hat Empathie über die Zeit hinweg zugenommen, im Vergleich jetzt zum Beispiel von vor 100 Jahren?
Hein: Gut, da bin ich jetzt natürlich nicht die Expertin, aber es gibt eben natürlich auch in der Geschichte immer wieder diese Negativbeispiele, und ich denke schon, dass wir sagen können, dass in den letzten 100 Jahren … Wir haben eine humanere Gesellschaft kreiert, kann man sagen, wir haben humanere Gesellschaften geschaffen, wir haben Sozialsysteme geschaffen, und das ist nicht selbstverständlich. Und deswegen ist es, denke ich, auch so wichtig, da jetzt sehr sorgsam mit umzugehen und auch einfach darauf zu achten, dass das, was hier entstehen konnte, was hier entstanden ist, sich nicht zurückbildet.
Kaess: Sie sagen, nicht zurückbildet – kann man Empathie lernen?
Hein: Man kann Empathie lernen. Wir können tatsächlich zeigen, dass sich Empathie ganz konkret durch positive Erfahrungen mit anderen aufbaut. Also selbst wenn man negative Erfahrungen mit einem anderen gemacht hat, die dann letzten Endes auch zur Reduktion von Empathie geführt haben, können positive Erfahrungen diese Abnahme von Empathie rückgängig machen.
„Zu viel Empathie kann Stress auslösen“
Kaess: Werfen wir noch einen kritischen Blick auf die Empathie. Kann man auch zu viel davon haben, schadet es auch Menschen, dass wir gerade bei all den schlechten Nachrichten, die die Medien transportieren, zu sehr mitfühlen? Was passiert da mit einem Menschen?
Hein: Zu viel Empathie kann zum Burn-out führen, also zu viel Empathie kann Stress auslösen. Das ist genauso, wie Sie sagen: Wenn ich mich nur noch mit Leid von anderen konfrontiert sehe, kann das dazu führen, dass ich mich zurückziehe, dass ich im Prinzip auch immer weniger willens und in der Lage bin, zu helfen. Das passiert besonders dann, wenn ich nicht helfen kann. Also wenn ich mich beispielsweise dem Leid einer anderen Person gegenüber hilflos fühle, dann wird sich Empathie eher in Richtung dieses Burn-outs oder dieser Stressantwort entwickeln, während auf der anderen Seite, wenn ich in der Lage bin, sozusagen meinem empathischen Impuls, zu helfen, zu folgen, also wenn ich der anderen Person helfen kann, ist Empathie eigentlich nicht per se etwas Stressinduzierendes, sondern eher auch ein positiver Zustand, der einfach dazu führt, dass ich mich einer anderen Person nahe fühle und dann eben auch helfen kann und werde.
Kaess: Geben Sie uns zum Schluss noch einen Tipp für den heutigen Weihnachtstag, der ja auch bekannt ist für Familientragödien. Gibt es einen Tipp, das zu vermeiden durch Empathie?
Hein: Was wir auch in unseren Untersuchungen immer wieder tun, ist, unsere Probanden und Probandinnen aufzufordern, sich tatsächlich in die andere Person hineinzuversetzen, so weit das geht. Also im Prinzip zu versuchen, mit der anderen Person in diesem Moment mitzuschwingen, kann man sagen, also hier fällt auch immer der Begriff der Resonanz. Das ist ein Tipp, der funktionieren sollte hoffentlich. Und das andere ist sicherlich wichtig, auch die Erwartungen letzten Endes anzupassen. Also Empathie auf Knopfdruck wird so nicht funktionieren. Also ein Abend wird nicht dazu führen, dass sozusagen sämtliche Probleme, die das restliche Jahr so mit sich gebracht haben, aufgelöst werden. Und wenn man das so akzeptiert und wenn es einem gelingt, dann sich auch in das Gegenüber hineinzuversetzen, dem es sicher genauso geht, dann muss das nicht unbedingt zum Konflikt führen, sondern kann auch die Basis für eine neue Verständigung und für einen schönen, harmonischen Abend sein.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
https://www.deutschlandfunk.de/
3. YouTube-Videos zu Rassismus und Diskriminierung
Internationale Wochen gegen Rassismus - Die Bundesanwaltschaft zwischen NS-Vergangenheit und Terror
Stadt Erlangen
Am Mittwoch, den 16. März 2022, um 19:00 Uhr hat die Veranstaltung "Die Bundesanwaltschaft zwischen NS-Vergangenheit und Terror: Wie kann eine Demokratie den Staat schützen, ohne die eigenen Werte zu verraten?" stattgefunden.
Bei der Veranstaltung wurde ein Vortrag von Prof. Dr. Christoph Safferling und Prof. Dr. Friedrich Kießling gehalten.
»Gehört der Rasssmus zu Deutschland? Und wenn ja: Warum?« - Podiumsdiskussion 2012
jmberlinTube
Podiumsdiskussion »Gehört der Rassismus zu Deutschland? Und wenn ja: Warum?« am 19. September 2012 im Jüdischen Museum Berlin. Es diskutieren (von links nach rechts):
- Mark Terkessidis, Psychologe und Autor
- Nuran Yigit, Projektleiterin beim Antidiskriminierungsnetzwerk Berlin des Türkischen Bundes in Berlin-Brandenburg
- Andreas Zick, Professor für Pädagogik am Institut für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld
- Mehmet Gürcan Daimagüler, Rechtsanwalt und Autor
- Micha Guttmann, Rechtsanwalt und Mitglied des Parlaments der Jüdischen Gemeinde Berlin
Moderation:
Isabel Schayani, Journalistin und Monitor-Redakteurin
Gehört der Rassismus zu Deutschland? Und wie breit ist er in der Gesellschaft verankert? Die 2011 bekannt gewordene NSU-Mordserie und das behördliche Versagen bei den Ermittlungen geben diesen Fragen, die auf dem Podium diskutiert werden, eine große Dringlichkeit. Den Studien der Bielefelder Forschergruppe um Wilhelm Heitmeyer zufolge sieht jeder zweite Befragte Deutschland »in einem gefährlichen Maß überfremdet«. Fast jeder Dritte fühlt sich durch »die vielen Muslime hier manchmal wie ein Fremder im eigenen Land.«
Die Podiumsteilnehmer reden auch darüber, wie gegen Rassismus vorzugehen ist.
Rassismus auf deutschen Straßen | Die Anstalt
ZDF Satire
Rassismus ist immer noch Bestandteil des Alltages in Deutschland. Auch auf deutschen Straßen findet man Rassismus. Denn viele Straßenschilder verweisen noch immer auf große Namen, die in Verbindung mit Rassismus gebracht werden können. In einer Prüfung müssen die Kandidaten in "Die Anstalt" die Straßennamen überdenken und gegen neue austauschen. Ob allen bewusst ist, dass diese Rassismus zugeordnet werden können? Stehen die Bewohner der betroffenen Straßen immer hinter einer Änderung, um in den Kampf gegen Rassismus zu treten?
Aufzeichnung vom 14. Juli 2020. Wortgewandt, unkonventionell und mit viel satirischer Schärfe: Max Uthoff und Claus von Wagner klären über Themen auf, die die Nation bewegen - live aus der Anstalt.
Siehe auch:
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