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HISTORISCHES:
NS-Widerstand
u.a. in Baden und Württemberg
Zuletzt AKTUALISIERT am 26.01.2025 !
Seiteninhalt:
- NS- und Rechtsextremismus-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach
- Online-Artikel zum NS-Widerstand in Baden und Württemberg
- YouTube-Videos zum NS-Widerstand in Baden und Württemberg
- Online-Artikel zum NS-Widerstand
Siehe auch:
- NS-Widerstand und Nazi-Täter*innen >>>
- NS-Widerstand >>>
- NS-Täterinnen >>>
- NS-Täter >>>
- Hitlers Nazi-Kindersoldaten: Hitlerjugend, Flakhelfer, Volkssturm, Werwölfe, etc. >>>
- Nazi-Jagd: - Anschläge und Attentate auf Nazis - Widerstandshandeln gegen das NS-Regime >>>
- Nazi-Jagd nach 1945: Hinrichtung von NS-Täter*innen >>>
- HISTORISCHES: Nationalsozialismus in Mosbach - Baden >>>
- AKTUELLES: NS-Widerstand >>>
1. NS- und Rechtsextremismus-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach
Amtsgericht Mosbach | NS- und Rechtsextremismus-Verfahren bei der Mosbacher Justiz: |
Nach Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg mit Beschluss vom 15.12.2022 - 6 S 1420/22 - unterliegt der Nationalsozialismus nicht der grundrechtlich geschützten Weltanschauungsfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1 GG.
Das Amtsgericht Mosbach hat jedoch seit dem 03.06.2022 eine gemäß § 158 StPO ordnungsgemäße Eingangsbestätigung mit den Benennungen der Konkreten Eingabedaten, der Konkreten Sachverhaltsbenennungen mit einer kurzen Zusammenfassung der Angaben zu Tatzeit, Tatort und angezeigter Tat, insbesondere zu beantragten NS- und Rechtsextremismus-Strafverfahren, bisher ausdrücklich und EXPLIZIT versagt und NICHT ausgestellt.
Auch für die beim Amtsgericht Mosbach beantragten Wiederaufnahmeverfahren, amtsseitigen Verfügungen und gerichtlichen Prüfungen in NS- und Rechtsextremismus-Angelegenheiten verweigert das Amtsgericht Mosbach ordnungsgemäße Eingangs- und Weiterbearbeitungsbestätigungen mit konkreten Sachverhaltsbenennungen.
Siehe dazu auch Umgang des Amtsgerichts Mosbach mit NS- und Rechtsextremismusverfahren >>>
Das Amtsgericht Mosbach verweigert zudem bisher Stellungnahmen zu den historisch nachgewiesenen Kontinuitäten von NS-Funktionseliten in der BRD. Das AG MOS verweigert zudem bisher Stellungnahmen zur Kontinuität von NS-Richtern, NS-Staatsanwälten und NS-Juristen nach 1945 und in der BRD, die aber zuvor im Nationalsozialismus privat und beruflich sozialisiert wurden, u.a. auch in Mosbach, in Baden und Württemberg. Das AG MOS verweigert zudem bisher Stellungnahmen zu den NS-Justizverbrechen, sowohl zu den eigenen institutionellen NS-Verbrechen des Amtsgericht Mosbach als auch zu den NS-Massenmordverbrechen in der Mosbacher Region.
Das Amtsgericht Mosbach verweigert zudem bisher Stellungnahmen zum Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg (1966 bis 1978) Hans Filbinger, der historisch nachgewiesen vor 1945 als Nazi-Blutrichter und NS-Militär-Marinerichter Nazi-Justizmorde als Todesurteile mitbewirkt, veranlasst bzw. ausgesprochen hatte und dazu dann nach 1945 öffentlich zum Ausdruck brachte, dass "DAS", was damals Recht gewesen sei, heute nicht Unrecht sein könne.
Das Amtsgericht Mosbach verweigert bisher Stellungnahmen zum Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg (2005 bis 2010) und Juristen Günther Oettinger, der seinen Amtsvorgänger Hans Filbinger, während seiner eigenen Filbinger-Trauerrede im April 2007 öffentlich zum angeblichen Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus zu verklären und zu stilisieren versucht hatte. Und dies sowohl in der eigenen juristischen NS-Aufarbeitung nach 1945 als auch in den Thematisierungen dieser NS-Sachverhalte innerhalb der eigenen NS-Öffentlichkeitsarbeit des AG MOS.
Siehe auch:
- NS-Widerstand und Nazi-Täter*innen >>>
- NS-Widerstand >>>
- NS-Täterinnen >>>
- NS-Täter >>>
- Hitlers Nazi-Kindersoldaten: Hitlerjugend, Flakhelfer, Volkssturm, Werwölfe, etc. >>>
- Nazi-Jagd: - Anschläge und Attentate auf Nazis - Widerstandshandeln gegen das NS-Regime >>>
- Nazi-Jagd nach 1945: Hinrichtung von NS-Täter*innen >>>
- HISTORISCHES: Nationalsozialismus in Mosbach - Baden >>>
- AKTUELLES: NS-Widerstand >>>
Widerstand im KZ Sachsenhausen
Studienarbeit aus dem Jahr 2009 im Fachbereich Geschichte Europa - Deutschland - Nationalsozialismus, II. Weltkrieg, Note: 2,0 , Technische Universität Dresden (Institut für Geschichte), Veranstaltung: Deutschland im Krieg , Sprache: Deutsch, Abstract: Wenn man Erlebnisberichte, wie die des Kommunisten Wolfgang Szepansky, der fünf Jahre seines Lebens im KZ Sachsenhausen verbringen musste, liest, so wird deutlich, dass die Frage: Gab es auch in den Konzentrationslagern Widerstand gegen das faschistische Regime, überflüssig erscheint. Sie ist eindeutig mit Ja zu beantworten. Viel interessanter und weniger ersichtlich hingegen erscheinen Fragen wie: Was alles war Widerstand in den KZ? Wie sah der Widerstand praktisch aus? Waren es Einzelaktionen oder traf der Widerstand die breite Masse? Was bedeutete es für die Häftlinge Widerstand zu leisten? Mit welchen Konsequenzen hatten sie zu rechnen? Wie hatte man überhaupt zwischen Entrechtung, Entpersönlichung, Quälerei, Hungersnot, härtesten körperlichen Einsatz und Vernichtung die Möglichkeit Widerstand zu leisten? Im Rahmen der folgenden Arbeit, möchte ich versuchen, diesen Fragen eine Antwort zugeben. Mein Ziel ist es nicht nur sich möglichst intensiv mit dem Thema Widerstand auseinander zusetzen, sondern möglichst viele Facetten des Widerstands im KZ Sachsenhausen aufzuzeigen. Dabei sei betont, dass das KZ Sachsenhausen, welches im Mittelpunkt der Arbeit steht, exemplarisch für all die anderen Stammlager in Deutschland wie zum Beispiel Buchenwald und Dachau steht, in denen sich ähnliche Vorgänge abspielten. Um sich ein genaues Bild über den Widerstand im KZ Sachsenhausen zu verschaffen, halte ich es für nötig vorab einen Überblick über die Entstehung und den Aufbau des Konzentrationslagers Sachsenhausen zu geben, denn im Folgenden werden Orte wie das Krankenrevier, die Schreibstube und der Appelplatz immer wieder eine Rolle spielen. Dazu dient der erste Teil meiner Ausführung. Im Anschluss daran, werde ich kurz den Ablauf eines ganz „normalen“ Tages im KZ Sachsenhausen skizzieren. Um zu verstehen, warum Häftlinge Widerstand leisteten, ist es unumgänglich zu verstehen wogegen sie Widerstand ausübten. Um dies zu verdeutlichen, scheint es mir sinnvoll den Alltag der Gefangenen zu betrachten. Im Hauptteil der Arbeit steht dann das Thema Widerstand im Mittelpunkt. Auf die eingangs formulierten Fragen, soll versucht werden Antworten zu finden. Aspekte wie die Häftlingsselbstverwaltung, Solidarität, Kultur, aber auch der Einschnitt, welcher sich durch den Beginn des Krieges ereignete, werden genauer betrachtet. In diesem Zusammenhang scheint die Frage, was der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges für den Widerstand im KZ bedeutete, ebenfalls betrachtet werden...
Expertise der Forensischen Sachverständigen MA Antje C. Wieck aus Kitzingen zur Aufarbeitung von NS-Verbrechen und NS-Unrecht in der NS-Vergangenheitsbewältigung
Die HIER fallverantwortliche Richterin beim Amtsgericht Mosbach Marina Hess verfügt HIER unter 6F 9/22 und 6F 202/21 am 17.08.2022 EXPLIZIT, dass die gerichtlich beauftragte familienpsychologische Forensische Sachverständige für Familienrecht MA Antje C. Wieck, Praxis für KINDER- UND JUGENDLICHENPSYCHOTHERAPIE, Moltkestr. 2, 97318 Kitzingen, eine INHALTLICHE Sachverständigen-Auseinandersetzung mit der Dokumentations-Website "nationalsozialismus-in-mosbach.de" des Kindsvaters, Beschwerdeführers und Nazi-Jägers Bernd Michael Uhl durchführen solle (Siehe im Folgenden!), die diese Sachverständige Gutachterin HIER ABER AKTENKUNDIG NACHWEISBAR im anhängigen Verfahrenskomplex während ihren zwei gerichtlich bestellten Sachverständigengutachten von 2022 bis 2024 DANN ÜBERHAUPT NICHT durchführt.
UND DIES HIER EXPLIZIT AUCH NICHT bzgl. der DARIN KONKRET thematisierten nationalsozialistischen Verbrechen bis 1945 und deren juristischen, politischen und zivilgesellschaftlichen Aufarbeitungen in der NS-Vergangenheitsbewältigung seit 1945, insbesondere HIER auch in der lokalen-regionalen Fall- und Verfahrenszuständigkeit für Mosbach und für den Neckar-Odenwaldkreis.
Die HIER fallverantwortliche Richterin beim Amtsgericht Mosbach Marina Hess verfügt HIER unter 6F 9/22 und 6F 202/21 am 17.08.2022 EXPLIZIT bei der von ihr selbst gerichtlich beauftragten familienpsychologischen Forensischen Sachverständigen für Familienrecht MA Antje C. Wieck, Praxis für KINDER- UND JUGENDLICHENPSYCHOTHERAPIE, Moltkestr. 2, 97318 Kitzingen eine Sachverständigen-Begutachtung bezüglich "der Notwendigkeit einer psychiatrischen Begutachtung" des Kindsvaters, Beschwerdeführers und Nazi-Jägers Bernd Michael Uhl "zur Beurteilung seiner Erziehungsfähigkeit" (Siehe im Folgenden!). UND DIES NACHDEM UNMITTELBAR ZUVOR das erste gerichtlich beauftragte familienpsychologische Gutachten vom 07.04.2022 unter 6F 202/21 und 6F 9/22 sich für den perspektivischen Verbleib des damals anderthalb Jahre alten Kindes beim Kindsvater ausspricht. HIERBEI unterstellt die fallverantwortliche Mosbacher Amts-Familienrichterin Marina Hess im familienrechtlichen Zivilprozess dem Kindsvater, Beschwerdeführer und Bernd Michael Uhl eine mögliche angebliche psychische Erkrankung und eine damit einhergehende eingeschränkte Erziehungsfähigkeit auf Grund seiner konkreten Nazi-Jäger-Eingaben zu den seinerseits beim Amtsgericht Mosbach beantragten juristischen Aufarbeitungen von konkreten Tatbeteiligungen an NS-Verbrechen und NS-Unrecht 1933-1945 und deren mangelhaften juristischen Aufarbeitungen seitens der deutschen Nachkriegsjustiz seit 1945. UND DIES HIER insbesondere auch in der lokalen-regionalen Fall- und Verfahrenszuständigkeit bei NS-Verbrechen und NS-Unrecht in Mosbach und im Neckar-Odenwaldkreis sowie bezüglich dem Versagen der Mosbacher Nachkriegsjustiz seit 1945 bei deren juristischen Aufarbeitungen.
SIEHE DAZU AUCH:
- Rechtsanwaltlicher und gerichtlicher Umgang mit Sachverständigen-Gutachten in Fallbegleitungen - Verfahrensführungen - Verfahrensbearbeitungen- Verfahrensbegleitungen durch RECHTSANWALT Simon Sommer >>>
- Verfahrensinhaltliche und prozessuale Benachteiligungen des Mandanten von Rechtsanwalt Simon Sommer beim Amtsgericht Mosbach unter 6F 211/21, 6F 202/21, 6F 9/22, 6F 2/23, 6F 2/22, etc. sowie unter amtsseitigen KV-BS-Sonderbänden zu Nationalsozialismus, Rechtsextremismus, Rassismus >>>
2. Online-Artikel zum NS-Widerstand in Baden und Württemberg
Wolfgang Benz: Allein gegen Hitler
KURZ REZENSIERT
Aschot Manutscharjan
Für die Insassen des Konzentrationslagers Sachsenhausen war er der geheimnisvolle "Zitherspieler". Tag und Nacht waren zwei SS-Männer zu seiner Überwachung abgestellt, niemand durfte ihn sehen. Zu seinen Nachbarn im abgeschirmten Gefängnis innerhalb des KZ gehörten der Widerstandskämpfer Hans von Dohnanyi, Stalins Sohn Jakob Dschugaschwili und der ukrainische Nationalist Stepan Bandera. Bei dem Mann, bekannt als der "persönliche Gefangene Hitlers", handelte es sich um den Kunstschreiner Johann Georg Elser. Sechs Jahre lang war er inhaftiert und wurde vier Wochen vor der deutschen Kapitulation, am 9. April 1945, auf Befehl Hitlers mit Genickschuss im KZ Dachau ermordet.
Der renommierte Historiker Wolfgang Benz betont, Elsers frühere Biografen, Peter Steinbach und Johannes Tuchel, hätten in wissenschaftlicher Hinsicht das Thema des Hitler Attentäters vom 8. November 1939 "glanzvoll zu Ende gebracht". Sie zitierten ausführlich aus den Verhörprotokollen der Gestapo, um die Persönlichkeit des Schreiners und seine Motive zu beleuchten. Auch Benz versucht, ein "Lebensbild" Elsers zu zeichnen und ihn in den historischen, sozialen, politischen und menschlichen Kontext einzuordnen. Der Historiker macht deutlich, warum der fröhliche, lebensbejahende Handwerker aus Süddeutschland sich entschied, Hitler während einer Rede im Münchner Bürgerbräukeller mit einer selbstgebauten Bombe zu töten. Der Diktator verließ den Saal vorzeitig und entging dem Attentat.
Jahrzehntelang wurde Elser verleumdet und verleugnet. Erst seit 2011 erhellt an der Wilhelmstraße die Silhouette Elsers den Berliner Nachthimmel. Als Kenner der Geschichte des Nationalsozialismus vergleicht Benz den freiheits- und friedensliebenden Elser mit den anderen Widerstandsgruppen. Mit dieser exzellent recherchierten und berührenden Biografie setzt er diesem stillen Helden ein würdiges Denkmal.
Das Buch: Wolfang Benz, Allein gegen Hitler: Leben und Tat des Johann Georg Elser, C.H. Beck, München 2023; 224 S., 27,00 €
https://www.das-parlament.de/
Der 20.Juli - Widerstandskämpfer aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz
18.07.1964 ∙ SWR Retro – Abendschau ∙ SWR
SWR Retro - Abendschau
Zum Widerstand der liberal-konservativen Kreise im Dritten Reich. Das gescheiterte Hitler-Attentat des 20. Juli 1944 und die Anklage der Hitler-Attentäter vor dem NS-Volksgerichtshof.
Bild: SWR
https://www.ardmediathek.de/
Stille Helfer: Eine Spurensuche in Heidelberg 1933-1945
Heidelberg im Nationalsozialismus. Eine Stadt mit Tätern, Opfern, Trittbrettfahrern und teilnahmslosen Mitmachern. Nicht nur. Mit „Stille Helfer“ gehen wir auf Spurensuche. Wir suchen nach Menschen, die den Verfolgten und Bedrohten geholfen haben. Die sie aufgenommen haben, Anteilnahme und Solidarität gezeigt und mutig und aufrecht Hilfe geleistet haben. Sie wirkten im Stillen, folgten ihrem Gewissen, distanzierten sich vom Terror des Regimes und bewahrten ihre humanen Einstellungen. Sie waren „Stille Helfer“, die sich selbst in Gefahr brachten. Wir wollen die Erinnerung an sie aufrechterhalten. Auch und vor allem um Mut zu machen. Mut zum Handeln. Jeder kann nach seinen Möglichkeiten handeln und helfen. Jeder kann sich vorbehaltlos für Verfolgte und Schutzbedürftige engagieren. Man muss es wollen und dann auch tun. Die „Stillen Helfer“ sind Teil des „guten Heidelberg“.
Mössinger Generalstreik
Eine Multimedia-Reportage
Studierende der Uni Tübingen haben die Geschichte des Mössinger Generalstreiks von 1933 filmisch aufbereitet und in diesem Multimedia-Angebot veröffentlicht. Neben der Chronologie des Streiks beschäftigt sich die Seite mit der kollektiven Erinnerung an das Ereignis und deren Entwicklung von der unmittelbaren Nachkriegszeit bis in die Gegenwart.
Multimedia-Reportage
https://www.gedenkstaetten-bw.de/
Das KZ Sachsenhausen als außerschulischer Lernort
Examensarbeit aus dem Jahr 2010 im Fachbereich Didaktik - Geschichte, Note: 1,0, Technische Universität Dresden (Institut für Geschichte ), Sprache: Deutsch, Abstract: Das Anliegen der folgenden Arbeit ist es, die Bedeutung von historischen Orten - wie dem des ehemaligen Konzentrationslagers Sachsenhausen bei Berlin - als außerschulische Lernorte darzustellen. Darüber hinaus soll der Wert eines Gedenkstättenbesuches als wichtiges Element historisch-politischer Bildung herausgearbeitet werden. Der erste Teil der Arbeit versucht demnach eine ausführliche theoretische Abhandlung über außerschulisches Lernen, historisches Lernen sowie über Gedenkstätten und deren Pädagogik zu bieten. Es gilt zum einen Begriffe wie außerschulische Lernorte, historische Lernorte und den der Gedenkstätten zu definieren sowie zu klären und zum anderen auf das methodische Vorgehen und Besonderheiten im Umgang mit diesen einzugehen. Auf diese Weise soll es gelingen die Notwendigkeit des außerschulischen Lernens zu verdeutlichen und im besten Fall dazu zu motivieren einen außerschulischen Lernort wie die Gedenkstätte Sachsenhausen aufzusuchen. Im zweiten Teil der vorliegenden Arbeit soll die Gedenkstätte Sachsenhausen in Oranienburg näher betrachtet werden. Vorausgehen wird eine Darstellung zur Geschichte des Konzentrationslagers. Im Folgenden soll ein umfassender Überblick über die pädagogische Arbeit in der Gedenkstätte Sachsenhausen gegeben werden, wobei vor allem auf die derzeitigen Arbeitsmittel und Angebote eingegangen werden soll. Gerade weil es gegenwärtig keine aktuelle Übersicht über die Angebote für Schulen gibt, sollen die zusammengetragenen Informationen als Hilfestellung bzw. Orientierung für interessierte Lehrer dienen. Darüber hinaus versucht die Arbeit eine Fülle von Hinweisen, Anregungen und Tipps für die inhaltliche und organisatorische Vorbereitung eines Gedenkstättenbesuches in Sachsenhausen zur Verfügung zu stellen. Das Aufzeichnen von durchgeführten Projekten der Gedenkstätte Sachsenhausen soll die Arbeit abrunden.
DER MÖSSINGER STREIK GEGEN HITLER
Nur ein kleiner Ort leistete Widerstand. Eigentlich wollte die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) die Machtübergabe an Adolf Hitler mit einem nationalen "Massenstreik" beantworten. Aber die "Massen" wollten nicht so recht mitmachen. Allein im 4.000 Einwohner großen Mössingen folgten fast 1.000 Arbeiterinnen und Arbeiter tatsächlich dem Aufruf zur Arbeitsniederlegung. Ausgerechnet hier, weit weg vom roten Berlin, am Rand der Schwäbischen Alb.
Am 31. Januar 1933 versammelten sich 100 Menschen um 12 Uhr vor der Langgas Turnhalle. Mössingen war ein regionales Zentrum der Textilindustrie. Also zogen die Demonstrierenden von einer Textilfabrik zur nächsten. Bei der Rückkehr zur Turnhalle warteten 40 Reutlinger Schutzpolizisten mit Gummiknüppeln auf die Streikenden. Über 70 Teilnehmende wurden verurteilt.
Quelle:
https://www.hdgbw.de/inge/der-nationalsozialismus-1933-1945/
Siehe auch die Seite Öffentlichkeitsarbeit >>>
Mit dem Kinderheim auf der Flucht: Annemarie Wolff-Richter (1900–1945), Heilpädagogin im Widerstand gegen den Nationalsozialismus.
Annemarie Wolff-Richter war in den 1930er-Jahren keine Unbekannte: Sie leitete während der Weimarer Republik ein fortschrittliches Erziehungsheim in Berlin, ein Vorzeigeprojekt der Kinder- und Jugendpflege. Im Nationalsozialismus unterstützte sie den Widerstand, leistete Fluchthilfe und versteckte jüdische Verfolgte. Schliesslich mussten sie und die Kinder fliehen. Ihre Tochter, Ursula Wolff, war sieben Jahre alt, als sie 1937 um ein Haar in die Fänge der Gestapo gerieten. Doch sie entkamen ebenso wie eine Schar weiterer Kinder. Dies gelang auch dank der Hilfe des Widerstandskämpfers Ernst Ludwig Heuss. Der Sohn des späteren Bundespräsidenten Theodor Heuss sollte viele Jahre nach dem Krieg Ursulas Ehemann werden. Die Flucht führte sie nach Kroatien, wo sich Annemarie nach der Okkupation Jugoslawiens 1941 den Partisanen anschloss, bis die Faschisten sie aufspürten. 1945 wurde sie im Konzentrationslager Jasenovac umgebracht. Die Biografie von Annemarie Wolff-Richter ist ein eindrucksvolles und berührendes Zeitzeugnis. Es steht für das Schicksal von Menschen, die unter der nationalsozialistischen Herrschaft nach humanitären Grundsätzen lebten und wirkten. Sie wurden gnadenlos verfolgt und sind dennoch mit Mut und Verantwortung bis zuletzt für ihre Überzeugungen eingestanden. Ludwig Theodor Heuss und die Politologin Marina Sindram haben sie nach den Erinnerungen der Tochter Ursula Heuss-Wolff verfasst und um Dokumente aus dem Privatarchiv und von Weggefährten ergänzt.
DIASCHAU ZUM NS-WIDERSTAND IN BADEN UND WÜRTTEMBERG
Bildquellen :
Sonderbriefmarke zum 100. Geburtstag von Georg Elser (2003)
Von Briefmarkengestaltung: Prof. Ernst und Lorli Jünger, München - Heiligenlexikon.de (first upload at de.wikipedia.org), Gemeinfrei,
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2028525
Gedenkstein (Stolperstein) für Georg Elser
in der Karlstraße 29 in Hermaringen Inschrift: HIER WOHNTE GEORG ELSER JG. 1903, ATTENTAT AUF HITLER 8.11.1939, AUF FLUCHT VERHAFTET 8.11.1939, SACHSENHAUSEN, ERSCHOSSEN 9.4.1945 DACHAU
Von Thilo Parg - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0,
https://commons.wikimedia.org/
Sophie Scholl (1943) Fotografie von der Gestapo
Photo of Sophie Scholl taken by the Gestapo, February 18, 1943
Von Jurgen Wittenstein -
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Gestapo_photos_of_Sophie_Scholl_taken_after_his_capture_on_February_18,_19
43.jpg, CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=117318302
Mahnmal für die Weiße Rose vor der LMU München, 2005
Mahnmal der Geschwister Scholl und für die Weiße Rose, vor der Ludwig-Maximilians-Universität, München.
Flugblätter, Von Gryffindor - Eigenes Werk, Gemeinfrei,
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=355013
Ausstellungplakat der Landesbank Bayern zum 100. Geburtstag von Sophie Scholl
Zwischen Sozialgeschichte und Fluchtort: Das Landjugendheim Finkenkrug und seine mutigen Frauen
Die bewegte Geschichte des Landjugendheims Finkenkrug (1922–1950) in Falkensee nahe Berlin ist untrennbar mit den Wirren des 20. Jahrhunderts und seinen politischen wie gesellschaftlichen Umbrüchen verbunden. Sie erzählt von dem sozial- und reformpädagogischen Aufbruch der 1920er Jahre und dem Mut dreier Frauen, die sich unermüdlich und entgegen aller Widrigkeiten für das Gemeinwohl und die Würde des Menschen einsetzten: Alice Bendix, Anna von Gierke, Isa Gruner. Während der nationalsozialistischen Diktatur gewährte das Landjugendheim ausgegrenzten und verfolgten Menschen Zuflucht und ermöglichte zahlreichen jüdischen Kindern die Ausreise. In einer Zusammenstellung aus Dokumenten, Briefen, Reden und Erinnerungen bietet die Chronik einen tiefen Einblick in das Leben und Wirken des Land jugendheims und ist dem sozialen Engagement seiner Akteurinnen gewidmet.
Siehe auch:
- NS-Widerstand und Nazi-Täter*innen >>>
- NS-Widerstand >>>
- NS-Täterinnen >>>
- NS-Täter >>>
- Hitlers Nazi-Kindersoldaten: Hitlerjugend, Flakhelfer, Volkssturm, Werwölfe, etc. >>>
- Nazi-Jagd: - Anschläge und Attentate auf Nazis - Widerstandshandeln gegen das NS-Regime >>>
- Nazi-Jagd nach 1945: Hinrichtung von NS-Täter*innen >>>
- HISTORISCHES: Nationalsozialismus in Mosbach - Baden >>>
- AKTUELLES: NS-Widerstand >>>
»Mir hat Gott keinen Panzer ums Herz gegeben«: Briefe aus Militärgefängnis und Gestapohaft 1943–1945 Gebundene Ausgabe – 14. September 2015
Erstmals werden die berührenden Briefe und eindringlichen Kassiber veröffentlicht, die Hans von Dohnanyi, eine der führenden Persönlichkeiten des Widerstandes gegen das NS-Regime, aus der Haft an seine Frau Christine und an seine Kinder schrieb. Sie zeigen sowohl den liebevollen Ehemann und Vater wie den entschlossenen Verschwörer gegen Hitler, der sich auch in der Haft, den Tod vor Augen, nicht beugt. Der Jurist Dohnanyi schloss sich bereits Ende der dreißiger Jahre Widerstandskreisen an. 1942 verhalf er einer Reihe von Juden, die als Agenten getarnt wurden, zur Flucht in die Schweiz, im März 1943 war er an einem Attentatsversuch gegen Hitler beteiligt, der jedoch fehlschlug. Im April 1943 wurde er wegen angeblicher Devisenvergehen im Zusammenhang mit der Fluchthilfe inhaftiert. Nach dem gescheiterten Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 flog seine Mitarbeit an den früheren Putschplänen auf. Am 9. April 1945 wurde er im KZ Sachsenhausen gehängt.
3. YouTube-Videos zum NS-Widerstand in Baden und Württemberg
Johann Georg Elser
Geboren am 4. Januar 1903 in Hermaringen, Württemberg; gestorben am 9. April 1945 im KZ Dachau, Bayern.
Georg Elser - das Attentat auf Hitler in München 1939
ELSER Film-Trailer German Deutsch [2015]
Georg Elser - Der einsame Held (Sie wollten Hitler töten, Teil 1, komplett)
Geschwister Scholl - Widerstandsgruppe "Weiße Rose"
Hingerichtet nach dem Todesurteil des Volksgerichtshofes unter Vorsitz des Präsidenten Roland Freisler
Hans Fritz Scholl, geboren am 22. September 1918 in Ingersheim an der Jagst, Württemberg; gestorben am 22. Februar 1943 in München
Sophia Magdalena „Sophie“ Scholl, geboren am 9. Mai 1921 in Forchtenberg; Württemberg; gestorben am 22. Februar 1943 in München
Sophie Scholl & die Weiße Rose: die 5 letzten Tage
Sophie Scholl – so kämpfte sie gegen das NS-Regime
Die 5 Gesichter der Sophie Scholl | Terra X
100. Geburtstag von Sophie Scholl: »So ein schöner Tag, und ich soll gehen« | DER SPIEGEL
SOPHIE SCHOLL - DIE LETZTEN TAGE | Offizieller Trailer
21.01.2020 - The teenage Dutch girls who seduced and killed Nazis - BBC REEL
BBC Reel
During World War Two, the Nazi occupation of the Netherlands turned three teenage girls into fierce resistance fighters. Truus Oversteegen, Freddie Oversteegen and Hannie Schaft have been remembered for their technique of luring collaborators into the forest for them to be executed.
https://www.youtube.com/watch?v=OuT_Wd7-kq4
12.06.2022 - The BRUTAL Executions Of The Teenage Girls That Fought The Germans
TheUntoldPast
During the Second World War, there were many different people who fought against the German Army and attempted to resist. As Hitler launched Operation Barbarossa and invaded the Soviet Union, there were many different pockets of Partisan resistance that tried to defeat the Wehrmacht. Many of these were based in the Balkans, but those who resisted and fought the Germans were often dealt with very brutally, and there were a number of public executions that took place to put the people off rising up. But some of these were of Partisans who were rather young, and shockingly a number of young women were executed by the Germans.
Lepa Radic was just 17 when she was executed for being involved in rescuing injured Partisans, Zoya Kosmodemyanskaya was also executed in public for being involved in resistance activities. Zinaida Portnova and Masha Bruskina were also brutally killed for their work against the German Army, and the scenes of their executions were supposed to prevent further rebellion. However in death, many of the women despite being only very young managed to inspire many others to take up arms during the Second World War and to fight for their country and beliefs.
https://www.youtube.com/watch?v=IyhgJWOk1xQ
19.06.2018 - Zivilcourage und Widerstand in der NS-Zeit: Pfarrer Kast und der Lernort Kislau
KiP-TV Alpha & Omega
Alpha & Omega: Zivilcourage und Widerstand in der NS-Zeit: Pfarrer Augustin Kast und der Lernort Kislau
Wie vor und während der Herrschaft des Nationalsozialismus in Baden-Württemberg Widerstand geleistet wurde, will ein Projekt auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Kislau ins Bewusstsein bringen. Zwischen Heidelberg und Karlsruhe entsteht ein Lernort, der auf vielfältige Weise an die Menschen erinnert, die sich dem Regime mutig entgegenstemmten. Volker Farrenkopf spricht mit Doris und Arnold Hubig, Vorstandsmitglieder des Vereins "Zivilcourage und Widerstand", der das Projekt Lernort Kislau" trägt, Luisa Lehnen, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt Lernort Kislau, und Pfarrer Engelbert Baader. Er hat sich mit der Person des Ettlinger Pfarrers Augustin Kast beschäftigt, der schon vor 1933 den Nazis die Stirn bot.
Moderation/Redaktion: Volker Farrenkopf
https://www.youtube.com/watch?v=DnZIAqZzmQk
29.09.2022 - Ein stadtbekannter 'Judenfreund': Hermann hilft Verfolgten bei der Flucht
Lernort Kislau e. V.
Der evangelische Heidelberger Stadtpfarrer Hermann Maas hat sich schon vor 1933 für die Republik und gegen den zunehmenden Antisemitismus engagiert. In der NS-Zeit baut er mit anderen Glaubensgenoss:innen ein Fluchthilfe-Netzwerk für Menschen auf, die vom NS-Regime rassistisch verfolgt werden. 1944 wird er wegen dieser Aktivitäten in ein Arbeitslager verschleppt. Nach dem Krieg kehrt er nach Heidelberg zurück.
Recherche und Skript: Stephan Hock, Luisa Lehnen, Laura Pastal
Storyboard, Zeichnungen und Bildregie: Katja Reichert
Sprecher: Dirk Emmert
Schnitt: Thilo Brethauer
Redaktion: Andrea Hoffend, Luisa Lehnen, Laura Pastal
Sounds: The Kitchen Germany
Mit freundlicher Unterstützung durch das Land Baden-Württemberg und den Hermann-Maas-Freundeskreis
https://www.youtube.com/watch?v=HjNX-NMDckc
29.09.2022 - Streng geheim und sehr gefährlich: Eugen radelt für die Freiheit
Lernort Kislau e. V.
Der 16-jährige Elektrikerlehrling Eugen Kern schmuggelt nach der NS-‚Machtergreifung‘ als Fahrradkurier illegale SPD-Schriften von einer zentralen Verteilstelle in Mannheim nach Karlsruhe. Im Herbst 1934 wird er jedoch verraten und kommt ins Gefängnis. In der Haft hält Eugen dem Druck und den Drohungen nicht stand und verrät die Namen von Mitstreitern. Dafür schämt er sich sehr.
Recherche und Skript: Gundula Axelsson, Andrea Hoffend
Storyboard, Zeichnungen und Bildregie: Katja Reichert
Sprecher: Nils Weyland
Schnitt: Diana Tischler, Thilo Brethauer
Redaktion: Andrea Hoffend
Sounds: Andreas Köhler
Mit freundlicher Unterstützung durch die Volksbank Karlsruhe-Stiftung
https://www.youtube.com/watch?v=i-3S6uKq1aQ
4. Online-Artikel zum NS-Widerstand
Freiwillig in Auschwitz
Der vielleicht mutigste Mensch aller Zeiten
Der Familienvater Witold Pilecki ließ sich freiwillig ins KZ Auschwitz deportieren, um die dort begangenen Verbrechen zu dokumentieren. Was den katholischen polnischen Patrioten antrieb, was er erreichte, wie er entkam – und was danach geschah.
09.04.2023 , 18:23 Uhr 7 Minuten Lesezeit
Stolzer Ehemann und Familienvater: Witold Pilecki mit seiner Frau Maria sowie ihren gemeinsamen Kindern Andrzej (geboren 1932) und Zofia (geboren 1933) auf einem Foto aus dem Jahr 1935.
Foto: Pilecki-Institut
Tobias Jochheim
Es gibt Menschen, die man vorbehaltlos Helden nennen kann, und deren Namen doch kaum jemand kennt. Dazu gehört die Krankenschwester Maria Stromberger, die sich freiwillig ins KZ Auschwitz versetzen ließ und für die dort Gequälten Medizin und Nahrung schmuggelte, Nachrichten und Waffen. „Was ich tat, war Menschenpflicht – und leider nur ein Tropfen ins Meer”, sagte die tiefgläubige Frau dazu. In ihrer Heimat Österreich blieb der „Engel von Auschwitz“ ungewürdigt. In Polen ist sie eine Art Volksheldin. In noch größeren Ehren hält man dort Witold Pilecki (gesprochen: Piletzki). Er hatte sich ebenfalls freiwillig für Auschwitz gemeldet – als Häftling. Um im Zentrum des Bösen eine Widerstandsgruppe aufzubauen; vor allem aber, um Zeugnis abzulegen von den nach wie vor kaum fassbaren Verbrechen, die die Nazis dort begingen. Millionenfach, jahrelang, rund um die Uhr.
Die Lebensgeschichte dieses Mannes hat der britische Journalist Jack Fairweather drei Jahre lang recherchiert und in dem erstaunlichen erzählenden Sachbuch „Der Freiwillige“ (btb Verlag, 592 Seiten, 18 Euro) aufgearbeitet; fast jede Zeile ist historisch belegt.
INFO
„Der Freiwillige“ wurde in 25 Sprachen übersetzt
Foto: btb Verlag
Das Buch „Der Freiwillige - Die wahre Geschichte des Widerstandskämpfers, der Auschwitz unterwanderte“ von Jack Fairweather ist im btb Verlag erschienen. Es hat 592 Seiten und kostet 18 Euro. Bislang wurde es in 25 Sprachen übersetzt.
Pilecki wird 1901 geboren, in eine katholische Familie mit stolzer Tradition des Einsatzes für ein freies Polen, trotz Enteignung durch den Zar und Strafverbannung nach Sibirien. Als Kind liest ihm seine Mutter patriotisch-romantische Gedichte vor. Er engagiert sich in der verbotenen Pfadfinder-Bewegung und spielt im Garten Verteidigung gegen Angriffskriege: „Nesseln standen für die Deutschen, gelbe Blumen für die Tataren. Mit einem Holzschwert stieß ich durch die feindlichen Linien, um meine eigenen Truppen zu retten.“ Als Jugendlicher kämpft er für die polnische Republik. Ein Kunststudium muss der begabte Dichter und Maler aus finanziellen Gründen abbrechen. Stattdessen modernisiert er den familieneigenen Großbauernhof in Sukurcze nahe Lida im heutigen Belarus. Er heiratet die Grundschullehrerin Maria und bekommt mit ihr zwei Kinder, Andrzej und Zofia. Nebenbei baut eine Kavallerie-Einheit auf und wird Chef der örtlichen Feuerwehr. Ein Anpacker. Und Menschenfreund. Als Hitler und Stalin Polen 1939 unter sich aufteilen, geht er in den Widerstand, in eine von zunächst diversen Splittergruppen. „Warum vertrauen Sie mir?“, fragt ihn ein Mann, den er anwerben will. Pilecki antwortet: „Mein lieber Junge, du musst den Menschen vertrauen“.
Im Sommer 1940 verdichten sich die Gerüchte über den Bau eines Konzentrationslagers im Dorf Oswiecim zwischen Kattowitz und Krakau. Anfang August erklärt ein rivalisierender Untergrund-Anführer: „Dir ist eine große Ehre widerfahren.“ Pilecki sei der Einzige, dem man eine wichtige Mission zutraue: Bei der nächsten Massenverhaftung solle er sich aufgreifen und deportieren lassen, um das Lager zu unterwandern, das die Deutschen Auschwitz nennen.
„Witold hatte Mühe, sein Entsetzen zu verbergen“, schreibt Fairweather, und: „In Anbetracht des Risikos konnte man ihm nicht befehlen, den Auftrag zu übernehmen. Er musste es freiwillig tun.“ Tagelang wägt Pilecki ab: Seine Familie würde er nicht nur im Stich lassen – falls er enttarnt würde, hätten Frau und Kinder Vergeltungsmaßnahmen zu befürchten. Zugleich aber fühlte er sich anderweitig verpflichtet: Seinem Land und seinen Mitbürgern. Seinem Glauben. Seiner Ehre als Mann, Pfadfinder und Offizier.
Befreiung vor 80 Jahren: KZ Auschwitz - Symbol für Massenmord
Witold Pilecki auf einem Häftlingsfoto aus dem KZ Auschwitz. Unter dem Namen Tomasz Serafinski hatte sich der Widerstandskämpfer am 19. September 1940 freiwillig festnehmen lassen.
Foto: Pilecki-Institut
Den letzten Ausschlag gibt offenbar die Information, dass mehrere seiner zuletzt festgenommenen Kameraden definitiv nach Auschwitz deportiert worden sind. Schließlich erklärt sich Pilecki bereit zu der Mission – in der Hoffnung, seinen Dienst leisten zu können, ein sinnvolles Opfer zu bringen. Unter falscher Identität, die seine Familie schützen soll. Am 19. September 1940 lässt sich Witold Pilecki von den Nazis aufgreifen, zwei Tage später kommt er in Auschwitz an. Er erhält die Häftlingsnummer 4859.
Schnell erlebt er, dass an diesem Ort jede denkbare Art von Gewalt zusammenkommt; archaisch und hochtechnisiert, organisiert und spontan. Schon das pure Überleben ist ein Affront. Erst recht gilt das für jeden Versuch, die gezielt herbeigeführte Unkultur im Lager zu ändern. Genau das aber lebt Pilecki vor: Dichthalten statt Denunziation, Solidarität trotz ständiger Lebensgefahr – dass das trotz allem irgendwie möglich ist, gibt vielen Kraft, Selbstbewusstsein, Hoffnung inmitten des Horrors. Manche finden sogar die Kraft zum Lachen über Absurditäten wie die SS-Männer, die sich von den Häftlingen in den Werkstätten Spielzeug für ihre Kinder basteln lassen, eine Kerze mit Schneewittchen und den sieben Zwergen, ein Hitler-Porträt.
Nach sechs Monaten im Lager umfasst die Widerstandsgruppe rund einhundert Menschen, es werden wohl bis zu 1000. Der Enttarnung entgeht Pilecki mehrmals nur knapp: Einmal ruft ihn ein Freund bei seinem echten Namen, ein andermal fällt auf, dass er keine Briefe schreibt, in denen die Häftlinge Familie und Freunden vorgaukeln sollen, dass alles in Ordnung sei. Pilecki dokumentiert das ganze Grauen des Lagers – und auch Szenen schier übermenschlicher Größe: Der Lehrer Marian Batko etwa meldet sich freiwillig für den Hungertod, um einen unschuldigen Jugendlichen davor zu bewahren.
Später schreibt Pilecki: „Ich begann mich wirklich zu sorgen, dass meine Familie mich rauskaufen könnte, wie einige der anderen, und das Spiel, das ich spiele, unterbrechen würde.“ Vollständig geht er in seiner Rolle auf – als Dokumentar und Tröster seiner Mitgefangenen, denen er einmal sagt: „Die Siege der Deutschen zögern nur ihre endgültige Niederlage heraus.“ Während er den Wandel Auschwitz‘ vom Arbeits- zum Vernichtungslager erlebt, schickt er mehrere Berichte nach draußen. Zeugenberichte über den Völkermord, versehen mit Beweisen in Form von Kopien aus den SS-Büros: Listen mit Todeszahlen, Baupläne für die Krematorien.
Fairweather gelingt es, neben Pilecki auch all die anderen todesmutigen Menschen im Widerstand zu würdigen. Pileckis Schwägerin Elena Ostrowska etwa, die ihn in ihrer Wohnung versteckte und dort konspirative Treffen abhalten ließ. Seine diversen Mitverschwörer im KZ wie Kon Piekarski und Stanislaw Dubois, Kazimierz Jarzebowski und Edward Biernacki. Und Anwohner des Lagers wie Helena Stupka und ihren sechsjährigen Sohn Jacek, die dabei halfen, Beweise in die Außenwelt zu schmuggeln.
Auch der von den Nazis zwangsverpflichtete polnische Arzt Władysław Dering unterstützt – parallel zu seiner Arbeit für die SS, die qualvolle Menschenversuche beinhaltet – Pilecki und seine Leute wiederholt.
Schließlich sind da in Großbritannien ausgebildete Geheimagenten wie Napoleon Segieda. Allein während der komplizierten, sechsmonatigen Rückreise des Kuriers aus Polen ermorden die Nazis allein in Auschwitz beinahe eine Viertelmillion Juden. Doch als er endlich zurück in London ist, glauben ihm weder die Alliierten noch die polnische Exilregierung. Währenddessen wird die Situation im Lager immer noch schlimmer. Ein Laib Brot kostet auf dem KZ-internen Schwarzmarkt bald 1000 Dollar.
Pilecki bittet seine Vorgesetzten um die Erlaubnis zu einem Aufstand und die Alliierten um eine Bombardierung des Lagers, um die Qualen zu beenden. Beides bleibt aus.
Beinahe schweren Herzens entschließt er sich zur Flucht, um persönlich Zeugnis zu geben. Am Ostermontag 1943, nach 945 Tagen in Auschwitz, gelingt es ihm der abenteuerliche Ausbruch durch die Bäckerei des Lagers dank Beziehungen, Chuzpe, List und Glück. Für den Fall, dass man ihn erwischt, hat er eine Zyankali-Kapsel dabei. Einige Male trifft er seine Frau; den Kindern schreibt er vor einem späteren Treffen Briefe ( „Es ist schön zu sehen, dass du den Wurm, den Käfer, die Erbse oder Bohne und alles was lebt, liebhast.“). Im Untergrund bleibt er aktiv. Aus Pflichtgefühl, noch immer, und wohl auch aus einer Art Perspektivlosigkeit heraus. „Ich kann keine Beziehung mehr zu meinen Freunden oder anderen Menschen aufbauen“, schreibt er. „Ich wollte nicht anders sein, doch ich war es, nach dieser Hölle.“ Im Juli verfasst er einen weiteren Bericht über das KZ Auschwitz, den zehnten insgesamt. Dann stürzt er sich in den Warschauer Aufstand, den Häuserkampf gegen die Nazis und die Rote Armee; das Kriegsende erlebt er in einem Gefangenenlager der Nazis.
Im Untergrund engagiert er sich weiter – nun gegen das zweite totalitäre System des 20. Jahrhunderts. Im Mai 1947 wird er von den Stalinisten verhaftet, mehr als 150-Mal verhört und gefoltert. In einem Schauprozess verurteilt man ihn wegen Hochverrats zum Tod am 25. Mai 1948. Seiner Familie übergibt er noch ein zerlesenes Exemplar von Thomas von Kempens Buch „Die Nachfolge Christi“. In seinem Schlusswort sagt er: „Ich habe versucht, mein Leben auf eine Weise zu führen, dass ich in meiner letzten Stunde eher froh als furchtsam wäre. Ich finde Freude in dem Wissen, dass das den Kampf wert war.“
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Otto Küsel
So wurde ein Kleinkrimineller zum „guten Menschen von Auschwitz“
von Sven-Felix Kellerhoff
Leitender Redakteur Geschichte
Stand: 18.01.2025 Lesedauer: 7 Minuten
Otto Küsel, Häftling Nr. 2 des KZ Auschwitz 677fa07c7a802a223c017941
Das Aufnahmefoto des Häftlings Nr. 2 des KZ Auschwitz von Ende Mai 1940. Otto Küsel wurde zum Helden des Todeslagers
Quelle: The Archive of The State Museum Auschwitz-Birkenau in Oświęcim
Er half, wo er nur konnte – und weil ihm die SS zweieinhalb Jahre lang einigermaßen vertraute, rettete Otto Küsel wahrscheinlich vielen Mithäftlingen das Leben. Jetzt gibt es zum ersten Mal eine Biografie des ungewöhnlichen KZ-Insassen.
Der Mann auf dem schwarz-weißen Foto sieht jünger aus als die 31 Jahre, die er gerade alt geworden ist; das mag an seinem kahl rasierten Schädel liegen. Ernst schauen die Augen aus einem ovalen Gesicht. Auf seine grobe Jacke ist, oberhalb des Herzens, ein mittelgraues Dreieck genäht. Die Spitze weist nach unten auf einen quadratischen, hellen Stofffleck, auf den die Ziffer „2“ gestempelt ist.
Das Foto stammt aus dem gerade gegründeten Konzentrationslager Auschwitz im annektierten Ostoberschlesien und wurde wohl Ende Mai 1940 aufgenommen. Der Mann darauf, durch das in Wirklichkeit grüne Stoffdreieck und die Kategorisierung „BV“ als „Berufsverbrecher“ ausgewiesen, heißt Otto Küsel. Er war der zweite im größten aller KZs registrierte Häftling – und eine große Ausnahme.
Am 20. Mai 1940, vier Tage nach seinem 31. Geburtstag, war er zusammen mit 29 anderen „Berufsverbrechern“ aus dem KZ Sachsenhausen nördlich von Berlin in eine ehemalige Kavalleriekaserne bei der Stadt Oświęcim gebracht worden. Hier sollte er als „Funktionshäftling“ der SS helfen, das neue KZ aufzubauen. Denn Heinrich Himmlers Organisation wollte dafür nur so wenig eigenes Personal wie möglich abstellen, weshalb privilegierte Insassen, eben die „Funktionshäftlinge“, in ihrem Auftrag die anderen Gefangenen unter Kontrolle zu halten hatten.
Der Haupteingang zum KZ Auschwitz. Die Aufnahme gehört zu den wenigen Fotos aus der Zeit vor 1945
Der Haupteingang zum KZ Auschwitz. Die Aufnahme gehört zu den wenigen Fotos aus der Zeit vor 1945
Quelle: picture alliance/SZ Photo
Das erste Stammpersonal des neuen Lagers umfasste gerade einmal sechs SS-Leute mit Rudolf Höß an der Spitze; hinzu kamen 15 Angehörige der Reiter-SS als anfängliche Wachmannschaft. Da aber zugleich mehr als 700 polnische Gefangene angekündigt waren, brauchte Höß zunächst 30 Funktionshäftlinge.
29 davon erwiesen sich als Komplizen der SS, als üble Schläger und korrupte Unterdrücker. Otto Küsel war die Ausnahme. Er wurde der „Engel der Polen“ und der „gute Mensch von Auschwitz“. Jetzt hat der Journalist Sebastian Christ erstmals ausführlich und gestützt auf alle verfügbaren Quellen eine Biografie dieses höchst ungewöhnlichen KZ-Insassen vorgelegt („Auschwitzhäftling Nr. 2. Otto Küsel – der unbekannte Held des Konzentrationslagers“. Verlag wbg Theiss Freiburg. 272 S., 26 Euro).
Von Küsel selbst gibt es nur zwei einigermaßen ausführliche Darstellungen seiner Zeit im Lager: einerseits seine Aussage im Frankfurter Auschwitz-Prozess am 73. Verhandlungstag, dem 3. August 1964, andererseits ein zwölf Druckseiten langes Zeitzeugeninterview, das 1984, in Küsels Todesjahr, in einem Sammelband erschien. Diese wertet Christ aus, dazu viele andere, kurze Äußerungen an verstreuten Stellen. Daraus eine Biografie zu machen, die den ungewöhnlichen KZ-Insassen plastisch werden lässt, ist eine erhebliche Leistung.
Otto Küsel während seines Dreivierteljahrs in Freiheit 1943 und nach dem Krieg (undatiert)
Quelle: The Archive of The State Museum Auschwitz-Birkenau in Oświęcim
Küsel stammte aus einfachen, aber aufstiegsorientierten Verhältnissen in Berlin. Sein Vater hatte es vom Arbeiter zum Lagerverwalter gebracht und organisierte für den Sohn eine Lehrstelle als Elektriker. Strom war in den 1920er-Jahren ein Thema mit Konjunktur in der Reichshauptstadt: Mit Siemens und der AEG saßen die beiden größten Elektrokonzerne in Berlin.
Doch der junge Otto wusste das nicht zu schätzen. Nach zwei Jahren brach er die Lehre ab und begann, sich als Hausierer durchzuschlagen, was oft genug zu Bettelei wurde. Seine Polizeiakte verbrannte offensichtlich im Zweiten Weltkrieg; daher kann Christ nur aus verstreuten Indizien und Informationssplittern schließen, dass Otto Küsel „die meiste Zeit zwischen 1929 und 1935“ wohl hinter Gittern verbrachte.
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Anschließend bezog er zum ersten Mal ein eigenes Zimmer, zur Untermiete bei einer Familie in Berlin-Schmargendorf. Keine anderthalb Jahre blieb er in Freiheit, dann bekam er im Februar 1937 eine Vorladung, sich bei der Gestapo zu melden. Küsel kam dem nach – und wurde festgenommen.
Laut dem „Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher“ konnten Personen, die binnen fünf Jahren dreimal oder öfter zu jeweils mindestens sechs Monaten Haft verurteilt worden waren, in prinzipiell unbefristete „Sicherungsverwahrung“ genommen werden. Als „Berufsverbrecher“ wurden sie in ein KZ eingewiesen. Lediglich alle drei Jahre sollte das zuständige Gericht prüfen, ob der „Schutz der öffentlichen Sicherheit“ die Fortdauer des Freiheitsentzuges weiter erfordere.
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Otto Küsel kam am 16. März 1937 nach Sachsenhausen, in das für Berlin „zuständige“ Lager des SS-Apparates. Er durchlitt die dort übliche Gewalt, hatte jedoch Glück im Unglück, denn offenbar kannte einer der Peiniger seinen Vater. Zugleich passte er sich geschickt dem unmenschlichen System KZ an. So wählte ein besonders sadistischer SS-Mann ihn aus, als im Frühjahr 1940 die ersten 30 Funktionshäftlinge für das neue KZ in Ostoberschlesien zu bestimmen waren.
Hier fand er seine neue Rolle, und zwar sehr bald. Seine Aufgabe war, den „Arbeitseinsatz“ aller Häftlinge zu organisieren. Dabei schützte er schwache Häftlinge, denen er eher leichtere Aufgaben zuteilte – allerdings um den Preis, anderen Gefangenen besonders schwere Tätigkeiten zuweisen zu müssen.
In seiner Position war Küsel einer der „Prominenten“ im Lager. So nannte man jene Häftlinge, die aufgrund ihrer Tätigkeiten im Dienste der SS Privilegien und sogar (begrenztes) Vertrauen genossen. Im schroffen Gegensatz zu fast allen anderen dieser auch „Kalfaktoren“ genannten Häftlinge war Küsel jedoch auch bei nicht privilegierten Insassen allgemein beliebt. Denn er nutzte seine Vorteile, um so viele Leben wie möglich zu retten. Sebastian Christ schreibt: „Im Grunde hatte er also eine beständige Rolle im Lager gefunden, die ihm einerseits das eigene Überleben sicherte und ihm andererseits die Möglichkeit eröffnete, anständig zu bleiben und Gutes zu tun, Gutes tun zu können.“
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Der Häftling Nr. 1 bekam wegen seiner Brutalität den Beinamen „Schwarzer Tod“
Besonders gut erkennbar wird dies beim Vergleich mit dem Häftling Nr. 1, dem gebürtigen Posener Bruno Brodniewicz (auch Brodniewitsch geschrieben). Auch er war ein „Berufsverbrecher“, doch er nutzte seine Privilegien, um (fast) unbeschränkte Macht auszuleben und sich zu bereichern. In Auschwitz amtierte er als „Lagerältester“, also oberster Gefangener, und bekam wegen seiner Brutalität schnell den Beinamen „Schwarzer Tod“. Der Auschwitz-Gefangene Curt Posener urteilte über Brodniewicz: „Er galt allgemein als ganz brutaler Schläger mit einem eigenen ,Friedhof‘.“
Ganz anders Otto Küsel. Seine positiv herausragende Rolle bezeugte etwa der polnische Offizier Witold Pilecki, der sich 1940 vorsätzlich von der SS hatte festnehmen lassen. Er wollte in Auschwitz eine Widerstandsorganisation aufbauen und nach einer gewissen Zeit flüchten, um die westlichen Gegner Hitlerdeutschlands zu informieren. Während die Widerstandsbewegung andere der oft einfältigen Funktionshäftlinge manipulieren musste, half Küsel laut Pliecki im vollen Bewusstsein. Er war damit eine große Ausnahme.
Links der Block 10 im Stammlager Auschwitz, Ort grausamer medizinischer Versuche, und rechts der Block 11, in dessen Keller der „Bunker“ lag, der Strafarrest
Links der Block 10 im Stammlager Auschwitz, Ort grausamer medizinischer Versuche, und rechts der Block 11, in dessen Keller der „Bunker“ lag, der Strafarrest
Quelle: picture alliance/SZ Photo
„Ich hätte nicht fliehen wollen, denn ich hatte in Auschwitz ein vergleichsweise gutes Leben“, sagte Küsel 1969 dem Mithäftling Hermann Langbein, als dieser ihn für das Buch „Menschen in Auschwitz“ befragte.
Am Nachmittag des 29. Dezember 1942 floh er trotzdem, zusammen mit drei Polen. Dabei nutzte er einmal mehr seine Privilegien, in diesem Fall: seine Bekanntheit bei den SS-Wachen, denn er lenkte eine Kutsche, auf der mehrere Schränke lagen, scheinbar bewacht von einem SS-Mann, der aber in Wirklichkeit ein verkleideter Häftling war. In zwei Schränken versteckten sich die beiden anderen Flüchtlinge.
Doch seine Freiheit währte nur neun Monate: Im September 1943 wurde Otto Küsel in Warschau wieder verhaftet – eine Geliebte hatte ihn aus Eifersucht verraten. Im Gegensatz zu den meisten anderen gescheiterten Flüchtlingen tötete die SS ihn nicht sofort, sondern prügelte ihn „nur“ in die Bewusstlosigkeit und steckte ihn in den Strafarrest, den „Bunker“. Nach zwei Monaten befahl ein neuer KZ-Kommandant, dessen Insassen entweder zu erschießen oder ins Lager zurückzuschicken. Otto Küsel gehörte zur zweiten Gruppe, war aber nun natürlich kein Funktionshäftling mehr.
Blick über das KZ Flossenbürg bei Weiden in der Oberpfalz
Quelle: picture alliance/akg-images
Dennoch überlebte er, weil er sich inzwischen den enormen Herausforderungen des Vegetierens als KZ-Häftling angepasst hatte. Und abermals hatte er Glück im Unglück: Im Februar 1944 kam er auf einen Transport ins KZ Flossenbürg, wo er eine Tätigkeit in der Häftlingskleiderkammer erhielt. Otto Küsel wurde am 23. April 1945 von der US Army befreit. Mehr als sieben Jahre KZ hatte er überstanden.
Dankbare polnische Auschwitz-Überlebende erreichten, dass ihm ehrenhalber die Staatsbürgerschaft Polens verliehen wurde. Er freute sich, blieb aber in Deutschland, genauer: in Schwarzhofen in der Oberpfalz. Hier wurde er sesshaft, heiratete und zog mit seiner Frau Rosi zwei Töchter groß.
1964 sagte Küsel beim Auschwitz-Prozess aus, wurde aber von den Richtern übel angegangen – einer fragte gar, warum er noch lebe, und unterstellte ihm, ein Spitzel der SS gewesen zu sein. Sebastian Christ verweist in seinem lesenswerten Buch zu Recht auf diese noch zu wenig erforschte dunkle Seite des ansonsten viel gelobten Frankfurter Verfahrens. Otto Küsel brachte diese Erfahrung weitgehend zum Verstummen. Mitte November 1984 starb er, schwer krank, nicht weit von seinem Wohnort.
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Aktivisten
Leopold Hilgarth (1895–1945) und Ignatz Schuhmann (1909–1945) gehörten ab 1943 zu einer Widerstandsgruppe in Alkoven. Dort befand sich die Tötungsanstalt Hartheim. Im Februar 1943 stand auf deren Mauern: »Österreicher! Hitler hat den Krieg begonnen – Hitlers Sturz wird ihn beenden!«. Wenig später ging ein Schreiben an den Alkovener NSDAP-Ortsgruppenleiter, das »Vergeltung« für die »Massenmorde unschuldiger Menschen« auch in Hartheim forderte.
Hilgarth und Schuhmann stellten noch mehr Flugblätter her, bis sie die Gestapo im Juni 1944 verhaftete. Zwei Monate später wurden die beiden Männer vor dem Volksgerichtshof in Wien wegen Hochverrats angeklagt. Sie wurden zum Tode verurteilt und am 9. Januar 1945 hingerichtet.
Eure Kriegsaufgabe ist nur das Volk zu quälen und zu terrorisieren die eigenen Freunderl und Spießgesellen zu schützen, die aufrechten Männer und Frauen aber an die Front, bzw. in den Arbeitseinsatz zu schicken, ja wenn nötig sogar als unbequeme »Mitwisser und Mitesser« zu beseitigen. Die Mittel hiezu habt ja auch in der ganzen Menschengeschichte einzig und allein ihr geschaffen! Es seien beispielsweise nur einige dieser Menschenverbrennungsöfen genannt: Hartheim, Mauthausen, etz. etz. [sic!] Eure erbarmungslosen Massenmorde unschuldiger Menschen, deren Schmerzensschreie heute auf der ganzen Welt gehört werden, verlangen schwerste Sühne!!!
Schreiben der »R.P.Ö.« an den NSDAP-Ortsgruppenleiter von Alkoven Albert Schrott, 21.3.1943, zit. nach I. Leitner: NS-Euthanasie. Wissen und Widerstand. Wahrnehmung in der Bevölkerung und der Widerstand Einzelner, in: B. Kepplinger u.a. (Hg.): Tötungsanstalt Hartheim, Linz 2008, S. 241
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Gefahr von innen: Verrat im kommunistischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus Gebundene Ausgabe – 22. Februar 2021
FOLTERKELLER 1933
„Mir wurden oben vier Zähne und unten drei Zähne ausgeschlagen“
Im Frühjahr 1933 trieb die SA eine Welle der Gewalt gegen politische Feinde durch Deutschland. Gequält wurde vor aller Augen, denn die Tatorte lagen oft in Wohngebieten. Das hatte System, wie eine sehenswerte ARD-Dokumentation zeigt.
Veröffentlicht am 24.01.2022 | Lesedauer: 5 Minuten
Von Sven Felix Kellerhoff
Leitender Redakteur Geschichte
Wo einst gefoltert wurde, liegt knapp neun Jahrzehnte später ein beliebter Kinderspielplatz. Die längst sprichwörtlichen „Eltern vom Prenzlauer Berg“ lassen ihren Nachwuchs im Sandkasten und auf den Geräten toben, der in dem kleinen Park rund um den alten Wasserturm an der Knaackstraße in Berlins angesagtestem Kiez rund um den Kollwitzplatz liegt. Was 1933 genau dort geschehen ist, wo im 21. Jahrhundert Kinder spielen, weiß hier kaum jemand – wer liest schon die Informationstafel, die hier seit einigen Jahren steht?
Der damals 30-jährige Ernst Förstner etwa war Kommunist und Kassierer der Internationalen Arbeiterhilfe in Prenzlauer Berg. Seine Bekannte Mathilde Krug berichtete: „Anfang Mai 1933 wurde Förstner von der SA aus der Wohnung geholt und zum Wasserturm gebracht. Mein Mann wurde in derselben Nacht ebenfalls durch die SA abgeholt. Dort wurden sie schwer misshandelt und ich weiß es durch meinen Ehemann, dass Förstner bis zur Bewusstlosigkeit geschlagen wurde.“
Die Maschinenhalle I des Wasserturms Prenzlauer Berg vor 1933
Die Maschinenhalle I des Wasserturms Prenzlauer Berg vor 1933
Quelle: Public Domain
Tatort war die Maschinenhalle I, auf deren früherem Areal jetzt der Spielplatz liegt. Förstner schilderte, was ihm geschah: „Bei den Misshandlungen wurden mir vier Zähne des Oberkiefers und drei Zähne des Unterkiefers ausgeschlagen. Eine Röntgenaufnahme ergab einen doppelten Kieferbruch. Des Weiteren habe ich mir durch die erlittenen Misshandlungen, Fußtritte, Box- und Stockschläge ein Magenleiden zugezogen.“
Ernst Förstner war nur einer von rund 70.000 Hitler-Gegnern, die im Frühjahr 1933 allein im größten Land Preußen von Nationalsozialisten verschleppt und gequält wurden. Hochgerechnet auf das gesamte Deutsche Reich, dürften mindestens 100.000 Männer (und mehrere hundert Frauen) in beschlagnahmten Kellern und anderen improvisierten Folterstätten misshandelt worden sein. An dieses weitgehend vergessene Kapitel der Machtübernahme der Nationalsozialisten erinnert die Dokumentation „Folterkeller im Wohnquartier“ von Susanne Brahms und Rainer Krause. Die ARD zeigt den sehenswerten Film leider nur im Nachtprogramm, aber immerhin ist er in der Mediathek zu streamen.
Der Wasserturm Prenzlauer Berg vor 1933
Quelle: Public Domain
Allein in Berlin gab es zwischen Februar und Juli 1933 mindestens 231 solche Orte, von denen einige wochen- oder sogar monatelang „genutzt“ wurden und daher für Historiker schon unter die Kategorie „frühe KZs“ fallen, darunter auch die Maschinenhalle I am Wasserturm in Prenzlauer Berg. In Sachsen sind beispielsweise 112 derartige Tatorte dokumentiert.
Natürlich verbreiteten sich in der Umgebung dieser Orte sofort Gerüchte. Und das war in den meisten Fällen auch von den Tätern so gewollt, denn die Misshandlungen dienten einerseits der ganz handgreiflichen Rache an politischen Konkurrenten der NSDAP von schwerer Körperverletzung bis hin zu hunderten Morden, andererseits der Einschüchterung anderer potenzieller Gegner.
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Zeichnung von Albert Ortheiler, dem ersten jüdischen NS-Opfer in Bochum, aus der Dokumentation "Folterkeller im Wohnquartier"
Quelle: Radio Bremen / BlindCat / Vincent Burmeister
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Deshalb wurden auch vielfach Orte benutzt, die mit der Arbeiterbewegung oder anderen von Hitler abgelehnten Institutionen verbunden waren. In Bochum etwa entführten SA-Leute den jüdischen Händler Albert Ortheiler aus seinem Geschäft in der Innenstadt und verschleppten ihn in den Keller der Reformschule in der Hegelstraße, wo sie ihn erschlugen. Da es von diesem wie von fast allen anderen Verbrechen des Frühjahrs 1933 keine Fotos gibt, behelfen sich Brahms und Krause mit naturgemäß düsteren Illustrationen von Vincent Burmeister – eine gute Idee.
Auf Burg Hohnstein in der Sächsischen Schweiz, einer ehemaligen Jugendherberge, ließen die SA aus dem benachbarten Pirna die Gefangenen manchmal stundenlang um eine Linde auf dem Burghof laufen. Immer wieder wählten Gefangene in dieser Situation den Freitod und stürzten sich in einen direkt neben der Linde liegenden Abgrund. Burmeister zeichnete für den Film den Lauf um die Linde, aber gerade keinen der Selbstmorde, denn das wäre voyeuristisch.
Folterkeller im Wohnquartier
Gesichter von Menschen, die in den Folterkellern von SA und SS in den ersten Monaten des Dritten Reiches leiden mussten
Quelle: Radio Bremen / BlindCat
Der Film von Susanne Brahms und Rainer Krause erinnert an die Allgegenwärtigkeit brutaler Gewalt am Beginn des NS-Regimes. Diese Verbrechen fanden vor aller Augen statt, ähnlich wie die Ausschreitungen gegen Juden und ihre Deportation ab Herbst 1941. Geheim gehalten wurden allein die Zentren des Massenmordes im besetzten Polen – darüber wussten die meisten Zeitgenossen in Hitlerdeutschland tatsächlich wenig bis nichts. Doch die meisten anderen Verbrechen geschahen ganz offen und vielfach vor ganz normalen Deutschen als Zeugen.
Auch in Oranienburg, wo 1933/34 ein frühes KZ in einer stillgelegten Brauerei gerade einmal 700 Meter vom Schloss entfernt, dem Mittelpunkt des Städtchens nördlich Berlins. Die Häftlinge mussten tagsüber oft in Oranienburg arbeiten oder „Sport“ machen, wie zu Propagandazwecken aufgenommene Fotografien zeigen.
Gedenkort am Wasserturm Prenzlauer Berg
Der Gedenkort am Wasserturm Prenzlauer Berg ist beschmiert und beschädigt
Quelle: Uwe Müller
Erinnert wurde daran nach 1945 in unterschiedlichem Maße. In der DDR instrumentalisiert die SED das Gedenken für die Staatsdoktrin des vermeintlichen „Antifaschismus“, was zum Beispiel in Burg Hohnstein nach 1990 dazu führte, dass viele Gedenktafeln entfernt wurden und einige bis heute verschwunden sind. In der alten Bundesrepublik gab es lange den Reflex, das Thema totzuschweigen. Noch 1978 protestierten im rheinhessischen Weinort Osthofen viele gegen eine Erinnerungstafel an der weitgehend erhaltenen früheren Papierfabrik, die 1933/34 ein frühes KZ beherbergt hatte.
Beschädigte Informationsstele am Gedenkort für das frühere KZ Wasserturm Prenzlauer Berg
Dier beschädigte Informationsstele am Gedenkort für das frühere KZ Wasserturm Prenzlauer Berg
Quelle: Uwe Müller
Aber der Umgang mit diesem Erbe ist auch neun Jahrzehnte später noch schwierig. Die Informationsstele zum frühen KZ am Wasserturm Prenzlauer Berg beispielsweise ist gesprungen und kaum lesbar, die Umgebung macht einen ungepflegten Eindruck – auch im rein links regierten Berlin. Ernsthaftes Interesse an Erinnerung sieht anders aus.
„1933 – Folterkeller im Wohnquartier“. ARD, 24. Januar 23.30 Uhr und in der ARD-Mediathek.
https://www.welt.de/
Erziehung im NS-Staat - Widerstand der Jugend im NS-Staat
Ausarbeitung, 2002
8 Seiten, Note: 2
S K SILKE KIRCHHEIN (AUTOR:IN)
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INHALT
1.Einleitung
2.Wege und Ziele des Widerstandes
3.Widerstand der Jugend
4.Widerstandsgruppen
4.1.Die Edelweißpiraten
4.2.Die Swing-Jugend
4.3.Die „Weiße Rose“
4.3.1.Was war die „Weiße Rose“
4.3.2.Die Aktionen der „Weißen Rose“
4.3.3.Die verhängnisvollen Folgen
5.Sonstige Gruppen
6.Ein Schlußwort von Professor Kurt Huber
7.Quellennachweiß
8. Anhang
1. Einleitung
Bereits vor der Machtergreifung Hitlers im Januar 1933 gab es erste Gegenbewegungen gegen das Nationssozialistische Regime. Es bildeten sich immer mehr Gruppen, die aktiven und passiven Widerstand gegen Hitler und seine Regierung leisteten.
Die Größe dieser Gruppen wurde (und wird) arg unterschätzt, die Propaganda behauptete schließlich, es gäbe keine Gegner. Zu keinem Zeitpunkt stand nämlich das gesamte deutsche Volk hinter Hitler, bei der Wahl 1933 konnte er „nur“ 33 % der Bevölkerung für sich gewinnen. Vielmehr gab es immer eine große Anzahl Gegner, die bis zuletzt Widerstand leisteten.
2. Wege und Ziele des Widerstandes
Zunächst sollte man grundsätzlich zwischen zwei Arten des Widerstandes unterscheiden. Zum einen den passiven und zum anderen den aktiven Widerstand. Als aktiv ist all solcher Widerstand zu werten, der eigen Aktionen voraussetzt. Dazu zählen unter anderem: Druck und Verteilung von Flugblättern, Demonstrationen, Organisation von Widerstandsgruppen und Terroranschläge. Als passiv bezeichnet alles, was keine direkten eigenen Aktionen voraussetzt. Hier sind unter anderem die Niederlegung öffentlicher Ämter, Boykott, Befehlsverweigerung und auch Selbstmord und Flucht zu nennen.
Die Zielsetzung der Wiederstandsgruppen im drittem Reich war sehr ähnlich und doch sehr verschieden. Jede Gruppe kämpfte meist gegen ein oder mehrere Mankos des Staates. Einigen lag sehr die Sicherung der kirchlichen Unabhängigkeit am Herzen, andere suchten die Bildung unabhängig zu halten. Trotzdem stimmte man im Auslöser allen Übels überein, die Schuld an der Misere wurde meist Hitler und seinem Terrorregime zugeschoben. Im Folgenden werden wir aus den Widerstandsgruppen der Jugend einen geringen Anteil herausgreifen und die Widerstandsgruppen exemplarisch vorstellen. Unser Schwerpunkt wird die Organisation der „Weißen Rose sein“. Verzichten werden wir auf den kirchlichen Widerstand, den Widerstand der Arbeiterklasse, den politischen Widerstand und den Widerstand des Militärs, da das Gesamtreferat sich mit der Rolle der Jugend im NS-Staat beschäftigt, beziehen wir uns nur auf den Widerstand der Jugend.
3. Der Widerstand der Jugend
Der Widerstand der Jugendlichen fing schon 1933 an, als sich erste sozialistische Jugendgruppen bildeten, die aber nur wenig Zulauf hatten, da die meisten Jugendlichen in die verschiedenen Gruppen des Regimes eingegliedert waren (HJ, BDM). Besonders die Arbeiterjugend wurde von der HJ, der Polizei und der Gestapo verfolgt. So gab es schon in den ersten Jahren des Deutschen Reiches Massenverhaftungen von Jugendlichen. Alle Jugendorganisationen, die schon länger existierten wurden entweder verboten, oder in die HJ eingegliedert.
Die Zeitschrift ‘Junge Front’, die zuletzt eine Auflage von ca. 300 000 Exemplaren erreichte, war das Zentrum des Widerstandes der katholischen Jugend. In dieser Zeitung wurde die nationalsozialistische Ideologie und ihre Handlungen gegen die kath. Kirche verurteilt. 1936 wurde diese Zeitung dann endgültig verboten und 50 bekannte kath. Jugendführer wurden verhaftet. 1938 kam es dann zum Verbot aller katholischen Jugendorganisationen, die aber schon lange nicht mehr in die Öffentlichkeit treten durften. Allerdings bildeten sich illegale Gruppen und immer wieder wurden Jugendgottesdienste abgehalten, die auch ein Treffen für den Widerstand bedeuteten. Chefredakteur der ‘Jungen Front’ und der Organisator der Treffen war Johannes Maassen.
Der evangelische Widerstand war hingegen schwächer, da bis auf religiöse Aktivitäten alle anderen Treffen schon 1933 verboten wurden. Er wurde von der Zeitung ‘Jungenwacht’ unterstützt, die bis 1938 bestehen bleiben konnte.
4. Widerstandsgruppen
Studentische und jugendliche Widerstandsbewegung
4.1. Die Edelweißpiraten
Viele Jugendliche sehnten sich unter dem NS-Regime nach mehr Selbstbestimmung und freien Entfaltungsmöglichkeiten. Die streng nach dem Führerprinzip aufgebaute Hitlerjugend gab ihnen diese Möglichkeiten jedoch nicht. Der militärische Drill und strengen Verordnungen waren ihnen zuwider.
Als 1939 der Beitritt zur Hitlerjugend nach der „Jugenddienstpflicht“ erzwungen wurde bildeten sich die wilden Jugendgruppen, zu denen auch die Edelweißpiraten gehörten. Diese Gruppen bestanden schon länger und setzten die Traditionen der 1933 verbotenen bündischen Jugend fort. Die 1918 aus dem Zusammenschluss mehrer Jugendgruppen entstandene „Freideutsche Jugend“ und der „Vorläufer“ der Edelweißpiraten wollte dem Jugendlichen Selbstverwirklichung, Selbstbestimmung, die Anerkennung der Jugend und die Achtung des Lebens näher bringen. Spätestens mit Beginn der nationalsozialistischen Diktatur wurden diese Jugendgruppen in einen unformierte Masse gewandelt; sollten sie sich dieser Entwicklung widersetzen, so wurden diese Gruppierungen verboten und aufgelöst.
Als weitere Quelle für die Auffassungen der Edelweißpiraten ist Karl May zu nennen, dessen antirassistische und pazifistische Einstellung die Jugendgruppen ebenso beeinflussten wie die bemerkenswerte und interessante Romantik.
Der Widerstand der Edelweißpiraten beschränkte sich anfangs auf Fernbleiben aus der Hitlerjugend. Die Jugendlichen, die meist zwischen 14 und 17 Jahren alt waren, versuchten, durch gezielten Ungehorsam von der Hitlerjugend ausgeschlossen zu werden. Als Fahrten und Zeltlager für alle Gruppen außer der Hitlerjugend 1933 verboten wurden, führten die Edelweißpiraten weiterhin treffen durch. Um diese Treffen wirkungsvoll zu unterbinden, wurde für Jugendliche, die nicht der Hitlerjugend angehörten, das Trampen sowie das benutzen von Feuerzelten untersagt. Um die Anordnugen durchzusetzen, wurde der sogenannte HJ - Streifendienst gebildet, der die Aktivitäten der Edelweißpiraten kontrollieren sollte.
Den Edelweißpiraten gelang es trotzdem, Fahrten und Lager zu planen und durchzuführen. Während dieser Lager waren Zusammenstöße mit der Hitlerjugend vorprogrammiert und so eskalierte ihr bisher friedlicher Widerstand zu teilweise brutalen Schlägereien mit der Hitlerjugend.
Mit Beginn des zweiten Weltkrieges forcierte sich auch der Widerstand der Edelweißpiraten. Es war abzusehen, dass die paramilitärische Ausbildung der Hitlerjugend früher oder später dazu führen sollte, dass auch Jugendliche im Krieg an der Front eingesetzt werden sollten. Zunächst beschränkte man sich auf Schriftzüge in Unterführungen und an anderen öffentlichen Plätzen. Als die Angriffe Deutschland erreichten, beschlossen die Edelweißpiraten endgültig, die breite Öffentlichkeit zu suchen. Sie hörten „feindliche“ Sender ab und druckten Flugblätter, auf denen sie über die wirkliche Lage des Krieges berichteten. Die Kölner „Ehrenfelder Gruppe“ suchte 1943 Kontakt zur anderen Widerstandsgruppen und begann Flüchtlinge und Deserteure zu verstecken. Außerdem rüsteten sich die Edelweißpiraten mit Waffen aus, um im Partisanenkampf gegen die Nationalsozialisten zu bestehen; es wurden Bomben gelegt (Gestapo-Quartiere) und es kam zu Schießerein mit der Polizei.
Die nationalsozialistische Regierung wollte diesen Kämpfern natürlich nicht machtlos gegenüberstehen. Anfangs spürten die Jugendlichen, die sich de HJ entzogen „nur“ Nachteile in Schule, Elternhaus und Ausbildungsplatzvergabe. Doch schon zu Zeiten des friedlichen Widerstands wurde das Jugend-KZ Moringen (1940) eingerichtet. Dorthin wurden viele Widerstandskämpfer der Edelweißpiraten gebracht, 1000 Häftlinge befanden sich im Durchschnitt dort. Die Nationalsozialisten schreckten auch nicht davor zurück unter Sechzehnjährige aufzuhängen, so geschehen mit 13 Mitgliedern der Ehrenfelder Gruppe.
Neben den Edelweißpiraten gab es noch zahlreiche andere Gruppen, die ähnlich aufgebaut waren; dazu zählen unter anderem: Harlem-Club, Navajos, Rotes-X und die Kittelbachpiraten.
4.2. Die Swing-Jugend
Eine andere Gruppe des Widerstands der Jugendlichen, die auch andere Ziele als die Edelweißpiraten verfolgte, ist „Swing-Jugend“, die hauptsächlich in Hamburg agierte. Sie kämpften für ein freieres Leben und eine freie Kultur. Die deutlichsten Kennzeichen für ihre Gesinnung waren ihre weit ausgestellten Hosen und lange Jacketts beziehungsweise kurze Kleider, mit denen sie sich klar vom Einheitsbraun der Hitlerjugend und des Bund Deutscher Mädchen abhoben. Ferner schminkten sich die Mädchen, was dem Bild von einer deutschen Frau entgegenstand.
Sie trafen sich in Clubs und hörten Jazz-Musik, auch diese war den Machthabern ein Dorn im Auge, war sie doch ihrer Ansicht nach „jüdische Niggermusik“. Die Swing-Jugend wurde als „musikalische Gangsterbande“ bezeichnet.
Die Swing-Jugend zeigte zunächst kein politisches Interesse, vielmehr wollten sie ihre eigene Lebensart haben und leisteten so - vielleicht sogar unbewusst - Widerstand. Auch sie wurden aus den nationalsozialistischen Verbänden ausgeschlossen und nahm dieses Umstand billigend in Kauf. Als jedoch im August 1941 die nationalsozialistische Führung erkannte, dass die Swing-Jugend zunehmend Mitglieder gewann, wurden in einer Verhaftungswelle über 300 Angehörige der Swing-Jugend verhaftet und im Gefängnis Fuhlsbüttel in Schutzhaft genommen.
Letzten Endes führte diese Verhaftungswelle dazu, dass die Swing-Jugend nun auch politisch aktiv wurde. Sie begannen Flugblätter gegen das Nazi-Regime zu drucken und kamen so mit dem Hamburger Zweig der Weißen Rose in Kontakt. Auch wenn man sich nicht zu einer Zusammenarbeit durchringen konnte, reichten diese Kontakte aus, um weitere Mitglieder der Swing-Jugend wegen Landes- und Hochverrat zu verhaften; der Prozess konnte jedoch von dem Einmarsch der Alliierten verhindert werden.
4.3. Die „Weiße Rose“
4.3.1. WAS WAR DIE „WEISSE ROSE
Im Mai 1942 schloß sich Heinz Scholl in München mit einigen Freunden (Studenten, Professoren und Künstler der Universität in München) aus religiösen, sittlichen, humanistischen und ethnischen Gründen zur Widerstandsbewegung die “Weiße Rose” zusammen. Später wuchs die Opposition und unterhielt sogar Kontakte nach Hamburg. Ihre Hauptagierenden waren Hans und Sophie Scholl sowie Kurt Huber, Alexander Schmorell, Christoph Probst, Willi Graf und Hans Leipelt.
4.3.2. DIE AKTIONEN DER „WEISSEN ROSE
Im Juni und Juli 1942 brachte die “Weiße Rose” in München und fünf weiteren Städten die ersten vier, von Hans Scholl geschriebenen Flugblätter in Umlauf. In ihnen klagte die Gruppe die Massenmorde an polnischen Juden, Adligen und Intellektuellen an und riefen zu passiven Widerstand gegen das Hitlerregime auf.
Von Juli bis November 1942 waren die Medizinstudenten (Hans Scholl, Alexander Schmorell, Christoph Probst und Willi Graf) als Soldaten an der russischen Front. Nach München zurückgekehrt setzten sie jetzt ihre Aktivitäten unter den Eindruck ihrer Fronterfahrung verstärkt fort. Ein weiterer Grund hierfür war, daß sie nach der deutschen Niederlage bei Stalingrad einen breiten Stimmungsumschwung gegenüber der SS-Führung erwarteten und hofften neue Kreise des aufgeschreckten Volkes für ihren Kampf gewinnen zu können. Scholl bat seinen Freund Probst im November 1942 ihn ein Manuskript zu liefern, daß dem deutschen Volk die Augen öffne. Ein Flugblattentwurf wie gewünscht lieferte ihm Probst Ende 1942
In Gesprächen mit seiner Schwester Sophie Scholl entschlossen sich beide, Flugblattpropaganda im Sinne einer Arbeit gegen den Krieg zu betreiben. Die beiden Geschwister, die ihre Studentenzimmer bei derselben Vermieterin hatten, schrieben gemeinsam mit Kurt Huber, den von Probst gelieferten Flugblattentwurf, in seine Endfassung “Aufruf an alle Deutschen”. Außerdem verfaßten sie ein weiteres Flugblatt “Deutsche Studenten und Studentinnen”
(in späteren Auflagen: “Kommilitonen und Kommilitoninnen”). Diese Flugblätter haben die Geschwister Scholl teilweise mit Hilfe Schmorells vervielfältigt und im Januar sowie Februar 1942 verbreitet:
Schmorell fuhr nach Salzburg, Linz und Wien und warf dort 200, 200 und 1200 adressierte Flugblätter für diese Städte in Briefkästen und außerdem in Wien 400 für Frankfurt am Main. Sophie Scholl warf in Augsburg 200 und ein andermal in Stuttgart 600 in Postbriefkästen. Nachts streute Hans Scholl zusammen mit Schmorell Tausende in Münchner Straßen aus. Sie haben auch am 3. , 8. und 15. Februar 1943 nachts an vielen Stellen Münchens, und vor allem auch an der Universität, Schmieraktionen durchgeführt, dessen Inhalte “Nieder mit Hitler”, “Hitler der Massenmörder”, “Freiheit” und “Führer wir danken dir” waren. Nach der ersten Aktion erfuhr auch Sophie Scholl von den Schmieraktionen. Sie war damit einverstanden und bat vergeblich darum künftig mitmachen zu dürfen.
Die Auslagen -im ganzen ungefähr 1000 Mark- haben die Mitglieder der “Weißen Rose” selbst bestritten.
4.3.3. DIE VERHÄNGNISVOLLEN FOLGEN
Am 18. Februar legten die Geschwister Scholl zwischen 1500 und 1800 Flugblätter in der Münchner Universität in Päckchen ab, und Sophie Scholl warf einen Haufen vom zweiten Stock in den Lichthof. Der Verrat des Hausmeisters der Universität, der sie bei dieser Aktion entdeckte, führte noch am gleichen Tag zur Verhaftung von Hans und Sophie Scholl sowie von Christoph Probst. Weitere führende Mitglieder (Kurt Huber, Alexander Schmorell, Willi Graf und Hans Leipelt) wurden kurze Zeit später ebenfalls verhaftet. Am 22. Februar 1943, vier Tage nach ihrer Verhaftung, wurden die Geschwister Scholl sowie Christoph Probst vom Volksgerichtshof unter Roland Freister zum Tode verurteilt. Seine Begründung für diese Strafe war:
“ ... Wenn solches Handeln anders als mit dem Tode bestraft würde, wäre der Anfang einer Entwicklungskette gebildet, deren Ende einst: 1918 war. Deshalb gab es für den Volksgerichtshof zum Schutze des Volkes und Reiches nur eine gerechte Strafe, die Todesstrafe. Der Volksgerichtshof weiß sich darin mit unseren Soldaten einig! Durch ihren Verrat an unsrem Volk haben die Angeklagten ihre Bürgerehre für immer verwirkt ...” Nach ihrer Verurteilung sahen sie der Hinrichtung in der Zuversicht entgegen, daß ihre Tat nicht vergeblich gewesen sei.
“Wir haben alles, alles auf uns genommen, das wird Wellen schlagen”, sagte Sophie Scholl im letzten Gespräch mit ihrer Mutter.
Noch am selben Tag, nur wenige Stunden nach dem Urteilsspruch, wurden sie mit den Fallbeil hingerichtet. Auch Kurt Huber und Alexander Schmorell richtete man am 13. Juli 1943 hin; Willi Graf am 12. Oktober 1943. Dreizehn weitere Mitglieder der “Weißen Rose” wurden inhaftiert oder zwangsweise an die Front geschickt.
Die Flugblattaktion war zu einem Zeitpunkt gekommen, als bereits viele Deutsche am siegreichen Ausgang des Krieges zweifelten. Eben darum hatte die Gestapo mit einer verschärften Suchaktion nach den Tätern und der Volksgerichtshof mit einem verstärkten Urteil reagiert.
5. Sonstige Gruppen
Auch in andren Städten, insbesondere an den Schulen und Universitäten, formierten sich mehr oder weniger große Widerstandsgruppen, die meist nur lokal wirksam waren. Sie stellten sich bewusst der nationalsozialistischen Führung entgegen und halfen verfolgten Mitschülern und -studenten. Häufig hörten sie feindliche Sender ab und versorgten das Volk mit Informationen, die Walter-Klingenbeck-Gruppe betrieb sogar einen eigenen Privatsender. All diese Gruppierungen aufzuzählen, würde den Rahmen dieses Referates bei weitem sprengen.
6. Ein Schlußwort von Professor Kurt Huber
...Ich habe das eine Ziel erreicht, diese Warnung und Mahnung nicht in einem privaten, kleinen Diskutierklub, sondern an verantwortlicher, an höchster richterlicher Stelle vorzubringen. Ich setze für diese Mahnung, für diese beschwörende Bitte zur Rückkehr, mein Leben ein. Ich fordere die Freiheit für unser deutsches Volk zurück. Wir wollen nicht an Sklavenketten unser kurzes Leben dahinfristen, und wären es goldene Ketten eines materiellen Überflusses.
Sie haben mir den Rang und die Rechte des Professors und den “summa cum laude” erarbeiteten Doktorhut genommen und mich dem niedrigsten Verbrecher gleichgestellt. Die innere Würde des Hochschullehrers, des offenen, mutigen Bekenners seiner Welt- und Staatsanschauung, kann mir kein Hochverratsverfahren rauben. Mein Handeln und Wollen wird der eherne Gang der Geschichte rechtfertigen; darauf vertraue ich felsenfest. Ich hoffe zu Gott, daß die geistigen Kräfte, die es rechtfertigen, rechtzeitig aus meinem eigenen Volke sich entbinden mögen. Ich habe es gehandelt, wie ich es aus meiner inneren Stimme heraus handeln mußte. Ich nehme die Folgen auf mich nach dem schönen Wort Johann Gottlieb Fichtes:
Und handeln sollst du so, als hinge
Von dir und deinem Tun allein
Das Schicksal ab der deutschen Dinge,
Und die Verantwortung wär` dein.
7. Quellennachweis:
1. Büchners Kolleg Geschichte: Vom zweiten Weltkrieg bis zur Gegenwart, Ausgabe B. C.C. Buchner Verlag, Bamberg
2. Der Brockhaus in fünf Bänden, 8. Auflage F.A. Brockhaus
3. Die Millenium Chronik, Geschichte Multimedial
4. Informationen zur politischen Bildung:“DEUTSCHER WIDERSTAND 1933-1945“ Nr. 243
5. Isa Schirkorsky, Scholl Sophie, Microsoft Encarta Enzyklopädie
6. Isa Schirkorsky, Scholl Hans, Microsoft Encarta Enzyklopädie
7. Marion Brigitte Pausch, „Weiße Rose“, Microsoft Encarta Enzyklopädie
8. Anhang
1. Die führenden Mitglieder der„Weißen Rose“
2. Das letzte Flugblatt der„Weißen Rose“
Details
Titel
Erziehung im NS-Staat - Widerstand der Jugend im NS-Staat
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen
Note
2
Autor
Silke Kirchhein (Autor:in)
Jahr
2002
Seiten
8
Katalognummer
V105938
ISBN (eBook)
9783640042173
Dateigröße
423 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erziehung, NS-Staat, Widerstand, Jugend, NS-Staat
Arbeit zitieren
Silke Kirchhein (Autor:in), 2002, Erziehung im NS-Staat - Widerstand der Jugend im NS-Staat, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/105938
Der Kopf meines Vaters: Wien von der NS-Zeit bis zur Gegenwart - Eine Zeitzeugin erzählt
Grete Plotnarek, von Kindesbeinen an Maxi gerufen, erzählt ihre packende Lebensgeschichte: Der Vater Franz Plotnarek geht nach der Enttäuschung über das Verhalten der Sozialdemokraten im Februaraufstand 1934 in den politischen Untergrund. Mit seiner Frau Anna Plotnarek und Freunden agitieren sie zuerst gegen die Austrofaschisten und ab 1938 gegen die Nationalsozialisten, sammeln Geld und Kleider für Ausgegrenzte und sozial Schwache. Ein eingeschleuster Spion verrät die Gruppe und Maxis Vater wird 1941 verhaftet. Manchmal wartet Maxi im Schnee vor dem Gefängnis um ihren Vater wenigstens beim Be- und Entladen der Wäsche zu Gesicht zu bekommen. Franz Plotnarek wird 1943 von den Nazis geköpft. Die berührenden Erinnerungen an ihre Eltern, an weitere Opfer aus dem Freundes- und Familienkreis sowie die Auswirkungen auf ihr Leben, eingebettet in das Wien von 1934 bis zur Gegenwart, erzählt Maxi in einem Interview mit Luis Stabauer.
Sie waren die Weiße Rose
Letzte Zeitzeugen berichten: "Als die Urteile verkündet wurden, war es wie bei einer Beerdigung"
FOCUS-online-Autor Armin Fuhrer
Tamara Haitz
FOCUS-online-Redakteurin Lisa Kleine
Nach Hinrichtung der wichtigsten Mitglieder der Widerstandsgruppe „Die Weiße Rose“ 1943 verbreiteten Gleichgesinnte in Hamburg ihre Flugblätter weiter. Auch sie wurden gesucht, verfolgt und später teilweise zum Tode verurteilt. Die letzten Zeitzeugen berichten über ihren Widerstand.
Es dauerte gerade einmal vier Tage, da standen Heinrich Himmlers Gestapo-Schergen vor der Tür der Familie Scholl. Vier Tage, in denen Robert und Lisa Scholl Zeit hatten, um ihre am 22. Februar 1943 hingerichteten Kinder Sophie und Hans zu betrauern. Die beiden heute bekanntesten Mitglieder der Münchner Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ waren kurz zuvor erwischt worden, als die in der Münchner Universität Flugblätter verteilten, mit denen sie zum Widerstand gegen Hitler und zur Beendigung des Krieges aufriefen.
Die Wehrmacht hatte sich gerade in Stalingrad der Roten Armee geschlagen geben müssen, die Situation im Dritten Reich war zunehmend angespannt, die Nazi-Behörden wurden nervös – auf Gnade war da nicht zu hoffen, und so war ein ebensolches Ersuchen der Eltern und des Bruders Werner für Hans und Sophie erfolglos geblieben. Den beiden wurde der kurze Prozess gemacht: sie wurden vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und wenige Tage später hingerichtet.
Sippenhaft für die Angehörigen
Das Leid der Familie Scholl war damit noch lange nicht zu Ende . Wie es in Hitlers Drittem Reich so üblich war, wurden die Familien der Hingerichtete in Sippenhaft genommen – das galt für die Scholls ebenso wie für Familienmitglieder der anderen Hingerichteten wie Willi Graf, Alexander Schmorell und der mit ihnen verbündete Professor Kurt Huber. Robert und Lisa Scholl sowie ihre Tochter Elisabeth wurden monatelang ins Gefängnis gesperrt, der Vater fast zehn Monate.
Die erste Zeit waren die Bedingungen menschenunwürdig: enge Zellen mit harten Holzpritschen als Schlafstätte, ein Eimer in der Zelle als Toilette und die Erlaubnis, einmal im Monat zu duschen. Das war natürlich Absicht, die Gestapo wollte ihre Gefangenen mürbe machen; sie sollten erzählen, was sie wussten. Allein: viel wussten sie gar nicht. Auch später gingen die Demütigungen weiter. Clara Huber, die Frau Kurt Hubers beispielsweise, wurde die Gegenstände, die ihr Mann im Gefängnis hinterlassen hatte, vorenthalten – mit der Begründung, sie seien zur Begleichung der Kosten für die Hinrichtung eingezogen.
Zur Trauer über die hingerichteten Kinder oder Ehepartner kam die Angst um das eigene Schicksal, aber auch materielle Not und soziale Stigmatisierung. Denn finanzielle Unterstützung für die Familien der Widerständler gab es selbstredend vom NS-Staat nicht. Freunde und Bekannten mieden die Zurückgebliebenen, brachen den Kontakt ab oder wechselten die Straßenseite, um es nicht zu einer Begegnung kommen zu lassen.
Aber es gab natürlich auch die anderen, die echten Freunde, die in der Not halfen, heimlich Geld brachten und seelischen Beistand gaben. Das war nicht ungefährlich in einer Diktatur, in der jeder ganz rasch ins Visier der Behörden geraten konnte, der sich irgendwie „verdächtig“ verhielt.
Die Weiße Rose lebte in Hamburg fort
Während die Angehörigen der Hingerichteten scharfen Restriktionen ausgesetzt waren, lebte die Weiße Rose in gewisser Weise aber auch nach ihrem Ende fort. Denn in Hamburg gab es eine weitverzweigte, sehr lockere Gruppierung, die nach dem Krieg als „Weiße Rose Hamburg“ bezeichnet wurde. Es gab persönliche Kontakte zwischen den Münchnern und Hamburgern, zum Beispiel über Alexander Schmorell und dem Studenten Hans Leipelt, der ebenfalls aufflog und noch im Januar 1945 hingerichtet wurde.
Die „Weiße Rose Hamburg“ war allerdings keine eng verzahnte kleine Gemeinschaft wie die Weiße Rose in München. Es handelte sich dabei um verschiedenen, in unterschiedlichem Grad miteinander verbundene Gruppierungen, denen etwa 50 Personen angehörten. In Hamburg beteiligten sich nicht nur Studenten, sondern auch ältere Personen, vom Arzt über den Buchhändler bis zur Hausfrau. Sie fühlten sich den Münchnern politisch nahe.
Die Nazi-Behörden vermuteten überall Gefahr
Die Gruppe „Agentur Rauhes Haus“, die der Weißen Rose Hamburg zugerechnet wird, verbreitete nach dem Ende der Münchner Widerstandsgruppe einige von deren Flugblätter und ergänzte sie. Während die Personen, die zu diesem Umfeld gezählt werden, sich selbst gar nicht als Widerständler sahen, witterten die Verfolgungsbehörden der Nazis Gefahr. Ab Frühjahr 1943 begannen mehrere Wellen von Verhaftungen, denen etwa ein Jahr später 30 Personen zum Opfer gefallen waren. Auch ihre Familienmitglieder kamen zum Teil im letzten Kriegsjahr in Haft und galten der Gestapo als verdächtig.
Noch in den letzten Wochen des Krieges wurden zahlreiche Personen, die zum Umfeld der Weißen Rose Hamburg gezählt wurden, vor Gericht gestellt – zum Teil sogar noch, als die in anderen Gebieten Deutschland Inhaftierten längst von den heranrückenden Alliierten befreit waren.
Stigmatisierung nach dem Krieg
Während die Weiße Rose Hamburg in der wissenschaftlichen Forschung wenig Beachtung fand, litten die Familien der Münchner Studentengruppe selbst nach dem Krieg noch unter der Stigmatisierung der „Vaterlandsverräter“. So dauerte es zehn Jahre, bis Kurt Huber der Professorentitel, der ihm kurz nach Enttarnung aberkannt worden war, wieder zuerkannt wurde. Clara Huber selbst erhielt zunächst eine Unterstützung des Landes Bayern. Sie war allerdings so gering, dass die amerikanischen Besatzungsbehörden sich veranlasst sahen, noch etwas draufzulegen. Erst in den fünfziger Jahren erhielt sie eine Entschädigung.
Über die Erlebnisse und Erfahrungen der Familien und Freunde der Weißen Rose berichtet eindrucksvoll in Form von Interviews der Film „Die Widerständigen – Also machen wir das weiter“. Er läuft am Dienstag, 27. Juni um 22.30 im Bayerischen Rundfunk. Das obige Video zeigt Ausschnitte aus der Doku.
https://www.focus.de/
Frauen gegen Hitler: Vergessene Widerstandskämpferinnen im Nationalsozialismus
Eine Hommage an vergessene Heldinnen im Nationalsozialismus Ihr Mut, sich gegen das Naziregime zu stellen, war ungeheuerlich. Neben den heute bekannten, meist männlichen Widerstandskämpfern gingen auch einige Frauen entschlossen in die Opposition - aus Widerwillen gegen Hitler oder Sorge um ihre Angehörigen. Sie demonstrierten auf der Straße, warnten aus politischer Überzeugung lautstark vor dem „Führer”, halfen Flüchtlingen und wurden mit Berufsverbot, Straflager oder sogar Tod bestraft. Die renommierte Historikerin Martha Schad zeichnet eindrucksvolle Schicksale meist unbekannter Frauen detailliert und faktenreich nach.
Frauen im Widerstand: Deutsche politische Häftlinge im Frauen-KZ Ravensbrück: Geschichte und Nachgeschichte: Deutsche politische Häftlinge im ... der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten)
Im ersten Abschnitt „Frauen aus der ArbeiterInnenbewegung im Widerstand“ wird zum einen die Situation von Frauen in den sozialdemokratischen und kommunistischen Bewegungen und ihren Organisationen während der Weimarer Republik nachgezeichnet. Zum anderen geht es hier um die Tätigkeit von Frauen im Widerstand nach 1933, um Verfolgung und Verhaftung – meist wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ – durch Polizei und Gestapo. Daran schließt der zweite Abschnitt „Hafterfahrungen in den Gefängnissen und Konzentrationslagern“ an, der zunächst eine geschlechtsspezifische „Sprache der Verfolgung“ dokumentiert und sich den Haftbedingungen in den Gefängnissen und frühen Frauen-Konzentrationslagern widmet. Dieser größere Abschnitt beschreibt das Lager Ravensbrück und beleuchtet darin unter anderem die Situation der politischen Häftlinge, das System der Funktionshäftlinge, sowie Konflikte und Widerstandshandlungen im Lager. Das dritte Kapitel „Nach 1945: Politische Aktivität nach der Befreiung“ zeigt, wie die ehemaligen Häftlinge nach dem Überleben ihr persönliches wie politisches Leben neu begannen und welche Erfahrungen sie dabei machten. Neben den inhaltlichen Schwerpunkten des frühen Gedenkens und der Ermittlungen gegen NS-TäterInnen geht es dabei um die gegensätzlichen gesellschaftlichen Bedingungen, die die Frauen in DDR und BRD vorfanden. Der folgende vierte Abschnitt „Die Gründung der Gedenkstätte und des Internationalen Ravensbrück-Komitees (IRK)“ widmet sich zwei wichtigen Ereignissen der Nachgeschichte des Lagers Ravensbrück. Nachgezeichnet werden die Beteiligung von Überlebenden an der Entstehung der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte und ihres Museums in den späten 1950er-Jahren sowie die – in etwa gleichzeitig erfolgte – Gründung des IRK als europaweitem Dachverband ehemaliger Häftlinge Ravensbrücks. Das fünfte Kapitel, „Vom Lager erzählen“, öffnet den engeren chronologischen Verlauf, indem es die Berichte über Ravensbrück von den 1940er- bis in die 2000er-Jahre betrachtet. Dies umfasst die ersten Zeugnisse aus dem Jahr 1945 ebenso wie die späte Erinnerungsliteratur seit den 1980er-Jahren, aber auch widerstreitende Interpretationen, wie sie sich unter anderem am Konflikt um das Theaterstück Ravensbrücker Ballade (1961) zeigen. Zuletzt berichtet der sechste Abschnitt von „Verbandsgeschichten und Zeitzeuginnen“ und damit von der Gründung und Aktivität der Lagergemeinschaften Ravensbrück (1947 in der SBZ, 1966 in der BRD; 1991 vereinigt zu einem Verband) und dem individuellen politischen Handeln der ehemaligen politischen Häftlinge.
Zivilcourage im Nationalsozialismus | SWR2 Audiopodcast
SWR
Zivilcourage im Nationalsozialismus | Widerstand im Dritten Reich
Ein verweigerter Hitler-Gruß, ein übermaltes Propaganda-Plakat – es gab Menschen, die sich im Kleinen den Nazis widersetzten. Was zeichnete ihren Widerstand aus und wie groß war er?
Die prominenten Namen sind bekannt: Sophie und Hans Scholl, Claus Graf Schenk von Stauffenberg. Aber auch im Kleinen hatten Menschen den Mut, sich gegen das NS-Regime aufzulehnen. Polizisten schmuggelten Regimegegner ins Ausland, Lehrkräfte verboten den Aufzug einer Hakenkreuzfahne an ihrer Schule. Andere versteckten verfolgte Juden, oder sie wünschten Hitler öffentlich den Tod. Viele von ihnen durchlitten Schikanen und Schläge der Gestapo-Verhörer. Jetzt, 75 Jahre danach, beginnen Historiker, Ausmaß und Art des kleinen Widerstands im Alltag zu erforschen.Von Birgit Bernard und Michael Kuhlmann.
Manuskript und mehr zur Sendung:
http://swr.li/zivilcourage
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