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AKTUELLES :
NS-Reparationen und NS-Entschädigungen,
Wiedergutmachungen,
Rückerstattungen/Restitutionen,
für Nazi-Verbrechen,
Kriegsverbrechen und Weltkriegsschäden
Zuletzt AKTUALISIERT am 10.01.2025 !
Deutsche Reparationen nach dem Zweiten Weltkrieg
Deutsche Reparationen nach dem Zweiten Weltkrieg sind Reparationen, die Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg geleistet hat. Anders als die Reparationsverpflichtungen nach dem Ersten Weltkrieg erfolgten diese zunächst nicht auf friedensvertraglicher Grundlage. Sie bestanden zunächst auch nicht in Geldzahlungen von deutscher Seite, sondern in Demontagen durch die Siegermächte. Zwei der während des Krieges von der Wehrmacht besetzten Staaten erheben bis heute Anspruch auf deutsche Reparationen.
https://de.wikipedia.org/
Deutsche Wiedergutmachungspolitik
Mit dem Begriff deutsche Wiedergutmachungspolitik werden die Maßnahmen Deutschlands zusammengefasst, durch die Verfolgte des Nationalsozialismus materiell entschädigt wurden. Sie ist ein Teilaspekt der deutschen Vergangenheitsbewältigung.
Obwohl der Begriff „Wiedergutmachung“ nicht bedeutet, dass erlittenes Leid und jahrelange Entrechtung, Freiheitsentzug und Gesundheitsschäden durch die gewährten Leistungen abgegolten und „wieder gut gemacht“ werden können,[1] hat sich der Ausdruck in der Fachwelt durchgesetzt.
Die Wiedergutmachung wurde in der Bundesrepublik auf die folgenden Arten geleistet:[2][3]
Rückerstattung der den Verfolgten durch Gewalt- und andere Unterdrückungsmaßnahmen entzogenen und noch feststellbaren Vermögensgegenstände direkt an ihre ehemaligen Eigentümer oder deren Rechtsnachfolger (bei erbenlosem Vermögen an jüdische Organisationen),
Erfüllung der Geldverbindlichkeiten des Reichs, die dadurch entstanden sind, dass dem Verfolgten durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen entzogene Vermögensgegenstände nicht mehr feststellbar sind und deshalb Ersatz in Geld zu leisten ist, sowie
Entschädigung in Geld für Schäden, die den Verfolgten durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen an Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum und Vermögen sowie im beruflichen und im wirtschaftlichen Fortkommen zugefügt worden sind (Wiedergutmachung im engeren Sinn), außerdem
Sonderregelungen auf verschiedenen Rechtsgebieten, insbesondere in der Sozialversicherung[4][5][6] oder
Wiedergutmachung immaterieller Art durch die Aufhebung von NS-Unrechtsurteilen oder die Wiedererlangung der deutschen Staatsangehörigkeit (Art. 116 Abs. 2 GG) und akademischer Grade.[7]
In der DDR wurden unter Wiedergutmachung fast ausschließlich Reparationsleistungen an die Sowjetunion angesehen. Daher betrachtete die DDR ihre internationalen Pflichten nach dem Ende der Reparationen im Herbst 1953 als abgegolten und verweigerte Verhandlungen über Entschädigungen, sowohl mit den Staaten des Warschauer Pakts als auch insbesondere mit Israel. Nur in der DDR wohnende NS-Verfolgte erhielten Leistungen.[8]
https://de.wikipedia.org/
Siehe auch: >>> NS-Reparationen und NS-Entschädigungen :
- Griechische Reparationsforderungen >>>
- Polnische Reparationsforderungen >>>
- Italienische Entschädigungsforderungen und NS-Verfahren >>>
- Nazi-Kunstraub in Baden-Württemberg >>>
- NS-Zwangsarbeiter-Entschädigungen und Ghetto-Renten >>>
- Reparationen für deutsche Kolonialverbrechen als Wegbereiter der NS-Verbrechen >>>
Seiteninhalt:
- Anträge auf NS-Reparationen und NS-Entschädigungen für Nazi-Verbrechen beim Amtsgericht Mosbach
1.1 Gerichtlich verfügte Beauftragung der forensischen Sachverständigen aus Kitzingen durch das Amtsgericht Mosbach bezüglich der gerichtlichen und außergerichtlichen Anti-Nazi-Aktivitäten des Antragstellers
1.2 Beim Amtsgericht Mosbach beantragte Wiederaufnahmeverfahren vom 06.08.2022 zur Wiedergutmachung für die Angehörigen von NS-Verfolgten und NS-Opfern afrikanischer Herkunft: Hier Martha Ndumbe
1.3 Antrag an das Amtsgericht Mosbach auf gerichtliche Prüfung des am 01.09.2022 von Polen vorgelegten Gutachtens zu von Nazi-Deutschland verursachten Weltkriegsschäden
1.4 Petition beim DEUTSCHEN BUNDESTAG zu Nazi-Jugendamtsinstitution und Nazi-Kinder- und Jugendhilfe, Übergang institutioneller und personeller Kontinuität zur Nachkriegs-Heimerziehung bis in die 1970er Jahre und Fragestellung der Opfer-Entschädigung - Online-Artikel und Bücher zu NS-Reparationen und NS-Entschädigungen für Nazi-Verbrechen
2.1 Online-Artikel zu Nazi-Raub und Beutekunst
2.2 Entschädigungsforderungen der Hohenzollern gegenüber der BRD
2.3 Online-Artikel zu Wiedergutmachungen, Entschädigungen und Rückerstattungen in Baden und Württemberg - YouTube-Videos zu NS-Reparationen und NS-Entschädigungen für Nazi-Verbrechen
- Stellungnahme der vom Amtsgericht Mosbach gerichtlich beauftragten forensischen Sachverständigen aus Kitzingen zu NS-Reparationen und NS-Entschädigungen für Nazi-Verbrechen, wie Zwangsarbeiter-Entschädigungen, Hinterbliebenen-Entschädigung, Ghetto-Renten, KZ-Entschädigungen, etc. sowie zum Übergang institutioneller und personeller Kontinuität zur Nachkriegs-Heimerziehung bis in die 1970er Jahre und Fragestellung der Opfer-Entschädigung
1. Anträge auf NS-Reparationen und NS-Entschädigungen für Nazi-Verbrechen beim Amtsgericht Mosbach
1.1 Gerichtlich verfügte Beauftragung der forensischen Sachverständigen aus Kitzingen durch das Amtsgericht Mosbach bezüglich der gerichtlichen und außergerichtlichen Anti-Nazi-Aktivitäten des Antragstellers
In der Verfügung des Amtsgerichts Mosbach unter 6F 9/22 vom 17.08.2022, teilt das Amtsgericht Mosbach die Rechtsauffassung mit, dass es nicht Aufgabe des Gerichts sei, die NS-Vergangenheit aufzuarbeiten, was sowohl entgegen der Rechtsaufassung des baden-württembergischen Justizministeriums unter JUMRIX-E-1402-41/878/4 vom 20.06.2022 als auch entgegen der Rechtsauffassung des Urteils am 28.06.2022 beim Landgericht Neuruppin mit der Verurteilung eines 101-jährigen KZ-Wachmannes wegen Beihilfe zum Mord in mehr als 3.500 Fällen steht.
Das Familiengericht-Amtsgericht Mosbach, Hauptstraße 110, 74281 Mosbach, beauftragt die forensische Sachverständige aus Moltkestr. 2, 97318 Kitzingen, in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 unter 6F 202/21, die Anti-Nazi-Aktivitäten des KVs und Antragstellers in einer ergänzenden Stellungnahme gutachterlich einzuschätzen und zu bewerten. Dazu zählen laut Anweisungen dieser amtsgerichtlichen Verfügungen SOWOHL die seit Sommer 2022 vom Antragsteller beim Amtsgericht Mosbach initiierten NS- und Rechtsextremismus-Verfahren ALS AUCH seine außergerichtlichen und gerichtlichen Aufklärungs- und Aufarbeitungsbemühungen zu Nationalsozialistischem Unrecht und Nationalsozialistischen Verbrechen aus dem Zeitraum um 2008, d.h. konkret von 2004 bis 2011, im Rahmen seiner sogenannten "Nazi-Jäger"-Aktivitäten im sachverhaltsbezogenen Kontext zur Problematik des Nationalsozialismus vor und nach 1945 und dessen Aufarbeitung bis heute. Siehe dazu auch Kapitel 4 auf dieser Seite.
Das Amtsgericht Mosbach BEAUFTRAGT EXPLIZIT in seiner Verfügung vom 17.08.2022 unter 6F 202/21 am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach die forensische Sachverständige aus Kitzingen, eine GUTACHTERLICHE STELLUNGNAHME zu NS-Reparationen und NS-Entschädigungen für Nazi-Verbrechen ALS TEIL DER NS-VERGANGENHEITSBEWÄLTIGUNG an das deutsche BRD-Amtsgericht Mosbach im Jahr 2022 zu erstellen.
Amtsgericht Mosbach | Wiedergutmachungen und Entschädigungen zu nationalsozialistischem Unrecht und nationalsozialistischen Verbrechen: Anträge an das Amtsgericht Mosbach: |
1.2 Beim Amtsgericht Mosbach beantragte Wiederaufnahmeverfahren vom 06.08.2022 zur Wiedergutmachung für die Angehörigen von NS-Verfolgten und NS-Opfern afrikanischer Herkunft: Hier Martha Ndumbe
6F 9/22 beim AG/FG Mosbach
OFFIZIELLE ANTRÄGE AN DAS AMTSGERICHT-FAMILIENGERICHT MOSBACH :
ZUR AUFARBEITUNG VON NATIONALSOZIALISTISCHEM UNRECHT UND
NATIONALSOZIALISTISCHEN VERBRECHEN
Wiederaufnahmeverfahren zur Wiedergutmachung für
die Angehörigen von NS-Verfolgten und NS-Opfern afrikanischer Herkunft:
Hier Martha Ndumbe
Hiermit ergeht der zuvor benannte offizielle Strafantrag an das AG/FG Mosbach unter 6F 9/22 vom 06.08.2022.
BEGRÜNDUNG UND GLAUBHAFTMACHUNG:
In den späten 1920er Jahren und besonders im Verlauf der 1930er Jahren verschlechterte sich die soziale und wirtschaftliche soziale Situation, weil die meisten schwarzen Menschen in Deutschland rapide aufgrund zunehmender Diskriminierung und der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen immer mehr von Bildungsinstitutionen und von vielen Erwerbstätigkeiten ausgeschlossen wurden. Ab 1935 mit der Einführung der Nürnberger Rassengesetze und danach mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verschlechterte sich die Lage für schwarze Menschen, die noch in Deutschland lebten, dramatisch. Martha wurde am 27. Juli 1902 in Berlin geboren, als Tochter von Dorothea Grunwaldt aus Hamburg und
dem Kameruner Jacob Ndumbe aus Douala. Ihr Vater kam 1896 nach Deutschland als Teilnehmer der Ersten Deutschen Kolonialausstellung nach Berlin. Jacob war einer von 106 Menschen aus den deutschen Kolonien, die im Treptower Park zur Schau gestellt wurden. Marthas Existenz war in der von den Nazis angestrebten Volksgemeinschaft zunehmend gefährdet. Im Juni wurde Martha nach Ravensburg gebracht und dort wurde sie am 9. Juni 1944 als sogenannte Asoziale inhaftiert. Martha war einer von mindestens 5 schwarze Frauen die in Ravensburg eingesperrt wurden. Sie wurde am 5. Februar 1945 im Alter von 42 Jahren ermordet. Marthas Mutter Dorothea hatte in den 1950er Jahren einen erfolglosen Wiedergutmachungsantrag auf Entschädigung für den Verlust ihrer Tochter eingereicht und darin bezeugte sie das Leid von Martha aufgrund der Rassendiskriminierung, dass sie während ihres Lebens erlitten hatte. Aber als von den Nazis abgestempelte „Asoziale“ wurde Marthas Leiden von den Behörden nicht anerkannt. Nach Ansicht des Antragstellers ist es unzulässig, dass die BRD-Justiz die Nazi-Diskriminierungsstigmata der jeweiligen NS-Verfolgtengruppen übernimmt und in der BRD-Rechtsprechung weiterhin aufrecht erhält, denn die nazi-ideologische rassistische Erfassung mit den NS-Akten wird hier eindeutig fortgesetzt.
Siehe dazu auch öffentlich frei verfügbare Medienberichte.
SACHVERHALTSERMITTLUNGS- UND AUFKLÄRUNGSPFLICHT DES GERICHTS
Das Gericht selbst ist von Amtswegen zur umfassenden Sachverhaltsermittlung und - aufklärung nach § 26 FamFG, § 27 FamFG, § 44 FamFG, § 138 ZPO verpflichtet, um möglichst eine Verletzung der Ansprüche auf rechtliches Gehör und faires Verfahren nach § 10 AEMR, § 6 EMRK, § 103 Abs. 1 GG sowie auf die Achtung des Familienlebens nach § 8 EMRK sowie auf das Recht auf Meinungsfreiheit § 19 AEMR, § 11 EMRK, § 5 GG sowie auf das Recht auf Diskriminierungsverbot § 14 EMRK auszuschließen.
GERICHTLICH EINZUHOLENDE STELLUNGNAHMEN
Beim hier fallverantwortlichen Spruchkörper des Amtsgerichts Mosbach wird unter 6F 9/22 offiziell beantragt von allen Verfahrensbeteiligten inklusive der involvierten Fachstellen (Jugendamt Neckar-Odenwaldkreis beim Landratsamt Mosbach unter Aktenzeichen 3.23214 und der gerichtlich bestellten Verfahrensbeiständin) offizielle Stellungnahmen in der hier anhängigen Rechtssache „Wiederaufnahmeverfahren zur Wiedergutmachung für die Angehörigen von NS-Verfolgten und NS-Opfern afrikanischer Herkunft: Hier Martha Ndumbe.“ ordnungsgemäß und vollständig zeitnah einzuholen.
INTERNET-VERÖFFENTLICHUNGEN
Hiermit erfolgt offiziell die Antragsteller-Freigabe des vorliegenden Antrages vom 06.08.2022 unter 6F 9/22 in vorliegender Rechtssache „Wiederaufnahmeverfahren zur Wiedergutmachung für die Angehörigen von NS-Verfolgten und NS-Opfern afrikanischer Herkunft: Hier Martha Ndumbe.“ zur frei zugänglichen Veröffentlichung in den Internetpräsenzen des Amtsgerichts Mosbach sowie der BRD-Justizinstitutionen sowie in den Internetpräsenzen der BRD-Universitäten und Fachhochschulen sowie in den Internetpräsenzen sämtlicher BRD-Bildungseinrichtungen.
Der vorliegende Strafantrag in vorliegender Rechtssache beim Amtsgericht-Familiengericht Mosbach wird mit begleitender Falldokumentation auf der folgenden Website frei zugänglich im Internet veröffentlicht: Die Internet-Präsenz "Nationalsozialismus in Mosbach - Baden und Württemberg : Rechtsextremismus und Neofaschismus : Rassismus und Diskriminierung : Anti-Semitismus : Homophobie " ist ein Linkportal und Informationsangebot zu regionalen Ereignissen im Prioritäten-Fokus zu Mosbach, Baden und Württemberg.
http://www.nationalsozialismus-in-mosbach-baden.info/
Beim fallverantwortlichen Spruchkörper am Amtsgericht Mosbach wird hiermit am 06.08.2022 unter 6F 9/22 die Veranlassung mit transparenter Bestätigungsmitteilung an alle Verfahrensbeteiligten beantragt, die hier anhängige RECHTSSACHE mit kritischer Dokumentation sowie die entsprechende Verfahrens- und Falldokumentationen auf den Internet-/bzw. Websites des Amtsgericht Mosbach frei zugänglich zu veröffentlichen.
Mit freundlichen Grüßen
***
1.3 Antrag an das Amtsgericht Mosbach auf gerichtliche Prüfung des am 01.09.2022 von Polen vorgelegten Gutachtens zu von Nazi-Deutschland verursachten Weltkriegsschäden
01.09.2022
6F 9/22 beim AG/FG Mosbach
Zum 83. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen und des Beginns
des Nazi-Terror- und Vernichtungskrieges:
OFFIZIELLER ANTRAG AN DAS AMTSGERICHT MOSBACH
auf gerichtliche Prüfung
des heute von Polen vorgelegten Gutachtens
zu Weltkriegsschäden
BEGRÜNDUNG UND GLAUBHAFTMACHUNG:
Hiermit ergeht der offizielle Antrag vom 01.09.2022 an das Amtsgericht Mosbach unter 6F 9/22 zur gerichtlichen Überprüfung des heute von Polen vorgelegten Gutachtens zu den von Nazi-Deutschland angerichteten immensen Weltkriegsschäden während des Überfalls auf Polen und während der verbrecherischen Nazi-Besatzung sowie zur Fragestellung der Reparationszahlungen von Deutschland an Polen. Zu den Berechnungen der polnischen Kriegsverluste zählen u.a. die Bereiche Demografie, die menschlichen Verluste sowie den materielle Verlusten, Verluste von Kultur- und Kunstgütern sowie von verschiedenen Arten von Finanzmitteln, Bankguthaben und Wertpapieren.
Der Antragsteller hat sich bereits früher im Zeitraum von 2008 bis 2009 öffentlich nachweisbar zu Nationalsozialistischem Unrecht und Nationalsozialistischem Unrecht im Zusammenhang mit Polen engagiert.
1.4 Petition beim DEUTSCHEN BUNDESTAG zu Nazi-Jugendamtsinstitution und Nazi-Kinder- und Jugendhilfe, Übergang institutioneller und personeller Kontinuität zur Nachkriegs-Heimerziehung bis in die 1970er Jahre und Fragestellung der Opfer-Entschädigung
Petition beim DEUTSCHEN BUNDESTAG Pet 3-17-17-2165-006620 aus 2011, Kinder- und Jugendhilfe: Einrichtung eines Runden Tisches für Jugendamtsgeschädigte und Jugendamtsopfer zur Anerkennung, Aufarbeitung, und Wiedergutmachung von behördlichem Unrecht : während des Nationalsozialismus; in der ehemaligen DDR; bei der Ausbeutung von Heimkindern in der BRD bis in die 1970er Jahre; bei sexuellem Missbrauch von Heimkindern in kirchlichen und öffentlichen Einrichtungen; bei Missachtung bestehender Konventionen und Gesetze bei binationalen Ehen, Partnerschaften und bei internationaler Kindesentführung; bei der Missachtung der Europäischen Menschenrechtskonvention im Hinblick auf die Diskriminierung von Vätern, behinderten Eltern und kinderreichen Familien.
Aus der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses beim Deutschen Bundestag vom 26.05.2011:
„Im Dritten Reich war das deutsche Jugendamt wie alle anderen staatlichen Behörden ein Instrument zur Durchsetzung nationalsozialistischer Erziehungsziele. Diesem Zweck diente auch die Eingliederung der Jugendarbeit und der Jugendpflege in den NS-Staat sowie die Ausrichtung der Wohlfahrtorganisationen an nationalsozialistischer Zielsetzungen. Der moralischen und finanziellen Wiedergutmachung des vom NS-Regime verübten Unrechts hat Deutschland von Anfang an höchste Priorität eingeräumt. Auch noch heute hat diese Aufgabe einen unverändert hohen Stellenwert. Als Gesetze, die Grundlagen für Entschädigung darstellen, sind sie das Bundesentschädigungsgesetz von 1956 das Bundesrückerstattungsgesetz von 1957 und nach der Wiedervereinigung des Vermögensgesetz von 1990 zu nennen.“
Siehe auch:
- Beim Amtsgericht Mosbach beantragte NS- und Rechtsextremismusverfahen seit Sommer 2022 >>>
- Beim Amtsgericht Mosbach ab 2022 gerichtlich beantragt einzuholende Stellungnahmen des Jugendamtes Neckar-Odenwaldkreis beim Landratsamt Mosbach zur Nazi-Kinder- und Jugendhilfe und zur Nazi-Familienrechtspraxis >>>
- Frühere außergerichtliche NS-Aufarbeitungen 2005 bis 2011 >>>
- Heimerziehung der Nachkriegszeit ab 1945 - Institutionelle und Personelle Kontinuitäten >>>
Der Runde Tisch Heimerziehung in den 1950er und 1960er Jahren (Abkürzung RTH) wurde von der deutschen Bundesregierung mit Beschluss[1] vom 26. November 2008 des Deutschen Bundestages eingerichtet.
https://de.wikipedia.org/
Siehe auch :
- NS-Vergangenheitsbewältigung >>>
- Gerichtliche Verfahren beim Amtsgericht Mosbach >>>
- Reparationen und Entschädigungen >>>
- Öffentlichkeitsarbeit >>>
- Bildungsarbeit >>>
2. Online-Artikel und Bücher zu NS-Reparationen und NS-Entschädigungen für Nazi-Verbrechen
Rechtsstreit verloren
Familie muss in Nazizeit gekauftes Wohnhaus zurückgeben
11.12.2024, 12:17 Uhr
In Leipzig fand ein jahrelanger Rechtsstreit sein Ende.
(Foto: picture alliance / dpa-Zentralbild)
Während des Nationalsozialismus werden zahlreichen Juden ihre Vermögenswerte entzogen. Ein später erlassenes Gesetz regelt die Entschädigung der Rechtsnachfolger der Enteigneten. Eine Familie aus Brandenburg klagt gegen die Rückgabe ihres Wohnhauses - erfolglos.
Eine Familie aus Brandenburg verliert nach rund 85 Jahren ihr in der Nazizeit erworbenes Wohnhaus. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden. Die Rückübertragung an den Rechtsnachfolger der ursprünglichen Besitzer sei rechtens, hieß es in der Begründung. Die Revision der 84 Jahre alten Klägerin und ihres Sohnes wurde als unbegründet zurückgewiesen. Die Entscheidung ist rechtskräftig. Damit findet ein jahrelanger Rechtsstreit sein Ende.
Das Haus soll an die Jewish Claims Conference, einem Zusammenschluss von 23 jüdischen Organisationen, gehen. Es war einer der letzten Fälle von Rückübertragungs- und Entschädigungsansprüchen in Brandenburg, die im Kontext der Wiedergutmachung von verfolgungsbedingten Vermögensverlusten zur NS-Zeit stehen. Die jüdischen Eigentümer hatten das Grundstück 1932 erworben und ein Feriendomizil für jüdische Kinder betrieben. Von den Nazis wurden sie schließlich zum Verkauf gezwungen. 1939 hatte eine Familie, deren Nachkommen jetzt noch dort wohnen, das Grundstück von einem Makler gekauft.
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Der Mord an den europäischen Juden
Nach der deutschen Einheit hatte die Bundesregierung das "Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen" erlassen, welches die Wiedergutmachung von Vermögensverlusten im Zweiten Weltkrieg und Rechtsnachfolgen klären sollte. In Fällen, in denen die Opfer selbst keine Ansprüche geltend machen konnten, wurde die Jewish Claims Conference als Rechtsnachfolgering eingesetzt.
Da die beiden einstigen jüdischen Besitzerinnen im Konzertrationslager getötet wurden, ist das bei der Wandlitzer Immobilie zum Tragen gekommen. Für sie breche eine Welt zusammen, sagte die Klägerin nach der Entscheidung. "Ich habe mein ganzes Leben in dem Haus verbracht und meine Eltern gepflegt." Die Familie stehe vor dem Nichts, ergänzte ihr 61 Jahre alter Sohn. "Wir wissen nicht, wohin".
Quelle: ntv.de, lar/dpa
https://www.n-tv.de/
PROJEKT "FRIEDENSGLOCKEN FÜR EUROPA"
Warum die Glocke aus Beimerstetten nach Tschechien gebracht wird
STAND
16.04.2023, 14:41 UHR
PETER SCHMID
Nach 54 Jahren soll die Glocke der Martinskirche in Beimerstetten (Alb-Donau-Kreis) ausgetauscht werden. Sie ist Diebesgut der Nazis. Die neue Glocke wurde am Sonntag in einem Gottesdienst geweiht.
Rund 54 Jahre lang läutet die Glocke der Martinskirche schon in Beimerstetten im Alb-Donau-Kreis. Bald soll damit Schluss sein. Grund dafür ist die Herkunft der Glocke. Sie ist Diebesgut der Nationalsozialisten aus dem Zweiten Weltkrieg und stammt ursprünglich aus der tschechischen Gemeinde Doubrava u Orlové. Dorthin soll sie wieder zurück gebracht werden. Eine neue Kirchenglocke wurde am Sonntag geweiht.
Weihbischof Gerhard Schneider und Ministranten vor der neuen Kirchenglocke. Bei einem Gottesdienst in der St. Martin Kirche in Beimerstetten wurde die neue Glocke durch Weihbischof Gerhard Schneider gesegnet. (Foto: SWR)
Bei einem Gottesdienst in der St. Martin Kirche in Beimerstetten (Alb-Donau-Kreis) wurde die neue Glocke durch Weihbischof Gerhard Schneider gesegnet.
Neue Glocke mit einer Friedensbotschaft
Auf der neuen Kirchenglocke sind neben dem heiligen Sankt Martin auch Friedenstauben zu sehen. Die Kosten für den Guss der neuen Glocke hat die Diözese Rottenburg-Stuttgart übernommen. Mit dem Projekt "Friedensglocken für Europa" will die Diözese alle gestohlenen Glocken aus den ehemaligen besetzten deutschen Ostgebieten wieder zurück an ihren ursprünglichen Ort bringen.
Pastoralreferent Andreas Ziesel über die Friedensbotschaft der Glocke
00:25 Min
"Die neue Glocke ist unglaublich wichtig, weil es einen neuen Aufbruch in die Gemeinde bringt und eine neue Sensibilität, was ein alltägliches Musikinstrument für einen ganzen Ort bedeuten kann."
Andreas Ziesel, Pastoralreferent in Beimerstetten
Kirchenglocke der St. Martin Kirche in Beimerstetten. Neue Glocke mit Friedensbotschaft: Neben einem Abbild von St. Martin sind Friedenstauben auf der Glocke zu sehen. (Foto: SWR)
Neue Glocke mit Friedensbotschaft: Neben einem Abbild von St. Martin sind Friedenstauben auf der Glocke zu sehen.
Kirchenglocken ursprünglich für Waffenproduktion gestohlen
Die Nationalsozialisten hatten während des Zweiten Weltkriegs zahlreiche Glocken gestohlen, um sie einzuschmelzen und Waffen daraus herzustellen. Nicht nur in Deutschland mussten Gemeinden ihre Glocken abgeben, auch in den besetzten Ostgebieten.
Nach dem Krieg wurden unbeschädigte Glocken zwar an ihre Heimatgemeinden zurück gegeben. Die Kirchenglocken aus den Ostgebieten wurden allerdings nicht zurückgebracht, sondern innerhalb Deutschlands verteilt. 67 Glocken kamen damals von einem Glockenfriedhof in Hamburg nach Baden-Württemberg. Sie wurden an Gemeinden mit neugebauten Kirchen wie die katholische Martinskirche in Beimerstetten weitergegeben.
Der Austausch der Kirchenglocken soll in den kommenden Wochen stattfinden. Im September soll die alte Glocke nach Tschechien zurückgebracht werden.
Sendung vom
Mo., 17.4.2023 6:00 Uhr, SWR4 BW am Morgen, SWR4 Baden-Württemberg
https://www.swr.de/
Entschädigungsleistungen Deutschlands für die Opfer des Nationalsozialismus durch Globalverträge in den Jahren 1959 bis 1964(in Millionen DM)
Entschädigungsleistungen Deutschlands für NS-Opfer durch Globalabkommen 1959-1964
Veröffentlicht von Statista Research Department, 01.02.2023
Die Bundesrepublik Deutschland schloss in den Jahren 1959 bis 1964 mit verschiedenen Staaten Abkommen zur bilateralen Wiedergutmachung ab: Der erste derartige Vertrag wurde im Juli 1959 mit Luxemburg geschlossen, die mit rund 400 Millionen DM höchste Wiedergutmachungszahlung wurde an Frankreich geleistet. Insgesamt belief sich das Volumen auf rund 971 Millionen DM.
Entschädigungsleistungen des Bundes und globale Verträge
Insgesamt hat die Bundesrepublik bis Ende 2018 Entschädigungszahlungen in Höhe von rund 77,83 Milliarden Euro geleistet. Mit rund 48,45 Milliarden Euro wurde der deutlich größte Teil der Zahlungen im Rahmen des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) geleistet. Durch Härteregelungen wurden ohne Berücksichtigung von Zahlungen der Länder rund 9,15 Milliarden gezahlt. Außerdem kam es zur Wiedergutmachungszahlung einzelner Bundesländer.
Die Verbrechen des Nationalsozialismus
1933 ergriffen die Nationalsozialisten in Deutschland die Macht und setzten Rechtsstaat und Grundrechte außer Kraft. In den folgenden Jahren begann die Verfolgung, Inhaftierung und massenhafte Ermordung der jüdischen Bevölkerung, Sinti und Roma, Homosexueller und vieler weitere ethnischer und politischer Gruppen. Nach dem deutschen Überfall auf Polen im September 1939 eroberte das Deutsche Reich große Teile Europas was die Situation noch erheblich verschärfte: In den besetzten Gebieten Mittel- und Osteuropas wüteten deutsche Truppen besonders und errichteten Vernichtungslager zur systematischen Ermordung der jüdischen Bevölkerung. Mehr als sechs Millionen jüdische Europäer wurden im Holocaust ermordet. Die Gesamtopferzahl des Zweiten Weltkriegs beträgt mindestens 70 Millionen Menschen.
Weitere Informationen zu historischen Themen finden Sie hier.
https://de.statista.com/
AUSWÄRTIGES AMT
Entschädigung für NS-Unrecht
26.01.2023 - Artikel
Der moralischen und finanziellen Wiedergutmachung des vom NS-Regime verübten Unrechts hat die Bundesregierung von Anfang an eine besondere Priorität eingeräumt.
Deutsche historische Verantwortung
Der moralischen und finanziellen Wiedergutmachung des vom NS-Regime verübten Unrechts hat die Bundesrepublik Deutschland seit jeher besondere Priorität beigemessen. Auch heute noch hat diese Aufgabe für die Bundesregierung einen unverändert hohen Stellenwert. Die Bundesrepublik Deutschland leistet in hohem Umfang Zahlungen, die nach dem erklärten Willen der Bundesregierung den Verfolgten des NS-Regimes lebenslang zugutekommen sollen. Die Bundesregierung stellt sich der Aufgabe, den Überlebenden der Verfolgung und des Horrors in den Konzentrationslagern und Ghettos weiterhin Beistand zu leisten und ihnen ein Leben in Würde zu ermöglichen.
Bereits am 27. September 1951 bekannte sich Bundeskanzler Konrad Adenauer vor dem Deutschen Bundestag eindeutig zur historischen Verantwortung Deutschlands für die Wiedergutmachung: „Die Bundesregierung und mit ihr die große Mehrheit des deutschen Volkes sind sich des unermesslichen Leides bewusst, das in der Zeit des Nationalsozialismus über die Juden in Deutschland und den besetzten Gebieten gebracht wurde. [...] Im Namen des deutschen Volkes sind unsagbare Verbrechen begangen worden, die zur moralischen und materiellen Wiedergutmachung verpflichten [...].“ Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel bekräftigte anlässlich eines Besuchs in Jerusalem im April 2007: „Nur indem mein Land, nur indem Deutschland seine immerwährende Verantwortung für diese schrecklichste Zeit und für die grausamsten Verbrechen in seiner Geschichte voll und ganz annimmt, können wir die Zukunft gestalten – nur so und nicht anders.“
Die durch nationalsozialistisches Unrecht verursachten Schäden erforderten bereits unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Regelungen zur Wiedergutmachung. Besonders betroffen waren Personen, die aus Gründen politischer Gegnerschaft zum Nationalsozialismus oder aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen Schäden erlitten hatten. Für diese Personen wurden deshalb frühzeitig von den Besatzungsmächten, den Gemeinden und seit ihrer Entstehung von den Ländern Regelungen zur Wiedergutmachung des erlittenen Unrechts getroffen. Diese ersten Maßnahmen wurden nach Gründung der Bundesrepublik und werden auch heute noch fortlaufend angepasst und weiterentwickelt.
Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite des Bundesministeriums der Finanzen:
- Entschädigung von NS-Unrecht – Regelungen zur Wiedergutmachung (Broschüre)
- Kalendarium zur Wiedergutmachung von NS-Unrecht – Gesetzliche und außergesetzliche Regelungen sowie Richtlinien im Bereich der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts (Broschüre)
- Bundesministerium der Finanzen: Kriegsfolgen und Wiedergutmachung
- „Reckonings“ – ein in enger Zusammenarbeit mit der Jewish Claims Conference für das Gedenkjahr 2022 entstandener Film„ Reckonings – The First Reparations“ (Trailer)
https://www.auswaertiges-amt.de/
WIEDERGUTMACHUNG/VERMÖGENSRECHT
Über 70 Jahre Entwicklungsgeschichte der Wiedergutmachung
01.06.2022
Bundesfinanzministerium
Feierliche Unterzeichnung einer Rahmenvereinbarung zum Themenportal Wiedergutmachung
Nummer 16
Am 1. Juni 2022 unterzeichnet Prof. Dr. Luise Hölscher, Staatssekretärin im Bundesministerium der Finanzen, gemeinsam mit den Leiterinnen und Leitern der Archivverwaltungen des Bundes und der Länder eine Rahmenvereinbarung für das Themenportal Wiedergutmachung.
Damit ermöglichen der Bund (vertreten durch das zuständige Bundesministerium der Finanzen) und die Archive von Bund und Ländern eine Vereinheitlichung beim Zugang zu Dokumenten der Wiedergutmachungsakten. Aktuell ist deren sogenanntes Dokumentenerbe über verschiedenste Archive und andere Stellen im In- und Ausland verteilt. Mit dem Themenportal wird ein einheitlicher, digitaler Zugang zu diesen Dokumenten als Gesamtüberlieferung für Forschung, interessierte Öffentlichkeit und Nachkommen von Verfolgten geschaffen. Die Bewältigung der Folgeaufgaben der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts wird somit erleichtert.
Die Zugriffsmöglichkeit auf die Primärquellen der Wiedergutmachung ist gerade für verschiedenste Projekte im Rahmen politischer und schulischer Bildung eine vielversprechende neue und differenzierte Grundlage. Der Zugang zu diesem weltweit einzigartigen Gesamtbestand geprüften und verifizierten Beweismaterials bietet vielfältige Anwendungsmöglichkeiten für Präventionsarbeit, Bildung und Aufklärung. Das Themenportal Wiedergutmachung stärkt daher auch die gesellschaftlichen Abwehrkräfte gegen Antisemitismus, Antiziganismus, Fremdenhass und gegen die Leugnung und Verfälschung von Holocaust, Porajmos und NS-Terror. Es leistet damit einen wichtigen Beitrag im Rahmen der Zukunftsaufgabe der Wiedergutmachung.
Denn in absehbarer Zeit wird es keine Überlebenden und Zeitzeugen des Holocaust, des Porajmos und des NS-Terrors mehr geben. Unsere moralische Verantwortung aus den Verbrechen im Nationalsozialismus besteht aber fort. Genauso wie die gesamtgesellschaftliche Aufgabe, diese Verantwortung fortzutragen, neu zu begründen und auszufüllen.
Das für die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts zuständige Bundesministerium der Finanzen hat sich daher zum Ziel gesetzt, das weit verstreut liegende Dokumentenerbe der Wiedergutmachungsakten einheitlich zugänglich zu machen. Neben dem einheitlichen Zugang gehört dazu u.a. eine geeignete Themenplattform als Virtueller Lesesaal mit umfangreichen Recherchetools und der Ausbau zu einer künftigen Anlaufstelle für alle wiedergutmachungsrelevanten Fragestellungen.
Bundesministerium der Finanzen – Wiedergutmachung
Das Bundesministerium der Finanzen ist seit den frühen 1950er Jahren zuständig für die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts durch die Bundesrepublik Deutschland. Über die Jahre und Jahrzehnte entwickelte sich eine Vielzahl unterschiedlicher gesetzlicher und außergesetzlicher Leistungen. An die Überlebenden wurden bis heute insgesamt materielle Leistungen in Höhe von mehr als 80 Milliarden Euro ausgezahlt. Aktuell erfolgen jährlich Zahlungen in Höhe von mehr als einer Milliarde Euro an NS-Verfolgte.
Aber auch wenn die materiellen Leistungen keine höchstpersönlichen Empfänger mehr erreichen, bleiben die moralischen Aspekte der Verpflichtung zur Wiedergutmachung.
Gedenkjahr der Wiedergutmachung 2022
Mit der Unterzeichnung des Luxemburger Abkommen mit Israel und der Jewish Claims Conference am 10. September 1952 begann die Geschichte der Wiedergutmachung. Das Engagement für die Überlebenden der schrecklichen Verbrechen im Nationalsozialismus dauert aber bis heute an und wird darüber hinaus fortbestehen.
Das Bundesministerium der Finanzen macht daher mit einem Gedenkjahr auf die nunmehr (über) 70-jährige Entwicklungsgeschichte der Wiedergutmachung aufmerksam. Dadurch leitet das Ministerium den für die Zukunft notwendigen Dialog zur Ausgestaltung der Folgeaufgaben und ihrer gesamtgesellschaftlichen Unterlegung ein.
Hierzu sind u.a. mehrere Veranstaltungen in 2022 und 2023 in Planung, einige haben schon stattgefunden: So fand mit der Jewish Claims Conference die exklusive Premiere des Dokumentarfilms „Reckonings“ am 18. Mai in Berlin statt. Der Film gibt einen Einblick in die Anfänge der Wiedergutmachung (https://reckoningsfilm.org/). Ab 2023 soll der Film der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
https://www.bundesfinanzministerium.de/
Weiterführende Links
https://bundesfinanzministerium.de/wiedergutmachung
https://www.archivportal-d.de/themenportale/wiedergutmachung
https://reckoningsfilm.org/
https://www.landesarchiv-bw.de/de/landesarchiv/projekte/projekt-zur-wiedergutmachung/71002
https://www.fiz-karlsruhe.de/index.php/de/forschung/wiedergutmachung
BUNDESMINISTERIUM DER FINANZEN
Wiedergutmachung: Regelungen zur Entschädigung von NS-Unrecht
https://www.bundesfinanzministerium.de/
STAND MAI 2023
INHALT
1. Geschichtliche Entwicklung der Wiedergutmachungs- und Kriegsfolgenregelungen in Deutschland
1.1 Beginn der Wiedergutmachung nach Besatzungsrecht
1.2 Rückerstattung
1.3 Erste Entschädigungsregelungen in den Besatzungszonen
1.4 Luxemburger Abkommen und Überleitungsvertrag
1.5 Leistungen in der ehemaligen DDR
1.6 Bundesergänzungsgesetz, Bundesentschädigungsgesetz und Bundesentschädigungs-Schlussgesetz (BErgG, BEG, BEG-Schlussgesetz)
1.7 Allgemeines Kriegsfolgengesetz (AKG)
1.8 Sondergesetzliche Entschädigungsregelungen
1.9 Außergesetzliche Regelungen der Länder
1.10 Erste Globalabkommen mit europäischen Staaten
1.11 Vereinbarungen mit osteuropäischen Staaten
1.12 Globalabkommen mit den USA
1.13 Washingtoner Konferenz über Holocaustvermögen
1.14 Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ)
1.15 Anerkennungsrichtlinie für Arbeit im Ghetto und Rentenersatzzuschlag
1.16 Anerkennungsleistung für ehemalige sowjetische Kriegsgefangene
1.17 Transformation der Wiedergutmachung
2. Außergesetzliche Entschädigungsleistungen des Bundes
2.1 Härteregelung für Opfer pseudo-medizinischer Versuche
2.2 Fonds für von den Nürnberger Gesetzen Betroffene
2.3 Außergesetzliche Regelungen für jüdische Verfolgte
2.4 Richtlinien für Verfolgte nicht jüdischer Abstammung
3. Außergesetzliche Regelungen auf der Grundlage des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes (AKG)
3.1 Richtlinien der Bundesregierung über Härteleistungen an Opfer von nationalsozialistischen Unrechtsmaßnahmen im Rahmen des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes (AKG-Härterichtlinien)
3.2 Leistungen an Opfer der NS-Militärjustiz
4. Regelungen für die neuen Bundesländer
4.1 Entschädigungsrentengesetz (ERG)
4.2 Außergesetzliche Regelungen auf der Grundlage des Entschädigungsrentengesetzes
4.3 Vermögensrechtliche Regelungen im Beitrittsgebiet
Anlagen
STAND MAI 2023
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Corona-Sonderzahlung für NS-Verfolgte
13.12.2022
Die Pandemie trifft die Überlebenden des NS-Terrors besonders hart. Eine neue Richtlinie sorgt dafür, dass neben jüdischen NS-Verfolgten jetzt auch nicht-jüdische NS-Verfolgte eine Corona-Sonderzahlung erhalten.
Analog zu einer mit der Jewish Claims Conference (JCC) für jüdische NS-Verfolgte getroffenen Vereinbarung erhalten nach einer am 18. Januar 2021 in Kraft getretenen Richtlinie des Bundesfinanzministeriums jetzt auch nicht-jüdische Verfolgte und NS-Opfer auf Antrag eine pandemiebedingte Sonderzahlung. Die Sonderzahlung beläuft sich auf insgesamt 2.400 Euro über einen Zeitraum von zwei Jahren und soll Holocaust-Überlebenden durch die Pandemie helfen.
Die Richtlinie kommt NS-Opfern zugute, die bislang lediglich eine Einmalzahlung erhalten haben (vergleiche „Richtlinien der Bundesregierung für die Vergabe von Mitteln an Verfolgte nicht jüdischer Abstammung zur Abgeltung von Härten in Einzelfällen im Rahmen der Wiedergutmachung vom 26. August 1981 in der Fassung vom 7. März 1988 (WDF)“ oder „Richtlinien der Bundesregierung über Härteleistungen an Opfer von nationalsozialistischen Unrechtsmaßnahmen im Rahmen des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes (AKG-Härterichtlinien) vom 28. März 2011“. Empfängerinnen und Empfänger laufender Leistungen sind von dieser Sonderzahlung ausgeschlossen.
Voraussetzung für die Leistung ist, dass eine Antragstellerin oder ein Antragsteller in den Jahren zwischen 1933 und 1945 persönlich von nationalsozialistischen Verfolgungs- oder Unrechtsmaßnahmen betroffen wurde, insbesondere aus Gründen der politischen Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus oder aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung.
Leider werden in den sozialen Medien aktuell allerdings Falschinformationen über die Berechtigung zum Erhalt dieser Corona-Sonderzahlungen verbreitet.
Insbesondere viele Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion rufen derzeit im Bundesfinanzministerium an oder stellen entsprechende schriftliche Anträge, die aber keine Aussicht auf Erfolg haben.
Deshalb möchten wir ergänzend darauf hinweisen, dass insbesondere
Personen, die erst nach 1945 geboren wurden,
Personen, die zwischen 1945 bis 1955 in der Sowjetunion unter dem Kommandanturregime Zwangsarbeit leisten mussten,
Personen, die als Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler aus der früheren Sowjetunion in die Bundesrepublik gekommen sind und hier Lastenausgleichsleistungen, Entschädigungen nach dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz, Leistungen aus der Heimkehrerstiftung oder nach dem Heimkehrerentschädigungsgesetz oder vergleichbare Leistungen für Vertriebene oder Aussiedler erhalten haben,
keine Corona-Sonderzahlungen erhalten können.
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Entschädigungsrenten für Opfer des Nationalsozialismus im Beitrittsgebiet
Nach dem Einigungsvertrag liefen die in der DDR gezahlten Ehrenpensionen am 31. Dezember 1991 aus. Sie wurden mit Wirkung zum 1. Mai 1992 als Entschädigungsrenten in Höhe der für Verfolgte erbrachten Ehrenpensionen (1400 DM mtl.) und in Höhe der für Witwen und Witwer von Verfolgten erbrachten Hinterbliebenenpensionen (800 DM mtl.) weitergewährt.[66] Die bisher höheren Leistungen für Kämpfer gegen den Faschismus und deren Hinterbliebene wurden auf diese Beträge herabgesetzt.[67]
Diejenigen NS-Opfer, denen eine Ehrenpension von den früher zuständigen DDR-Stellen aus rechtsstaatswidrigen Gründen versagt oder – nach ursprünglicher Bewilligung – nachträglich wieder entzogen worden war, erhielten ein Neuantragsrecht.[68][69]
https://de.wikipedia.org/
ÖFFENTLICHE FINANZEN
Bundesfinanzminister Christian Lindner im Interview mit der Jüdischen Allgemeinen
15.09.2022 - Bundesministerium der Finanzen
Bundesfinanzminister Christian Lindner im Interview: „Als erreichbares Ziel sehe ich Wiedergutmachung nicht, vielmehr als Motiv des Handelns. Der immerwährende Versuch der Wiedergutmachung treibt uns an. Abgeschlossen ist er nie.“
Datum 15.09.2022
Jüdische Allgemeine: Herr Minister, das Luxemburger Abkommen wurde am 10. September 1952 geschlossen. Wie bewerten Sie diese Übereinkunft aus heutiger Sicht?
Christian Lindner: Das Luxemburger Abkommen war ein großer Schritt, weil es der Auftakt einer ganz besonderen Entwicklung war: der deutsch-israelischen Freundschaft. Und es war ein mutiger Schritt, weil sich die Väter des Abkommens – David Ben-Gurion, Moshe Sharett, Nahum Goldmann und Konrad Adenauer – gegen Widerstände aus den eigenen Reihen durchsetzen mussten. Für die Größe und den Mut der Beteiligten bin ich noch heute dankbar.
Jüdische Allgemeine: Ihr Ministerium hat den Jahrestag unter das Motto „Weiter Verantwortung tragen“ gestellt. Wie will die Bundesregierung auch zukünftig ihrer Verantwortung gerecht werden?
Christian Lindner: Jede Generation in Deutschland muss den Versuch der Wiedergutmachung neu interpretieren. Meine Generation steht vor der traurigen Gewissheit, dass Zeitzeugen nicht ewig leben werden, die das Grauen der damaligen Zeit nahebringen. Deswegen heißt für diese Bundesregierung „Weiter Verantwortung tragen“ ganz zentral: Die Vermittlung von Wissen über die NS-Verbrechen stärker in den Blick nehmen. Wir fördern dafür z. B. die Bereiche Holocaust-Education und -Dokumentation.
Jüdische Allgemeine: Einer aktuellen Umfrage der Bertelsmann-Stiftung zufolge will die Hälfte (49 Prozent) der Bundesbürger einen Schlussstrich unter die NS-Vergangenheit ziehen. Was sagen Sie denen?
Christian Lindner: Die Erinnerung an die Verbrechen NS-Deutschlands gehört zur politischen DNA der Bundesrepublik – und zwar für immer. Ich bin sehr froh, dass sich alle demokratischen Kräfte in unserem Land dieser Verpflichtung bewusst sind. Es geht nicht um persönliche Schuld. Die heutige Generation hat die Verbrechen nicht begangen. Wir können nicht ändern, was geschehen ist. Aber es ist unsere Pflicht, dafür zu sorgen, dass so etwas wie der Holocaust nie wieder passiert. Das schaffen wir nur durch Aufarbeitung, Bildung, Erinnerung. Einen Schlussstrich kann und wird es nicht geben.
Jüdische Allgemeine: Zur Gedenkveranstaltung wurde auch ein Logo mit dem Titel „Wiedergutmachung“ entwickelt. Meinen Sie, dass der millionenfache Judenmord wiedergutzumachen ist?
Christian Lindner: Nein, das behauptet auch niemand ernsthaft. Der Begriff hat einen historischen Kontext. Wiedergutmachung war ein plastischer Begriff, um der deutschen Bevölkerung zu vermitteln, warum die junge Bundesrepublik Verantwortung trägt. Eine gemeinsame Ausstellung der JCC und meines Ministeriums zum Luxemburger Abkommen, die derzeit im Deutschen Bundestag gezeigt wird, setzt sich bewusst auch mit der Kontroverse um diesen Begriff auseinander. Als erreichbares Ziel sehe ich Wiedergutmachung nicht, vielmehr als Motiv des Handelns. Der immerwährende Versuch der Wiedergutmachung treibt uns an. Abgeschlossen ist er nie.
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PROJEKT: FRIEDENSGLOCKEN FÜR EUROPA
Im Krieg geraubte Kirchenglocke aus BW an Tschechien zurückgegeben
STAND
18.10.2021, 9:20 UHR
CHRISTOPH ULMER
Mit einem Gottesdienst wurde die 1944 von deutschen Soldaten geraubte Glocke zurückgegeben. Sie soll ein Symbol der Hoffnung, Völkerverständigung und des Friedens werden.
Jahrzehntelang hatte die katholische Kirche in Aichtal-Grötzingen (Kreis Esslingen) eine Kirchenglocke, die im Zweiten Weltkrieg geraubt worden war. Sie sollte, so wie viele andere geraubte Glocken auch, zu Kriegsmunition verarbeitet werden.
Eingeschmolzen wurde die Glocke dann jedoch nicht, sondern später in Aichtal-Grötzingen genutzt. Nun hat eine Delegation der Diözese Rottenburg-Stuttgart die Glocke zurück in ihre Heimatgemeinde, das tschechische Pist, gebracht.
Friedensglocken für Europa
Direkt nach dem Krieg war eine Rückgabe der Glocken gescheitert, der Kalte Krieg verhinderte solche Projekte. Weil dann in den 1950er und 1960er Jahren viele neue Kirchen gebaut wurden, wurden die Glocken leihweise dort aufgehängt, so auch die in Aichtal-Grötzingen. Nun werden mit dem Projekt "Friedensglocken für Europa" über 50 einst geraubte und hier genutzte Glocken nach und nach ihren Heimatgemeinden in Polen und Tschechien zurückgeben. Allerdings gehen nicht alle Glocken zurück - manche bleiben als sogenannte Dauerleihgabe in den deutschen Gemeinden.
Über 100.000 Kirchenglocken wurden beschlagnahmt
Der Diözese Rottenburg-Stuttgart zufolge hatten die Nationalsozialisten insgesamt über 100.000 Kirchenglocken beschlagnahmt, von denen rund 80 Prozent für Rüstungszwecke eingeschmolzen wurden. Die jetzt an das tschechische Pist zurückgegebene Glocke stammt aus dem Jahr 1649, wurde 1944 geraubt und hing seit 1955 in Aichtal-Grötzingen.
MEHR ZUM THEMA
Geraubte Kirchenglocken soll zurückgegeben werden (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa/Bernd Weißbrod)
54 "FRIEDENSGLOCKEN" FÜR POLEN UND TSCHECHIEN
Diözese Rottenburg-Stuttgart gibt von Nazis beschlagnahmte Glocken zurück
STAND
18.10.2021, 9:20 Uhr
Christoph Ulmer
https://www.swr.de/
54 "FRIEDENSGLOCKEN" FÜR POLEN UND TSCHECHIEN
Diözese Rottenburg-Stuttgart gibt von Nazis beschlagnahmte Glocken zurück
STAND
24.09.2021, 15:57 UHR
Aus Aichtal (Kreis Esslingen) stammen die ersten von 54 Glocken, die die katholische Kirche zurückgeben will. Vor dem Abtransport des Raubguts wurden sie zu "Friedensglocken" geweiht.
Viele Glocken wurden im Zweiten Weltkrieg von den Nazis aus Kirchen entfernt, um Metall für die Rüstungsindustrie zu gewinnen - auch in ehemals deutschen Ostgebieten. Nicht zerstörte Glocken aus diesen Gebieten hängen seither auch in Kirchen in Baden-Württemberg und sollen nun ihren rechtmäßigen Besitzern zurückgegeben werden. Die Diözese Rottenburg-Stuttgart beginnt fast 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs mit der Rückgabe der geraubten Glocken. Sie stellt sich damit in eine Reihe mit deutschen Institutionen, die Raubkunst aus den ehemaligen Kolonialgebieten in Afrika zurückgeben wollen.
Über sieben Jahrzehnte in württembergischen Glockentürmen
Am Freitag hat die Diözese das Projekt "Friedensglocken für Europa" gestartet. Dabei geht es um Kirchenglocken, die von den Nationalsozialisten im heutigen Tschechien und Polen beschlagnahmt wurden und seitdem in der württembergischen Diözese läuten. Das Bistum biete auf eigene Kosten den Kirchengemeinden im Osten die Rückgabe an, sagte Bischof Gebhard Fürst vor Journalisten in Aichtal bei Esslingen.
80 Prozent der Glocken für Rüstungszwecke eingeschmolzen
Laut Projektleiter Hans Schnieders von der Diözese hatten die Nationalsozialisten insgesamt über 100.000 Kirchenglocken beschlagnahmt, von denen rund 80 Prozent für Rüstungszwecke eingeschmolzen wurden. Lediglich 16.000 waren bei Kriegsende vor 76 Jahren noch erhalten. Davon wurden 1.300, die auf dem "Glockenfriedhof" im Hamburger Hafen lagerten, von der britischen Militärregierung Kirchengemeinden in Westdeutschland zugewiesen. Insgesamt kamen so 67 Glocken in katholische Gemeinden Württembergs. 54 dieser Glocken befinden sich nach Angaben einer Sprecherin der Diözese noch in Württemberg.
Festgottesdienst mit polnischem und tschechischem Bischof
Die Besonderheit in Aichtal: Dort hängen im Kirchturm der Kirche "Maria Hilfe der Christen" eine Glocke aus Polen und eine aus Tschechien. Diese wurden am Freitag in einem Festgottesdienst zu "Friedensglocken" geweiht. An der Feier nahmen neben Fürst der polnische Bischof Jacek Jezierski (Bistum Elblag) und der tschechische Bischof Martin David (Bistum Ostrau-Troppau) teil.
Anstoß zu neuen internationalen Begegnungen
Neben der Rückgabe von Glocken soll das Projekt auch zu neuen Begegnungen zwischen Christen in West und Ost führen, erläuterte Bischof Fürst. Wo eine Glocke zurückkehre, solle es eine Gedenktafel geben. Es gebe aber auch bereits eine Gemeinde im Osten, die ihre ehemalige Glocke nun in Württemberg als "Friedensglocke" lassen wolle. In drei Wochen solle die erste Glocke zurück nach Pist in Tschechien gehen.
Diözese schafft neue Glocken an
Für jede zurückgeführte Glocke wird den Angaben zufolge eine neue gegossen. Diese "Friedensglocken" erhalten ein Motiv des in Stuttgart lebenden italienischen Künstlers Massimiliano Pironti. Es zeigt zwei Tauben mit einem Ölzweig auf einem Strahlenkranz.
Zehn Jahre Diskussion um Rückführung
Auf das Thema aufmerksam geworden ist Bischof Fürst nach eigenen Angaben vor zehn Jahren. Damals wurde festgestellt, dass im Rottenburger Dom St. Martin eine Glocke aus Gorzow Slaski im heutigen Polen läutet. Nach Recherchen sei schnell klargeworden, dass das Bistum noch weitere Glocken aus Polen und Tschechien in seinen Kirchtürmen hängen hat. Das Projekt "Friedensglocken für Europa" ist auf sechs Jahre angelegt.
Wegen der Corona-Pandemie kann die Feier unter anderem auf dem Youtube-Kanal der Diözese verfolgt werden.
SWR
24.09.2021
https://www.swr.de/
Übergangsleistungen an hinterbliebene Ehegatten von NS-Opfern
27.04.2021 Richtlinie der Bundesregierung über Übergangsleistungen an hinterbliebene Ehegatten von NS-Opfern, die bis zu ihrem Tod eine Rente nach dem Bundesentschädigungsgesetz oder laufende Leistungen aus dem Wiedergutmachungs-Dispositions-Fonds, nach § 5 des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes, nach den §§ 5 und 6 der AKG-Härterichtlinien oder aus dem Fonds für die von den Nürnberger Gesetzen Betroffenen erhalten haben (Übergangsleistungsrichtlinie ‒ ÜLRL)
Die Richtlinie gewährt dem bezeichneten Personenkreis die Möglichkeit, nach dem Tod des NS-Opfers auf Antrag für eine Übergangszeit von neun Monaten finanzielle Leistungen zu erhalten, deren Höhe sich im Wesentlichen an der Mindestrente nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) orientiert. Die Richtlinie wird von der Organisationseinheit Arbeitsgruppe Anerkennungsleistungen im Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (BADV) ausgeführt.
https://www.bundesfinanzministerium.de/
Weltweite Unterstützungsprogramme im Rahmen der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts
07.04.2022 - Bundesministerium der Finanzen
Mehr als 65.000 Holocaust-Überlebende weltweit bekommen derzeit eine monatliche Unterstützung zum Lebensunterhalt aus Deutschland. Zusätzlich erhalten mehr als 100.000 Menschen Pflege- und/oder Fürsorgeleistungen. Erfahren Sie hier, welche Leistungen für Holocaust-Überlebende das Bundesfinanzministerium unterstützt und was in den nächsten Jahren die Folgeaufgaben der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts sein werden.
Nach wie vor steht Deutschland zu seiner moralischen und finanziellen Verantwortung gegenüber den Opfern der Verfolgung durch die Nationalsozialisten. Mehr als 65.000 Holocaust-Überlebende weltweit bekommen derzeit eine monatliche Unterstützung zum Lebensunterhalt aus Deutschland. Zusätzlich erhalten fast 100.000 jüdische Opfer auf der ganzen Welt Pflege- beziehungsweise Fürsorgeleistungen in den Bereichen hauswirtschaftliche Unterstützung, personenbezogene Grundpflege und – wenn nötig – auch fachliche Krankenpflege sowie medizinische Versorgung. Darüber hinaus werden auch Leistungen wie z. B. Essen auf Rädern, Lebensmittelpakete, Tagesbetreuung und Transportleistungen unterstützt. Zur Vorbeugung von Isolation und Vereinsamung der zumeist hoch betagten Opfer werden Aktivitäten wie Besuchsprogramme und Erzählcafés durchgeführt.
Um all diese Angebote zur Verfügung stellen zu können, arbeitet das Bundesministerium der Finanzen mit Verfolgtenorganisationen, insbesondere der Conference on Jewish Material Claims Against Germany (JCC) zusammen und koordiniert die Programme. Ziel ist es, den im Nationalsozialismus verfolgten Menschen einen Lebensabend in Würde zu ermöglichen.
Die demographische Entwicklung zeigt, dass ein Ende dieser aktiven Leistungen an die Opfer der Verfolgung durch die Nationalsozialisten in der näheren Zukunft absehbar ist. Nach Auffassung der Bundesregierung soll dies aber keineswegs einen Schlussstrich unter dem Engagement der Bundesrepublik Deutschland im Bereich der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts bedeuten. Neue Aufgaben werden sein:
eine finanzielle Förderung von Holocaust Education, einem bereits bestehenden Bildungsprogramm der JCC, welches Projekte und Maßnahmen aus Opfersicht weltweit fördert.
die Bildungsagenda NS-Unrecht als ein neues, zentrales Förderprogramm, das das BMF und die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) im Jahr 2021 gemeinsam ins Leben gerufen haben. Ziele des Programms sind die Wissensvermittlung und Wachhalten der Erinnerung, und zwar – als Besonderheit dieses Förderprogramms – unter Berücksichtigung aller Opfergruppen der nationalsozialistischen Verfolgung. Darüber hinaus sollen die historischen Prozesse und Maßnahmen Deutschlands nach dem 2. Weltkrieg zur Aufarbeitung der NS-Verbrechen aufgezeigt werden. Je weiter das Ende des Zweiten Weltkriegs zurückliegt und in Anbetracht der Tatsache, dass in Deutschland junge Generationen heranwachsen, die durch Migration ohne familiären/regionalen oder kulturellen Bezug zur Zeit des Nationalsozialismus sind, bedeutet dies eine große Herausforderung für die Zukunft.
Dieses Engagement soll die bestehenden allseitigen Bemühungen Deutschlands im Bereich der Bildung, des Gedenkens und Erinnerns ergänzen.
Schließlich plant das Bundesministerium der Finanzen u. a. mithilfe eines „Themenportals Wiedergutmachung“ den enormen Aktenbestand der Wiedergutmachung zu erschließen, zu digitalisieren und öffentlich zugänglich zu machen. Die im In- und Ausland verteilten Akten dokumentieren in einzigartiger Weise Familiengeschichten und individuelle Verfolgungsschicksale und sind gleichermaßen für die wissenschaftliche Forschung wie auch für Angehörige und Nachkommen der Opfer und Überlebenden von unschätzbarem Wert.
Begegnungen mit Holocaust-Überlebenden
Anna Gerits, Leiterin des BMF-Referats für Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts, berichtet im Video von ihren Begegnungen mit Holocaust-Überlebenden und erzählt von der Bedeutung der Aufarbeitung und Wiedergutmachung.
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Entschädigung von Holocaustüberlebenden
Der lange Kampf um Wiedergutmachung
07:40 Minuten
Ein in eine Israelfahne gehüllter Mann steht mit dem Rücken zur Kamera neben einer Wand im früheren Konzentrationslager Auschwitz, an der Gedenk-Devotionalien angebracht sind.
Gedenkveranstaltung im früheren Konzentrationslager Auschwitz: Insbesondere osteuropäische Holocaustüberlebende mussten lange um Entschädigung kämpfen. © imago/Eibner-Pressefoto
Von Thomas Klatt · 14.08.2019
Die Bundesrepublik gilt als Musterland in Sachen Vergangenheitsaufarbeitung. Dabei ist die Geschichte der Entschädigungsleistungen an Holocaust-Überlebende kein Ruhmesblatt: Der Weg dorthin ist für Betroffene steinig und belastend – bis heute.
Amcha-Zentrum Jerusalem, eine nüchterne Büro-Etage im 9. Stock eines Hochhauses. In den Fluren hängen selbst gemalte Bilder von Holocaust-Überlebenden, manche farbenfroh, andere schwarz-weiß. Bei Amcha versuchen manche, sich ihr Leid von der Seele zu malen.
Drei Mal in der Woche kommt Elias Feinzilberg zu Amcha. „Ich bin in Lodz geboren“, erzählt er. Am 22. Oktober 1917. „Wir waren sieben Kinder. Fünf Mädchen und zwei Boys. Ich war der Älteste.“
Feinzilberg war zu Kriegsbeginn ein junger Mann. Er wurde zwangsverpflichtet, arbeitete im deutschen Straßenbau, be- und entlud Schiffe zwischen Hamburg und Berlin. Feinzilberg kam nach Buchenwald, überlebte den Todesmarsch bis zur Befreiung. Nach dem Krieg ging er nach Guatemala. Dann nach Israel. Heute findet er Betreuung bei Amcha.
Traumata brechen im Alter wieder auf
„Was wir oft sehen“, erklärt Martin Auerbach, „dass gerade in der letzten Lebensphase im Alter von 70, 80, 90 Re-Aktivierungen von posttraumatischen Belastungsstörungen auftreten.“ Auerbach ist medizinischer Leiter von Amcha Israel.
Vor 30 Jahren wurde Amcha, hebräisch für „Dein Volk“, von Holocaust-Überlebenden für Holocaust-Überlende gegründet. Bei Amcha werden vor allem Einzel- oder Gruppengespräche angeboten. Es ging darum, die israelische Öffentlichkeit auf die Not dieser Menschen aufmerksam zu machen. Denn Zeit heilt eben nicht die Wunden.
„Vor 30, 40 Jahren konnten oder wollten sie oder hatten das Gefühl, ja wir gehen nicht in Therapie, wir versuchen das irgendwie zu verdrängen, vielleicht geht das. Und jetzt im Alter merken sie, das geht nicht.“
Späte Anerkennung durch die Bundesrepublik
Auch die Bundesregierung unterstützt die Arbeit, indem sie über die Jewish Claims Conference Gelder zuschießt. Eine Art von Wiedergutmachung, die auch mehr als 70 Jahre nach Kriegsende nicht zu Ende ist. Und nachjustiert werden muss. Das jüdisch-schweizerische Nachrichtenportal „tachles“ meldete im Juli 2019:
„Nach zehnmonatigen Verhandlungen zwischen Israel und Deutschland werden die rund 8000 in Israel lebenden, aus Rumänien stammenden Personen nun als Holocaustüberlebende anerkannt und erhalten rückwirkend monatliche Raten ausgezahlt. Dank eines von den Regierungen Jerusalems und Berlins erzielten Abkommens erhalten Berechtigte für ihre im Krieg erlittenen Verfolgungen von den betreffenden Regierungen nun Kompensationszahlungen, einschliesslich einer retroaktiven Wiedergutmachung für die letzten 20 Jahre. Die Bezugsberechtigten werden monatlich zwischen 100 und 200 Euros erhalten. Eingeschlossen ist eine retroaktive Kompensation für die letzten 20 Jahre. Alleine diese Kompensationszahlungen werden Deutschland wahrscheinlich bis zu 380 Millionen Euros kosten.“
Bürokratie als psychische Belastung
Es sind keine freiwilligen Gaben der deutschen Bundesregierung, sondern mühsam ausgehandelte Vereinbarungen! Selbst wenn sie heute schon über 80 und 90 Jahre alt sind, müssen die Opfer immer noch mit der deutschen Bürokratie kämpfen. Etwa wenn sie bei zunehmenden Beschwerden einen so genannten Verschlimmerungs-Antrag stellen, weiß Psychiater Auerbach:
„Viele hatten das Gefühl, wenn sie ihren Verschlimmerungsantrag eingereicht hatten, dass sie nachweisen mussten, dass das wirklich Folgeerscheinungen von der Nazi-Verfolgung waren, das war für viele sehr sehr belastend. Das sehr strikt Bürokratische. Es gab Fristen, die man einhalten musste und wenn man die nicht eingehalten hat und zu spät eingereicht hat, war es dann zu spät. Und ein Teil hat wirklich Angst einen Brief auf Deutsch zu bekommen.“
5 DM pro Tag im KZ
Dabei gab es zu keinem Zeitpunkt die Wiedergutmachung, sondern eine Vielzahl von Abkommen, Gesetzen und Sonderregelungen, die bis heute schwer zu überblicken sind, wie der Bochumer Historiker Constantin Goschler erklärt:
„Die Haftentschädigung war ja das, was als erstes ausgezahlt worden ist. Und das hat für viele eine Art von Starthilfe bedeutet. Konkret bedeutete das, dass viele ehemalig Verfolgte Anfang der 50er-Jahre oder Ende der 40er-Jahre erst mal ein paar Tausend Mark in der Hand hatten.“
Vieles wurde schier technokratisch abgehandelt. Etwa dass Häftlinge 5 DM Ausgleich für einen Tag im KZ erhielten. Genau die Haftentschädigung, die jeder erhält, der zu Unrecht im Gefängnis saß.
West-Allierte mussten auf Wiedergutmachung drängen
Nach 1945 mussten die West-Alliierten die Deutschen zur Wiedergutmachung geradezu drängen. Es folgten zähe Verhandlungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland als Nachfolgestaat des Dritten Reiches, Israel und den jüdischen Opfern vertreten durch die Jewish Claims Conference.
Die DDR hatte sich nie für zuständig erklärt. Das erste große Abkommen wurde 1953 in Luxemburg geschlossen.
„Damals hatten wir noch einen Bundeshaushalt Anfang der 50er-Jahre von 20 Milliarden DM. Da war dann ein Abkommen in Höhe von knapp 3,5 Milliarden DM dann schon eine ordentliche Summe.“
Israel zahlte mehr für die Opfer als Deutschland
Israel erhielt kurzfristig viel Geld und Waren. Bis heute aber muss Israel dadurch die Mehrzahl der im Land lebenden Holocaust-Opfer selbst unterstützen. Für Deutschland – so makaber es klingt – ein „gutes Geschäft“.
„Dass das in überhaupt keinem Verhältnis stand zu dem, was das jüdische Volk an Verlusten hatte und es stand auch in keinem Verhältnis zu dem, was die israelische Gesellschaft langfristig dann zur Unterstützung von überlebenden Holocaust-Opfern ausgegeben hat.“
In und vor der Knesset gab es tumultartige Szenen. Man wolle kein Blut-Geld von Nazis nehmen.
Osteuropäische Opfer blieben zunächst unberücksichtigt
Mitte der 1960er-Jahre folgte das Bundesentschädigungsgesetz BEG. Damit sollte nach dem Willen der deutschen Bundesregierung ein Schlussstrich unter die Nachkriegszeit gezogen werden. Eine öffentliche Debatte fand so gut wie nicht statt. Die „Wiedergutmachung“ wurde zwischen dem deutschen Finanzministerium, Israel und der Jewish Claims Conference mehr oder weniger stillschweigend abgewickelt.
Dabei gilt das BEG allein für deutsche Juden oder eben Juden aus dem deutschen Sprach- und Kulturraum. Die Mehrheit der Opfer aus Osteuropa wurde nicht berücksichtigt, zumal Geldtransfers gen Osten im Kalten Krieg als Tabu galten.
„Das heißt aber, dass der Großteil der Verfolgten und vor allem der verfolgten Juden überhaupt nicht unter dieses Gesetz gefallen sind“, sagt der Historiker Constantin Goschler. „Wenn Sie verfolgter Jude in Warschau gewesen wären oder in Minsk oder in Budapest. Von den verfolgten Juden war ja nur die Minderzahl deutsche Juden. Der größte Anteil überhaupt waren polnische Juden.“
Entschädigung bekam, wer zum „deutschen Volk“ gehört
Aber selbst die nach BEG Antragsberechtigten mussten ihr Deutschtum erst nachweisen. Dadurch entstanden etwa auch in Israel skurrile Antrags- und Prüfverfahren, sagt Goschler:
„Da sitzen dann Holocaust-Überlebende und müssen Aufsätze schreiben und müssen begründen, weshalb sie immer ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum abgegeben haben, wo dann irgendeiner in seiner Prüfung in seinem Aufsatz mitten drin schreibt: Was tu ich denn hier? Ich sitze nun hier, meine Familie ist ermordet worden, und ich schreibe einen Aufsatz, in dem ich erkläre, dass ich mich immer zum deutschen Volkstum bekannt habe. Bin ich denn verrückt?“
Zahlreiche Nachbesserungen und Anpassungen
Bis heute gilt das Bundesentschädigungsgesetz als endgültig. Alles was folgte waren Nachbesserungen, Härte- und Einzelfallregelungen. Ein bis heute kaum zu überblickender Flickenteppich in Sachen Wiedergutmachung.
Seit den 1980er-Jahren setzte dann doch dank der vermehrten Auseinandersetzung mit der Nazi-Vergangenheit eine breitere öffntliche Diskussion statt. Was war zum Beispiel mit Sinti und Roma, mit den Euthanasie-Verfolgten, Ghettoinsassen, Zwangs-Arbeitern, Homosexuellen, Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren?
Hinzu kamen die Entschädigungen für diese so genannten „vergessenen Opfer“. Dabei vergingen schon für die jüdischen Opfer zwischen Antrag und Genehmigung oft Jahre, manchmal auch Jahrzehnte. Nicht wenige Holocaust-Opfer sind darüber verstorben, ohne jemals einen Ausgleich aus Deutschland erhalten zu haben.
Ein Prozent des Bruttosozialprodukts
Bis heute hat Deutschland Wiedergutmachungs-Leistungen in Höhe von umgerechnet 73 Milliarden Euro erbracht. Das hört sich viel an. Über die Jahrzehnte haben die deutschen Zahlungen für die Opfer des NS-Regimes aber nie mehr als 1 % des deutschen Bruttosozialproduktes ausgemacht.
„Mein ganze Familie haben die Nazis umgebracht. Ich bin alleine übriggeblieben“, erzählt der 102jährige Feinzilberg in den Fluren von Amcha.
Wer von den Holocaust-Überlebenden eine Wiedergutmachung aus Deutschland erhält oder nicht: Es ist eine Frage der Herkunft, der fristgerechten Antragsstellung und dem Wohlwollen der Sachbearbeiter.
Feinzilberg ist polnischer Jude. Er bekommt nur Geld aus Deutschland, weil er als Zwangsarbeiter verpflichtet wurde. Ist das für ihn Wiedergutmachung genug?
„Wiedergutmachung! Zufrieden? Kannst Du nicht sein“, sagt er. „Was war mit meiner Familie, das tut mir weh. Kinderjahre sind verspielt. Mein Vater verhungert, meine Mutter verbrannt. Eine Hilfe ist das, aber zufrieden kannst Du nicht sein!“
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Holocaust-Wiedergutmachung
Schäbiges Spiel auf Zeit
Von Thomas Klatt · 27.01.2017
Bis heute hat Deutschland über 70 Milliarden Euro für die Entschädigung von Holocaust-Überlebenden ausgegeben. Doch diese große Summe ist noch immer zu wenig – viel zu wenig. Und die Möglichkeit, etwas davon ab zu bekommen, gleicht einem Lotteriespiel.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war es alles andere als selbstverständlich, dass Deutschland sich auch finanziell zu seiner Schuld bekannte. Kanzler Konrad Adenauer selbst konnte sich zu Beginn nur eine Wiedergutmachung von einer Million D-Mark vorstellen. Nach öffentlichem Protest und auf Druck der Alliierten folgten zähe Verhandlungen, die sich über Jahrzehnte hinzogen. Den deutschen Finanzbeamten musste allerdings jede Tranche mühselig abgerungen werden. Überlebende kamen nur nach einem aufwendigen und langwierigen Antragsverfahren in den Genuss einer kleinen Rente, wenn sie denn überhaupt bewilligt wurde.
Noch heute erleben viele Überlebende es als Drangsal und erneute Erniedrigung, wenn sie sich zum Beispiel für so genannte Verschlimmerungsanträge vielfach begutachten lassen müssen. Aber immerhin, bis heute hat das Bundesfinanzministerium umgerechnet rund 73 Milliarden Euro für Entschädigungen ausgegeben. Aber ist damit genug wieder gut gemacht? In Israel leben schätzungsweise immer noch 45.000 Shoah-Überlebende an oder gar unter der Armutsgrenze.
Auszug aus dem Manuskript:
Amcha-Zentrum Jerusalem, eine nüchterne Büroetage im 9. Stock eines Hochhauses. In den Fluren hängen selbst gemalte Bilder von Holocaust-Überlebenden, manche farbenfroh, andere schwarz-weiß. Großformatige Kinder- und Puppengesichter, angezogen wie aus einem Shtetl, schauen den Besucher mit großen schwarzen Augen an. Bei Amcha versuchen manche auch sich ihr Leid von der Seele zu malen.
„Was wir oft sehen, dass gerade in der letzten Lebensphase im Alter von 70, 80, 90 Re-Aktivierungen von posttraumatischen Belastungsstörungen auftreten.“
Der Psychiater Martin Auerbach, medizinischer Leiter von Amcha Israel. Bei Amcha werden vor allem Einzel- oder Gruppengespräche angeboten. Vor 30 Jahren wurde Amcha, hebräisch für „Dein Volk“, von Holocaust-Überlebenden für Holocaust-Überlende gegründet. Es ging darum, die israelische Öffentlichkeit auf die Not dieser Menschen aufmerksam zu machen. Rund 20.000 Holocaust-Überlebende werden von Amcha in 15 ambulanten Zentren oder durch Hausbesuche versorgt. Denn Zeit heilt eben nicht die Wunden.
„Und vor 30, 40 Jahren konnten oder wollten sie oder hatten das Gefühl, ja wir gehen nicht in Therapie, wir versuchen das irgendwie zu verdrängen, vielleicht geht das. Und jetzt im Alter merken sie, das geht nicht.“
In Israel war das Thema lange Zeit ein Tabu. Nach 1948 ging es vor allem darum, den jungen Staat aufzubauen, sagt Auerbach. Viele Holocaust-Überlebende mussten damals erst einmal ihr Leben organisieren, einen Beruf ergreifen, eine Familie gründen.
Jahrzehnte später psychosomatische Leiden
In Israel gebe es keinen Gesundheitsminister mehr, der diesen Bedarf nicht anerkennen würde, sagt Auerbach. Auch die Bundesregierung unterstützt diese Arbeit, indem sie über die Jewish Claims Conference Gelder zuschießt.
Zitator: „Juli 2016. Insgesamt will Berlin im laufenden Jahr 282 Millionen Euro, 315 Millionen für 2017 und 350 Millionen Euro im Jahr 2018 bereitstellen. Die Claims Conference geht jedoch davon aus, dass die Bedürftigkeit der Opfer nach materieller Hilfe aus Deutschland ihren Höhepunkt noch nicht erreicht hat.“
Oft stellen sich psychosomatische Leiden ein: partielle Lähmungen, Stottern, Schwindel, Taubheitsgefühle, Herzrhythmus-Störungen, permanente Angst- und Unsicherheitsgefühle. Selbst wenn seine Klienten heute schon über 80 und 90 Jahre alt sind, müssen sie noch mit der deutschen Bürokratie kämpfen. Dann, wenn sie auf Grund ihrer zunehmenden Beschwerden einen so genannten Verschlimmerungs-Antrag stellen wollen, weiß Psychiater Auerbach.
„Viele hatten das Gefühl, wenn sie ihren Verschlimmerungsantrag eingereicht hatten, dass sie nachweisen mussten, dass das wirklich Folgeerscheinungen von der Nazi-Verfolgung waren, was war für viele sehr, sehr belastend. Das sehr strikt bürokratische. Es gab Fristen, die man einhalten musste und wenn man die nicht eingehalten hat und zu spät eingereicht hat, war es dann zu spät. Und ein Teil hat wirklich Angst einen Brief auf Deutsch zu bekommen.“
Vor allem geht es darum, die Holocaust-Überlebenden nicht allein zu lassen. Eine der von Amcha Unterstützten ist Yolanda Landau. Sie ist 90 Jahre alt und wohnt heute in Jerusalem.
„Ich bin geboren in Rumänien, im Jahre 1926, im Jahre ‚40 sind die Ungarn gekommen und ‚44 sie uns ins Ghetto geschickt. Haben wir gewohnt mit dem gelben Stern auf dem Kleid, haben sie uns gegeben.“
Das Geld reicht gerade so
Yolanda Landau kam zusammen mit ihrer Familie ins KZ. Dass sie überlebte, verdankt sie nur der Tatsache, dass das NS-Regime für die Kriegsindustrie immer mehr Arbeitskräfte brauchte. Nach der Befreiung heiratete sie in Rumänien und gebar zwei Kinder. 1958 kam die Familie nach Israel. Dann starb plötzlich ihr Mann. Ohne Mittel musste sie ihre Kinder weggeben.
„Und ich mit zwei kleine Kinder, kein Geld, kein gesund, keine Sprache, gar nichts, und ich konnte sie nicht halten die Kinder, ich hab gehabt kein Möglichkeit, kommt der Rabbi von Beersheva und er hat genommen meine Kinder nach Jerusalem.“
Reich oder wohlhabend ist sie nie geworden, schon gar nicht auf Grund irgendwelcher Wiedergutmachungszahlungen. Nun bekommt sie über die Jewish Claims Conference eine kleine Rente von rund 300 Euro monatlich, sagt sie. Hinzu kommt eine kaum höhere Witwenrente. Und dann steckt ihr auch immer jemand etwas zu. Bei den hohen Lebenshaltungskosten in Israel reicht es gerade so.
„Mein Name ist Elias Feinzilberg, hast Du geschrieben? Ich bin in Lodz geboren, 22. Oktober 1917.“
Drei Mal in der Woche kommt auch Elias Feinzilberg zu Amcha.
„Wir waren 7 Kinder, 5 Mädchen und 2 Boys. Ich war der Älteste.“
Feinzilberg war zu Kriegsbeginn ein junger Mann. Er wurde zwangsverpflichtet, arbeitete im deutschen Straßenbau, be- und entlud Schiffe zwischen Hamburg und Berlin.
„Mein ganze Familie haben die Nazis umgebracht. Ich bin alleine übriggeblieben.“ [...]
Das vollständige Manuskript im pdf-Format sowie als barrierearme txt-Version.
inh
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NS-ZEIT
Überlebende der "Kindertransporte" erhalten Entschädigungen
Der Begriff "Kindertransporte" ging in die Geschichte ein. Jüdische Kinder wurden nach Großbritannien gebracht, um sie vor der Verfolgung durch die Nazis in Sicherheit zu bringen.
Datum 17.12.2018
Abschied in eine ungewisse Zukunft - Szene aus dem Dokumentarfilm "Kindertransport"
80 Jahre nach den Transporten jüdischer Kinder aus Nazi-Deutschland ins britische Exil können Überlebende jetzt Entschädigungszahlungen erhalten. Darauf habe sich die Jewish Claims Conference mit der Bundesregierung in Berlin verständigt, teilte der jüdische Verband mit. Sein Präsident, Julius Berman, sprach von einer "historischen Ankündigung".
Ein endgültiger Abschied
Nach der Pogromnacht im November 1938 hatte das britische Parlament beschlossen, unbegleitete jüdische Kinder einreisen zu lassen. Daraufhin wurden bis zum Kriegsausbruch 1939 aus Deutschland, Österreich und der Tschechoslowakei mehr als 10.000 Mädchen und Jungen ohne ihre Eltern nach Großbritannien gebracht, wo sie in Gastfamilien unterkamen. Jüdische Organisationen unterstützten die sogenannten Kindertransporte. In fast allen Fällen sahen die Kinder ihre Eltern nie wieder.
Gedenken Zweiter Weltkrieg Kindertransport | Berlin, Skulptur
Denkmal für die Kindertransporte in der Berliner Friedrichstraße. Eine ähnliche Skulptur erinnert daran auch in Liverpool
"Schmerzliche Lücke der Entschädigungsregelungen" geschlossen
"Niemand kann sich den Schmerz auf den Bahnsteigen vorstellen, als die Kindertransporte begannen, und die außergewöhnlichen Schritte, die diese Eltern unternommen haben, um das Leben ihrer Kinder zu retten", sagte der Vizepräsident der Claims Conference, Greg Schneider. Mit der jetzigen Vereinbarung sei eine "schmerzliche Lücke der Entschädigungsregelungen" geschlossen worden. Anträge für die Zahlungen können ab dem 1. Januar 2019 gestellt werden. Auch diejenigen Überlebenden, die in den 1950er Jahren bereits Entschädigungen erhalten haben, könnten Ansprüche geltend machen, hieß es in der Mitteilung der Claims Conference. Sie schätzt, dass es derzeit noch etwa 1000 Überlebende gibt.
Die 1951 gegründete Institution vertritt die jüdische Gemeinschaft bei Verhandlungen zur Entschädigung von NS-Opfern. Dem internationalen Dachverband gehört auch der Zentralrat der Juden in Deutschland an.
fab/jj (dpa, Claims Conference)
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Zentrale Stelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen
Moralische Verpflichtung zur Wiedergutmachung
Von Bernd Ulrich · 06.11.2018
Die Zentrale Stelle zur Aufklärung von nationalsozialistischen Verbrechen in Ludwigsburg hat seit ihrer Gründung 1958 erfolgreich zur Aufarbeitung der NS-Verbrechen beigetragen – trotz Widrigkeiten. Heute ermittelt sie noch bis zu 30 Täter pro Jahr.
„Der lebhafte Widerhall auf die von den Justizministern und Justizsenatoren der Länder auf ihrer Konferenz in Bad Harzburg im Oktober dieses Jahres beschlossene Errichtung einer Zentralen Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen beweist mir die breite Anteilnahme der Öffentlichkeit an dieser Frage.“
Ob wirklich eine „breite Anteilnahme“ zu verzeichnen war? Ein Großteil der Deutschen schwankte zwischen Desinteresse und Ablehnung gegenüber dem, was Wolfgang Haußmann, liberaler Justizminister von Baden-Württemberg, im Dezember 1958 über den Rundfunk bekanntgab: die Gründung der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung von NS-Verbrechen.
Eine reine Vor-Ermittlungsbehörde
Gut einen Monat zuvor, am 6. November 1958, war die einschlägige Verwaltungsvereinbarung der Justizminister und – in den Stadtstaaten Hamburg und Bremen – der Justizsenatoren auf den Weg gebracht worden: das eigentliche Gründungsdokument der in Ludwigsburg beheimateten Zentralen Stelle. Ausdrücklich stellte die neue Behörde – freilich auch das schon nach Ansicht vieler Beobachter viel zu spät – keine quasi übergeordnete Staatsanwaltschaft dar. Vielmehr war es eine reine Vor-Ermittlungsbehörde. Sie hatte nur eingeschränkte Möglichkeiten und konnte etwa eigene Durchsuchungen oder gar Verhaftungen nicht anordnen.
„Dabei soll die Verantwortung für die Durchführung der Maßnahmen, die aus den Ergebnissen der Tätigkeit der Zentralen Stelle zu folgern sind, voll und ganz bei den örtlich zuständigen Strafverfolgungsbehörden verbleiben, denen die Zentrale Stelle das von ihr erarbeitete Material überlässt und die sie erforderlichenfalls bei der Durchführung des Strafverfahrens lediglich unterstützt.“
Erfolge in der strafrechtlichen Aufarbeitung
Damit schienen die Vorteile einer zentralen, bundesstaatlichen Verfolgung von NS-Verbrechen wieder aufgehoben. Doch wie schon der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer 1961 ausführte:
„Es geht nicht nur um Strafprozesse, in Wirklichkeit geht es um einen ganzen Prozess deutscher Geschichte, und einen Prozess neuer Bewußtseins- und Moralbildung in der Bundesrepublik. Im Grunde genommen müsste ich eigentlich sagen, es handelt sich um einen unendlichen Prozess. Aufgabe all dieser Prozesse ist im Grunde genommen, nicht nur Geschichte zu schreiben, sondern – wenn es auch vielleicht vermessen klingt – beizutragen, Geschichte zu machen.“
Eine schwarz-weiß Aufnahme von Fritz Bauer aus dem Jahr 1961.
Fritz Bauer verstand die Aufarbeitung der Nazi- Verbrechen als Voraussetzung einer demokratischen Nachkriegsgesellschaft.
© picture-alliance/ dpa /Goettert
Das machte die Zentrale Stelle durchaus – trotz etlicher Widrigkeiten und juristischer Fallstricke, mit denen immer wieder versucht wurde, die Arbeit der Behörde einzuschränken oder ganz zu unterbinden. Untergebracht in einem ehemaligen Frauengefängnis, personell eher unterbesetzt und tätig in einer Bundesrepublik, deren Justiz und Polizei lange Zeit noch von einstigen Tätern geradezu durchsetzt war, fehlte es nicht an Anfeindungen. Dietrich Kuhlbrodt, der als junger Staatsanwalt Mitte der 1960er-Jahre in Ludwigsburg arbeitete, berichtet:
„Vor unseren Fenstern zog dann an irgendeinem Tag mit klingendem Spiel wieder die Bundeswehr vorbei, denn der SS-General Sepp Dietrich wurde zu Grabe getragen und dann reckten sich Fäuste, und wir hörten die Rufe: Wir kriegen euch noch! Das war Ludwigsburg 1966.“
NS-Täter können noch ermittelt werden
Tatsächlich war der einst populäre Generaloberst der Waffen-SS, Kriegsverbrecher und unverbesserlicher Nazi, Sepp Dietrich im April 1966 in Ludwigsburg gestorben und wurde unter großer Beteiligung von rund 5000 Waffen-SS Veteranen und im Beisein einer inoffiziellen Abordnung der Bundeswehr zu Grabe getragen. Der dabei gezeigte Hass auf die angeblichen „Menschenjäger“ der Zentralen Stelle verdeutlicht in aller Drastik, in welcher Atmosphäre die Behörde ihre Ermittlungen durchführen musste. Und dennoch waren Erfolge in der strafrechtlichen Aufarbeitung der NS-Verbrechen zu verzeichnen.
Ohne die Arbeit der ermittelnden Staatsanwälte aus Ludwigsburg wären ab 1963 weder die von Fritz Bauer initiierten Frankfurter Auschwitzprozesse noch der in Düsseldorf zwischen 1975 und 1981 durchgeführte dritte Majdanekprozess möglich gewesen.
Der Angeklagte Oswald Kaduk wird von drei Polizisten in einen Gerichtssaal geführt.
Der Angeklagte Oswald Kaduk (Mitte) zum Auftakt des Auschwitz-Prozesses im Jahr 1965.
© picture alliance / dpa / dpa team
Aber der bis 2015 amtierende Chef der Zentralstelle, Oberstaatsanwalt Kurt Schrimm, hat schon Recht: „Das Anklagen ist nicht so wichtig, sondern die Aufklärung ist wichtig. Es gibt eine moralische Verpflichtung und zwar die Wiedergutmachung gegenüber den Opfern, bzw. den Überlebenden. Wir nehmen ernst, was damals geschehen ist, und wir tragen das Unsere dazu bei, dass sich Solches eigentlich nicht mehr wiederholen sollte.“
Dieser Arbeit geht die Zentrale Stelle Ludwigsburg bis heute nach. Bis zu 30, freilich mittlerweile hochbetagte NS-Täter können immer noch Jahr für Jahr ermittelt werden.
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Politisch unwürdig? Entschädigung von Kommunisten für nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen: Bundesdeutsche Gesetzgebung und Rechtsprechung der 50er ... Zeitgeschichte / Abteilung 5, 25, Band 25)
Wie wirkte sich die allgemeine politische Lage – Kalter Krieg – auf die Entschädigung politisch Verfolgter des Nationalsozialismus, insb. der Kommunisten aus? Eine Untersuchung der Gesetzgebungsprozesse und der Rechtsprechung sowie ihrer gegenseitigen Wechselwirkungen in den Fünfziger Jahren der Bundesrepublik Deutschland mit einem Schwerpunkt auf der gerichtlichen Praxis Westberlins.
Ghettorenten: Entschädigungspolitik, Rechtsprechung und historische Forschung (Zeitgeschichte im Gespräch, Band 6)
Der Deutsche Bundestag verabschiedete im Jahr 2002 einstimmig das "Gesetz zur Zahlbarmachung von Beschäftigungszeiten in einem Ghetto". Damit sollte eine Lücke bei der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts geschlossen und Holocaust-Überlebenden der Bezug einer Rente für Arbeit im Ghetto ermöglicht werden. Die Umsetzung des Gesetzes erwies sich indes als problematisch. Weit über 90 Prozent der rund 70.000 Anträge wurden von den Rentenversicherungsträgern abgelehnt. Tausende von Prozessen vor Sozialgerichten sind die Folge, in denen nicht zuletzt komplexe historische Aspekte beurteilt werden müssen. Der vorliegende Band vereint Beiträge von Historikern und Juristen, die die vielschichtige Problematik aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten. Mit Noach Flug, dem Präsidenten des Internationalen Auschwitzkomitees und Vorsitzenden des Dachverbands der Holocaust-Überlebenden in Israel, kommt auch ein Betroffener und hochrangiger Repräsentant der Opferverbände zu Wort.
Verhandelte Gerechtigkeit: Rückerstattung und Entschädigung für jüdische NS-Opfer in Bayern und Westdeutschland (Studien zur Zeitgeschichte, 72, Band 72)
Die Wiedergutmachung gehört zu den zentralen Themen in der Auseinandersetzung der deutschen Nachkriegsgesellschaft mit dem "Dritten Reich". Ihre Leistungen und Mängel wirken bis heute nach. Tobias Winstel analysiert die administrative Praxis der Entschädigung und Rückerstattung, stellt Regelwerke, Institutionen und konkurrierende Ansprüche vor. Er macht die Erwartungen der ehemaligen Verfolgten und ihre Erfahrungen im Prozess der Wiedergutmachung sichtbar. Eingebunden werden Perspektiven der Politik-, Verwaltungs- und Rechtsgeschichte bis hin zur Wirkungs- und Erfahrungsgeschichte. Indem Winstel die bundesdeutsche Entwicklung im internationalen Zusammenhang analysiert, leistet er auch einen grundsätzlichen Beitrag zur Frage nach Möglichkeiten und Grenzen "verhandelter Gerechtigkeit" beim Umgang mit historischer Schuld.
Die Wiedergutmachung für die Opfer des Nationalsozialismus in Baden 1945-1967: Von der moralischen Verpflichtung zur rechtlichen Pflichtübung: Von der ... Histoire et sciences auxiliaires, Band 1030)
Diese Arbeit beleuchtet auf Basis bisher kaum berücksichtigten landesgeschichtlichen Quellenmaterials die unterschiedlichen Entwicklungsstufen der Wiedergutmachung für die Opfer des Nationalsozialismus in Baden von 1945 bis 1967. Dargestellt werden die Maßnahmen der unmittelbaren Nachkriegszeit, die Anfänge der Entschädigung der Personenschäden und der Vermögensrückerstattung, die Entwicklung der Landesgesetzgebung bis hin zu den Konflikten mit der Wiedergutmachung nach Bundesrecht. Vor allem die systematisch ausgewählten Fallbeispiele von verfolgten Juden, Widerstandskämpfern, Kommunisten, Geistlichen, Zeugen Jehovas, Sinti und Roma, Zwangssterilisierten usw. geben Einblicke darüber, wie die Nachkriegsgesellschaft mit der moralischen Verantwortung aus dem Dritten Reich umging.
Analysen und Berichte
Das Archivierungsprojekt der Wiedergutmachung und seine Bedeutung im Kampf gegen den Antisemitismus
Bundesfinanzministerium Januar 2021
Die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts befindet sich im Wandel und umfasst zunehmend auch Folgeaufgaben.
Das gesamte Dokumentenerbe der Akten aus der Wiedergutmachung soll digital in einem Themenportal zugänglich gemacht werden.
Dieses „Themenportal Wiedergutmachung“ stellt künftig millionenfache individuelle Schilderungen der Verfolgung bereit. Diese können als Beweise im Kampf gegen Holocaust-Leugnung, Antisemitismus und Fremdenhass dienen.
Dadurch erhält die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts eine zukunftsgerichtete Bedeutung im Kampf gegen den Antisemitismus.
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die Möglichkeit der Wiederholung, was den Bewußtseins- und Unbewußtseinsstand der Menschen anlangt, fortbesteht.“
Die Aussage Adornos liegt nun 55 Jahre zurück, aber sie ist unvermindert gültig. Vor allem ist sie überaus aktuell. Dass die Ungeheuerlichkeit – mit Adornos Worten – „nicht in die Menschen eingedrungen ist“, dafür gibt es vor und besonders nach den Ereignissen in Halle am 9. Oktober 2019 zahlreiche Belege. So ist die Anzahl antisemitischer Straftaten im vergangenen Jahr drastisch gestiegen: Insgesamt wurden mehr als 2.000 Vorfälle registriert. Fast die Hälfte der Taten findet mittlerweile im Internet statt. Anonym und deshalb bislang mit geringem Entdeckungsrisiko lassen Antisemiten dort ihrem Judenhass in Verschwörungstheorien und Vernichtungsfantasien freien Lauf.
Wir alle sind aufgerufen und aufgefordert, uns diesen Tendenzen entgegenzustellen und zu prüfen, was dagegen unternommen werden kann. Mit dem Aufbau des Themenportals nimmt das BMF, in dessen Zuständigkeit seit fast 70 Jahren die Wiedergutmachung und Entschädigung von NS-Unrecht liegen, auch diese Aufgabe wahr.
Bisher wurden im Rahmen der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts über 76 Mrd. € auf der Grundlage gesetzlicher und außergesetzlicher Regelungen an die Opfer von NS‑Unrecht weltweit gezahlt. Im Jahr 2021 wird mehr als 1 Mrd. € für die Belange von Betroffenen an ihrem Lebensabend eingesetzt werden. Es handelt sich damit um eine der am längsten bestehenden Aufgaben der Politik in Deutschland.
Gleichwohl ist nach diesem langen Zeitraum ein Ende der direkten Leistungen an Überlebende des Holocaust, des Porajmos und des NS-Terrors absehbar. Mit der Frage der
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Zukunftsaufgaben der Wiedergutmachung hat sich das BMF daher in den vergangenen fünf Jahren intensiv auseinandergesetzt. Es wurde schnell klar, dass eine moralische Verpflichtung keinen Endzeitpunkt hat, wie etwa der Zeitpunkt der letzten Zahlung an ein Opfer. Wie Bundeskanzler Konrad Adenauer im September 1951 vor dem Deutschen Bundestag unterstrich, besteht neben der materiellen vor allem auch eine moralische Verpflichtung Deutschlands zur Wiedergutmachung.
Der Begriff Holocaust
basiert auf dem altgriechischen holókaustos und bedeutet „vollständig verbrannt“. Unter Holocaust wird heutzutage der nationalsozialistische Völkermord an den europäischen Juden verstanden.
Porajmos,
auch Porrajmos oder Pharrajimos, ist ein Wort aus dem Romani. Es bezeichnet den Völkermord an den europäischen Sinti und Roma in der Zeit des Nationalsozialismus (NS).
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Die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts weist unweigerlich auf das angerichtete Unheil, die Gräuel und die Vergehen hin. Die Verknüpfung mit dem Unrecht, das an Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma und anderen Verfolgten des NS-Regimes verübt wurde, ginge verloren, sollte die Wiedergutmachung „auslaufen“. In einem gewissen Sinne drohten danach nationalsozialistisches Unrecht und Wiedergutmachung als beendet und damit als abgeschlossenes Kapitel der Geschichte betrachtet zu werden. Überspitzt formuliert könnte sogar die Frage gestellt werden, ob denn die unglaublichen Verbrechen unter der nationalsozialistischen Herrschaft dann als im Wortsinn „wiedergutgemacht“ zu verstehen seien – eine unmögliche Vorstellung! Überdies werden gegenwärtig Rufe nach einem Schlussstrich lauter. In Bürgerschreiben, Petitionen und Anfragen an die zuständige Abteilung im BMF ist häufiger zu lesen: „Das ist nun schon so lange her“ und „Was hat denn die heutige Generation noch damit zu tun?“ oder „Wann hört das denn endlich auf?“. Dessen ungeachtet war die Verwaltung selbst bis vor zehn Jahren davon ausgegangen, dass die Wiedergutmachung eine endliche Aufgabe sei, die mit dem Ableben des letzten Opfers enden werde. Angesichts der aktuellen Entwicklungen ist es allerdings wichtiger denn je, auf die Geschehnisse der NS-Zeit hinzuweisen, auf die „Ungeheuerlichkeit“, die eben „noch nicht in die Menschen eingedrungen ist“. Doch auch aus anderen Erwägungen ist es wichtig, die Wiedergutmachung nicht abzuschließen, sondern die Folgeaufgaben anzunehmen. So ist mit der Wiedergutmachung die Verpflichtung verbunden, die Stimmen der Opfer zu erhalten und damit nicht nur das Gedenken an sie selbst, sondern auch das Vermächtnis ihres Lebens und Überlebens dauerhaft fortzuführen.
Aber was kann die Zukunft der Wiedergutmachung sein, wenn in absehbarer Zeit Entschädigungsrenten oder die Versorgung von Opfern der Shoa mit Pflegeleistungen in der häuslichen Wohnumgebung entfallen werden? Um diese Frage zu beantworten, stieß das BMF im Jahr 2017 die sogenannte Transformation der Wiedergutmachung an mit dem Ziel,
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die Zukunftsaufgaben der Wiedergutmachung zu identifizieren und zu erarbeiten und damit die Wiedergutmachung als dauerhafte Folgeaufgabe ihrer selbst zu gestalten.
Die Shoa,
auch Schoah oder Shoah, steht im Hebräischen für „die Katastrophe, das große Unglück/Unheil“ und wird synonym zum Begriff Holocaust verwendet.
Informationslücken schließen
Obgleich sie ein bedeutender Bestandteil der Geschichte der deutschen Demokratie ist, hat die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der öffentlichen Wahrnehmung bislang immer eher ein Schattendasein geführt. Dies lag vor allem auch an der schwierigen Anfangsphase der Wiedergutmachung mit all ihren Problemen und Unzulänglichkeiten. Ein Beispiel dafür ist die sehr späte Anerkennung der Verfolgung von Sinti und Roma erst in den 1980er-Jahren und die bis dahin ausgebliebene Zahlung entsprechender Wiedergutmachungsleistungen. Viel zu spät wurde dies erkannt und korrigiert. Heute gilt es, die großen Wissenslücken zu schließen. Es ist unerlässlich, die Ereignisse nach dem Jahr 1945 zu verstehen. Dazu zählt vor allem, wie die junge Demokratie der Bundesrepublik mit den Folgen von Krieg und Verfolgung umgegangen ist und welche Lehren aus den Menschheitsverbrechen im Nationalsozialismus gezogen wurden und immer noch werden. Wie dies kommenden Generationen sinnvoll und nachhaltig vermittelt werden kann, ist eine wichtige Aufgabe der Zukunft. Deutschland hat umfangreiche Aufarbeitung in Bezug auf das NS-Unrechtsregime geleistet, das von 1933 bis 1945 dauerte. Das ist gut und richtig. Wenn allerdings heute eine Umfrage zu dem Thema veranstaltet würde, wie es um das Wissen über
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die Wiedergutmachung bestellt ist, ergäbe sich wohl ein ernüchterndes Bild. Denn die Wenigsten wissen über die Geschichte der deutschen Wiedergutmachung Bescheid beziehungsweise sie sind sich nicht bewusst, dass diese Aufgabe überhaupt noch existiert. Doch die Bundesrepublik wird außenpolitisch noch in Jahrzehnten mit den Verbrechen des NS-Staats in Verbindung gebracht werden und immer ein besonderes und besonders verantwortungsvolles Verhältnis zu Israel haben, Gleichzeitig sind aber bestimmte innen- und gesellschaftspolitische Themen und deren öffentliche Behandlung ohne Bezug zur fortgesetzten Verantwortung aus den Verbrechen vor 1945 nicht vermittelbar. Das Wissen über und das Interesse am Holocaust und der Wiedergutmachung auch nach 70 Jahren weiterhin aufrechterhalten zu können, stellt deshalb eine große Herausforderung dar. Zudem wachsen in Deutschland mittlerweile Generationen heran, die wegen ihres Alters oder eines Migrationshintergrunds teilweise keinen unmittelbaren Bezug zur NS-Zeit in Deutschland haben. Die Wiedergutmachung als Ausdruck der Übernahme von Verantwortung kann als wichtige moralische und positiv besetzte Brücke dienen, da sie einen dauerhaften gesellschaftlichen Bezugsrahmen herstellt und im Gegensatz zu anderen – rein erinnerungspolitischen – Bezügen auch eine kollektive, unmittelbare Bindungskraft entfaltet.
Bezug zu innen- und gesellschaftspolitischen Themen und deren öffentlicher Behandlung zur fortgesetzten Verantwortung aus den Verbrechen vor 1945
Als Beispiele können hier u. a. die intensiven Debatten um Sterbehilfe sowie den Umgang mit Ergebnissen und Folgerungen aus der Pränataldiagnostik dienen. Diese wurden und werden vor dem Hintergrund der von den Nationalsozialisten betriebenen Ausgrenzung und Vernichtung von in ihren Augen „lebensunwertem Leben“, in Deutschland mit großer Sorgfalt geführt. Auch wurde im Rahmen der sogenannten Flüchtlingskrise in kontrovers geführten Debatten häufig auf die besondere deutsche Verantwortung für Menschen verwiesen, die vor Gewalt und Krieg flüchten.
Zugang ermöglichen: das Themenportal Wiedergutmachung
Aus der Wiedergutmachungs- und Entschädigungspolitik der Bundesrepublik ergibt sich ein auch weltweit einzigartiger, über Jahrzehnte gewachsener Akten-, Unterlagen- und Dokumentenbestand, der staatliches Handeln umfänglich dokumentiert. Dieses „Dokumentenerbe“ wird noch bedeutender durch die hunderttausend- und millionenfach vorhandenen Einzelfallakten der Menschen, die im Verwaltungsverfahren ihr Verfolgungsschicksal wie auch ihre Familiengeschichte mit Angabe von Daten, Orten, Namen, Täterinnen und Tätern, weiteren Opfern und mehr geschildert haben.
Das Themenportal Wiedergutmachung
ist ein vom BMF initiiertes Projekt, das künftig einen zentralen digitalen Zugang zum Dokumentenerbe der Wiedergutmachungsakten ermöglicht.
Diese Unterlagen sind nicht allein für die wissenschaftliche Forschung von höchster Bedeutung, sondern auch für die Angehörigen und Nachkommen der Opfer und Überlebenden. Jährlich gibt es mehrere zehntausend Suchanfragen aus aller Welt zu diesen und ähnlichen Quellen bei Archiven und der Verwaltung im In- und Ausland. Diese Nachfrage steigt absehbar. Denn im Gegensatz zur sogenannten zweiten Generation, den Kindern der Verfolgten, ist bei der dritten und vierten Generation der Nachkommen ein sehr großes Interesse am Schicksal ihrer Vorfahren zu verzeichnen. Dies gilt weltweit und insbesondere für Israel, die Vereinigten Staaten und die Staaten Osteuropas.
Seit den ersten Regelungen in Verfahren, die als sehr bürokratisch kritisiert wurden, mussten die Betroffenen immer wieder Antragsunterlagen und -vorgänge ausfüllen. Jenseits von aller Bürokratie finden sich in diesen Zeitdokumenten zahlreiche Informationen über die individuellen Verfolgungsschicksale. Diese sind für die Angehörigen von größter Wichtigkeit. Wie Gespräche mit internationalen Partnern – etwa der israelischen Gedenk- und Forschungsstätte Yad Vashem – zeigten, sind diese millionenfachen autobiografischen Schilderungen des Erlebens der eigenen Verfolgung von größtem Wert und stellen eine einzigartige und bislang kaum beachtete Form der Massenüberlieferung historischer Ereignisse dar. Dies umso mehr, da die Akten in einzigartiger Weise die Geschichte der Zeit
vor und nach dem Jahr 1945 erzählen und damit Verbrechen und Aufarbeitung/Wiedergutmachung in direktem Zusammenhang dargestellt werden.
Yad Vashem
in Jerusalem ist die weltweit bedeutendste Gedenkstätte des Holocausts, die an die nationalsozialistische Judenvernichtung erinnert und sie wissenschaftlich dokumentiert.
Noch gibt es derzeit keine Möglichkeit, aus dem In- oder Ausland zentral auf alle Unterlagen zuzugreifen. Die betreffenden Dokumente sind auf das Bundesarchiv, verschiedene Landesarchive und weitere Stellen im In- und Ausland verteilt beziehungsweise liegen teilweise noch in den Behörden.
Vor diesem Hintergrund besteht ein vordringliches Ziel darin, einen einheitlichen digitalen Zugang zu allen relevanten Akten, Dokumenten und Unterlagen über Entschädigungen und Wiedergutmachungen einzurichten. Hieran wurde in den zurückliegenden drei Jahren mit großem Einsatz verschiedenster nationaler und internationaler Partner gearbeitet. Die ersten Umsetzungsschritte sind bereits erfolgt.
Für verschiedenste Projekte im Rahmen politischer und schulischer Bildung kann eine Zugriffsmöglichkeit auf die Primärquellen der Wiedergutmachung eine vielversprechende neue und differenzierte Grundlage darstellen. Denn dies sind detaillierte Darstellungen des selbst Erlebten in Schriftform. Sie sind damit gleichsam verschriftlichte Gespräche mit
Zeitzeugen. Für die Vermittlung aller oben beschriebenen Hintergründe und Zusammenhänge und für entsprechende Projekte gegen Antisemitismus bieten sie zudem neue Möglichkeiten des Zugangs. So können anhand verschiedenster Dokumente Biografien und Schicksale vor, während und nach der Verfolgung nachgezeichnet werden: Wer waren die Verfolgten? Was wurde ihnen von wem an welchen Orten angetan? Was geschah nach dem Jahr 1945? In welchen Verhältnissen lebten sie? Wo lebten sie nach der Befreiung zehn, 20, 30, 40 Jahre später? Welche Entschädigungsmöglichkeiten gab es nach dem Krieg und welche später? Wann erfuhren sie von wem auf welche Weise davon? Welche Entscheidungen wurden aus welchen Gründen im Verfahren getroffen? Waren diese positiv oder negativ?
An dieser Stelle lassen sich zahllose weitere Fragestellungen anschließen. Dies aber ist keine Aufgabe des BMF, sondern eine Aufgabe für die Forschung und alle Interessierten. Es wird hier allerdings bereits deutlich, welche Art von Angebot entstehen kann, ist doch von insgesamt mehr als 100 km Aktenmaterial die Rede. Die technischen Möglichkeiten, diese bedeutenden Massenüberlieferungen auszuwerten, sollten in den nächsten Jahren und Jahrzehnten besser und effizienter werden. Dies gilt dann möglicherweise auch für diejenigen Unterlagen, die derzeit aufgrund besonderer Rechte im Rahmen von Daten- und/oder Persönlichkeitsschutz noch nicht frei zugänglich sind.
Die Besonderheit dieser Akten besteht zudem darin, dass sie im Rahmen äußerst bürokratischer und damit sachlich-kritischer Verwaltungs- und Prüfverfahren jeweils einer staatlichen Begutachtung und einer detaillierten, nachverfolgbaren und begründeten Entscheidungsfindung unterworfen waren und noch sind. In zahlreichen Antragsverfahren wurden eidesstattliche Versicherungen eingeholt, gegengeprüft, es wurden Gutachten angefordert und Angaben verifiziert oder falsifiziert. Es gab Widersprüche, Gerichtsverfahren bis hin zu höchstrichterlichen Rechtsprechungen vor Verwaltungs- oder Sozialgerichten auf
Landes- und Bundesebene. Entscheidungen im Verfahren haben sich, anhand der Akten nachweisbar noch nach Jahrzehnten, bewahrheitet oder als falsch herausgestellt. Politische Entscheidungen wurden aufgrund verschiedener positiver und negativer Anwendungsfälle im Verwaltungsverfahren getroffen und sind deshalb Bestandteil von Theorie und Praxis. Neben den Einzelfallakten bilden die Dokumente damit eine breite Überlieferung der politischen und verwaltungsinternen Diskussionen, Rahmenbedingungen und Entscheidungsgrundlagen, die erstmals eine vollständige Aktengrundlage bieten werden.
Den Gegenbeweis antreten
Im Zeitraum 2020/21 hat Deutschland die Präsidentschaft der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) übernommen, einer zwischenstaatlichen Einrichtung, die Regierungen und Fachleute zusammenbringt mit dem Ziel, die Aufklärung, die Forschung und das Erinnern an den Holocaust weltweit zu fördern und voranzutreiben. Ein Schwerpunktthema der deutschen Präsidentschaft war und ist es, sich mit der Leugnung und Verfälschung des Holocaust auseinanderzusetzen, die laut der IHRA ebenfalls seit Jahren immer größere Ausmaße annehmen. Die Verfälschung des Holocaust ist ebenso wie die Leugnung nicht nur unmoralisch und strafbar. Sie verhindert auch, dass sich Gesellschaften und Individuen intensiv mit der Vergangenheit auseinandersetzen und daraus für Gegenwart und Zukunft lernen. Die bewusste Leugnung oder Verharmlosung des Holocaust ist stets Ausdruck von Antisemitismus und bereitet auch anderen Formen menschenverachtender Ideologie den Boden.
Mit den Akten der Wiedergutmachung soll ein Beitrag geleistet werden, der Verdrehung der Fakten und der Trivialisierung des Holocaust entgegenzutreten. Millionenfach haben Opfer des Holocaust bei den Entschädigungsbehörden, bei den Stellen des Auswärtigen Amts
überall auf der Welt, bei der Holocaust Survivors Rights Authority in Israel oder der Conference on Jewish Material Claims Against Germany ihre Anträge auf Wiedergutmachung gestellt und mussten sich der Tortur unterziehen, ihre Verfolgungsgeschichte im Detail aufzuschreiben und damit nochmals zu durchleben. Dies sind heute die millionenfachen Beweise, die zeigen, mit welcher Grausamkeit und Menschverachtung der Holocaust tatsächlich stattgefunden hat. Auch vor diesem Hintergrund ist die Digitalisierung und Vernetzung der Akten von besonderer Bedeutung.
Die Holocaust Survivors Rights Authority
ist eine Einheit des israelischen Finanzministeriums, die sich um Angelegenheiten der Verfolgten des Holocaust kümmert, die in Israel leben.
Die Conference on Jewish Material Claims Against Germany,
auch Claims Conference oder Jewish Claims Conference (JCC), ist ein Zusammenschluss internationaler jüdischer Organisationen. Sie vertritt seit ihrer Gründung 1951 Entschädigungsansprüche jüdischer Opfer des Nationalsozialismus und Holocaust-Überlebender. Die Organisation mit Sitz in New York City unterhält in Frankfurt am Main, Wien und Tel Aviv Repräsentanzen.
Freilich wird ein solcher Gesamtzugang gegen diejenigen, die ihre eigenen Wahrheiten verbreiten, gegen alle, die Antisemitismus propagieren und den Holocaust leugnen, direkt nichts ausrichten können. Es besteht aber die begründete Hoffnung, dass bei konsequentem Einsatz im Rahmen von Bildungsarbeit und gesellschaftlicher Wahrnehmung und Auseinandersetzung der Nährboden verringert werden kann, auf der sich solcherlei Gedankengut verbreitet.
Der Zugang zu diesem weltweit einzigartigen Gesamtbestand geprüften und verifizierten Beweismaterials bietet vielfältige Anwendungsmöglichkeiten für Präventionsarbeit, für Bildung und Aufklärung. Wenn ein möglicher Nebeneffekt des Themenportals Wiedergutmachung die Stärkung der gesellschaftlichen Abwehrkräfte gegen Antisemitismus, Antiziganismus, Fremdenhass und gegen die Leugnung und Verfälschung von Holocaust, Porajmos und NS-Terror ist, so ist damit bereits ein wichtiger Beitrag im Rahmen dessen geleistet, was das BMF als Zukunftsaufgabe der Wiedergutmachung versteht.
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Antisemitismus
Fachbegriff für „Judenfeindlichkeit“. Alle Formen von Judenhass, grundsätzlicher Judenfeindlichkeit oder Judenverfolgung werde als Antisemitismus bezeichnet.
Antiziganismus
Fachbegriff für „Zigeunerfeindlichkeit“. Diese spezielle Form des Rassismus bezeichnet die von Stereotypen, Abneigung und/oder Feindschaft geprägten Vorbehalte gegenüber Roma, Sinti, Fahrenden, Jenischen und anderen Personen und Gruppen, die von Teilen der Gesellschaft als „Zigeuner“ stigmatisiert werden sowie die durch diese Einstellungen bedingten oder mitbedingten Formen gesellschaftlicher und staatlicher Ausgrenzung, Diskriminierung und Verfolgung bis hin zu Vertreibung, Pogromen, Internierung, Zwangssterilisierung und staatlich organisiertem Völkermord.
Fremdenhass
ist eine Steigerungsform von Fremdenfeindlichkeit. Fremdenfeindlichkeit ist eine Einstellung, bei der Menschen aus anderen Kulturkreisen, Religionen oder einer anderen Region aggressiv abgelehnt werden. Die unterschiedlichen kulturellen, ...
Zukünftige Generationen und Aufgaben
Im Rahmen der Wiedergutmachung beginnen Überlegungen, wie wir uns darauf vorbereiten, dass es in absehbarer Zeit keine überlebenden Zeitzeuginnen und Zeitzeugen des Holocaust mehr geben wird. Wie die deutsche Gesellschaft dann mit der Vergangenheit umgeht, wird in Bedeutung und Form von nachfolgenden Generationen definiert und ausgehandelt werden. Diese Generationen, die selbst weder zur sogenannten Täter- noch zur sogenannten Opfergeneration gehören, werden ihren eigenen Weg finden, an die Menschheitsverbrechen während des Nationalsozialismus zu erinnern und sicherzustellen, dass diese nie wieder geschehen können. Hierzu trägt auch bei, Wiedergutmachung als niemals abschließenden Prozess und normativen Gedanken zu begreifen. Sie wird über die Generation der Betroffenen hinaus weitergetragen. Gleichzeitig könnte der Umgang Deutschlands mit der eigenen Vergangenheit ein Anwendungsfall für Aufarbeitungsprozesse weltweit sein. Für begangenes Unrecht gibt es keine Agenda, die abgearbeitet werden kann. Wiedergutmachung für begangene Verbrechen sollte als immerwährendes Bemühen verstanden werden – und die Wiedergutmachung von NS-Unrecht könnte hierfür mit ihrem jahrzehntelangen Wirken ein Beispiel sein, im Negativen wie im Positiven.
Die zukünftige Wiedergutmachung soll insofern vor allem ein Dialogangebot sein.
https://www.bundesfinanzministerium.de/Monatsberichte/2021/01/Inhalte/Kapitel-3-Analysen/3-7-archivierungsprojekt-wiedergutmachung.html
Entschädigung für NS-Unrecht
26.06.2019 - Artikel
Der moralischen und finanziellen Wiedergutmachung des vom NS-Regime verübten Unrechts hat die Bundesregierung von Anfang an eine besondere Priorität eingeräumt.
Deutsche historische Verantwortung
Der moralischen und finanziellen Wiedergutmachung des vom NS-Regime verübten Unrechts hat die Bundesrepublik Deutschland seit jeher besondere Priorität beigemessen. Auch heute noch hat diese Aufgabe für die Bundesregierung einen unverändert hohen Stellenwert. Die Bundesrepublik Deutschland leistet in hohem Umfang Zahlungen, die nach dem erklärten Willen der Bundesregierung den Verfolgten des NS-Regimes lebenslang zugutekommen sollen. Die Bundesregierung stellt sich der Aufgabe, den Überlebenden der Verfolgung und des Horrors in den Konzentrationslagern und Ghettos weiterhin Beistand zu leisten und ihnen ein Leben in Würde zu ermöglichen.
„Immerwährende Verantwortung für diese schrecklichste Zeit“
Bereits am 27. September 1951 bekannte sich Bundeskanzler Konrad Adenauer vor dem Deutschen Bundestag eindeutig zur historischen Verantwortung Deutschlands für die Wiedergutmachung: „Die Bundesregierung und mit ihr die große Mehrheit des deutschen Volkes sind sich des unermesslichen Leides bewusst, das in der Zeit des Nationalsozialismus über die Juden in Deutschland und den besetzten Gebieten gebracht wurde. [...] Im Namen des deutschen Volkes sind unsagbare Verbrechen begangen worden, die zur moralischen und materiellen Wiedergutmachung verpflichten [...].“ Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel bekräftigte anlässlich eines Besuchs in Jerusalem im April 2007: „Nur indem mein Land, nur indem Deutschland seine immerwährende Verantwortung für diese schrecklichste Zeit und für die grausamsten Verbrechen in seiner Geschichte voll und ganz annimmt, können wir die Zukunft gestalten – nur so und nicht anders.“
Zur historischen Entwicklung der Wiedergutmachung
Die durch nationalsozialistisches Unrecht verursachten Schäden erforderten bereits unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Regelungen zur Wiedergutmachung. Besonders betroffen waren Personen, die aus Gründen politischer Gegnerschaft zum Nationalsozialismus oder aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen Schäden erlitten hatten. Für diese Personen wurden deshalb frühzeitig von den Besatzungsmächten, den Gemeinden und seit ihrer Entstehung von den Ländern Regelungen zur Wiedergutmachung des erlittenen Unrechts getroffen. Diese ersten Maßnahmen wurden nach Gründung der Bundesrepublik vielfach angepasst und ergänzt und im Zuge der Wiedervereinigung auf zahlreiche Leistungsempfänger in den ehemaligen Ostblockstaaten ausgeweitet.
Das heutige Regelungswerk
Die Entschädigung für Opfer des nationalsozialistischen Unrechts wird grundsätzlich durch das Bundesentschädigungsgesetz (BEG) in der Fassung des BEG-Schlussgesetzes (BEG-SG) vom 14. September 1965 (Bundesgesetzblatt I, S. 1315) geregelt. Leistungen nach diesem Gesetz konnten allerspätestens noch bis 31. Dezember 1969 beantragt werden.
Wegen der in bestimmten Fällen durch die Ausschlussfrist entstehenden Härten hat die Bundesregierung eine Reihe von außergesetzlichen Wiedergutmachungsregelungen für jüdische und nicht jüdische NS-Verfolgte geschaffen, die bisher keine oder keine ausreichende Entschädigung erhalten haben.
Jüdische Opfer von NS-Verfolgungsmaßnahmen können nach den „Richtlinien für die Vergabe von Mitteln an jüdische Verfolgte zur Abgeltung von Härten in Einzelfällen im Rahmen der Wiedergutmachung vom 3. Oktober 1980 in Verbindung mit dem Artikel-2-Abkommen“ einmalige und laufende Beihilfen erhalten. Die Conference on Jewish Material Claims Against Germany führt diese Regelung in eigener Zuständigkeit aus.
Für Verfolgte nichtjüdischer Abstammung hat die Bundesregierung mit den „Richtlinien für die Vergabe von Mitteln an Verfolgte nicht jüdischer Abstammung zur Abgeltung von Härten in Einzelfällen im Rahmen der Wiedergutmachung“ vom 26. August 1981 in der Fassung vom 7. März 1988 eine entsprechende Regelung getroffen, sogenannter Wiedergutmachungs-Dispositions-Fonds (WDF). Nach dieser Regelung können Verfolgten im Sinne des § 1 BEG einmalige und in besonderen Fällen auch laufende Beihilfen gewährt werden.
Auch heute noch unterstützt die Bundesregierung Opfer nationalsozialistischen Unrechts mit Leistungen der öffentlichen Hand in Höhe von jährlich mehr als 1 Milliarde Euro. Einen Überblick über die Regelungen zur Wiedergutmachung, ein Kalendarium zur Wiedergutmachung von NS-Unrecht und eine Übersicht der Leistungen der Bundesregierung stellt das innerhalb der Bundesregierung federführend für die vermögens- und entschädigungsrechtlichen Folgen des Zweiten Weltkriegs zuständige Bundesfinanzministerium auf seiner Homepage bereit.
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/themen/internationales-recht/Historische_Verantwortung/entschaedigung-ns-unrecht/203834
Weiterführende Links
Broschüre: Entschädigung von NS-Unrecht – Regelungen zur Wiedergutmachung: >>>
Broschüre: Kalendarium zur Wiedergutmachung von NS-Unrecht – Gesetzliche und außergesetzliche Regelungen sowie Richtlinien im Bereich der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts >>>
Bundesministerium der Finanzen: Kriegsfolgen und Wiedergutmachung >>>
Griechische und polnische Reparationsforderungen gegen Deutschland
Sachstand
Wissenschaftliche Dienste
© 2019 Deutscher Bundestag
Aktenzeichen: WD 2 - 3000 - 066/19
Abschluss der Arbeit: 14. Juni 2019
Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre
https://www.bundestag.de/
Stiften gehen. NS-Zwangsarbeit und Entschädigungsdebatte
Bezweifelte Erinnerung, verweigerte Glaubhaftigkeit. Überlebende des Holocaust in den Ghettorenten-Verfahren (Genozid und Gedächtnis)
Die Studie, die sich mit der Entscheidungspraxis in den sogenannten Ghettorenten-Verfahren beschäftigt, zeichnet die gerichtlichen Argumentationen nach, mit denen die Erinnerungen der Antragstellerinnen und Antragsteller als lückenhaft und damit nicht glaubhaft bewertet wurden. Die sozialpsychologische Analyse konfrontiert eine transdisziplinäre Erörterung zur Form von Erinnerung an traumatisierende Erfahrungen im hohen Alter mit der gerichtlichen Praxis der Zuweisung von Glaubhaftigkeit. Dabei werden Konzepte und Schemata der forensischen Aussagepsychologie ebenso wie neueste Ergebnisse der Gedächtnis- und Traumaforschung einbezogen. Wären jene Differenzen des Kerngeschehens , die im Verständnis der Verwaltung und der Erinnerung der Holocaust-Überlebenden hinsichtlich der Arbeit im Ghetto deutlich wurden, vermittelbar gewesen? Die Studie deckt neben den Verfahrensproblemen Haltungen der Verweigerung auf, die Darstellungen der Überlebenden als vertrauenswürdig zu werten. Als ein Beitrag zu einem Kapitel der jüngsten Zeitgeschichte der letzten Sachfrage, in der das Verwaltungs- und Rechtssystem Deutschlands mit den jüdischen Überlebenden konfrontiert ist , verfolgt die Analyse eine disziplinen- und problemübergreifende Diskussion zur Würdigung der Aussagen traumatisierter Zeugen vor Gericht.
Die Kehrseite der ' Wiedergutmachung'. Das Leiden von NS- Verfolgten in den Entschädigungsverfahren
Siehe auch :
- NS-Vergangenheitsbewältigung >>>
- Gerichtliche Verfahren beim Amtsgericht Mosbach >>>
- Reparationen und Entschädigungen >>>
- Öffentlichkeitsarbeit >>>
- Bildungsarbeit >>>
Kerstin Griese zu Gast in Israel
Bundesministerium für Arbeit und Soziales
22. September 2022
Ministerin für soziale Gleichheit Meirav Cohen und die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Arbeit und Soziales Kerstin Griese würdigen gute Zusammenarbeit.
ie israelische Ministerin für soziale Gleichheit und die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Arbeit und Soziales haben in einem Gespräch am 18. September 2022 in Israel die deutsch-israelische Zusammenarbeit bei der Umsetzung des deutschen Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) gewürdigt.
Das ZRBG ist 2002 vom Deutschen Bundestag beschlossen worden, damit Arbeitszeiten von Verfolgten des Nationalsozialismus während eines zwangsweisen Aufenthalts in einem Ghetto als Beitragszeiten in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung anerkannt und Renten aus solchen Zeiten auch an heute außerhalb Deutschlands lebende NS-Verfolgte gezahlt werden können.
Diese Renten werden zusätzlich zu den Entschädigungsleistungen für erlittenes Leid gezahlt, nicht anstelle dieser. Rund 73.000 sogenannte Ghettorenten wurden nach Verabschiedung des ZRBG bewilligt, davon rund 43.000 für Holocaustüberlebende in Israel. Aufgrund der fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen dem deutschen Bundesministerium für Arbeit und Soziales, dem deutschen Bundesministerium der Finanzen, der Deutschen Rentenversicherung, dem israelischen Ministerium für soziale Gleichheit, dem israelischen Außenministerium, der Gedenkstätte Yad Vashem und dem Holocaustmuseum in Washington insbesondere im Hinblick auf die Klassifizierung von Orten als offene Ghettos ist die Zahl der Anerkennungen von Ansprüchen auf ZRBG-Renten im letzten Jahrzehnt erheblich angestiegen. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit wurden zahlreiche Städte in Bulgarien und Rumänien als offene Ghettos im Sinne des ZRBG anerkannt.
So konnten kürzlich weitere 18 Städte in Rumänien als offene Ghettos im Sinne des ZRBG anerkannt werden. Dies bedeutet, dass Holocaustüberlebende, die während des Krieges in diesen Städten in Ghettos arbeiten mussten, diese Zeiten jetzt rechtmäßig für einen Anspruch auf Rentenleistungen anerkannt bekommen. Zudem einigten sich beide Seiten darauf, dass sie weiter über Wege beraten, wie Holocaustüberlebenden und Berechtigten bei der Umsetzung ihrer Rechte geholfen werden kann.
Ich danke meiner Kollegin Staatssekretärin Kerstin Griese für die fruchtbare Zusammenarbeit der letzten Jahre. Die historische Anerkennung der Rechte der Holocaustüberlebenden, das zu erhalten, was ihnen zusteht, ist eine weitere Station auf unserem Weg zur Verbesserung der sozialen Situation der Holocaustüberlebenden, die heute unter uns leben. Ich werde mich weiterhin auf allen erdenklichen Wegen und gegenüber allen erdenklichen Stellen für dieses wichtige Ziel der Verbesserung der sozialen Situation der Holocaustüberlebenden und der historischen Anerkennung ihres Leids einsetzen.
MEIRAV COHEN, ISRAELISCHE MINISTERIN FÜR SOZIALE GLEICHHEIT
Mir ist es ein Herzensanliegen, dass die Überlebenden des Holocaust die ihnen zustehenden Renten schnell und unbürokratisch erhalten. Mit den von der Internationalen Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem erstellten vier Gutachten über Ghettos in Rumänien und Bulgarien konnten neue Erkenntnisse gewonnen werden. Weitere Überlebende, die in diesen Ghettos arbeiten mussten, erhalten nun eine Rente. Ich danke Frau Ministerin Meirav Cohen und allen Beteiligten für die vertrauensvolle Zusammenarbeit.
KERSTIN GRIESE, PARLAMENTARISCHE STAATSSEKRETÄRIN IM BMAS
https://www.bmas.de/
Entschädigungsleistungen Deutschlands für NS-Opfer durch Globalabkommen 1959-1964
Veröffentlicht von
Bernhard Weidenbach
, 14.06.2021
Die Bundesrepublik Deutschland schloss in den Jahren 1959 bis 1964 mit verschiedenen Staaten Abkommen zur bilateralen Wiedergutmachung ab: Der erste derartige Vertrag wurde im Juli 1959 mit Luxemburg geschlossen, die mit rund 400 Millionen DM höchste Wiedergutmachungszahlung wurde an Frankreich geleistet. Insgesamt belief sich das Volumen auf rund 971 Millionen DM.
Entschädigungsleistungen des Bundes und globale Verträge
Insgesamt hat die Bundesrepublik bis Ende 2018 Entschädigungszahlungen in Höhe von rund 77,83 Milliarden Euro geleistet. Mit rund 48,45 Milliarden Euro wurde der deutlich größte Teil der Zahlungen im Rahmen des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) geleistet. Durch Härteregelungen wurden ohne Berücksichtigung von Zahlungen der Länder rund 9,15 Milliarden gezahlt. Außerdem kam es zur Wiedergutmachungszahlung einzelner Bundesländer.
Die Verbrechen des Nationalsozialismus
1933 ergriffen die Nationalsozialisten in Deutschland die Macht und setzten Rechtsstaat und Grundrechte außer Kraft. In den folgenden Jahren begann die Verfolgung, Inhaftierung und massenhafte Ermordung der jüdischen Bevölkerung, Sinti und Roma, Homosexueller und vieler weitere ethnischer und politischer Gruppen. Nach dem deutschen Überfall auf Polen im September 1939 eroberte das Deutsche Reich große Teile Europas was die Situation noch erheblich verschärfte: In den besetzten Gebieten Mittel- und Osteuropas wüteten deutsche Truppen besonders und errichteten Vernichtungslager zur systematischen Ermordung der jüdischen Bevölkerung. Mehr als sechs Millionen jüdische Europäer wurden im Holocaust ermordet. Die Gesamtopferzahl des Zweiten Weltkriegs beträgt mindestens 70 Millionen Menschen.
https://de.statista.com/
Ghettorenten für NS-Verfolgte aus Rumänien
Bundesministerium für Arbeit und Soziales
19. Juli 2019
18 weitere Orte als Ghetto anerkannt
Die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Arbeit und Soziales, Kerstin Griese, und der Generaldirektor des israelischen Ministeriums für soziale Gleichheit, Avi Cohen, haben am 18. Juli 2019 ihre Gespräche im Bundesministerium für Arbeit und Soziales in Berlin zur rentenrechtlichen Berücksichtigung von Arbeit in Ghettos in der Zeit des Nationalsozialismus fortgeführt. Anlass des Treffens waren die Ergebnisse historischer Prüfungen zur Einordnung bestimmter Orte in Rumänien als Ghettos. Erstmalig gab es dazu in den vergangenen Monaten eine direkte Kooperation zwischen Deutschland und Israel auf Fachebene.
Es ist der gesamten Bundesregierung und mir persönlich ein Herzensanliegen, dass die Überlebenden des Holocaust die ihnen nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto - kurz ZRBG - zustehenden Renten schnell und unbürokratisch erhalten. Durch die Anerkennung von 18 weiteren Orten in Rumänien als Ghettos können weitere hochbetagte, vom Schicksal der NS-Zeit gezeichnete Menschen nun ebenfalls eine Rente für ihre Arbeit im Ghetto bekommen, so die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Arbeit und Soziales, Kerstin Griese. Dies ist das Ergebnis einer sehr konstruktiven deutsch-israelischen Zusammenarbeit zwischen dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales, dem Bundesministerium der Finanzen, der Deutschen Rentenversicherung, dem israelischen Ministerium für soziale Gleichheit und der Internationalen Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. Das ist ein wegweisender Schritt.
Das Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) ist 2002 im Deutschen Bundestag beschlossen worden, um für diejenigen, die in der Zeit des Nationalsozialismus in einem Ghetto gearbeitet haben, die Zahlung einer Rente zu ermöglichen. Sie wird auch ins Ausland gezahlt. Anlass für das Gesetz war die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Es hatte 1997 in mehreren Grundsatzurteilen entschieden, dass eine in einem Ghetto aufgenommene Tätigkeit nicht immer als Zwangsarbeit zu bewerten ist, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch nach dem deutschen Rentenrecht berücksichtigt werden kann.
Welche Orte als Ghettos im Sinne des ZRBG anerkannt sind, verzeichnet die Bundesregierung in der sogenannten Ghetto-Liste des Bundesministeriums der Finanzen. Diese wird fortlaufend auf Grundlage neuester Erkenntnisse überprüft und aktualisiert. Sie ist auf der Internetseite des Bundesministeriums der Finanzen veröffentlicht.
Nach Gesprächen in Israel, die das Bundesministerium für Finanzen für die deutsche Seite führte, konnte die Unterstützung Yad Vashems gewonnen werden. Von den dortigen Experten wurden die Bedingungen in mehreren Orten in Rumänien geprüft und bewertet. Auf dieser Grundlage können nunmehr weitere Orte der Ghettoliste hinzugefügt werden. Die Ghettoliste wird umgehend entsprechend aktualisiert.
Die Anerkennung ermöglicht die Bewilligung von Ghettorenten für die Arbeit an den neu aufgenommenen Orten durch die Deutsche Rentenversicherung, die dann bei Vorliegen aller sonstigen Voraussetzungen rückwirkend von Juli 1997 an geleistet werden können.
Für im Ghetto geleistete Arbeit können ehemalige NS-Verfolgte neben einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung auch eine einmalige Anerkennungsleistung in Höhe von 2.000 Euro nach der sogenannten Anerkennungsrichtlinie erhalten. Für Personen, denen zwar Ghetto-Beitragszeiten anerkannt wurden, die aber die erforderliche Mindestversicherungszeit von fünf Jahren in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht erfüllen, wird zusätzlich nach dieser Richtlinie ein Rentenersatzzuschlag von einmalig 1.500 Euro gezahlt.
https://www.bmas.de/
Weitere Informationen:
- Liste anerkannter Ghettos - herausgegeben vom Bundesministeriums der Finanzen >>>
- Rentenansprüche für ehemalige Beschäftigte in einem Ghetto - Informationen der Deutschen Rentenversicherung (DRV) >>>
Der Tagesspiegel: Nachfahren geflohener Juden fordern deutsche Staatsbürgerschaft
13.07.2019 – 01:00
Berlin (ots)
Trotz entsprechender Vorgaben des Grundgesetzes bekommen viele Nachfahren geflohener deutscher Juden keine deutsche Staatsbürgerschaft. "Einige kämpfen schon seit 20, 30 Jahren um den deutschen Pass", sagte Nick Courtman, der Sprecher der nach dem Artikel im Grundgesetz benannten Gruppe "116" dem "Tagesspiegel" (Samstagausgabe). Er vertritt die Interessen von über 100 Briten, die als Nachfahren geflohener Juden die Staatsbürgerschaft wollen. Aber eine Besonderheit des deutschen Rechts schließt unter anderem Kinder und Enkelkinder von jüdischen Müttern aus, die aus dem Deutschen Reich geflohen sind und dann aber einen Briten geheiratet haben. Der Brexit, der nahende Verlust des Status als EU-Bürger, hat in Großbritannien zu Dutzenden neuen Anträgen an die deutschen Behörden geführt, um die deutsche Staatsangehörigkeit zu bekommen. Auch Courtman, Enkel einer geflohenen Jüdin, will sie: Die Nachfahren verfolgter Juden hätten nach dem NS-Unrecht die Chance verdient, allesamt die deutsche Staatsbürgerschaft zu bekommen, betont er.
80 Jahre nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wächst der Druck, das Grundgesetz hier mehr zugunsten der Nachfahren geflohener Juden auszulegen. Der Artikel 116 GG wurde durch mehrere Änderungen im Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) immer wieder präzisiert. Da er sehr gut deutsch kann, hat Courtman die Kommunikation mit der Bundesregierung und deutschen Innenpolitikern im Bundestag übernommen (mit Ausnahme der AfD).
Abgelehnt wird bisher auch der Antrag von Alexander Goldbloom, der dem "Tagesspiegel" seine Geschichte geschildert hat: "Mein Antrag auf die deutsche Staatsbürgerschaft wurde im April 2017 mit der Begründung abgelehnt, dass ich die Anforderungen von Artikel 116 Absatz 2 nicht erfülle." In seinem Fall erklärte das Bundesverwaltungsamt in Berlin, dass seine Großmutter (Anita Lippmann) im November 1933 seinen Großvater (einen Engländer - Abraham Goldbloom) geheiratet und daher ihre deutsche Staatsbürgerschaft bei der Eheschließung automatisch aufgegeben habe. Seine Oma wurde 1906 in Berlin-Charlottenburg geboren.
Wegen der vielen Beschwerden wächst auch im Bundestag die Unterstützung. "Ich finde es unwürdig, wie mit den Nachfahren der vertriebenen Antifaschisten und NS-Opfer umgegangen wird", sagte die Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke dem "Tagesspiegel". "Es liegt ja auf der Hand, dass ihre Eltern nicht 'freiwillig' die deutsche Staatsangehörigkeit aufgegeben haben, sondern dass dies in direktem Zusammenhang mit ihrer erzwungenen Flucht aus Nazi-Deutschland stand." Deshalb dränge sie die Bundesregierung dazu, die diskriminierenden Regelungen in der Wiedereinbürgerungspraxis zu beseitigen. Das könne bereits durch eine kleine, aber einschneidende Klarstellung im Staatsangehörigkeitsgesetz geschehen: "Alle Nachfahren von Personen, die vor den Nazis aus rassistischen oder politischen Gründen fliehen mussten und ihre deutsche Staatsangehörigkeit verloren haben, sollen einen Rechtsanspruch auf Wiedereinbürgerung haben." Und zwar unabhängig davon, wen ihre Eltern geheiratet haben oder wann sie geboren worden sind. Auch das zuständige Bundesinnenministerium betonte auf Nachfrage des "Tagesspiegel": "Die Gesamtheit der staatsangehörigkeitsrechtlichen Wiedergutmachungsregelungen ist außerordentlich komplex und heterogen ausgestaltet".
https://www.tagesspiegel.de/politik/streit-um-geflohene-juden-deutschland-blockt-einbuergerung-von-nachfahren-geflohener-nazi-opfer-ab/24588776
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JUSTIZ
Nachfahren geflohener Juden kämpfen um deutschen Pass
Obwohl das Grundgesetz ihnen den Pass grundsätzlich zuspricht, scheitert die Vergabe sehr häufig
13.07.2019 23:44 Uhr
Nachfahren von Juden, die während des Nationalsozialismus aus Deutschland geflohen sind, kämpfen einem Medienbericht zufolge derzeit für die deutsche Staatsbürgerschaft. Obwohl das Grundgesetz ihnen den Pass grundsätzlich zuspricht, bekommen ihn viele nicht, heißt es in einem Bericht des Berliner »Tagesspiegels«.
»Einige kämpfen schon seit 20, 30 Jahren um den deutschen Pass«, sagte etwa Nick Courtman der Zeitung. Das Bundesinnenministerium ist sich nach den Worten einer Sprecherin des Problems bewusst und prüft Änderungen der derzeit komplizierten Regelungen.
BREXIT Courtman ist Enkel einer geflohenen Jüdin und vertritt den Angaben zufolge die Interessen einer Gruppe von rund 100 Briten, die die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten wollen. Der drohende Ausstieg Großbritanniens aus der EU habe zu Dutzenden neuen Anträgen auf den deutschen Pass geführt, heißt es in dem Bericht.
Oberrabbiner Goldschmidt kritisiert die Bundesregierung wegen der in der Praxis sehr häufig scheiternden Passvergabe.
Die deutsche Verfassung spricht den Nachfahren verfolgter Juden grundsätzlich die deutsche Staatsbürgerschaft zu. Im Artikel 116 des Grundgesetzes heißt es: »Frühere deutsche Staatsangehörige, denen zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 die Staatsangehörigkeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen entzogen worden ist, und ihre Abkömmlinge sind auf Antrag wieder einzubürgern.«
In der Praxis werden dem Bericht zufolge die Anträge aber sehr unterschiedlich behandelt. Das Bundesinnenministerium bestätigte etwa, dass es für Nachfahren von jüdischen Frauen, die einen Briten geheiratet haben, schwieriger ist, einen Pass zu bekommen, als für die Ahnen jüdischer Männer.
FRIST Nach Angaben des Ministeriums galt bis zum Jahr 1975, dass eheliche Kinder nur über ihren Vater die deutsche Staatsbürgerschaft erlangen konnten. Die Regelung wurde dann wegen der grundgesetzlich garantierten Gleichberechtigung von Mann und Frau aufgehoben. Für Betroffene wurde aber nur eine Frist von drei Jahren eingeräumt, innerhalb derer sie dann den deutschen Pass hätten beantragen können.
Später wurden den Angaben zufolge für alle vor 1953 Geborenen Erleichterungen beschlossen. Dennoch scheinen von dem komplexen Konstrukt noch nicht alle erfasst, die einen Anspruch haben könnten.»Wir arbeiten mit Hochdruck an einer Regelung, um eine Rechtslage zu schaffen, mit der niemand übersehen wird«, sagte eine Innenministeriumssprecherin.
Nach ihren Worten müssen darüber Gespräche mit dem Bundesjustiz- und-finanzministerium geführt werden. Sie erwarte, dass im Herbst eine Regelung vorliegt, sagte sie.
Deutschland solle sich darüber freuen, dass Nachfahren von verfolgten Juden wieder die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen wollten, betont Goldschmidt.
KRITIK Der Präsident der Konferenz der Europäischen Rabbiner, Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt, kritisiert die Bundesregierung wegen der in der Praxis sehr häufig scheiternden Passvergabe. Er rief das zuständige Ministerium dazu auf, britischen Juden die deutsche Staatsbürgerschaft zuzuerkennen, deren Vorfahren Nazi-Deutschland entkamen.
Deutschland solle sich darüber freuen, dass Nachfahren von verfolgten Juden wieder die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen wollten, weil sie Deutschland wieder vertrauten, sagte Goldschmidt in Bonn. Angesichts dieses dunklen Kapitels der deutschen Geschichte hätte er sich »mehr Taktgefühl und historisches Bewusstsein von den deutschen Behörden erwartet, statt strikt formaljuristisch zu argumentieren«, betonte Goldschmidt. »Es wäre schön, wenn hier für die Betroffenen eine unbürokratische Lösung gefunden wird, die der besonderen historischen und politischen Verantwortung Deutschlands gerecht wird.«
Unterdessen erhielt die Londoner Rabbinerin Baroness Julia Neuberger laut Deutscher Welle diese Woche die Nachricht, dass ihr 2016 eingereichter Antrag auf Einbürgerung, der zwischenzeitlich negativ beschieden worden war, nun doch zu einem positiven Ergebnis führte. Die 67-Jährige gehört dem britischen Oberhaus an.
AUSCHWITZ Neubergers Mutter war 1937 im Alter von 22 Jahren als Flüchtling von Deutschland nach London gekommen. Die Rabbinerin hatte wiederholt erklärt, sie bewundere Deutschland dafür, wie das Land mit seiner nationalsozialistischen Vergangenheit umgegangen sei.
Auch der britische Bariton und Cellist Simon Wallfisch (36) hatte zuletzt die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten. Der Enkel der Auschwitz-Überlebenden Anita Lasker-Wallfisch (93), die am Holocaust-Gedenktag 2018 im Deutschen Bundestag über das unermessliche Leid von Millionen Juden sprach, sagte im Dezember 2018 in der ARD darüber: »Ich bin als Europäer geboren, und ich möchte das bleiben.« ja/epd/kna
https://www.juedische-allgemeine.de/
Bericht: Nachfahren von Juden warten jahrelang auf deutschen Pass
Der Kampf um die deutsche Staatsbürgerschaft
13.07.2019
Eigentlich steht es im Grundgesetz: Nachfahren von Juden, die während des Nationalsozialismus aus Deutschland geflohen sind, haben Anrecht auf einen deutschen Pass. Doch die Wirklichkeit sieht einem Medienbericht zufolge anders aus.
Nachfahren von Juden, die während des Nationalsozialismus aus Deutschland geflohen sind, kämpfen einem Medienbericht zufolge derzeit für die deutsche Staatsbürgerschaft. Obwohl das Grundgesetz ihnen den Pass grundsätzlich zuspricht, bekämen ihn viele nicht, heißt es in einem Bericht des Berliner "Tagesspiegels" (Samstag).
"Einige kämpfen schon seit 20, 30 Jahren um den deutschen Pass", sagte Nick Courtman der Zeitung. Er ist Enkel einer geflohenen Jüdin und vertritt den Angaben zufolge die Interessen einer Gruppe von rund 100 Briten, die die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten wollen.
Anträge werden sehr heterogen behandelt
Im Artikel 116 des Grundgesetzes heißt es: "Frühere deutsche Staatsangehörige, denen zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 die Staatsangehörigkeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen entzogen worden ist, und ihre Abkömmlinge sind auf Antrag wieder einzubürgern."
In der Praxis werden dem Bericht zufolge die Anträge aber sehr unterschiedlich behandelt. So würden Stichtage geltend gemacht oder Nachfahren von jüdischen Frauen, die einen Briten geheiratet haben, keinen Pass bekommen, die Ahnen jüdischer Männer indes schon.
Viele neue Anträge in Großbritannien
Die Nachfahren verfolgter Juden hätten nach dem NS-Unrecht die Chance verdient, allesamt die deutsche Staatsbürgerschaft zu bekommen, sagte Courtman. Dem Bericht zufolge ist er mit Bundestagsabgeordneten und der Bundesregierung über das Thema im Gespräch. Der drohende Ausstieg Großbritanniens aus der EU habe zu Dutzenden neuen Anträgen auf den deutschen Pass geführt.
Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte der Zeitung: "Die Gesamtheit der staatsangehörigkeitsrechtlichen Wiedergutmachungsregelungen ist außerordentlich komplex und heterogen ausgestaltet."
Quelle: epd
https://www.domradio.de/
„Unwürdiger Umgang“: Wie Nachfahren verfolgter Juden am deutschen Einbürgerungsrecht scheitern
Ihre Eltern und Großeltern flohen vor Hitler. Auch wegen des Brexits wollen jüdische Nachfahren aus Großbritannien Deutsche werden – und werden abgelehnt.
Von Georg Ismar
13.07.2019, 09:54 Uhr
Nick Courtman schreibt in Cambridge gerade seine Doktorarbeit über „Arbeit in der Gegenwartsliteratur.“ Doch nun hat ihn die Vergangenheit in einer Art und Weise eingeholt, dass er quasi nebenher noch zum Juristen geworden ist. Der junge Brite, Enkel einer Jüdin, die vor Adolf Hitlers Schergen aus dem Deutschen Reich fliehen musste, kann Artikel 116, Absatz 2 des deutschen Grundgesetzes fast im Schlaf aufsagen, der zentrale Satz: "Frühere deutsche Staatsangehörige, denen zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 die Staatsangehörigkeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen entzogen worden ist, und ihre Abkömmlinge sind auf Antrag wieder einzubürgern."
Der Brexit, der nahende Verlust des Status als EU-Bürger, hat in Großbritannien zu Dutzenden neuen Anträgen an die deutschen Behörden, vor allem an die Botschaft in London geführt, um die deutsche Staatsangehörigkeit zu bekommen. Auch Courtman will sie, aber er betont, das Problem gebe es seit langem. Viele Nachfahren verfolgter Juden hätten nach dem NS-Unrecht die Chance verdient, die deutsche Staatsbürgerschaft zu bekommen.
Aber sein Antrag gilt bisher als aussichtlos, so wie viele andere auch. Bei Courtman (28) war die Großmutter Deutsche, nach der Flucht heiratete sie einen Briten – aber nur wenn es umgekehrt gewesen wäre, also der Vater deutscher Jude, die Mutter Britin, hätte er jetzt einen deutschen Pass. "Einige kämpfen schon seit 20,30 Jahren um den deutschen Pass", sagt er.
Courtman kritisiert eine teils willkürliche Auslegung des Passus "sind auf Antrag wieder einzubürgern" – dahinter verbergen sich komplexe Regelungen, die durch Rechtsprechungen immer wieder verändert worden sind. Er hat viel Fachliteratur gelesen, im Bundesarchiv Koblenz geforscht.
Einbürgerung: Nachfahren kassieren of Absagen
80 Jahre nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wächst der Druck, das Grundgesetz hier mehr zugunsten der Nachfahren geflohener Juden auszulegen. Der Artikel 116 GG wurde durch mehrere Änderungen im Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) immer wieder präzisiert. Und viele Ansprüche auf einen Staatsbürgerschafts-Antrag waren an Fristen gekoppelt – wenn diese verjährt sind, wird es schwierig. Aber zugleich gilt bis heute hierzulande das Abstammungsprinzip (ius sanguinis) – das „Vererben“ einer deutschen Staatsbürgerschaft.
Juden, die zwischen 1933 und 1945 geflohen sind, wurden in der Regel ausgebürgert und verloren die deutsche Staatsbürgerschaft. Doch die Nachfahren, die sie gemäß des ius sanguinis zurückhaben wollen, kassieren oft Absagen. Courtman hat ein „best of“ der seltsam anmutenden Regelungen erstellt. Diese Gruppen können keine deutsche Staatsbürgerschaft bekommen bisher – und damit auch nicht die weiteren Nachfahren:
Ein lohnender Fachaufsatz dazu stammt von Esther Weizsäcker ("Wiedereinbürgerungsansprüche und Perpetuierung von Diskriminierung : Nachkommen während der NS-Zeit geflohener Emigrantinnen und Emigranten im deutschen Staatsangehörigkeitsrecht"). Er wirft die Frage auf, ob man hier nicht das Recht einfacher gestalten sollte. "Eine Rückkehr der Nachkommen während der NS-Zeit aus Deutschland geflohener Emigrantinnen und Emigranten sowie eine Stärkung ihrer Bindung an Deutschland durch den Zugang zur deutschen Staatsangehörigkeit liegt in jedem Fall im innen- und außenpolitischen Interesse Deutschlands", betont sie.
Deutsche Wurzeln bis ins 17. Jahrhundert reichen nicht
Da er sehr gut deutsch kann, hat Courtman die Kommunikation mit der Bundesregierung und deutschen Innenpolitikern im Bundestag übernommen (mit Ausnahme der AfD). Rund 100 Gleichgesinnte umfasst die „116er-Gruppe“. Seit vor ein paar Tagen der Guardian („Descendants of Jews who fled Nazis unite to fight for German citizenship“) über die vielen negativen Bescheide berichtet hat, hat Courtman nochmal über 100 Anfragen bekommen.
Abgelehnt wird bisher auch der Antrag von Alexander Goldbloom, der dem Tagesspiegel seine Geschichte geschildert hat. „Mein Antrag auf die deutsche Staatsbürgerschaft wurde im April 2017 mit der Begründung abgelehnt, dass ich die Anforderungen von Artikel 116 Absatz 2 nicht erfülle.“ In seinem Fall erklärte das Bundesverwaltungsamt in Berlin, dass seine Großmutter (Anita Lippmann) im November 1933 seinen Großvater (einen Engländer - Abraham Goldbloom) geheiratet habe und daher ihre deutsche Staatsbürgerschaft bei der Eheschließung automatisch aufgegeben habe.
Seine Großmutter wurde 1906 in Berlin-Charlottenburg geboren. Ihr Vater und seine Familie führten ein Hamburger Unternehmen (H.H. Lippmann), das Metallwaren herstellte – die deutschen Wurzeln der Familien reichen bis in das 17. Jahrhundert zurück. Später wuchs Alexander Goldblooms Großmutter dann in Wannsee auf. "Das Haus in der Bismarckstraße steht noch", berichtet er. "Als Kind zeigte mir meine Großmutter ein NS-Propagandabuch und erzählte mir, dass sie es gelesen habe und danach beschloss, zu fliehen." Weil sie aber erst nach der Flucht den Mann fürs Leben fand, er aber Brite und nicht deutscher Jude war, kann Goldbloom bisher auch nicht die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen, die er so gern hätte.
Rechtsanspruch auf Wiedereinbürgerung könnte Problem lösen
Wegen der vielen Beschwerden wächst auch im Bundestag die Unterstützung. „Ich finde es unwürdig, wie mit den Nachfahren der vertriebenen Antifaschisten und NS-Opfer umgegangen wird“, sagt die Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke. „Es liegt ja auf der Hand, dass ihre Eltern nicht 'freiwillig' die deutsche Staatsangehörigkeit aufgegeben haben, sondern dass dies in direktem Zusammenhang mit ihrer erzwungenen Flucht aus Nazi-Deutschland stand.“
Deshalb dränge sie die Bundesregierung schon seit Monaten dazu, die diskriminierenden Regelungen in der Wiedereinbürgerungspraxis zu beseitigen. Das könne bereits durch eine kleine, aber einschneidende Klarstellung im Staatsangehörigkeitsgesetz geschehen: „Alle Nachfahren von Personen, die vor den Nazis aus rassistischen oder politischen Gründen fliehen mussten und ihre deutsche Staatsangehörigkeit verloren haben, sollen einen Rechtsanspruch auf Wiedereinbürgerung haben.“ Und zwar unabhängig davon, wen ihre Eltern geheiratet haben oder wann sie geboren worden sind.
Der deutsche Staat zieht sich auch auf bestimmte Stichtagsregelungen zurück; abhängig vom Geburtsjahrgang, dadurch sind viele jüdische Nachfahren bislang von der Wiedereinbürgerungs-Garantie nach Artikel 116, Absatz 2 GG ausgeschlossen und auf sogenannte Ermessens-Einbürgerungen angewiesen, die halt bisher aber häufig abgelehnt werden. Immerhin lockerten Gerichte immer wieder einige Regelungen - aber dann gab es zum Beispiel 1975 nur dreijährige Fristen, in der die betroffenen Personengruppen ihren Antrag auf Einbürgerung hätten stellen müssen.
Großbritannien Brexit: Anträge auf Wiedereinbürgerung in Deutschland stark gestiegen
„Die Gesamtheit der staatsangehörigkeitsrechtlichen Wiedergutmachungsregelungen ist außerordentlich komplex und heterogen ausgestaltet“, räumt der Sprecher des zuständigen Bundesinnenministeriums ein. Zumindest da sind sich fast alle einig: Auch Courtman und den anderen Nachfahren von Juden, die so viel Leid erleiden und ihre Heimat verlassen mussten, erschließt sich vieles in der deutschen Staatsbürgerschafts-Vergabepraxis einfach nicht.
https://www.tagesspiegel.de/
Forderung nach Entschädigungsleistungen für alle NS-Opfer
Der Bundestag hat am Donnerstag, 26. Januar 2017, erstmals einen Antrag der Fraktion Die Linke (18/10969) beraten, in dem sich diese für eine Angleichung der Entschädigungsleistungen für alle NS-Opfer an die Leistungen des Bundesentschädigungsgesetzes ausspricht. Der Antrag wurde an den Haushaltsausschuss überwiesen. Die Reden wurden zu Protokoll gegeben.
Antrag der Linken
Die Linke stellt fest, dass die Regelungen zur Entschädigung für Verfolgte des Naziregimes nicht den politischen und moralischen Erfordernissen entsprechen. Im Ergebnis würden die von den Härterichtlinien des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes erfassten NS-Opfer bis heute schlechter behandelt als jene Verfolgten, die auf Grundlage des Bundesentschädigungsgesetzes entschädigt werden. Die Unterstellung, die einen hätten ein weniger schweres Verfolgungsschicksal gehabt als die anderen entbehre jeder Grundlage.
Die Fraktion fordert die Bundesregierung unter anderem auf, die Opfergruppe des „Zwangsgermanisierten“ als NS-Oper im Sinne der Härterichtlinien des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes anzuerkennen und die Leistungen für NS-Verfolgte im Sinne der Härterichtlinien an die Leistungen, die im Bundesentschädigungsgesetz vorgesehen sind, anzugleichen. (sas/vom/26.01.2017)
https://www.bundestag.de/
Deutsche Reparationen: Blutgeld und Wiedergutmachung
Wer einen Krieg verliert, muss die Folgen tragen. Das galt auch für Deutschland nach 1945. Ein regulärer Vertrag über deutsche Reparationszahlungen wurde nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch nie geschlossen.
Mai 1945: Das deutsche NS-Regime kapituliert bedingungslos. US-amerikanische, sowjetische und britische Truppen besetzen Deutschland. Millionen Menschen sind heimatlos, Flüchtlingsströme ziehen von Ost nach West. Die Alliierten beginnen, Deutschland politisch und geographisch neu zu ordnen. Auf der Konferenz von Potsdam, die vom 17. Juli bis zum 2. August 1945 im Potsdamer Schloss Cecilienhof stattfindet, beraten sie über das weitere Vorgehen. Die USA setzen das Prinzip der Reparationsentnahme auf Zonenbasis durch: Danach soll jede Besatzungsmacht ihre Reparationsansprüche aus der eigenen Zone abdecken. Die Höhe der deutschen Zahlungen wird nicht festgelegt.
In der sowjetisch besetzten Zone werden in einer Boden- und Industriereform die Großgrundbesitzer enteignet und alle größeren Industriebetriebe verstaatlicht. Die Demontage von Industrieanlagen erfolgt im Osten sehr viel intensiver als in den Westzonen. Bis 1953 büßt die DDR rund 30 Prozent ihrer industriellen Kapazitäten ein. "Das hing damit zusammen, dass die Deutschen in der Sowjetunion ungeheure Zerstörungen angerichtet hatten und es dort einer umfangreicheren Kompensation bedurfte", so Manfred Görtemaker, Professor für Neuere Geschichte an der Universität Potsdam.
Weitgehender Verzicht auf Reparationszahlungen
Die Westmächte hingegen brauchen die Bundesrepublik als Verbündeten im Kalten Krieg. Wirtschaftlich und politisch soll Deutschland eine Art Bollwerk gegen den Kommunismus werden. Denn nach dem Ende der Potsdamer Konferenz wird vor allem eines deutlich: Die Allianz der Siegermächte ist rasch in erbitterte Konfrontation zwischen Ost und West umgeschlagen.
Im Pariser Reparationsabkommen von 1946 einigen sich die westlichen Siegermächte darauf, wie sie Reparationen unter sich verteilen wollen. Zudem legte man deutsche Wiedergutmachungs-Verpflichtungen fest, um Flüchtlinge und Opfer nationalsozialistischer Verfolgung zu entschädigen. Eine Gesamtsumme der Reparationen nennt der Vertrag allerdings nicht. "Die USA hatten die Erfahrung der Reparationsproblematik nach dem Ersten Weltkrieg vor Augen", so Historiker Görtemaker. Damals war die deutsche Wirtschaft über einen langen Zeitraum hinweg nicht mehr auf die Beine gekommen - am Ende hatte der Aufstieg Hitlers gestanden. "Daher waren die Amerikaner und im begrenzten Maße auch die Briten der Meinung, dass man auf Reparationen weitgehend verzichten müsse, um den Deutschen den wirtschaftlichen Wiederaufstieg zu ermöglichen."
Um diesen wirtschaftlichen Aufstieg zu erleichtern, gibt US-Außenminister George C. Marshall im Jahr 1947 den Auftrag, einen Plan für die Wiederbelebung Europas auszuarbeiten. Bis 1952 stellen die USA den westeuropäischen Ländern 12,4 Milliarden Dollar zur Verfügung. Gut zehn Prozent davon gehen nach Westdeutschland.
Wiedergutmachungszahlungen an Israel
Mit dem Londoner Schuldenabkommen von 1953 verpflichtet sich die Bundesrepublik zur Rückzahlung von Schulden, die sich nicht auf Folgen oder Schäden des Zweiten Weltkrieges beziehen, sondern auf Verbindlichkeiten aus der Vor- und Nachkriegszeit. Der Bundesrepublik gelingt es, die Schulden von ursprünglich 29 auf 14,5 Milliarden D-Mark zu drücken. Die deutsche Delegation erreicht zudem, dass die ehemaligen Kriegsgegner auch deutsche Forderungen an das Ausland anerkennen. Damit ist gewährleistet, dass Kredite in die aufstrebende Bundesrepublik fließen können. Das befördert den wirtschaftlichen Aufschwung, zumal die Kreditgeber ihre Märkte auch für deutsche Waren öffnen. Alle erdenklichen Ansprüche aus der Kriegszeit werden auf einen späteren Friedensvertrag vertagt.
Nur wenige Tage nach dem Londoner Schuldenabkommen verabschiedet der deutsche Bundestag ein Wiedergutmachungsabkommen mit Israel. Das jüdische Gemeinwesen erhält von der Bundesrepublik Warenlieferungen im Wert von drei Milliarden D-Mark - umgerechnet etwa 1,5 Milliarden Euro. Die Jewish Claims Conference bekommt 450 Millionen D-Mark. Zudem zahlt Deutschland bis zum Jahr 2000 rund 83 Milliarden D-Mark an ehemalige Zwangsarbeiter und KZ-Insassen.
Mit dem Londoner Schuldenabkommen und der Wiedergutmachungsvereinbarung mit Israel hatte Kanzler Adenauer vor allem ein politisches Ziel im Auge: Deutschlands Westintegration voranzutreiben und das Land als verlässlichen Schuldner gegenüber dem Ausland zu präsentieren.
"Anstatt eines Friedensvertrags"
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs gibt es zunächst keinen Friedensvertrag, in dem Reparationsleistungen geregelt werden können. Deutschland ist geteilt und unter alliierter Verwaltung. Als 1989 die deutsche Wiedervereinigung Wirklichkeit wird, versuchte der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl, zu verhindern, dass die Reparationsfrage aufgeworfen wird. Kohl fürchtet Reparationsforderungen aller 62 Staaten, die mit Deutschland einst im Kriegszustand waren. Im "Zwei-plus-Vier-Vertrag" genanntem Abkommen, das die Einheit und Souveränität Deutschlands herstellt, setzt er sich durch: Reparationen werden darin nicht erwähnt. Um möglichen Reparationsforderungen einzelner Staaten nicht nachkommen zu müssen, wird die Sprachregelung "Anstatt eines Friedensvertrags" getroffen.
Das Thema schien begraben, bis die griechische Regierung 2015 die Reparationsfrage wieder ins Spiel bringt: Knapp 280 Milliarden Euro schulde Deutschland den Griechen, so der griechische Vizefinanzminister Dimitris Mardas. Die Bundesregierung lehnt die Forderungen bis heute ab. "Wenn Griechenland 300 Milliarden fordert, was könnte dann Russland fordern? 100 Billionen?" fragt der Freiburger Historiker Ulrich Herbert. Denn die Sowjetunion war in viel stärkerem Maße von den Plünderungen und Verbrechen des NS-Staates betroffen. Förmliche Zahlungen an Griechenland würden vielfach höhere Ansprüche anderer Opfergruppen auslösen, die am Ende unbezahlbaren wären.
Datum 17.07.2015
Autorin/Autor Michael Marek
https://www.dw.com/
Reparationen Deutschlands für Zweiten Weltkrieg:
Summe der Schande
17. März 2015, 15:02 Uhr
Die Bundesrepublik zahlte bislang 71 Milliarden Euro für von den Nazis begangenes Unrecht - pauschal an Staaten, aber auch an einzelne Opfer.
Die Griechen hatten gleich nach dem Krieg umgerechnet 14 Milliarden Euro gefordert - Deutschland zahlte nur 115 Millionen D-Mark Opferentschädigung.
Nirgendwo außerhalb Osteuropas war die deutsche Besatzung so brutal wie in Griechenland, wo damals Hunderttausende Einheimische ums Leben kamen.
Von Joachim Käppner
115 Millionen Mark - das klingt nach viel Geld. Und da es vor einem guten halben Jahrhundert gezahlt wurde, entspricht es heute einer weit höheren Summe, bald einer halben Milliarde Euro. Gezahlt wurde sie, nachdem die Bundesrepublik Deutschland 1960 ein Entschädigungsabkommen mit Griechenland geschlossen hatte. Gedacht waren die 115 Millionen D-Mark für Opfer der NS-Herrschaft.
Von diesen gab es aber viele, sehr viele. Nirgendwo außerhalb Osteuropas war die deutsche Besatzung so brutal. Das Land, das im 19. Jahrhundert den Befreiungskampf der Griechen in philhellenischem Überschwang gefeiert hatte, brachte 1941 bis 1944 den Horror über Griechenland. 80 000 Menschen starben durch "Partisanenbekämpfung", eine Viertelmillion Griechen erlagen Hunger und Erschöpfung, Zehntausende griechische Juden kamen in den Vernichtungslagern um.
Verglichen damit sind 115 Millionen D-Mark Opferentschädigung kein großer Betrag. Die Griechen hatten gleich nach dem Krieg umgerechnet 14 Milliarden Euro gefordert, zum Ausgleich der ungeheuren Schäden durch die Besatzungsherrschaft.
Nach deutscher Rechnung hat die Bundesrepublik bislang insgesamt etwa 71 Milliarden Euro im Zusammenhang mit Entschädigungsleistungen für Naziunrecht gezahlt, knapp 47 Milliarden davon, fast zwei Drittel, nach dem BEG, dem Bundesentschädigungsgesetz von 1956. Dies galt im Wesentlichen aber nur für deutsche NS-Opfer, nicht für ausländische.
Globalabkommen sollte alles ein für allemal regeln
Damals herrschte Kalter Krieg. Die westlichen Siegermächte wollten eine starke Bundesrepublik und hatten, anders als es 1919 der Fall war, gar nicht erst versucht, die deutsche Seite für alle während des Krieges verursachten Schäden haftbar zu machen. Bundeskanzler Konrad Adenauer setzte innenpolitisch aber ein Sonderabkommen mit Israel durch, unterzeichnet 1952 in Luxemburg.
Darin sagte Deutschland wegen des Holocaust drei Milliarden D-Mark als "globale Erstattung der entstandenen Eingliederungskosten für entwurzelte und mittellose jüdische Flüchtlinge aus Deutschland und den ehemals unter deutscher Herrschaft stehenden Gebieten" zu. Hinzu kamen 450 Millionen D-Mark an die Jewish Claims Conference zur Unterstützung jüdischer Opfer der NS-Verfolgung außerhalb Israels. Später wurde das durch Härtefallregelungen und weitere Sonderleistungen für jüdische Opfer ergänzt.
Die Einigung mit Athen von 1960 war Teil jener "Globalabkommen" zur Wiedergutmachung, die Bonn mit mehreren westeuropäischen Staaten schloss. Wie das Geld an die NS-Opfer ausgezahlt wurde, war Sache der jeweiligen Regierung. Nach der Wiedervereinigung 1990 kamen entsprechende Entschädigungen für die osteuropäischen Staaten hinzu, vor allem für Russland und Polen.
Russland, Weißrussland und die Ukraine erhielten 511,3 Millionen Euro, Polen 255,6. Insgesamt wurden über die Globalverträge etwa anderthalb Milliarden Euro gezahlt, wesentlich weniger als über das BEG für deutsche NS-Opfer. Endgültige Regelungen sollte ein Friedensvertrag bringen, zu dem es aber nicht kam. Mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag zur deutschen Einheit sind aus deutscher Sicht völkerrechtlich alle weiteren Ansprüche erloschen.
https://www.sueddeutsche.de/
Zieht Deutschland wieder nach Den Haag? Neuer Stand im Entschädigungsstreit wegen NS-Massaker in Distomo
Freitag, 4. September 2015 - 17:36
Mit immer neuen Tricks versucht sich die Bundesrepublik als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches um Entschädigungsverpflichtungen zu drücken, die aus den Massakern von SS und Wehrmacht an der Zivilbevölkerung in Ländern wie Italien, Griechenland oder dem ehemaligen Jugoslawien entstanden sind. Bis vor den Europäischen Gerichtshof in Den Haag zog die deutsche Bundesregierung und erhielt dort Recht: "Staatenimmunität" zog der IGH den Menschenrechten der Opfer vor. Das italienische Verfassungsgericht sah das allerdings in einem Urteil aus dem letzten Jahr anders, daher könnten in Italien weiterhin Entschädigungsurteile vollstreckt werden. Eine praktische Möglichkeit dazu sind Pfändungen deutschen Eigentums in Italien. Diese Chance wollen auch KlägerInnen aus dem griechischen Distomo. Doch die Bundesregierung ersinnt diverse Ausreden, warum die Pfändungen nicht möglich sein sollen, und will nun allem Anschein nach auch erneut vor den IGH ziehen.
Martin Klingner vom AK Distomo gab uns einen Überblick über den aktuellen Stand der Auseinandersetzungen um die Entschädigungen. Außerdem sprachen wir mit ihm über den Schadenersatz auf zwischenstaatlicher Ebene, über die Reparationen, die Deutschland Griechenland noch schuldet - ein Thema, das wieder in der Versenkung verschwunden ist.
https://rdl.de/beitrag/
Analysen und Berichte
Die Geschichte des Reichsfinanzministeriums in der Zeit des Nationalsozialismus
Das BMF hat eine unabhängige Historiker-Kommission beauftragt, die Geschichte des Reichsfinanzministeriums in der Zeit des Nationalsozialismus (NS) zu erforschen.
In insgesamt sechs Teilprojekten werden Funktion und Tätigkeit des Ministeriums mit Beiträgen zur Behördengeschichte und zur Finanzpolitik, aber auch zum Mitwirken an nationalsozialistischen Verfolgungs- und Raubmaßnahmen im In- und Ausland beleuchtet.
Die Forschungsergebnisse machen deutlich, dass das Reichsfinanzministerium und seine Angehörigen nicht fachlich neutral arbeiteten, sondern tief in das Wirken des nationalsozialistischen Unrechtsregimes verstrickt waren.
Die Idee für das Projekt
Das BMF ist seit den Anfängen der Bundesrepublik mit Fragen der Wiedergutmachung von NS-Unrecht befasst. In den Verfahren der Wiedergutmachung ging es in vielen Einzelfällen immer wieder darum, historische Vorgänge und Sachverhalte aufzuklären, um Verfolgte des NS-Regimes angemessen entschädigen zu können. Überdies ging es im Zusammenhang mit der deutschen Einheit um Fragen der Wiedergutmachung, aber auch um die Prüfung, ob vermögensrechtliche Ansprüche abzulehnen sind, weil Anspruchsteller selbst in staatliches Unrecht verstrickt waren. Aus dieser fachlichen Verantwortung besteht im BMF seit jeher eine besondere Kenntnis und Verantwortung hinsichtlich der deutschen Vergangenheit und deren Nachwirken bis in die Gegenwart.
Das Auswärtige Amt hatte im Jahr 2005 aufgrund einer in die Kritik geratenen Nachrufpraxis für ehemalige Angehörige eine Historiker-Kommission berufen, um klären zu lassen, in
https://www.bundesfinanzministerium.de/
welchen historischen Zusammenhängen das eigene Haus steht und insbesondere, ob und in welchem Umfang sich mögliche personelle Kontinuitäten aus der NS-Zeit bis in die frühe Bundesrepublik nachzeichnen lassen. Angesichts dieses Forschungsauftrags entstand im BMF der Wunsch, die bisherige Beschäftigung mit der NS-Vergangenheit auf eine systematischere und wissenschaftlich gesicherte Basis zu stellen. Es ging vor allem um die Frage, auf welche Weise und in welchem Ausmaß die Vorgängerverwaltung in die Verfolgung und Beraubung von Menschen unter der NS-Herrschaft verstrickt war. Um dies zu klären, sollte die Funktion und die Tätigkeit des Reichsfinanzministeriums in der Zeit des Nationalsozialismus, also im Zeitraum von 1933 bis 1945, durch eine Historiker-Kommission untersucht werden.
https://www.bundesfinanzministerium.de/
Zur Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern
Pressemitteilung Nr. 1/2005 vom 4. Januar 2005
Beschluss vom 07. Dezember 2004
1 BvR 1804/03
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat die Verfassungsbeschwerde (Vb) von vier ehemaligen NS-Zwangsarbeitern, die vor den Zivilgerichten erfolglos auf Schadensersatz und Schmerzensgeld geklagt hatten, nicht zur Entscheidung angenommen.
Hintergrund:
Während des Zweiten Weltkriegs wurden im Machtbereich des Deutschen Reichs Millionen Menschen deportiert und in Lager verschiedener Art verschleppt. Dort sowie in der Privatwirtschaft in Deutschland und den besetzten Ländern wurden sie zu Arbeitsleistungen gezwungen. Besonders hart war das Los der in Konzentrationslagern Inhaftierten. Die Unmenschlichkeit war weiter gesteigert für diejenigen, die in Vernichtungslagern wie Auschwitz arbeiteten. Sehr viele starben. Die Überlebenden konnten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Entschädigung für das ihnen zugefügte Unrecht erwarten.
Zu einer solchen Entschädigung kam es lange Zeit jedoch nicht. Erst eine Reihe von Sammelklagen ehemaliger Zwangsarbeiter gegen deutsche Unternehmen in den USA in den 90er Jahren gab den Anstoß, nach einer Lösung zu suchen. Nach langwierigen Verhandlungen unter Beteiligung der USA, Israels, Russlands, Polens, Tschechiens, der Ukraine, Weißrusslands, der Stifterinitiative deutscher Unternehmen, der Claims Conference sowie einer Reihe von Anwälten, die Opfer des Nationalsozialismus vertraten, schloss die Bundesrepublik Deutschland mit den USA ein Regierungsabkommen über die Errichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft". Am 2. August 2000 trat das Gesetz zur Errichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" (EVZStiftG) in Kraft. Mit der Stiftung wollen die Bundesrepublik Deutschland und deutsche Unternehmen ein Zeichen ihrer historischen und moralischen Verantwortung für die Opfer des Nationalsozialismus setzen. Nach dem Stiftungsgesetz wird die Stiftung mit einem Vermögen von 10 Milliarden DM ausgestattet, die je zur Hälfte von der Bundesrepublik und von der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft aufgebracht werden sollen. Die Leistungsberechtigten erhalten Ansprüche gegen die Stiftung in einer Höhe bis zu 15.000 DM. Nach § 16 Abs. 1 Satz 2 EVZStiftG sind etwaige weitergehende Ansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland und gegen deutsche Unternehmen im Zusammenhang mit nationalsozialistischem Unrecht ausgeschlossen. Im Juni 2001 begann die Stiftung mit den Auszahlungen an die bis zu 1,7 Millionen Leistungsberechtigten. Im Sommer 2005 soll die Auszahlung insgesamt abgeschlossen werden.
Sachverhalt:
Die zwischen 1915 und 1925 geborenen Beschwerdeführer (Bf; einer der Bf ist inzwischen verstorben) wurden nach der Besetzung Polens durch die Deutsche Wehrmacht gefangen genommen, weil sie Juden waren. Sie mussten als Häftlinge des KZ Auschwitz-Monowitz Zwangsarbeit in dem dortigen Betrieb der I.G. Farbenindustrie AG leisten. Unter unmenschlichen Bedingungen und ohne ausreichende Ernährung mussten die Bf etwa 84 Stunden in der Woche schwerste Arbeit verrichten. Sobald Zwangsarbeiter der I.G Farbenindustrie nicht mehr arbeitsfähig waren, wurden sie der SS zur Ermordung im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau übergeben.
Am 29. und 30. Juli 1948 verurteile das Militärgericht der Vereinigten Staaten in Nürnberg 13 Vorstandsmitglieder und leitende Angestellte des Unternehmens zu Freiheitsstrafen. Der Konzern wurde von den Alliierten in die Unternehmen Bayer, Hoechst, BASF sowie weitere Unternehmen aufgespalten, die Rechtsnachfolge verblieb bei der I.G. Farbenindustrie AG in Abwicklung.
Die zivilrechtliche Klage der Bf gegen die I.G. Farbenindustrie auf Schadensersatz und Schmerzensgeld blieb in allen Instanzen ohne Erfolg. Mit ihrer gegen die Entscheidungen gerichteten Vb rügen die Bf die Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Abs. 2 sowie Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 GG.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Die Voraussetzungen für eine Annahme der Vb zur Entscheidung liegen nicht vor, da sie keine Aussicht auf Erfolg hat. Die Bf sind nicht in ihrem Eigentumsrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) verletzt.
1. Die Ansprüche der Bf, die sie auf Grund der Zwangsarbeit erlangt haben, werden von der Eigentumsgarantie erfasst. Die Bf wurden in dem Betrieb der Beklagten unter Bedingungen zur Arbeit gezwungen, die, wären sie nicht befreit worden, ihren sicheren Tod bedeutet hätten. Hieraus stehen den Bf gegen die Beklagte schuldrechtliche Ansprüche auf Schadensersatz, Schmerzensgeld und Wertersatz für die erbrachten Arbeitsleistungen zu.
Allerdings können die Ansprüche - unabhängig von der Frage der Verjährung - infolge der Regelungen des Stiftungsgesetzes nicht mehr gegen die Beklagte geltend gemacht werden. Denn durch das Stiftungsgesetz werden etwaige Ansprüche gegen deutsche Unternehmen in solche gegen die Stiftung umgeformt.
2. Der Gesetzgeber hat mit den Vorschriften des Stiftungsgesetzes eine auf einen gerechten Interessenausgleich zielende Gesamtregelung vorgenommen. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die im Stiftungsgesetz enthaltenen Regelungen über die Anspruchsberechtigung von Zwangsarbeitern stellen eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums dar. Die Frage, wie weit der Gesetzgeber Inhalt und Schranken bestimmen darf, lässt sich nicht unabhängig davon beantworten, aus welchen Gründen der Eigentümer seine Position erworben hat und ob sie durch einen personalen oder sozialen Bezug geprägt ist. Die Ansprüche der Bf beruhen auf erlittenem Unrecht, auf Leistungen des ausgebeuteten Opfers und erlittenen Qualen. Ein stärkerer personaler Bezug der Eigentumsposition als der des Ausgleichsanspruchs von Menschen, die buchstäblich um ihr Leben arbeiten mussten, ist kaum vorstellbar.
Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers wird auch durch die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse beeinflusst. Die Bundesregierung und der Gesetzgeber des Jahres 2000 hatten mit der ungelösten Frage der Zwangsarbeiterentschädigung ein Problem zu bewältigen, dessen Regelung frühere Bundesregierungen stets aufgeschoben hatten. Es bestand ein dringendes Bedürfnis, endlich einen Weg zur möglichst abschließenden vermögensrechtlichen Bewältigung dieser Folgen des nationalsozialistischen Unrechts zu finden. Die Errichtung der Stiftung stellte eine späte entschädigungsrechtliche Anerkennung des den Zwangsarbeitern zugefügten Unrechts dar. Die vorgesehenen Zahlungen sollten Finanzwert und Symbolwert haben. Den Geschädigten sollten langwierige rechtliche Auseinandersetzungen erspart werden. Zudem sollte die Chance verbessert werden, dass die Geschädigten Zahlungen noch zu Lebzeiten erhalten.
Deshalb durfte der Gesetzgeber es für geboten halten, nicht zunächst alle noch streitigen Rechtsfragen zu klären, sondern eine pauschale Regelung zu treffen. Insbesondere durfte er berücksichtigten, dass der Inhalt des zu erlassenden Gesetzes weitgehend vorgegeben war durch die Einigung, die zwischen der Bundesregierung und den Regierungen verschiedener ausländischer Staaten sowie den Vertretern ehemaliger Zwangsarbeiter erreicht worden war. Die getroffene Regelung wäre nicht zustande gekommen, wenn diese Beteiligten nicht davon überzeugt gewesen wären, dass die schließlich gefundene Konstruktion angesichts der vielen Unsicherheiten auch für die ehemaligen Zwangsarbeiter eine angemessene Lösung schaffen würde.
3. Auch die im Stiftungsgesetz konkret getroffenen Vorkehrungen genügen verfassungsrechtlichen Anforderungen, die an einen gerechten Interessenausgleich zu stellen sind.
Das Gesetz bezweckt den Ausgleich zwischen den Interessen der ehemaligen Zwangsarbeiter und dem Interesse deutscher Unternehmen und der Bundesrepublik Deutschland an einem ausreichenden Maß an Rechtssicherheit. Dies versucht das Gesetz dadurch zu erreichen, dass etwaige Ansprüche gegen deutsche Unternehmen in solche gegen die Stiftung umgeformt werden.
Die von den Bf vor allem angegriffene Bestimmung des § 16 Abs. 1 Satz 2 EVZStiftG ist im Rahmen des Gesamtausgleichs nicht unangemessen. Die damit verbundene Beeinträchtigung des Eigentumsrechts der Bf ist nur im Rahmen der einverständlich gefundenen Gesamtregelung zu rechtfertigen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Regelung zu Verbesserungen für die Rechtsposition der Gesamtheit der etwa 1,7 Millionen noch lebenden Zwangsarbeiter führt. Sie trägt den erheblichen Unsicherheiten Rechnung, unter denen die Durchsetzung der Ansprüche steht. Ohne die Einrichtung der Stiftung hätte, wenn überhaupt, nur ein äußerst geringer Bruchteil der früheren Zwangsarbeiter die an sich bestehenden Ansprüche tatsächlich durchsetzen können. Erst der Druck der Gemeinschaft der Geschädigten hat es ermöglicht, innerhalb kurzer Zeit der Gesamtheit aller noch lebenden ehemaligen Zwangsarbeiter eine Entschädigung zukommen zu lassen. Daher trifft den Einzelnen, nachdem die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft von Geschädigten seinen Anspruch erst realisierbar gemacht hat, eine - begrenzte - Pflicht, eine Neuordnung der Berechtigung hinzunehmen, die auf eine Stärkung der Rechtsposition zielt. Mögliche Nachteile für den Einzelnen müssen gegen die insgesamt erzielten Vorteile abgewogen werden.
Allerdings ist die durch die Stiftung bewirkte Belastung der deutschen Wirtschaft gemessen an dem den Zwangsarbeitern zugefügten Unrecht und an den den Unternehmen zugeflossenen Vorteilen gering. Auch kommen Unternehmen in den Genuss der Regelung, die eine Zahlung an die Stiftung verweigert haben, obwohl auch sie Zwangsarbeiter beschäftigt hatten. Der Bund hat einen wesentlichen Teil der Stiftungslasten selbst getragen, um eine endgültige und schnelle Lösung erreichen zu können. Da es um Leistungen an die geschädigten Zwangsarbeiter, nicht aber um eine Sanktion gegen Unternehmen ging, wird die gewählte Lösung nicht dadurch zu einer verfassungsrechtlich unangemessenen, dass der Staat den größten Anteil an Lasten übernommen hat.
Ungeachtet der vielen Unzulänglichkeiten, mit denen eine so späte und so schwierige Bewältigung der Unrechtsfolgen verbunden sein musste, durfte der Gesetzgeber daher die getroffene Regelung als angemessenen Interessenausgleich werten.
Karlsruhe, den 4. Januar 2005
https://www.bundesverfassungsgericht.de/
Siehe auch :
- NS-Vergangenheitsbewältigung >>>
- Gerichtliche Verfahren beim Amtsgericht Mosbach >>>
- Reparationen und Entschädigungen >>>
- Öffentlichkeitsarbeit >>>
- Bildungsarbeit >>>
»Nachts kommt das KZ zurück«
18.03.1979, 13.00 Uhr • aus DER SPIEGEL 12/1979
Manfred Ludwig Kopp war 18, als ihn die Gestapo holte, »wegen Verbreitung marxistischer Tendenzen Sein Vater, fanatischer Nazi und Kartonagenfabrikant in Augsburg, hatte die Maßnahme erbeten.
In Buchenwald wurde Kopp von der 55 zusammengeschlagen und ausgepeitscht, im Steinbruch von Mauthausen geschunden, in Afrika bei der »Bewährungstruppe 999« mußte er Minen räumen. Als der Krieg vorbei war, war Kopp kaputt.
1952 schickte ihn ein Ost-Berliner Gericht noch einmal aus politischen Gründen, wegen angeblicher Boykotthetze, für drei Jahre hinter Gitter. Heute ist Kopp, sagt einer seiner Ärzte, ständig »dem Zusammenbruch nahe«. Seine Frau hat ihn verlassen, er lebt isoliert, arbeiten kann er längst nicht mehr.
Immer mal wieder, sagt Kopp, »setzt"s plötzlich aus«. Aber bislang mochte ihm das Landesentschädigungsamt in Bayern, wo er seit 1954 wieder lebt, keine vollständige materielle Wiedergutmachung gewähren: Kopps Leiden, so die behördliche Argumentation, könnten schließlich zum Teil auch aus der DDR-Haft stammen, und außerdem sei er weniger als ein Jahr im KZ gewesen; ein Jahr lang aber muß einer schon im Konzentrationslager gewesen sein, damit eine 25prozentige Erwerbsminderung von Amts wegen als »verfolgungsbedingt« und damit als rentenwürdig anerkannt wird.
Aber Verfolgung bedeutete nicht immer Haft oder KZ. Für die Gruppe jener, die trotzdem bis heute für ihren Widerstand zahlen, steht der Heidebauer Johannes Renken, 84. Anfang der dreißiger Jahre Abgeordneter für den konservativen Christlich-sozialen Volksdienst im Reichstag, war Renken in seinem Heimatdorf Insel bei Soltau ein unerschütterlicher Warner vor den Nazis.
Sein lokaler Widersacher, der spätere Kreisbauernführer Hermann Lütjens, hatte sich zum Ziel gesetzt, den orthodoxen Lutheraner, dem das Kreisblatt bereits 1933 »Eignung für ein Konzentrationslager« attestiert hatte, »runter vom Hof« zu bringen. 1939 war es soweit. Er wurde für »nicht bauernfähig« erklärt und mußte den 139 Hektar großen Helkenhof verkaufen.
Durch drei Instanzen versuchte er bis heute Wiedergutmachung zu erlangen, denn von dem in 39 Teile zerstückelten Besitz konnte er lediglich den Resthof mit 56 Hektar zurückkaufen. Das Oberlandesgericht Celle ermahnte Renken, endlich »einzusehen, daß er den Hof nicht durch NS-Verfolgungsmaßnahmen, sondern aus tatsächlichen Gründen« verloren habe. Tatsächlich wurde der Verlust 1940 durch andere Celler Richter -- am damaligen Landeserbhofgericht -- bestätigt.
Als von 1953 an der Nachkriegs-Rechtsaußen Hans-Christoph Seebohm den Wahlkreis Harburg-Soltau in Bonn für die Deutsche Partei vertreten durfte und längst Minister war, empfing er den inzwischen zum Kreisjägermeister demokratisierten Lütjens schon gern mal zum Gespräch. Damals verließ Renken die von ihm in Soltau mitbegründete CDU, aber, sagt er noch heute beinahe hilflos, »irgendwo mußten die Nazis doch hin, man konnte sie ja nicht alle erledigen«.
Man konnte es wirklich nicht, So blieb »KZler« den Deutschen ein suspektes Wort auch nach dem Kriege, und eine »Anti-Nazi-Vergangenheit« -- so empfindet der Münchner Rechtsanwalt Fritz J. Berthold, der im polnischen wie im französischen Widerstand war -- werte hierzulande einen Menschen fast immer ab.
Für die Mehrheit der Deutschen heißt immer noch »Zusammenbruch«, was die Minderheit dieser »KZler« 1945 als Befreiung erlebte -- etwa durch Sowjetsoldaten am 27. Januar in Auschwitz, durch die Briten am 15. April in Bergen-Belsen oder durch US-Truppen am 29. April in Dachau.
Diskriminiert, wenigstens scheel angesehen fühlen sich die meisten, die das Dritte Reich als Verfolgte überlebt haben. Manches daran mag nervlicher Überreizung und schicksalsbedingter Verfolgungspsychose zuzuschreiben sein -- das meiste ist erlebt und immer wieder als Kränkung erfahren worden.
Vor Jahren suchte Karl Ibach, Vorsitzender des »Zentralverbandes Demokratischer Widerstandskämpfer und Verfolgtenorganisationen« (ZDWV), eine Anstellung als Versicherungsvertreter. Der Personalchef der »Colonia«, mit dem er so gut wie einig war, ermahnte ihn, die Kunden möglichst nicht mit seiner Nazi-Gegnerschaft zu behelligen. Ibach lehnte den Job ab, obwohl es ihm »wirtschaftlich ziemlich mies ging«.
Ibach ist mit 63 einer der jüngsten NS-Verfolgten. Mit 16 Jahren ging er zu den Sozialdemokraten, doch schon im Jahr darauf, 1932, wurde er KPD-Mitglied: »Die SPD erschien mir damals, wie so vielen, zu lau.«
Das Wuppertaler Konzentrationslager Kemna, in das Ibach 1933 mit 2000 anderen Anti-Nazis aus dem Bergischen Land eingeliefert wurde, kann er heute noch vom Fenster seines Hauses sehen. Dort, erinnert er sich, »sind schlimmere Sachen passiert als bei »Holocaust"«.
Der Jung-Kommunist kam damals erst noch einmal frei, ging in die Illegalität, wurde 1936 erneut verhaftet, wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt. Dann: Politischer Zuchthäusler mit rotem Winkel in Münster und Waldheim, »Moorsoldat« in den Emsland-Lagern, 1943 »Bewährungstruppe 999«, russische Kriegsgefangenschaft.
Die Rückkehr nach Wuppertal 1948 war zunächst auch die Heimkehr zur KPD. Doch die schien ihm aus der Vergangenheit nichts gelernt zu haben. Nach einer Reise in die DDR Ende 1949 verließ er die KPD und trat in die SPD ein.
Der emotionale Hitler-Gegner Kopp, der Konservative Renken, der Linksdemokrat Ibach alle drei stehen für eine politisch heterogene Randgruppe, deren Angehörige gleichwohl eines gemein haben: Sie haben einst Opfer gebracht und sind, anders gewiß, auch Opfer geblieben.
Wo die jüdische Symbol-Familie Weiß des Fernsehfilms »Holocaust« noch einmal öffentliche Bewegung für die fünf bis sechs Millionen Ermordeten und damit für die mit Abstand größte Verfolgtengruppe, die europäische Judenheit. bewirken konnte, sprechen Kopp, Renken und Ibach, wenn man sie hören will, für die politischen NS-Gegner, die der physischen Vernichtung entgangen sind.
Schätzungen der Verfolgtenorganisationen gehen derzeit noch von rund 60 000 Überlebenden aus. Die Zeit ist absehbar, da der letzte Zeuge für das andere Deutschland weggestorben sein wird. Und »wenn es soweit ist«, sagt Ibach, »werden es wenige bedauern, manche begrüßen -- den meisten wird es egal sein«.
Diese Gleichgültigkeit empfinden die meisten NS-Verfolgten als schlimmsten nationalen Undank, und sie begegnen ihm überall. Auf den für Wiedergutmachung und Entschädigung zuständigen Ämtern stoßen sie inzwischen häufig auf Beamte, die Leidenskausalitäten von damals auf heute schlicht leugnen, meist restriktiv entscheiden und gerade den in seiner Gesundheit geschädigten Antragsteller von Gutachter zu Gutachter schicken.
Alfred Haag von der bayrischen Landes-»Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes« (VVN), sieben Jahre Dachau und Mauthausen, weiß von »unendlich vielen Fällen«, in denen die »Verfolgungsbedingtheit« (Amtsjargon) schwerer Gesundheitsschäden trotz langer Lagerhaft erfolgreich durch drei Instanzen bestritten wurde: »Viele sind an der totalen Aussichtslosigkeit ihres Falles zerbrochen.«
Zwei Drittel derer, die in der NS-Haft ihre Gesundheit einbüßten, leiden nach Schätzungen von Experten an zum Teil schweren Psychosen, die sich oft erst im Alter bemerkbar machten: KZ-Träume, Verfolgungswahn, Angst, von hinten angesprochen zu werden, Depressionen bei der geringsten Erinnerung an die Vergangenheit.
»Früher kamen die Kameraden wegen ihrer Entschädigungsanträge in die Sprechstunde«, berichtet Adolf Burg, langjähriger Vorsitzender des Berliner »Bundes politisch, rassisch, religiös Verfolgter«, den die SS durch mehrere Gettos und Lager schleppte, »heute dagegen passiert es, daß ein alter Mann hereinstürzt und darum bittet, sofort seinen früheren KZ-Wächter zu verhaften, dem er gerade auf dem Kurfürstendamm begegnet« sei.
Tagsüber, so der Frankfurter Journalist Heinz Brandt, 69, Auschwitz-Häftling Nummer 69 912, »scheint man von psychischen Haftnachwirkungen völlig frei zu sein«. Doch »nachts kommt das KZ regelmäßig zu mir zurück«, und er schreit »aus dem Traum noch immer nach Hilfe«.
Die Interdependenz ist augenfällig: Je gründlicher die Mehrheit das NS-Trauma verdrängt, desto stärker kehrt es in die Träume und ins Bewußtsein der einst verfolgten Minderheit zurück. Doch »für die jungen Leute auf den Ämtern«, resigniert ein Berliner Jude, der sich geschworen hat, nie wieder eine Entschädigungsbehörde zu betreten, »sind wir die verrückten Alten«.
Addiert man die Angaben der verschiedenen Verfolgtenverbände, so liegt das derzeitige Durchschnittsalter ihrer Mitglieder etwa bei 72 Jahren. Seit 1974 hat sich die Gesamtzahl der NS-Opfer um ein Viertel verringert. ZDWV-Präside Ibach nimmt an Beerdigungen nicht mehr teil: »Ich wäre sonst nur noch zu Gräbern unterwegs.«
Der Durchschnittsverfolgte, nach der Altersstatistik 1906 geboren, war 1933, bei Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft, 27 Jahre alt. War er ein erklärter Nazigegner, aktiver Sozialdemokrat etwa oder Kommunist, so prügelte ihn die SA oft noch im selben Jahr in ein sogenanntes Schutzhaftlager -- »zum Schutz von Volk und Staat«, wie es Reichspräsident Paul Hindenburg der NSDAP durch diese Verordnung ermöglicht hatte.
Wurde er später als »besserungsfähig« entlassen, häufig mit dem Aktenvermerk »wehrunwürdig«, und nahm er dann wieder Verbindung zu den Parteifreunden auf, riskierte er Gestapo-Haft und Volksgerichtshof. Ein Kontakt zur Exil-SPD in Prag galt 1936 als »Vorbereitung zum Hochverrat« und bedeutete, je nach Beweislage, zwischen zwei und zwölf Jahren Zuchthaus.
War einer Jude oder jüdischer Herkunft, so galt er von November 1935 an nicht mehr als »Reichsbürger«, war von allen öffentlichen Ämtern ausgeschlossen und durch das »Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre« mit hohen Strafen für »Rassenschande« bedroht. Von 1938 an war der Vorname von Amts wegen »Israel« oder »Sara«, die Kennkarte trug den Aufdruck »J.«. Und von Januar 1942 an war er nur noch einer von elf Millionen, für die das Regime auf der sogenannten Wannsee-Konferenz hoher SS-Führer die »Endlösung« vorgesehen hatte, die physische Vernichtung.
In die Todesmaschinerie des Dritten Reiches gerieten neben Juden bekennende Christen und Zeugen Jehovas, Homosexuelle wie Zigeuner, geistig Behinderte wie »Wehrkraftzersetzer«. NS-Opfer konnte leicht werden, wer im Krieg den falschen Sender hörte oder den falschen Witz erzählte, wer als Bürger eines besetzten Landes Widerstand leistete oder wer als Deutscher menschlich blieb und Verfolgten beistand.
Und keiner, so schrieb später der Buchenwald-Häftling und Politikwissenschaftler Eugen Kogon, »ist so herausgekommen, wie er hineingegangen ist«. Wer davonkam, war schon dadurch geprägt, daß er die Ermordung anderer hatte miterleben müssen. Und viele von denen, die weiterlebten, waren zerstört.
Gleichwohl, es machte einen Unterschied, in welch innerer Verfassung einer der Extremsituation des Konzentrationslagers ausgesetzt worden war. Art und Ausmaß der Schäden hingen, sofern einer der Gaskammer oder der Erschießung entging, auch davon ab, ob er das KZ als aktiver Widerständler oder als passives Opfer erlebte. Eine österreichische Untersuchung ergab beispielsweise, daß jüdische Gefangene, die das KZ überlebten, vorwiegend »depressiv«, Widerstandskämpfer dagegen durchaus »aktiv und lebensfroh« gewesen seien.
Professor Paul Matussek, Leiter der Münchner Max-Planck-Forschungsstelle für Psychopathologie und Psychotherapie, bestätigt diesen Befund. In seiner Untersuchung über »Die Konzentrationslagerhaft und ihre Folgen« kommt er zum Schluß, eine »ideologische Identifizierung« habe sich »in der Belastungssituation« als »kraftspendend« erwiesen.
Zwei DDR-Psychiater, die bereits Anfang der sechziger Jahre die gesundheitliche Verfassung von 96 NS-Häftlingen -- kommunistische und sozialdemokratische Widerstandskämpfer -- untersuchten, kamen zu demselben Ergebnis: Konspirative Lager-Aktivitäten hatten die Probanden allesamt befähigt, »ungünstige Auswirkungen auf das Nervensystem weitgehend zu kompensieren«.
Wer nicht als bewußter Gegner, sondern nur als Opfer litt, überstand dagegen den Lagerterror selten ohne psychische Deformation. Besonders schwere Schäden trugen nach ärztlichen Feststellungen beispielsweise die wenigen jüdischen Kinder davon, die das KZ überlebten. Manche mußten noch zehn Jahre nach ihrer Befreiung in Heil- und Pflegeanstalten leben.
»Ein großer Teil« dieser KZ-Kinder, so recherchierte damals die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland, war »durch KZ und Nachkrieg völlig entwurzelt«; sie stellten »ein beachtliches Kontingent« der jüdischen Gefängnisfürsorge dar, nur ein »geringer Prozentsatz hat eine Berufsausbildung nachgeholt«.
Während das Kriegsende den Juden zuvörderst das ganze Ausmaß des Schrecklichen deutlich machte, das über sie gekommen war, erlebten Widerständler den Kollaps des NS-Regimes zukunftsorientiert. »Das Motiv des politischen Widerständlers« hatte ihn, wie der Kölner Mediziner Hans-Joachim Herberg, Vorsitzender des Deutschen Dokumentationszentrums für Gesundheitsschäden nach Gefangenschaft und Verfolgung, an Hand Hunderter von Gutachten feststellte, »von psychischen Belastungen eher frei« gehalten, »und er gehörte zum Schluß bewußt zu den Siegern«.
Wer als Jude im besiegten Deutschland geblieben war, erlebte sehr rasch, so Herberg, »wie der Mehrheit der Deutschen die NS-Verbrechen und damit auch die Opfer lästig wurden«. Und die Opfer paßten sich an: Sie tilgten, ganz ähnlich wie viele der SS-Wächter, das KZ aus ihren Biographien. Manche weigerten sich, in NS-Prozessen als Zeuge auszusagen. Viele leugneten fortan ihr Verfolgten-Schicksal wie eine Herberg-Patientin, die darauf besteht, ihre Wiedergutmachungsunterlagen in der Praxis nur in einem verschlossenen Umschlag aufbewahren zu lassen.
Wenn der Berliner Verfolgten-Sprecher Burg, dessen Verbandsmitglieder zu 80 Prozent jüdischer Herkunft sind, zu ihnen über die Nazis von damals und die Neonazis von heute reden will, spürt er »die ganze Angst und Müdigkeit derer, die immer nur Opfer gewesen« sind: »Wir wollen das nicht wissen, Burg«, verweigern sie sich, »wir wollen nicht erinnert werden.«
Schon das Vorfahren eines Autos oder das Klingeln an der Tür kann bei ihnen Panikreaktionen auslösen. Ihre Angstzustände, ihre Kontaktscheu, ihre Unfähigkeit, sich zu freuen, ihr »Überlebens-Syndrom« sind nach den Erfahrungen Herbergs nur äußerst schwer zu therapieren. Ihre Extremschädigung beschreibt Herbergs Kollege, der Nervenarzt Erich Kluge: »Diejenigen, die durch solche Höllen gegangen sind, sind bar jeder Dynamik. sie sind adynam im höchsten Grade, sie produzieren und entwickeln nichts. Diese Menschen reagieren nicht einmal mehr.«
Für die »Politischen« dagegen trug zur Kompensation von Leidensdruck auch ihre sofortige Inanspruchnahme durch die Siegermächte bei, wenigstens in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Sie wurden als Bürgermeister und Landräte verpflichtet, erhielten von den Militärregierungen die ersten Zeitungslizenzen, fungierten als Treuhänder für beschlagnahmtes Nazi-Vermögen und schieden, dies freilich nur kurze Zeit, in den Spruchkammern die Belasteten von den Mitläufern.
Wie sehr gerade die Widerständler sich von Anfang an als politische Neugestalter begriffen, zeigt der Marsch der aus dem Zuchthaus Brandenburg-Görden Befreiten. Auf ihrem Weg nach Berlin hielten sie in märkischen Dörfern politische Versammlungen ab, predigten die Bodenreform lange vor der sowjetischen Besatzungsmacht und verteilten auf eigene Faust an die landarmen Bauern etwa von Päwesin den Grundbesitz derer von Ribbeck.
Wie breit der antifaschistische Grundkonsens unter den Verfolgten in jener Zeit war, erhellt die Zusammensetzung des im Juni 1945 gebildeten Berliner Hauptausschusses »Opfer des Faschismus« (OdF): Dort arbeitete der kommunistische Reichstagsabgeordnete Ottomar Geschke (KZ Sachsenhausen) neben dem sozialdemokratischen Verleger Otto Braß (Zuchthaus Brandenburg) und dem evangelischen Propst Heinrich Grüber (KZ Sachsenhausen), der Chemiker Robert Havemann (Zuchthaus Brandenburg) neben der Juristin Marion Yorck von Wartenburg, Witwe des in Berlin-Plötzensee hingerichteten 20.-Juli-Mannes Peter Yorck von Wartenburg.
Der OdF-Ausschuß verteilte in den ersten beiden Nachkriegsjahren Bekleidung, Lebensmittel und Wohnungen an die zurückkehrenden NS-Verfolgten. Er organisierte einen eigenen Suchdienst, gründete Sanatorien und Erholungsheime und brachte Aufklärungsbroschüren wie »Die Toten den Lebenden« (90 000 Stück) und »Wir klagen an« (23 000 Stück) unters ausgebombte Volk.
Zugleich betrieben seine Mitglieder die Prüfung und Anerkennung individueller Verfolgung. Als ordentliche deutsche Dienststelle ließen sie Fragebogen drucken und Prüfungskommissionen einrichten, deren Aufgabe es war, Kriminelle und in die Widerständler-Tarnung geschlüpfte SS-Leute auszusieben. Wer aktive Résistance nachweisen konnte, erhielt einen Ausweis mit dem Aufdruck »Kämpfer«, der bei den anderen fehlte.
Lokale Komitees ähnlich dem Berliner vertraten in den vier Besatzungszonen eine Viertelmillion anerkannter NS-Verfolgter. Deren 130 Repräsentanten, die insgesamt 454 Jahre Hitlerkerker hinter sich hatten, gründeten im März 1947 in Frankfurt am Main den Gesamtdeutschen Rat der damals einzigen Verfolgten-Vereinigung VVN.
Die Einheitsfront überdauerte keine fünf Jahre. Jene Pakte, die noch in den Konzentrationslagern und Zuchthäusern zwischen Sozialdemokraten, Kommunisten und Bürgerlichen geschlossen worden waren, hielten kaum länger als die Anti-Hitler-Koalition der Alliierten. Der erste SPD-Vorsitzende und Dachau-Häftling Kurt Schumacher nannte Kommunisten alsbald wieder »rotlackierte Nazis«. Und der Kommunist Franz Dahlem, der nach der Befreiung zusammen mit SPD-Häftlingen in der sogenannten »Mauthausener Abschiedserklärung« beschworen hatte, »einen gemeinsamen Weg« gehen zu wollen, zieh die »rechten SPD-Führer« der »Spaltungspolitik«.
In demselben Maße, wie Deutschland-Ost und Deutschland-West politisch auseinanderdrifteten, verflüchtigte sich der politische Impetus des Antifaschismus, wie ihn die Verfolgten verkörperten. In Westdeutschland kam das Wort schnell außer Mode, in Ostdeutschland schrumpfte es zum kommunistischen Schlagwortkürzel »Antifa«.
Während in der DDR der Widerstand gegen den Hitlerismus allmählich zur alleinigen KPD-Domäne umgefälscht wurde und Bürgerliche wie Sozialdemokraten bald erneut einsaßen, brachte in der Bundesrepublik das KPD-Verbot von 1956 viele NS-Verfolgte abermals hinter Gitter, zumeist auch Mitglieder der von Kommunisten dominierten VVN.
Die Folge war zwangsläufig eine organisatorische Zersplitterung der Verfolgten, für die heute jeder, je nach Lager, unterschiedliche Gründe nennt. DKP-Mitglied Kurt Baumgarte etwa, 66, aus Hannover, zehn Jahre Haft wegen »Vorbereitung zum Hochverrat«, sieht, wie anders, die Schuld bei den Sozis: »Bei manchen von denen war schon bald der Antikommunismus größer als die Hitler-Gegnerschaft.« Auch an der Saar kennt der Verfolgten-Vorsitzende Horst Bernard einen alten KP-Kameraden, der wegen »der verratenen Volksfront« so viel »Horror vor der SPD« habe, daß man ihn wegen regelmäßiger Wutausbrüche gar nicht öffentlich auftreten lassen könne.
Werner Koch, 68, als Pfarrer der Bekennenden Kirche im KZ Sachsenhausen und nach dem Kriege Mitglied im VVN-Hauptausschuß, erinnert dagegen »reine SED-Herrschaft«; er habe damals seinen »Hut genommen, weil andere sich da nicht mehr durchsetzen konnten«.
Der Flensburger Regierungsinspektor Leonhard Schwarz, 57, hält die Reihen seines »Verbandes demokratischer Widerstandskämpfer und Verfolgter« fest geschlossen: »Wir nehmen jeden, der sich zu unseren Zielen bekennt -- nur keine Kommunisten,«
Bei Sozialdemokraten wie dem Hannoveraner Albert Hoff, 71, im Dritten Reich Mitglied einer kommunistischen Widerstandsgruppe und seit 1968 in der SPD, ist die Berührungsangst schon aus biographischen Gründen geringer: Der im Kalten Krieg aufbrechende Ost-West-Gegensatz habe die Verfolgten-Einheit auch zerstört, »weil bestimmte Sozialdemokraten aus Angst vor Volksfront eine Ansteckung fürchten«.
Selbst Ludwig Linsert, 71, ehemaliger DGB-Chef in Bayern und Sprecher der Münchner »Arbeitsgemeinschaft politisch verfolgter Sozialdemokraten« (AVS), macht rückblickend das »Phlegma der Sozialdemokraten« dafür verantwortlich, daß Mitte der fünfziger Jahre die einstmalige Geschlossenheit in der VVN verlorenging. Untätig habe die Partei zugesehen, wie die Kommunisten fast alle Positionen übernahmen, und »dann hat alle Welt geschrien, da gehen wir raus, da sind zu viele Kommunisten drin«.
Ob sie nun drinblieben oder rausgingen -- die Organisationen verkümmerten allesamt. Diejenigen Gruppen, die sich zur Abgrenzung von der seither kommunistisch geprägten VVN einen anderen Namen mit dem Beiwort »demokratisch« gaben, sind untereinander längst auch wieder zerstritten und mögen nicht einmal Gedenktage gemeinsam feiern.
Insgesamt 16 Gruppierungen gehören einem der beiden Dachverbände an, die mehr gegen- als miteinander arbeiten:
* der »Zentralverband Demokratischer Widerstandskämpfer und Verfolgtenorganisationen« (ZDWV) mit Sitz in Bonn, 1954 als antikommunistische VVN-Alternative gegründet, und
* die »Union Deutscher Widerstandskämpfer- und Verfolgtenverbände« (UDWV) mit Sitz in Frankfurt, 1963 von abtrünnigen hessischen ZDWV-Mitgliedern, versprengten Anhängern des alten »Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold« und früheren katholischen Jugendbündlern ins Lehen gerufen.
Verbandsquerelen und Desinteresse haben regional bereits völligen Schwund bewirkt. Der ZDWV beispielsweise ist in Hessen überhaupt nicht mehr präsent, die Überlebenden von Hamburg haben schon vor Jahren in Schleswig-Holstein unterschlüpfen müssen. Und in Nordrhein-Westfalen, sagt Vorsitzender Ibach, »sind die Kreis- und Ortsebenen längst zusammengebrochen«.
In Niedersachsen steckte die sozialdemokratische AVS schon vor Jahren auf; ihr früherer Landesgeschäftsführer Fritz Wulfert: »Albern, so was mit Gewalt hochzuziehen.« In Baden-Württemberg hielt sich neben den jüdischen Kultusgemeinden nur die VVN.
Allein in München existiert noch eine aktive »Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Verfolgtenorganisationen« (ABV), der fünfzehn Verbände angehören -- von der VVN auf der linken bis zur »Freiheitsaktion Bayern« (FAB), wo eher monarchistische Traditionen gepflegt werden.
Sonst, urteilt Pfarrer Koch, der selbst nur noch beim »Sachsenhausen«-Komitee mittun mag, seien »die Organisationen der NS-Verfolgten heute meistens eher Briefkasten-Firmen«. Bei den Sachsenhausern arbeitet Koch als Präsidiumsmitglied mit Kommunisten zusammen, wegen deren Übergewicht er vor über dreißig Jahren die VVN verließ. Die Mitgliedschaft dieses Komitees entspricht freilich noch am ehesten der soziologischen Struktur, wie sie einst im Lager bestand: Kommunisten, Sozialdemokraten, Christen und Bürgerliche -- in dieser Reihenfolge.
Die vier Gruppen stellten in Sachsenhausen je einen Lagerältesten und hatten sich, unbemerkt von der SS, illegal organisiert. Heinz Junge, 64, der damals zur Leitung der Lager-KPD gehörte, ist heute Sekretär des Komitees.
Im Dortmunder Arbeiterviertel Barop, wo Junge in seiner Sozialwohnung die Sachsenhausen-Kartei führt, verwahrt er die eine oder andere Reliquie aus dem Lager. Ein Stück Stacheldraht, bei einem späteren Besuch aufgelesen, ein handgeschriebenes und in der Lager-Werkstatt heimlich gebundenes KZ-Liederbuch, das, hätte es seinerzeit die 55 entdeckt, für einen Genickschuß gut gewesen wäre.
Oder schließlich ein blau-weißes Fähnchen mit aufgenähtem roten Winkel und der Nummer 16036 -- »Das war die Nummer von unserem Heinz Bartsch, der war kommunistischer Lager-Altester und ist erschossen worden.«
Nebenan im Kleiderschrank hängt, wohl konserviert, der KZ-Drillich von damals, den Junge bei der Befreiung trug und in dem er sich quer durch Deutschland bis nach Dortmund durchgeschlagen hat. Bei demonstrativen Gelegenheiten kleidet sich der ehemalige Konzentrationär in eine nachgeschneiderte blau-weiße Montur, die alte würde nicht mehr passen.
Rund 600 bundesdeutsche Mitglieder zählt die Sachsenhauser Lagergemeinschaft heute noch, und »laufend kommen Verlustmeldungen« (Junge). »Wenn ich Todesanzeigen aufnehmen würde«, sagt Karl Ibach, der für seinen Zentralverband die Monatszeitschrift »Freiheit und Recht« herausgibt, wäre »immer die Hälfte des Heftumfangs dafür weg.«
Treffen werden immer seltener. »Sind ja alles alte Leute, mehr als einmal im Jahr auf Landesebene ist nicht mehr drin«, klagt Ibach. Da läuft die Kommunikation »mehr und mehr über die Zeitung«.
Adolf Burg vom Berliner »Bund politisch, rassisch, religiös Verfolgter« hat die alljährliche Festlichkeit im »Hilton« schon vor Jahren aufgegeben. Wenn er wie immer im Frühjahr zur Gedenkstunde auf dem Güterbahnhof Grunewald einlädt, von wo einst die Güterzüge in die Vernichtungslager fuhren, werden die Aktiven von Jahr zu Jahr weniger: »Es ist«, sagt Burg, »nicht zu ändern, und wenn wir aussterben, sterben wir eben aus.«
Noch drastischer formuliert es Hans Alfken, 79, von der niedersächsischen ZDWV-Sektion »Bund der Verfolgten des Naziregimes": »Bei uns sind nur noch 200 alte Leute, die langsam am Abkratzen sind.«
Eine Überlebensstrategie glaubt allein die VVN gefunden zu haben, die ihren Mitgliederstand mit 15 000 angibt und der zehn Landesverbände, drei sogenannte Lagergemeinschaften und die Organisation der republikanischen Spanienkämpfer angehören; 1971 öffnete sie sich als »Bund der Antifaschisten« für junge Mitglieder --
* Festakt zum 30. Jahrestag der Gründung der VVN, 1977, in Frankfurt.
ein kommunistischer Traditionsverein gewissermaßen. Verfolgte und Nachgeborene halten sich dadurch laut VVN-Geschäftsführer Hans Jennes, 68, »gegenwärtig die Waage, mit leichtem Übergewicht der Alten«.
Das neue Miteinander-Füreinander stilisieren VVN-Funktionäre gern zur harmonischen Antifa-Idylle. »Ein zweiter Frühling«, freuen sich jung und alt beispielsweise im Hamburger Landesverband. Aber es ist auch da nicht mehr wie früher: Von ehemals 27 Hamburger Ortsvereinigungen existieren nur noch 14.
Und doch: Für einen Moment scheint die gesellschaftliche Randgruppe der Verfolgten noch einmal gefragt. Seit 20 Millionen Bundesdeutsche sich der NS-Vergangenheit auf amerikanisch konfrontiert sahen, durch die TV-Serie »Holocaust«, wundert sich beispielsweise der Düsseldorfer Jude und Kommunist Werner Stertzenbach: »Jeden Tag sitzt jemand bei mir im Sessel und sagt, er wollte schon immer mal mit mir reden.«
Nach Beobachtungen des Lehrers Gerrit Marsen, Jung-Mitglied im Hamburger Vorstand, hat »der »Holocaust«-Effekt vor allem Schüler dazu gebracht, sich zu fragen, wo in ihrer Nachbarschaft vielleicht noch einer der wenigen lebt, die Widerstand geleistet haben«.
Überall sind derzeit die noch Rüstigen unter den Verfolgten unterwegs: um, wie in Berlin, an Schüler-Diskussionen über den Nationalsozialismus teilzunehmen, um, wie in Düsseldorf oder Clausthal-Zellerfeld, Ausstellungen über ihren Widerstand zu organisieren oder, wie in Hamburg, sich als Stadtführer zu den Orten hanseatischer Gegenwehr zu betätigen.
Doch die emotionale Betroffenheit der Fernseh-Volksgemeinschaft über das Schicksal der »Holocaust«-Familie Weiß werde, so fürchten die Überlebenden, die Verdrängung nicht verdrängen können. Das sei »nicht mehr als ein Strohfeuer«, meint Karl Ibach, und das sei nicht einmal einmalig: Vor zwanzig Jahren habe das »Tagebuch der Anne Frank« schon einmal das Stichwort »Bewältigung der Vergangenheit« geliefert -- und »wenig, armselig wenig hat es bewirkt«.
Was immer die NS-Verfolgten heute politisch trennen mag, ob sie sich dem erwählten Volk zurechnen oder auf die klassenlose Gesellschaft warten fast alle eint die große Bitterkeit, verdiente Anerkennung in dieser Gesellschaft nicht gefunden zu haben. Jene Nachkriegshoffnung, »daß die NS-Verfolgten und Widerständler eine prägende Kraft beim wirtschaftlichen und kulturellen Aufbau sein würden«, konstatiert der Berliner Soziologieprofessor Theo Pirker, »hat sich nicht erfüllt«.
Eine Erklärung dafür, warum die überlebenden Vertreter des anderen Deutschland zwar den Neubeginn nach draußen moralisch legitimierten« im Inneren jedoch weitgehend auf diese Alibi-Funktion beschränkt blieben, sieht Pirker in der politischen Orientierung der Adenauer-Ära: »Während mit dem 131er Gesetz mehr
oder minder stark NS-Belastete beinahe ohne jede Prüfung wieder in die Verwaltungen einziehen konnten, verschärften sich gegenüber den Verfolgten die bürokratischen Auflagen für den Nachweis ihrer Schädigung.«
Die Schuld werde abgetragen in »schönen Worten«, sagt Karl Ibach, »desto schöner, je höher das politische Amt des Redners«. Und immer klinge es an den einschlägigen Feiertagen, als seien die Geehrten längst tot -- »Na eben die Nation gerettet, die Ehre gerettet, das kulturelle Erbe gerettet und was nicht alles.«
Im nächsten Heft
Fast 60 Milliarden für Wiedergutmachung -- Keine Entschädigung für Kommunisten -- Wie die Verfolgten aus dem öffentlichen Bewußtsein verdrängt werden
https://www.spiegel.de/
SS-Verbrecher verurteilt
Erstellt: 29.06.2009 Aktualisiert: 26.01.2019, 04:11 Uhr
Von: Volker Schmidt
Mehr als 60 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg häufen sich Prozesse gegen deutsche Kriegsverbrecher. Ein Militärgericht in Rom hat jetzt neun SS-Veteranen in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt. Von Volker Schmidt
Mehr als 60 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg häufen sich Prozesse gegen deutsche Kriegsverbrecher. Ein Militärgericht in Rom hat jetzt neun SS-Veteranen in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt. Sie hatten auf der Flucht vor den Alliierten 1944 in Fivizzano und anderen Dörfern der Toskana mehr als 350 Zivilisten als angebliche Helfer von Partisanen erschossen.
Angeklagt waren elf Soldaten, einer wurde freigesprochen, einer starb vor Ende des Prozesses. Dass die neun Verurteilten ihre Strafe auch wirklich verbüßen müssen, ist unwahrscheinlich. Sie sind zwischen 84 und 90 Jahre alt und leben in Deutschland - in ähnlichen Fällen hatte Italien nie die Durchsetzung des Urteils erzwungen.
Das Gericht verurteilte zudem die Bundesrepublik zu insgesamt 1,25 Millionen Euro Entschädigung an die betroffenen Gemeinden und rund 50 Hinterbliebene. Bisher hat Deutschland solche Zahlungen unter Verweis auf die völkerrechtliche Immunität zurückgewiesen: Sie schützt Staaten davor, von Gerichten eines anderen Landes verurteilt zu werden.
Das Verfahren war 1994 nach dem Fund von Akten über 695 NS-Verbrechen eröffnet worden. Auf ihrer Basis wurde in Italien wegen eines Massakers auch schon der Ex-Offizier Josef Scheungraber in Abwesenheit verurteilt. Er steht jetzt in Deutschland vor Gericht. Das Urteil sollte am kommenden Freitag fallen; Scheungraber wurde allerdings vergangene Woche mit einem Schlaganfall ins Krankenhaus eingeliefert. mit rtr, afp
https://www.fr.de/
Bärbel Bas eröffnet Ausstellung zu 70 Jahre „Wiedergutmachungs-Abkommen“
Im September 2022 jährt sich das sogenannte Luxemburger Abkommen zum 70. Mal. Das von der Bundesrepublik Deutschland, dem Staat Israel und der Jewish Claims Conference (JCC) 1952 geschlossene Übereinkommen bildet die Grundlage für die Entschädigung jüdischer Opfer nationalsozialistischer Verfolgung durch die Bundesrepublik.
Die aus diesem Anlass im Bundestag präsentierte Ausstellung „70 Jahre Luxemburger Abkommen“ wurde am Dienstag, 6. September 2022, von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas eröffnet, nachdem sie die Ausstellung gemeinsam mit dem israelischen Staatspräsidenten Isaac Herzog besucht hatte. Herzog hatte am Vormittag eine Rede vor dem Bundestag gehalten. Die Ausstellung wurde vom Bundesministerium der Finanzen und von der Jewish Claims Conference in Zusammenarbeit mit dem Knesset-Museum des israelischen Parlaments konzipiert. Sie zeigt die deutschen Bemühungen, durch die Leistung materieller Entschädigungen an jüdische Opfer Verantwortung für die Verbrechen des Nationalsozialismus zu übernehmen.
Eröffnung mit Podiumsgespräch
Neben Bundestagspräsidentin Bärbel Bas nahmen Luise Hölscher, Staatssekretärin beim Bundesministerium der Finanzen, Greg Schneider, Executive Vice President der JCC, und Dr. Moshe Fuksman Shal, Direktor des Knesset-Museums, an der Eröffnungsveranstaltung teil.
Zudem fand ein Podiumsgespräch zwischen der Auschwitz-Überlebenden Eva Szepesi und ihrer Enkelin Célina Schwarz statt. Das Schicksal von Eva Szepesi wird in der Ausstellung beleuchtet. Die Ausstellung kann bis Mittwoch, 5. Oktober 2022, besichtigt werden. (06.09.2022)
https://www.bundestag.de/
Entschädigungen für Reichsbahn-Fahrt in den Tod: „Wer es ernst meint, der zahlt auch etwas“
Professor Axel Hagedorn ist als Anwalt in Deutschland und in den Niederlanden zugelassen. Er fordert im Namen des niederländischen Holocaustüberlebenden Salo Muller (84) von der Deutschen Bahn AG Entschädigungen für die Deportationen niederländischer Juden in die Vernichtungslager.
Die Niederländische Bahn entschädigt niederländische Holocaustopfer und ihre Angehörigen für die Deportationen in die Vernichtungslager auf dem Schienenwege bis zur deutschen Grenze. Durchgesetzt hat dies der Niederländer Salo Muller (84), der als Kind versteckt wurde und die Shoa überlebte. Nun strebt er ähnliche Entschädigungen durch die Deutsche Bahn AG oder die Bundesrepublik an – wir sprachen darüber mit seinem Anwalt Axel Hagedorn.
Thoralf Cleven
17.01.2021, 05:30 Uhr
Amsterdam. Axel Hagedorn arbeitet als in den Niederlanden und in Deutschland zugelassener Anwalt für eine Amsterdamer Wirtschaftskanzlei. Er wurde 2007 bekannt, als er mit einer Kollegin im Auftrag der Stiftung „Mütter von Srebrenica“ den niederländischen Staat und die Vereinten Nationen verklagte – Uno und niederländische Blauhelme hatten die bosnischen Einwohner 1995 nicht vor dem Massaker serbischer Milizen geschützt.
Nun will er Entschädigungen für Holocaustopfer von der Deutschen Bahn AG erstreiten. Juristisch, räumt Hagedorn ein, wird das schwierig. Der Stiefsohn eines Offiziers der Waffen-SS verweist jedoch auf moralische Verantwortung und Beispiele aus Holland und Frankreich.
Herr Professor Hagedorn, Sie unterstützen den holländischen Holocaustüberlebenden Salo Muller (84) bei seiner Forderung, die Deutsche Bahn solle niederländische Deportationsopfer und deren Familien finanziell entschädigen. Wie kam es dazu?
Salo Muller hat im Holocaust seine Eltern und etwa 80 Familienangehörige verloren. Er konnte vor wenigen Jahren mit viel Vehemenz und kraft seiner Authentizität durchsetzen, dass sich die niederländische Bahn bei holländischen Opfern der Deportationen auf dem Schienenweg in die Vernichtungslager und ihren Nachkommen entschuldigt und sie entschädigt. Dabei half ihm meine Kollegin Liesbeth Zegveld, eine renommierte niederländische Anwältin. Die Nederlandse Spoorwegen zahlt rund 50 Millionen Euro an die etwa 7000 Opfer, die konkret ermittelt werden konnten, und ihre Nachkommen.
Den Weitertransport nach Auschwitz übernahm die Reichsbahn
Allerdings beziehen sich diese Zahlungen nur auf den Transport der holländischen Juden bis zur deutschen Grenze.
Stimmt. Den Weitertransport von der deutschen Grenze in die Vernichtungslager Auschwitz, Sobibor und so weiter, übernahm die Deutsche Reichsbahn. Muller findet, die Deutsche Bahn sollte sich dafür entschuldigen und auch Entschädigungen leisten wie das holländische Bahnunternehmen. Ich unterstütze ihn hierbei, weil ich davon überzeugt bin, dass dieses Unrecht eine Regelung verdient. Nur zur Verdeutlichung: An dieser Sache habe ich kein finanzielles Interesse.
Es geht hierbei ausschließlich um holländische Holocaustopfer?
Ja. Etwa 107.000 holländische Juden wurden deportiert, nur etwa 5000 kehrten zurück. In der Einigung mit der niederländischen Bahn sind die Ermordeten, die Überlebenden und die Nachkommen klar identifiziert. Das erleichtert die Aufgabe in Deutschland. Es geht um konkrete, nachweisbare Opfer und nicht um eine anonyme Gruppe. Es sind genau die Opfer, die aus sämtlichen Entschädigungsfonds in Deutschland herausfallen.
Salo Muller ist der einzige Holocaustüberlebende seiner Familie. Er wurde als Kind versteckt.
© Quelle: picture alliance / PRO SHOTS
Wie sind Sie bislang vorgegangen?
Ich habe im Juli vergangenen Jahres Schreiben an die Bahn, die Bundeskanzlerin und den Bundesfinanzminister aufgesetzt, in denen ich die Forderungen meines Mandanten umriss und diese auch begründete.
Holocaustopfer mussten Fahrt in Vernichtungslager selbst zahlen
Haben Sie Antworten auf Ihre Schreiben erhalten?
Ja, im September trudelten sie kurz nacheinander ein. Eine Frau aus dem Bundesfinanzministerium antwortete für die Bundesregierung. Sie schrieb sinngemäß, man verstünde das Problem, würde jedoch Einzelentschädigungen ablehnen. Die Bahn AG verwies auf ihre finanziellen Engagements in der Sache, aber auch darauf, dass sie nicht Rechtsnachfolger der Deutschen Reichsbahn sei.
Wer ist das denn?
Das ist schwierig zu beantworten, zumal ja in der DDR die Deutsche Reichsbahn bis 1990 fuhr. Juristisch mag es durch verschiedene rechtliche Konstruktionen vielleicht keinen Rechtsnachfolger geben. Unbestreitbar ist doch aber, dass die Bahn nach dem Krieg die Monopolposition, die Schienen und das Vermögen der Reichsbahn übernahm, um damit zu wirtschaften. Und die hatte sich an den Deportierten bereichert. Die Opfer mussten für ihre Fahrt in die Gaskammern selbst zahlen. Erwachsene zahlten 4 Reichspfennige pro Kilometer und Kopf, Kinder zwischen vier und zehn Jahren die Hälfte, Kleinkinder wurden kostenlos transportiert. Bei Transporten von mehr als 400 Personen gab es einen Mengenrabatt von 50 Prozent. Stellen Sie sich das vor! Wie pervers!
Aus ihrer moralischen Verantwortung und der kommerziellen Rechtsnachfolge kommen Bahn und Regierung schwer heraus.
Axel Hagedorn,
Anwalt
Ein Prozess würde mindestens zehn Jahre dauern
Haben Sie vor, einen Prozess vor einem Gericht anzustrengen?
Nein, noch nicht. Das würde zehn oder zwölf Jahre dauern – das ist den Überlebenden nicht zuzumuten und auch schwer finanzierbar. Abgesehen davon würde dies Bahn und Bundesregierung in die Karten spielen. Wenn alles erst einmal bei Gericht liegt, würden sich die Beklagten nicht zum laufenden Verfahren äußern. So einfach will Salo Muller es ihnen jedoch nicht machen. Aus ihrer moralischen Verantwortung und der kommerziellen Rechtsnachfolge kommen Bahn und Regierung schwer heraus.
Juden aus dem Warschauer Getto werden im Sommer 1942 in Güterwaggons verladen und in das Vernichtungslager Treblinka transportiert.
Juden aus dem Warschauer Getto werden im Sommer 1942 in Güterwaggons verladen und in das Vernichtungslager Treblinka transportiert.
© Quelle: CAF/dpa
Also wollen Sie öffentlichen Druck erzeugen?
Ja, es ist eine Art politischer Prozess. Denn ich denke, dieser Teil der Geschichte der Deutschen Bahn ist nur wenigen bekannt. Die Deutsche Reichsbahn hat eine entscheidende Rolle im Vernichtungsmechanismus des NS-Regimes gespielt. Ohne sie wäre der Holocaust in diesem Umfang nicht möglich gewesen. Die Reichsbahn hat zum Beispiel ihren gesamten Fahrplan, die Taktung der Züge allein darauf ausgerichtet, dass sie ohne Unterlass in den Osten rollen konnten – nach Belzec, Auschwitz, Treblinka oder Soribor.
David Leitner, Holocaust-Überlebender aus dem ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz, zeigt zwei tätowierte Häftlingsnummern, während der Gedenkfeier zum 75. Jahrestag der Befreiung des ehemaligen deutschen Konzentrationslagers Auschwitz. Leitner hat zwei Tätowierungen, weil bei der ersten ein Fehler aufgetreten war.
Corona-Risikogruppe: Bundesregierung will Holocaust-Überlebende finanziell unterstützen
Erhalten Sie in Deutschland politische Unterstützung?
Noch nicht offen, aber es gibt Bundestagsabgeordnete, die sich für unser Anliegen einsetzen wollen.
Wo gibt es vergleichbare Entschädigungen in Europa?
Die französische Staatsbahn SNCF hat sich 2014 verpflichtet, 60 Millionen Dollar an US-amerikanische Deportationsopfer und deren Familien zu zahlen. In Osteuropa gab es Ähnliches.
Es besteht kein Interesse daran, neue Opfergruppen zu identifizieren, für die man dann noch etwas tun müsste.
Axel Hagedorn,
Anwalt
Wo liegt Ihrer Erfahrung nach das größte Problem bei solchen Entschädigungsfragen – in der Anerkennung der Schuld oder schlicht an der Geldsumme?
Das größte Problem liegt darin, dass die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft keinen Präzedenzfall für alles Mögliche schaffen wollen. Da geht es zum Beispiel um noch viel mehr Länder und Unternehmen, die in der Menschenvernichtung involviert waren. Es besteht kein Interesse daran, neue Opfergruppen zu identifizieren, für die man dann noch etwas tun müsste.
Aktuell erhält die Bahn – nicht zuletzt durch die Corona-Krise – Milliardenhilfen vom Bund. Wie denken Sie darüber?
Im Anliegen von Salo Muller geht es vielleicht um 50 Millionen Euro Entschädigungen. Das sind Peanuts im Vergleich zu den Bundeshilfen.
Die undatierte, am 28.07.2020 zur Verfügung gestellte, Aufnahme zeigt Salo Muller. Der 84-jährige Amsterdamer stellt stellvertretend für andere Holocaust-Opfer die Forderung.
NS-Opfer in Niederlanden fordern Entschädigung für Transporte in KZ
Viele Überlebende standen nach dem Holocaust mit leeren Händen da
Kein Geld kann das Leid der Holocaustopfer aufwiegen. Worum geht es Herrn Muller und Ihnen?
Salo Muller spürt seit der Trennung von seinen Eltern körperliche und seelische Schmerzen. So geht es den meisten Überlebenden. Eine Entschuldigung für das unsägliche Leid ist wichtig. Doch sie allein löst keine Schuld ein. Wer es ernst meint, sagt Salo immer, der zahlt dafür etwas. Das kann ich nachvollziehen. Es gibt den immateriellen Schaden, aber auch den materiellen.
Und was ist Ihre Motivation?
Ich bin Jahrgang 1954 und wuchs mit einem Stiefvater auf, der selbst bei der Waffen-SS war. Klar habe ich Ende der 1960er-Jahre rebelliert und meine Eltern gefragt, warum habt ihr damals nichts unternommen? Antworten gab es nicht, oder sie waren unbefriedigend. Ich wollte nie, dass sich das bei meinen Kindern wiederholt. Ich engagiere mich jedoch auch im Sinne meines anwaltlichen Selbstverständnisses: Ich halte diese Sache gesellschaftlich für sehr wichtig.
RND
https://www.rnd.de/
NS-Opfer in Niederlanden fordern Entschädigung für Transporte in KZ
Die undatierte, am 28.07.2020 zur Verfügung gestellte, Aufnahme zeigt Salo Muller. Der 84-jährige Amsterdamer stellt stellvertretend für andere Holocaust-Opfer die Forderung.
Zwischen 1941 und 1944 sind 107.000 Juden aus den Niederlanden in deutsche Vernichtungslager deportiert worden. Die Deutsche Reichsbahn bekam für die Transporte umgerechnet mehrere Millionen Euro - zum Großteil von den Juden selbst. Nun wollen niederländische Holocaust-Opfer dafür entschädigt werden.
29.07.2020, 13:58 Uhr
Amsterdam. Niederländische Opfer des Holocausts haben Entschädigung für die Transporte in die deutschen Vernichtungslager während des Zweiten Weltkrieges gefordert. Deutschland müsse sich seiner Verantwortung stellen und den Opfern finanziell entgegenkommen, heißt es in einem Schreiben an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Das niederländische TV-Programm Nieuwsuur berichtete am Mittwoch zuerst darüber. Ein Jahr, nachdem sich die Niederländische Bahn zur Zahlung von rund 50 Millionen Euro an Entschädigungen verpflichtet habe, stehe nun die Bundesrepublik in der Pflicht, betonte der Amsterdamer Anwalt Axel Hagedorn.
Von 1941 bis 1944 waren aus den Niederlanden 107.000 Juden in die deutschen Vernichtungslager deportiert worden. Nur etwa 5000 überlebten. Die Deutsche Reichsbahn hatte für die Transporte mehrere Millionen Euro erhalten - die Kosten mussten zum größten Teil von den Juden selbst bezahlt werden.
Juden in den Niederlanden nie entschädigt
Für dieses Unrecht seien die Juden nie entschädigt worden, sagte der Amsterdamer Salo Muller (84), der stellvertretend für andere Holocaust-Opfer die Forderung stellt. Muller, dessen Eltern im Konzentrationslager Auschwitz ermordet worden waren, hatte auch die ähnliche Forderung bei der Niederländischen Bahn durchgesetzt.
Das Unternehmen zahlt die Entschädigung an rund 7000 Opfer. Auch die Reichsbahn habe an den Transporten verdient, sagte Muller der Deutschen Presse-Agentur. “Die Leute wurden in Viehwaggons transportiert, viele erstickten, es war furchtbar.”
Wegen der komplexen Rechtslage kann die Deutsche Bahn nach Angaben des Rechtsanwaltes Hagedorn nicht direkt belangt werden. "Das enthebt die Bundesrepublik jedoch nicht von der zumindest moralischen Verpflichtung, den damaligen Opfern entgegen zu kommen". Niederländische Juden seien auch bisher nicht von deutschen Entschädigungsregelungen berücksichtigt worden.
RND/dpa
https://www.rnd.de/
Entschädigung für Sklaverei
40 Morgen Land und ein Maulesel
Afroamerikaner fordern bis heute Entschädigungen für erlittenes Unrecht durch die Sklaverei. Als vorbildliches Beispiel nennen sie die deutschen Zahlungen an Israel und ehemalige Zwangsarbeiter.
Von Hans Hielscher
30.07.2018, 15.07 Uhr
Kanzler Konrad Adenauer setzte 1952 gegen den Willen einer deutlichen Mehrheit der Deutschen eine Entschädigungszahlung an Israel durch. Der Staat sollte 3,45 Milliarden Mark - umgerechnet heute mehr als sieben Milliarden Dollar - erhalten. Zudem wurden individuelle Entschädigungen wegen der nationalsozialistischen Verbrechen gezahlt. Lediglich fünf Prozent der Westdeutschen hatten erklärt, sich wegen des Holocaust schuldig zu fühlen; 29 Prozent räumten ein, Deutschland schulde den Juden eine Entschädigung.
Der afroamerikanische Journalist und Buchautor Ta-Nehisi Coates zitiert diese Zahlen und preist Adenauers Politik, weil er eine Parallele zu seinem Land sieht: Die überwältigende Mehrheit der weißen Amerikaner hält nichts von Entschädigungszahlungen wegen der Sklaverei - nur der Einsatz eines starken Staatsmannes könne da etwas auf den Weg bringen. In einem "Plädoyer für Reparationen" befeuert Coates, 42, eine immer wieder aufflammende Diskussion in den USA: Haben die Schwarzen Anrecht auf Wiedergutmachung?
Von 1989 an brachte der afroamerikanische Kongressabgeordnete John Conyers Jahr für Jahr eine Gesetzesvorlage ein: Die US-Volksvertreter sollten die Sklaverei als Unmenschlichkeit anerkennen und Vorschläge für die Entschädigung der Opfer erarbeiten. Er fand keine Mehrheit. Von den Präsidenten seitdem bezog allein Bill Clinton Stellung. Auf einer Afrikareise 1998 bedauerte er den Sklavenhandel . Clinton hatte Tränen in den Augen, als er auf der berüchtigten Insel Gorée vor Dakar das "Tor ohne Wiederkehr" besuchte, durch das unzählige Afrikaner wie Vieh auf Schiffe getrieben worden waren, die sie nach Amerika brachten.
Eine formelle Entschuldigung vermied allerdings auch Clinton. Dazu rang sich das US-Repräsentantenhaus vor zehn Jahren, am 29. Juli 2008, durch. Die zweite Kammer des Kongresses, der Senat, folgte am 18. Juni 2009 mit einer ähnlichen Entschließung. Reparationen aber waren kein Thema.
Ackerland und ein Esel für Ex-Sklaven
Dabei stand sie schon einmal auf der Agenda. Mit "40 Morgen Land und einem Maulesel" pro Familie wollte der US-Kongress nach dem amerikanischen Bürgerkrieg die Schwarzen für die Leiden der Sklavenzeit entschädigen. Das Versprechen "Forty Acres and a Mule" von 1865 wurde nie erfüllt, weil das Gesetz nicht durchkam. Doch politisch engagierte Afroamerikaner sehen im Martyrium ihrer aus Afrika verschleppten Vorfahren das "Verbrechen des Jahrtausends" und haben die gebrochene Zusage nicht vergessen. So nennt Filmemacher Spike Lee seine Produktionsfirma "Forty Acres and a Mule"; Hip-Hop-Star Kendrick Lamar rappt "I need Forty Acres and a Mule".
Tatsächlich hatten einzelne Weiße im Norden ehemalige Sklaven schon materiell entschädigt, bevor der Bürgerkrieg zwischen 1861 und 1865 mit der Sklavenbefreiung endete. "Reparationen wurden in den Anfangstagen dieses Landes aktiv erwogen und häufig gewährt", schreibt Coates. Quäker in New York, New England und Baltimore gingen so weit, die Mitgliedschaft in ihrer Gemeinschaft an die Bedingung zu knüpfen, dass jeder seine ehemaligen Sklaven entschädige.
1782 entließ der Quäker Robert Pleasant 78 Sklaven in die Freiheit; er vermachte ihnen 350 Morgen Land und errichtete für ihre Ausbildung eine Schule. Ein Cousin von Thomas Jefferson, dem US-Präsidenten von 1801 bis 1809, verfügte in seinem Testament die Freilassung seiner Sklaven und überließ allen, die über 40 waren, je zehn Morgen Land. "Von Herzen" bedauerte der Großgrundbesitzer, "der Eigentümer auch nur eines einzigen Sklaven gewesen zu sein".
Die lange vorherrschende Meinung zum Thema Entschädigung beschrieb die "Chicago Times" 1891 in einem Leitartikel: Die Afroamerikaner "wurden gelehrt, zu arbeiten; sie wurden die christliche Zivilisation gelehrt; ihnen wurde beigebracht, die edle englische Sprache zu sprechen anstelle irgendeines afrikanischen Kauderwelschs. Mit den Ex-Sklaven sind wir quitt."
Die siegreiche Nord-Armee zog aus dem Süden ab; umgehend formierte sich der Ku-Klux-Klan mit dem Ziel, die alte rassistische Ordnung wiederherzustellen. Die Kapuzenmänner ermordeten Schwarze, die ihr Wahlrecht ausüben oder in weiße Ortsteile ziehen wollten. Auf der Suche nach Sicherheit, nach Arbeit und einem besseren Leben wanderten immer mehr Afroamerikaner in den Norden. Sie erlebten auch dort Zurücksetzungen. Erst die Bürgerrechtsbewegung in den Sechzigerjahren beendete landesweit die Diskriminierung.
Symbol für den Wandel wurde die Wahl von Barack Obama zum US-Präsidenten im November 2008. Viele Weiße hatten einem Bürger mit afrikanischen Wurzeln ihre Stimme gegeben. Vorurteile von Jahrhunderten schienen überwunden, Amerikas Demokratie funktionierte. Freilich blieb die soziale Kluft zwischen Schwarzen und Weißen. Afroamerikanische Haushalte verdienen weniger, ihre Mitglieder sind weniger gebildet, es gibt mehr zerbrochene Familien, mehr Menschen sitzen im Gefängnis.
Schwarze Bürger erklären den Rückstand vielfach mit der Sklaverei und ihren Folgen und beharren auf der Forderung nach Reparationen. Nicht zuletzt verdanke Amerika seinen Wohlstand auch der unbezahlten Arbeit der Sklaven. Wiedergutmachungs-Befürworter nennen ein Vorbild: Als Entschädigung für ihre Internierung im Zweiten Weltkrieg erhielten US-Bürger japanischer Herkunft 1988 je 20.000 Dollar. Vor allem aber seien die "Zahlungen der Deutschen" an Juden und ehemalige Zwangsarbeiter aus von Deutschland besetzten Ländern "ein Präzedenzfall, der uns enorm hilft", so der in Amerika lehrende kenianische Politologieprofessor Ali Mazrui. Die Idee lebt, dass die Weißen den Schwarzen etwas schulden.
Weiße und Schwarze als Komplizen im teuflischen Verbrechen
Aber ist die jahrhundertelange Sklaverei wirklich nur eine Geschichte von weißen Tätern und schwarzen Opfern? Mitglieder einer schwarzen Kirchengemeinde in Baltimore schreckten auf, als sie 1999 der damalige Präsident von Benin besuchte: Mathieu Kerekou fiel auf die Knie und bat die Afroamerikaner um Vergebung für die "abscheuliche" Rolle, die Afrikaner im transatlantischen Sklavenhandel spielten.
In Afrika existierte die Sklaverei schon lange, bevor die Weißen dort landeten. Tatsächlich wurde die Masse der Sklaven von Afrikanern gefangen und verkauft. Die Schurken in der Geschichte der Sklaverei sind also nicht weiße Menschenhändler allein. Sie errichteten in der Regel Forts entlang der Küste und erwarben ihre menschliche Ware im Tausch gegen Waffen, Stoffe, Branntwein und andere westliche Produkte.
"Befürworter von Reparationen für die Nachkommen der Sklaven ignorieren generell diese Tatsache", schrieb der Harvard-Professor Henry Louis Gates 2010 in einem vielbeachteten Essay für die "New York Times". Der afroamerikanische Historiker forderte ein "Ende der Schuldzuweisungen". Mit Barack Obama, "dem Kind eines Afrikaners und einer Amerikanerin, haben wir endlich einen Leader, der in der einmaligen Position ist, die große Teilung in der Reparationsfrage zu überbrücken" ("to bridge the great reparations divide"). Der Präsident, forderte Gates, solle "öffentlich klarstellen, dass die Verantwortung und Schuld bei weißen und schwarzen Menschen liege, Komplizen in einem der größten Übel der Geschichte der Zivilisation".
Obama hat die Anregung nicht aufgegriffen. Er hatte mit dringenderen Themen zu tun. Die Diskussion um Entschädigungen für das menschliche Leid durch die Sklaverei ist moralisch wie politisch und erst recht juristisch höchst verzwickt - und sie geht auch nach 150 Jahren weiter.
Das leuchtende Vorbild Adenauer mit seinen Zahlungen an Israel bekam 2013 Risse. Denn da veröffentlichte das Auswärtige Amt Akten, aus denen hervorgeht, dass der Staatsmann offenbar nicht - wie in seinen Memoiren behauptet - aus "einer zwingenden moralischen Verpflichtung" heraus handelte. Laut Kabinettsprotokollen war Adenauer offenbar nur auf Druck der USA zur Wiedergutmachung bereit. Der "ergebnislose Abbruch der Verhandlungen würde schwerste politische und wirtschaftliche Gefahren für die Bundesrepublik heraufbeschwören", sagte er auf einer Kabinettssitzung 1952. Das Bonner Außenamt verzögerte die Freigabe der Protokolle, deren Sperrfrist bereits 1982 geendet war, um die Beziehungen zu Israel nicht zu belasten.
https://www.spiegel.de/
Beschämendes Tauziehen
Von Barbara Zillmann · 17.06.2013
Ghetto-Rente, Entschädigung der ehemaligen Heimkinder und der Missbrauchsopfer sind politische Initiativen, die eine große Öffentlichkeitswirksamkeit und wenig Effekt hatten. Viele Opfer sind bisher leer ausgegangen. Die Antragsprozedur ist bürokratisch.
Sie hat viele Klippen und schränkt die Ansprüche stark ein, obwohl runde Tische und NS-Opferorganisationen viele Details vorgeschlagen haben, um die weitere Demütigung der Betroffenen zu vermeiden. Welche Strukturen in Gesellschaft, Rechtsprechung und Politik verhindern ein großzügiges Eingehen auf individuelle Bedürfnisse?
Manuskript zur Sendung als PDF-Dokument oder im barrierefreien Textformat
https://www.deutschlandfunkkultur.de/
Deutschlandradio Kultur, Zeitfragen
17. Juni 2013, 19.30 Uhr
Beschämendes Tauziehen Wenn die Vergangenheit Geld kostet
Von Barbara Zillmann
Musik
O-Ton 1 Antje Vollmer
Es war ein Rechtsstaat, in dem Unrecht passierte, und im System Heimerziehung
passierte Unrecht über einzelnes Vergehen hinaus. In mancher Hinsicht haben wir's
mit unserem Runden Tisch viel schwerer als die, die - sagen wir mal - NS-
Zwangsarbeit behandeln oder Stasi-Unrecht. Denn da konnte man immer sagen, das
war ein Unrechtsregime. Aber dass die Bundesrepublik über die Bundesrepublik
sagt, in Teilen ist da so viel Unrecht passiert, das ist rechtlich ganz schwierig.
Autorin:
Antje Vollmer, Vorsitzende des Runden Tisches Heimerziehung.
O-Ton 2 Christine Bergmann
Die, die sich an uns gewendet haben, und das waren ja sehr viele und überwiegend
welche, bei denen der Missbrauch Jahrzehnte zurückliegt, berichten alle von der
Erfahrung eben, dass sie versucht haben, Hilfe zu finden, das Thema anzusprechen,
und es keiner hören wollte.
Autorin:
Christine Bergmann, Unabhängige Beauftragte der Bundesregierung.
O-Ton 3 Volker Beck
Es ist natürlich ein politisches Gerangel, wo einerseits die ethischen und moralischen
Verpflichtungen ein Argument sind, aber die Argumente des Finanzministeriums, wie
viel das den Steuerzahler kostet, auch immer ein Argument in diesem Ziehen und
Zerren sind.
Autorin:
Volker Beck, Bundestagsabgeordneter der Grünen zur Auseinandersetzung um die
Ghettorenten.
Sprecher vom Dienst:
Beschämendes Tauziehen - Wenn die Vergangenheit Geld kostet
Ein Feature von Barbara Zillmann.
Musik unter O-Ton weg
O-Ton 4 Volker Beck
Und das beginnt am ersten Tag mit der Einführung des
Bundesentschädigungsgesetzes, das ja nicht mit den Stimmen von Adenauers
Koalition verabschiedet werden konnte, sondern nur, weil die sozialdemokratische
Opposition damals ausgeholfen hat, mit wenigen Abgeordneten der Koalition ein
Versprechen, das Adenauer international gegeben hat, auch dann gesetzgeberisch
in Deutschland umzusetzen, und so setzt sich das dann fort.
Autorin:
Das Bundesentschädigungsgesetz regelte in der frühen Bundesrepublik, wer als
Verfolgter des Nationalsozialismus eine Entschädigung erhalten konnte. Im Oktober
1953 verabschiedete der 1. Deutsche Bundestag die Urfassung, mit hauchdünner
Mehrheit, unter internationalem Druck. Der SPD Abgeordnete Adolf Arndt ahnte, was
in der Folgezeit passieren würde: die kleinliche Auslegung des Gesetzes, die
Verschleppung der Anträge durch Gerichte und Behörden. Er appellierte - freilich
vergebens - für eine Präambel zum Bundesentschädigungsgesetz:
Zitator:
Dieses Gesetz ist großherzig so auszulegen und anzuwenden, dass sein Vollzug im
Höchstmaß die Wiedergutmachung als sittliche Aufgabe und rechtliche Schuld erfüllt.
Autorin:
Wiedergutmachung als "sittliche Aufgabe" und "rechtliche Schuld" des neuen Staates
- das mögen im Jahr 1953 nur wenige Deutsche so empfunden haben.
O-Ton 5 Beck
Dass man für seine Soldaten, selbst die in der SS gekämpft haben, einstehen muss,
das war unbestritten in Deutschland. Dass man denen, die man zu Opfern gemacht
hat, auch etwas schuldig ist, das war immer Teil des politischen Streits.
Autorin:
Und ist es bis heute. Egal, ob es sich dabei um scheinbar längst Vergangenes oder
die jüngste Geschichte handelt. Drei Beispiele haben die Öffentlichkeit in letzter Zeit
beschäftigt: Das sogenannte "Ghettorentengesetz", der Hilfsfonds für ehemalige
Heimkinder, und die Unterstützung für Opfer von sexuellem Missbrauch.
Medienwirksam wurden Programme verkündet, doch bei den Betroffenen kam bis
jetzt zu wenig an. Was macht es so schwer, ihnen nach langer Zeit der Ignoranz
großzügig entgegenzukommen?
Ob eine Wiedergutmachung in Gesellschaft und Politik eine Chance hat, hängt stark
vom Zeitgeist ab, sagt Günter Saathoff.
O-Ton 6 Günter Saathoff
Wenn das im politischen Alltag zwischen Fraktionen des Bundestages nicht mit
einem gemeinsamen eindeutigen Willen verbunden ist oder auch die Beamten des
zuständigen Ministeriums diesen Willen nicht mittragen, gibt es häufig in den
Formulierungen von Gesetzen Formelkompromisse, das heißt Formulierungen bei
denen nicht klar erkennbar ist, was das Gewollte ist und damit auch ein großer
Gestaltungsraum für die nachgeordneten Behörden gegeben ist - ein Gesetz
entweder opferfreundlich oder opferunfreundlich auszulegen oder von Gerichten
klären zu lassen, was der Gesetzgeber gemeint haben könnte.
Autorin:
Günter Saathoff ist Vorsitzender der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft
und kennt die Klippen der Entschädigungspolitik. Sie liegen oft im Kleingedruckten.
weiter O-Ton 7 Saathoff
In den Formulierungen selber wird man feststellen, das gilt für viele Gesetze, das gilt
auch für außerrechtliche Regelungen, dass das Ressentiment quasi schon die Feder
geführt hat, und dann muss man für das Feld der sogenannten Wiedergutmachung
feststellen, dass es zunächst und über die Jahrzehnte hinweg das Ziel war, den Kreis
der Berechtigten möglichst eng zu fassen.
Autorin:
Dazu dienen Ausschlusskriterien und Nachweispflichten. Ein kompliziertes
Antragsformular, eine Fristsetzung, die Forderung nach Belegen und Dokumenten,
die es oft nicht mehr gibt. Betroffene lässt das manchmal resignieren, andere erleben
die Entscheidung nicht mehr.
Musik
Das zeigt auch die jahrzehntelange Auseinandersetzung um das Ghettorentengesetz
von 2002, eines der letzten Kapitel in der Entschädigungspolitik der Nazi-
Vergangenheit.
Zitator:
Wir haben im Ghetto gearbeitet, der jüdische Ältestenrat hat das Geld bekommen,
man hat die Sozialabgaben abgezogen und gezahlt wurde nach Berlin. Auf der einen
Seite hat man uns getötet und umgebracht, auf der anderen Seite hat man unsere
Sozialgelder nach Berlin geschickt.
Autorin:
Erzählt Uri Chanoch im Dezember 2012 vor Abgeordneten des deutschen
Bundestages. Er ist Vertreter der Holocaust-Überlebenden in Israel und möchte
erklären, wie es im Ghetto tatsächlich war. Denn zehn Jahre nach Verabschiedung
des Ghettorentengesetzes warten viele Antragsteller immer noch auf Entschädigung.
Zunächst sollten nur jene etwas bekommen, die ohne Zwang und gegen normales
Entgelt für die Nazis arbeiteten. Hatten Menschen, die von den Nazis in Ghettos
eingepfercht wurden eine Wahl? Für den 13jährigen Uri Chanoch ging es 1941 ums
Überleben:
Zitator: Chanoch
Ich habe mich gemeldet bei den Deutschen als Eilbote - ich wusste, wer nicht
arbeitet, wird getötet. Alle wollten arbeiten. Man hat doppelte Portion zu essen
bekommen.
Autorin:
Wie andere Hochbetagte saß Uri Chanoch in Israel vor Fragebögen der Deutschen
Rentenversicherung mit Ja-Nein-Fragen. Wer Ja ankreuzte, wo nach Formen des
Zwangs gefragt wurde, erhielt eine Ablehnung. Solche Arbeit sei im Übrigen über die
Zwangsarbeiterentschädigung abgegolten worden. Auch wer Brot oder Heizmaterial
als Lohn erhielt, ging leer aus. Anderen glaubte man nicht, weil sie in früheren
Entschädigungsakten ihre Ghettoarbeit unerwähnt gelassen hatten, oder weil ein
bestimmtes Ghetto im Internet nicht zu finden war. Richter Jan-Robert von Renesse
über die Beweislast im deutschen Recht:
O-Ton 8 Renesse
Also es gib in jedem Verfahren den Grundsatz, dass derjenige, der etwas will, etwas
begehrt die Tatsachen, auf die er sich stützt, belegen und beweisen muss. Für die
Opfer der Shoa gibt es eine Beweiserleichterung, übrigens auch für andre, die
besagt, dass sie die Tatsachen glaubhaft machen müssen. Also sie müssen sie nicht
so beweisen, wie in einem Strafverfahren, wo mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit ein Beweis zu führen wäre, sondern es ist eine
Glaubhaftmachung, das bedeutet, es müssen mehr Umstände dafür als gegen das
sprechen, was die Betroffenen geltend machen.
Autorin:
Jan Robert von Renesse ist Berufungsrichter am Sozialgericht des Landes
Nordrhein-Westfalen. Auf seinem Schreibtisch landeten die Briefe von ehemaligen
Ghettoarbeitern. Ihre Anträge waren abgelehnt worden, weil Gerichte und
Rentenversicherung oft "nach Aktenlage" entschieden hatten, in historischer
Unkenntnis und auf der Basis etablierter Rechtsbegriffe, die eigentlich untauglich
waren. Auch wurde zunächst Bezug genommen auf das Reichsversicherungsgesetz"
des NS-Staates. Von Renesse hatte nun zu prüfen, ob den Klägern, im Sinne des
Ghettorentengesetzes, dennoch eine Rente zusteht. Er suchte Indizien zugunsten
der Opfer.
O-Ton 9 Renesse
Man braucht Details, Einzelheiten und Begebenheiten, die einem plastisch vor Augen
treten lassen, was die Betroffenen nun erlebt hatten. Die haben ja in der Regel nichts
als die eintätowierte Nummer auf dem Arm als Beweis, befinden sich also in
schuldloser Beweisnot, das einzige in Anführungszeichen "Beweismittel" ist die
eigene Erinnerung. Und dann geht's darum, die persönliche Glaubwürdigkeit in die
Waagschale zu werfen.
Autorin:
Dabei hat auch das Gericht die Pflicht, gründlich zu recherchieren und den
Betroffenen "rechtliches Gehör" zu verschaffen, möglichst durch persönliche
Anhörung. Aber was konnte man tun, wenn die Antragsteller, vielfach Juden aus
Israel, nie wieder deutschen Boden betreten wollten, oder zu alt und krank dazu
waren? Man konnte zum Beispiel um Rechtshilfe ersuchen, also ein ausländisches
Gericht beauftragen. Jan Robert von Renesse entschied sich, persönlich nach Israel
zu fahren. Er nahm Historiker und psychologische Gutachter mit, um vor Ort in
Zusammenarbeit mit israelischen Fachleuten eine Entscheidung herbeizuführen.
O-Ton 11 Renesse
Und im Ergebnis hat es natürlich auch in vielen, sogar in den meisten Fällen zu einer
Aufklärung des Sachverhalts geführt, die vermeintlichen Widersprüche, die sich aus
den schriftlichen Akten ergeben, die konnten wir aufklären, und als am Ende dann
auch die Behörde in diesen Terminen anwesend war, haben eigentlich in den
meisten Fällen diese Beweiserhebungen dazu geführt, dass wir ne einvernehmliche
Regelung gefunden haben, vor Ort noch.
Autorin:
Eigentlich ein Glücksfall der Justizgeschichte. 90 Prozent der Anträge waren
zunächst abgelehnt worden - mehr als die Hälfte sind inzwischen positiv beschieden
oder werden nochmals geprüft. Die ehemaligen Ghettoarbeiter bekommen im
Durchschnitt 200 Euro monatliche Rente. Das Bundessozialgericht revidierte 2009
die alten Entscheidungsgrundlagen und stärkte den Opfern den Rücken.
Doch im Bundestag erhielt die Sache der Ghettorenten noch einmal einen
Rückschlag. Sie sollen nun nicht ab 1997 rückwirkend gezahlt werden, wie im Gesetz
vorgesehen, sondern erst ab 2005 - nach einer juristischen Gepflogenheit der
Rentenversicherung. Ersparnis: zirka 125 Millionen Euro.
Musik als Trenner
Historische Einsicht und Verantwortung aus freien Stücken? Fehlanzeige, meint
Günther Saathoff, und das nicht nur in Deutschland.
O-Ton 12 Saathoff
Es ist vielmehr typisch, dass man versucht, das zu verleugnen, zu verdrängen, zu
negieren auf den verschiedensten Ebenen -
Autorin:
In Politik und Amtsstuben hätten Eliten aus früheren Systemen oft noch lange die
Deutungshoheit. Doch irgendwann gebe es einen "Point of no return". Dabei können
verschiedene Faktoren zusammenkommen: ein Generationenwechsel, eine
zivilgesellschaftliche Bewegung, die Emanzipation von Opfergruppen, oft aber auch
der politische Druck von außen. So habe erst das Ende des Kalten Krieges dazu
geführt, dass die osteuropäischen Zwangsarbeiter eine Chance hatten, in den USA
zu klagen - und Deutschland dadurch unter Druck zu setzen.
Musik
....
Weitaus schwieriger ist es, Aufklärung und Entschädigung für Opfer durchzusetzen,
wenn es um Taten geht, die bis in die Gegenwart hinein gedeckt und verdrängt
werden.
....
Sprecher/in vom Dienst:
Beschämendes Tauziehen - Wenn die Vergangenheit Geld kostet
Ein Feature von Barbara Zillmann
Es sprachen: Eva Kryll und Gerd Grasse
Ton: Bernd Friebel
Regie: Klaus-Michael Klingsporn
Redaktion: Constanze Lehmann
Produktion: Deutschlandradio Kultur 2013
Nachtrag:
Der Richter Jan-Robert von Renesse, der mit seinem Vorgehen wesentlich zur neuen
Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes beigetragen hat, wurde in einen anderen
Senat versetzt. "Die Veränderung des Aufgabengebietes von Herrn Dr. von Renesse
ist in keiner Weise auf sein fachliches Wirken in den Ghettorentenverfahren
zurückzuführen.", hieß es dazu in einer Presseerklärung des Landesozialgerichts
Nordrhein-Westfalen. Gegenwärtig läuft ein Disziplinarverfahren gegen Richter
Renesse wegen Schädigung des Ansehens des Gerichts. Die Beteiligten äußern sich
dazu nicht.
https://assets.deutschlandfunk.de/
2.1 Online-Artikel zu Nazi-Raub und Beutekunst
Fall Gurlitt: 14 NS-Raubkunstwerke sind restituiert
NS-RAUBKUNST
13.01.2021
Ein Spitzweg-Bild war das letzte von bisher 14 Kunstwerken aus der Sammlung Gurlitt, die eindeutig als NS-Raubkunst klassifiziert und zurückgegeben wurden.
Hinter jedem Bild, jeder Skulptur stehe ein persönliches Schicksal, sagte Kulturstaatsministerin Monika Grütters bei der Übergabe der als Nazi-Raubkunst identifizierten Zeichnung des deutschen Malers Carl Spitzweg (1808-1885) aus der Sammlung Gurlitt. Auf Wunsch der rechtmäßigen Erben wurde das Kunstwerk dem Auktionshaus Christie's zur Versteigerung eingereicht, wie das Kunstmuseum Bern am Mittwoch (13.01.2021) mitteilte.
Die Zeichnung, so ergaben intensive Recherchen der Provenienzforscher, war im Jahr 1939 von den Nazis beschlagnahmt worden. Eigentümer war damals der jüdische Musikverleger Henri Hinrichsen, dessen Kunstsammlung der damaligen "Arisierung", wie die Nazi ihre Beschlagnahmungen nannten, zum Opfer fiel.
1940 wurde die Zeichnung von dem Kunsthändler Hildebrand Gurlitt (1895-1956), einem der Einkäufer für Hitlers geplantes Führermuseum in Linz, erworben - für einen Spottpreis. Gurlitt kam nach dem Krieg als Mitläufer des NS-Regimes davon und wurde 1948 Leiter des renommierten Kunstvereins Düsseldorf.
Restitution der NS-Raubkunstwerke abgeschlossen
Die Spitzweg-Zeichnung stammt aus dem Konvolut von rund 1500 Kunstwerken, die 2013 in der Münchner Wohnung von Hildebrand Gurlitts Sohn Cornelius beschlagnahmt wurden. In dessen Haus in der Schweiz wurden noch weitere, ebenso wertvolle Gemälde entdeckt.
Der "Fall Gurlitt", der zufällig bei einer Grenzkontrolle zwischen der Schweiz und Deutschland aufgeflogen war, war damals eine Sensation und brachte die internationale Kunstwelt in Aufruhr. Die deutsche Kulturpolitik, die sich Versäumnisse vorwerfen lassen musste, geriet in Zugzwang.
Forderungen nach rechtmäßiger Restitution an die Erben der meist jüdischen Eigentümer wurden laut - verstärkt aus dem Ausland. Die "Washingtoner Erklärung" sieht eine Rückgabe oder eine entsprechende Entschädigung von NS-Raubkunst bereits seit 1988 vor.
Nachprüfung durch "Taskforce Gurlitt"
Die Bundesregierung richtete übereilt eine "Taskforce Schwabinger Kunstfund" ein, die den sensationellen Fund untersuchen sollte. Das Ergebnis der kunsthistorischen Überprüfungen aller Bilder fiel allerdings 2016 ausgesprochen mager aus.
Als Cornelius Gurlitt 2014 starb, vermachte er seine Sammlung dem Kunstmuseum Bern. Inzwischen befindet sich die gesamte Kunstsammlung im Bestand des renommierten Hauses. Ein Erbvertrag machte eine intensive Provenienzforschung aller Kunstwerke ausdrücklich zur Bedingung der Schenkung. Diese fand jetzt mit der letzten Übergabe ihren Abschluss.
Insgesamt wurden von den Fachleuten 14 Kunstwerke als definitive "NS-Raubkunst" eingestuft. Es gibt aber weiterhin Grenzfälle, wo unter Umständen die Kategorie "fluchtbedingter Verkauf" noch zum Tragen kommen könnte.
Späte Anerkennung des NS-Unrechts
Der ursprüngliche Besitzer der wertvollen Zeichnung von Carl Spitzweg, Henri Hinrichsen, wurde von den Nazis deportiert und 1942 im Vernichtungslager Auschwitz ermordet.
Für Kulturstaatsministerin Monika Grütters ist diese aktuelle Restitution an die Erben auch ein politisches Zeichen: "Wir können dieses schwere Leid nicht wiedergutmachen", sagte sie gegenüber der Deutschen Presseagentur (dpa). "Aber durch die Aufarbeitung des NS-Kunstraubes versuchen wir, ein Stück weit zu historischer Gerechtigkeit beizutragen und unserer moralischen Verantwortung gerecht zu werden."
Bei mehr als 1000 Kunstwerken der beschlagnahmten Kunstsammlung Gurlitt waren Herkunft und Vorbesitzer bzw. die meist jüdischen Eigentümer nicht mehr zu ermitteln. Viele wurden von den Nazis deportiert und ermordet, andere flohen ins Ausland und verstarben dort. Trotz intensiver Recherchen der Provenienzforscher in Deutschland und der Schweiz ist nach wie vor unklar, woher viele dieser Arbeiten stammen.
Nur insgesamt 14 Gemälde und Zeichnungen, u.a. von Henri Matisse, Max Liebermann, Adolph von Menzel und jetzt der Spitzweg, konnten eindeutig zugeordnet und an die rechtmäßigen Erben restituiert werden.
hm/suc (mit dpa/epd)
https://www.dw.com/
Streit um Entschädigung für wertvolle Guarneri-Geige
NS-RAUBKUNSTEigentlich müsste der Streit um die Guarneri-Geige längst beigelegt sein. Doch die vereinbarte Entschädigungszahlung an die Erben des jüdischen Musikalienhändlers Felix Hildesheimer ist bis heute nicht bezahlt. Die Beratende Kommission für die Rückgabe von NS-Raubkunst, die 2016 hinzugezogen wurde, zeigt sich deshalb verärgert.
"Der Erbengemeinschaft, deren deutsche Vorfahren unter der Herrschaft des Nationalsozialismus schwerer Verfolgung ausgesetzt waren, wird seit vier Jahren der Eindruck vermittelt, einer Wiedergutmachung historischen Unrechts stünden in Deutschland politischer Unwille und bürokratische Hürden im Weg", heißt es in einer aktuellen Stellungnahme der Kommission. Aber warum ist bisher nichts geschehen?
09.02.2021
Ein jüdischer Musikalienhändler verkaufte 1938 eine wertvolle Geige: "NS-fluchtbedingt", meint eine Kommission. Die Erben warten seit Jahren auf Entschädigung.
Juristische Spiegelfechterei
Einer gütlichen Einigung zwischen der Nürnberger Franz Hofmann und Sophie Hagemann Stiftung und den Erben des Musikalienhändlers Hildesheimer schien 2016 nichts mehr im Wege zu stehen. Beide hatten der Vereinbarung zugestimmt: "…dass die Geige […] in der Stiftung verbleibt und diese zum Ausgleich einen Betrag von 100.000 Euro an die Erben zahlt."
Doch bis heute ist die Zahlung nicht erfolgt. Was auch daran liegt, dass die Empfehlung der Kommission keine Rechtsverbindlichkeit hat. Verschiedene Medien, darunter auch DW und New York Times, berichteten darüber. Die Stiftung verschanzt sich in einer Pressemitteilung vom 3. Februar diesen Jahres hinter Gesprächen, "um die juristischen Voraussetzungen zur Zahlung der Ausgleichssumme zu klären."
Geige wird im Tresor verwahrt
Der Gegenstand des Rechtsstreits ist eine Violine des berühmten Geigenbau-Meisters Guiseppe Guarneri. Gefertigt wurde das Instrument im Jahr 1706 in Cremona, der Hochburg der virtuosen italienischen Geigenbauer. Guarneri-Geigen sind ebenso berühmt wie die Streichinstrumente von Antonio Stradivari.
Heute wird das wertvolle Instrument in einem Tresor in Nürnberg aufbewahrt. Derzeitiger Besitzer ist die dortige Hagemann-Stiftung des musikliebenden Ehepaars, deren Namen sie trägt. Laut Stiftungszweck soll die Geige besonders begabtem Musiker-Nachwuchs an der Nürnberger Musikhochschule zur Verfügung gestellt werden.
Im Zentrum der andauernden Streitigkeiten steht die Frage, ob das Instrument 1938 von der Gestapo beschlagnahmt wurde und somit eindeutig zur Kategorie "NS-Raubkunst" gehört. Oder ob Felix Hildesheimer sie ganz normal "als Handelsware der Musikalienhandlung verkauft" hat, wie die Stiftung weiterhin argumentiert.
Provenienzforscherin Monika Löscher vom Kunsthistorischen Museum in Wien zieht einen freiwilligen Verkauf stark in Zweifel: "Natürlich waren das Zwangsverkäufe. Damit musste zum Beispiel die "Reichsfluchtsteuer" bezahlt werden, eine erzwungene Juden-Vermögensabgabe. Und es mussten damit Schiffstickets gelöst werden. Also von freiwilligen Verkäufen zu reden, wäre absurd."
Zwangsverkauf unter NS-Repressionen
Der Musikalienhändler aus Speyer hatte die Guarneri-Geige am 24. Januar 1938 von der Firma Hamma & Co. in Stuttgart erworben. Seit dem von den Nazi-Behörden angeordneten Boykott jüdischer Geschäfte ab 1933 war Felix Hildesheimer schwer unter Druck geraten. Mehrfach hatten ihm SA-Schlägertrupps den Laden demoliert.
Mit dem "Gesetz zur Ausschaltung der Juden aus der deutschen Wirtschaft" vom 23.11.1938 entzogen die Nazis allen jüdischen Geschäftsleuten in Deutschland vollständig die Existenzgrundlage. Felix Hildesheimer sah sich gezwungen sein Geschäft und sein privates Wohnhaus inklusive Hausstand zu verkaufen.
Auch in Österreich gab es vergleichbare Fälle, sagt Monika Löscher im DW-Gespräch: "Man muss sich nur die Kleinanzeigen anschauen, die in den Zeitungen damals erschienen sind. Wo die Leute ihre Emigration vorbereiteten und versucht haben, alles zu verkaufen, was sie nicht mitnehmen konnten, also auch ganze Wohnungseinrichtungen."
Versuche, ein Visum nach Australien für sich und seine Familie zu bekommen, schlugen fehl. Im August 1939 warf sich Hildesheimer vor einen Zug. Seine Frau Helene wurde von den Nazis in das Frauenlager Gurs in Südfrankreich deportiert, 1941 konnte sie über Marseille in letzter Minute entkommen. Den beiden Töchtern gelang die Flucht nach Australien und in die USA. Die Spur der Geige verlor sich danach.
Als Nachlass im Besitz einer Stiftung
1974 kaufte die Violinistin Sophie Hagemann (1918–2010) die Guarneri-Geige bei dem Kölner Instrumentenbauer Ludwig Höfer - mutmaßlich ohne etwas von der Herkunft des Instrumentes zu ahnen. Höfer hatte die Geige fachkundig aufbereitet: "Wegen der kleinen Risse brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Ich werde sie mir bei ihrem nächsten Besuch nochmals anschauen", schrieb er ihr damals.
Die Geigerin widmete sich nach dem Krieg in Konzerten mit ihrem "Duo Modern" auch der zur Nazizeit verbotenen "entarteten Musik".
Ihr Mann, der Komponist Franz Hofmann, war 1945 als Soldat gefallen. Ihre Geige brachte sie dann später in eine Stiftung ein, die der Nachwuchsförderung dienen sollte.
Nach ihrem Tod 2010 ging das Instrument als Erbe in den Besitz der Franz Hofmann und Sophie Hagemann Stiftung über. Damals habe sich die Geige in einem schlechten Zustand befunden, so der Stiftungsvorstand, so dass eine Restaurierung unumgänglich gewesen sei.
Um die lückenhafte Provenienz abzuklären, stellte die Nürnberger Stiftung die Guarneri-Geige 2013 als Fundmeldung beimRegister ''Lost Art" ein. Daraufhin meldet sich ein in den USA lebender Enkel von Hildesheimer bei der Stiftung in Nürnberg.
Entschädigungszahlung längst überfällig
2015 zog der Vorstand für eine sachgerechte Abklärung der Provenienz die beratende Limbach-Kommission hinzu. Ihr Gutachten attestiert ein Jahr später der Vermutung, "dass es sich um einen durch Zwangsverkauf oder Beschlagnahmung erlittenen Vermögensverlust handelt, eine hohe Plausibilität".
Seitdem bemühe sich die Stiftung, die Entschädigungssumme über Drittmittel aufzubringen. Anfang Februar war dieses jedoch nicht gelungen, wie es auf der Stiftungsseite nachzulesen ist. Die Erben des jüdischen Musikalienhändlers Felix Hildesheimer warten derweil weiter auf ihr Geld.
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Hans Posse: Hitlers Manager für Raubkunst
NS-GESCHICHTE
Als Hitlers Chefeinkäufer akquirierte Hans Posse auf seinen Reisen Raubkunst für das "Führermuseum". Seine Reisetagebücher sind jetzt online einsehbar.
14.07.2020
Mit Bleistift schreibt er in kleine Büchlein, flüchtige Notizen, kryptisch wie ein Reisetagebuch. Dazwischen: Einträge mit blauem Füllfederhalter, Kürzel über wichtigen Personen, die Skizze eines historischen Gemäldes, das er begutachtet hat. Ab Juli 1939 ist der Dresdner Museumsdirektor Hans Posse (auf dem Titelbild dieses Artikels ganz links zu sehen) in geheimer Mission unterwegs. Hitler persönlich hat ihn zum "Sonderbeauftragten" für das geplante Führermuseum in Linz ernannt.
Am 5. Juli startet Posse seine erste Inspektionsreise. Er fährt im Schlafwagen nach München, wählt im "Führerbau", der zunächst als Depot für die Raubkunst dient, erste Gemälde aus und reist Tage später nach Linz in Österreich, der Heimatstadt Adolf Hitlers. Dort trifft er die örtliche Gauleitung, wie er akribisch in seinem Notizbuch auflistet, das er immer bei sich trägt.
Hitlers Reichskanzlei hat vorab telegraphiert, man solle ihn tatkräftig vor Ort unterstützen. "Hitler hatte ihn mit ungeheuren Befugnissen ausgestattet", sagt Susanna Brogi, die Leiterin des Deutschen Kunstarchivs in Nürnberg, wo die geheimen Reisetagebücher lagern und ausgewertet wurden. "Posse wusste, wie man sich in Kreisen der Museumsleute bewegen musste. Und er hat persönlich die NS-Elite kennengelernt."
Hitlers Chefeinkäufer für Kunst
Am 10. Juli 1939 geht es weiter nach Wien. Dort besichtigt er das österreichische Zentraldepot der bereits beschlagnahmten Kunstwerke aus jüdischem Eigentum. 1938, sofort nach dem "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich, sind bereits tausende von Gemälden von der Gestapo konfisziert worden. Vieles stammt aus "arisiertem" jüdischen Kunstbesitz. "Über 8000 Stück", notiert Hans Posse mit seiner krakeligen, schwer lesbaren Schrift unter diesem Datum.
Die Notizbücher sind wichtig für seine Buchhaltung. Alles rechnet er akribisch mit der Reichskanzlei in Berlin ab: Zugfahrten, Einladungen von Geschäftspartnern, Eintrittsbilletts zu Kunstausstellungen, Trinkgelder. Als Hitlers Chefeinkäufer steigt Hans Posse nur unter feinster Adresse ab: Hotel Ritz in Paris, Grand Hotel in Krakau.
Teure Lederhandschuhe (29 Reichsmark, RM), Pralinés oder seine geliebten Zigarren sind sein Privatvergnügen, das begleicht Posse preußisch korrekt aus eigener Tasche. Martin Bormann, Hitlers persönlicher Adjutant, hat ihm vorab 10.000 RM für Reisespesen ausbezahlt.
Auf seinen Reisen von Juli 1939 bis Frühjahr 1942 führt Posse als "Sonderbeauftragter" für Linz penibel Buch. Fünf dieser privaten Reisekladden und ein Diensttagebuch konnten drei Jahre lang für ein Forschungsprojekt am Germanischen Nationalmuseum ausgewertet werden: ein kunsthistorischer Schatz, der jetzt digital einsehbar ist. Alle zusammen sind eine wichtige Quelle für die Erforschung der Nazi-Raubkunst, die durch den Fall Gurlitt 2013 spektakulär in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt ist.
Manager der NS-Museumspolitik
Für Hitlers Traum, auch als großer Förderer der Kunst in die Geschichte einzugehen, war Posse der richtige Mann. Seine Ambitionen, Maler zu werden, schlug er sich während des Studiums der Kunstgeschichte in Wien schnell aus dem Kopf. Seine Bilder genügten seinen Qualitätsansprüchen nicht. Eine biografische Parallele, die er mit dem gescheiterten Kunstmaler Adolf Hitler gemeinsam hat.
1910 wird der 31-Jährige Posse zum Direktor der altehrwürdigen Staatlichen Gemäldegalerie in Dresden berufen. Schnell macht er sich einen Namen: Ambitioniert erweitert er die museumseigene Sammlung, setzt sich für die aufkommende moderne Malerei ein und fördert Künstler wie Oskar Kokoschka. 1922 stellt er als Kunstkommissar den von der konservativen Kunstpolitik verschmähten Maler im Deutschen Pavillon auf der Biennale in Venedig aus.
Trotz massiver Anfeindungen der örtlichen NSDAP bleibt er bei der Ankaufspolitik für Dresden seiner Maxime treu. Viele, später von den Nazis als "Entartete Kunst" diffamierte Kunstwerke, stellt er aus. Kurz darauf wird er zum Rücktritt von seinem Direktorenposten gezwungen. Dass Hitler den umstrittenen Museumsmann als Emissär für die Sammlungsankäufe des geplanten Führermuseums auswählt, ist mehr als erstaunlich.
Im Visier: Kunstsammlungen in jüdischem Besitz
Drei Jahre lang, von 1939 bis 1942, reist Posse als Chefeinkäufer für den "Sonderauftrag Linz" durch die von den Nazis besetzen Länder. Zuständig ist er auch für die Verteilung der "arisierten" Kunstbestände auf die übrigen Museen im Reich. Nach seinen Maßgaben gehen hochkarätige Gemälde, wertvolle Skulpturen und Porzellansammlungen als "Führerzuteilung" in Museumsbestände über, erzählt Birgit Schwarz, als Kunsthistorikerin im Forschungsteam dabei.
Allein im Zentraldepot Wien lagern Kunstschätze in Millionenwerten: Geraubt und beschlagnahmt von angesehenen jüdischen Familien wie Rothschild, Gutmann, Pollak, Goldmann, Wolf. Hans Posse notiert alles bis ins kleinste Detail. Seine Reisekladden seien daher ein Schlüsseldokument zum NS-Kunstraub, so Posse-Expertin Schwarz im DW-Interview: "Die Edition zeigt, dass und wie Posse, der in Hitlers Augen beste Museumsmann Deutschlands, zum zentralen Manager der Museumspolitik Hitlers wurde."
Posse war bestens vernetzt, die Kontakte zu Kunstsammlern verschaffte ihm der Berliner Hans Haberstock, der ihn auch als Emissär bei Hitler ins Gespräch gebracht hatte. "Haberstock war von Beruf zwar Kunsthändler, aber er hat auch in anderen Funktionen für Hitler persönlich gearbeitet" sagt Birgit Schwarz im DW-Interview. "Und er hatte eine Schlüsselfunktion in Bezug auf die Verwertung der sogenannten 'Entarteten Kunst'".
Schlüsseldokumente für die NS-Raubkunstforschung
Seit 1938 gilt ein generelles Berufsverbot für jüdische Kunsthändler und Galeristen. Viele müssen überstürzt ins Ausland fliehen, ihre Bestände werden rücksichtslos liquidiert und "arisiert". Allein die NS-Finanzbehörde versteigert 16.558 Kunstwerke. Auch davon profitiert Chefeinkäufer Posse. Aber er kauft auch aus nicht-jüdischem Kunstbestand im europäischen Kunsthandel.
In Hitlers Auftrag reist er nach Venedig, Florenz, Paris, Amsterdam und Krakau, um vor allem historische Gemälde für Linz aufzukaufen: Meisterwerke von Tizian, Raffael, Canaletto, Rubens, Rembrandt, Van Dyk im Millionenwert. Nach Kriegsende im Mai 1945 werden die alliierten Truppen vieles davon im Salzbergwerk von Altaussee sicherstellen und in den "Central Collecting Point" nach München transportieren.
Der Nachlass von Hans Posse, der 1942 an Krebs starb, ging verloren. Durch Zufall sind seine privaten Reisetagebücher in den 1980er Jahren aufgetaucht, berichtet Susanna Brogi. "Es handelt sich astrein um ein politisches Dokument", so Brogi.
Nach ihrer Einschätzung ist Hans Posse ein williger Vollstrecker von Hitlers Wünschen gewesen: "Eine große Sammlung aufzubauen als Museumsmann, und auf alles Zugriff zu haben, was man dafür ankaufen wollte, das hat ja einen großen Reiz. Das Erschütternde ist vielleicht die Emotionslosigkeit, wenn wir diese Dokumente ansehen, wie hier Zeitpunkte, Namen, Orte und Werke aneinander gereiht werden."
Für Birgit Schwarz ist Posse sogar eher der "Macher" und die treibende Kraft gewesen bei der systematischen Zusammenstellung der Kunstsammlung für das geplante Linzer Museum. Alles im Sinne des "Führers", der seiner Heimatstadt etwas historisch Wertvolles vermachen wollte.
Alle Dokumente sind jetzt digitalisiert und demnächst im Internet dokumentiert, eine wichtige historische Quelle, nicht nur für Kunsthistoriker und Provenienzforscher. Die Notizen von Posse belegen, dass neben der Skrupellosigkeit der Raubkunst-Beschaffung auch die Gier der Museumsdirektoren im "Dritten Reich", ihre Bestände mit wertvoller Kunst aufzustocken, keine Grenzen kannte. Manche dieser Raubkunst-Objekte aus dieser Zeit lagern bis heute in den Depots.
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NS-Raubkunst: Neues Recherche-Portal zur Kunstsammlung Mosse
Seit der Aufdeckung des "Fall Gurlitt" spielt das Thema Raubkunst eine zentrale Rolle in der deutschen Museumspolitik. Jetzt macht ein Online-Portal die Provenienzforschung zur Sammlung Mosse weltweit zugänglich.
02.05.2018
Als eine der ersten deutschen Kulturinstitutionen hat die Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin schon 2015 Werke aus der Sammlung Mosse an die Erben in den USA zurückgegeben. Jetzt kamen noch weitere Kunstwerke, u.a. die Skulptur "Susanna" von Reinhold Begas (Artikelbild), dazu. Heute wurde außerdem ein neues Online-Portal zur weiteren Provenienz-Forschung freigeschaltet.
Die eigenes dafür gegründete Mosse Art Research Initiative an der Freien Universität Berlin hat dieses Portal auf Initiative der Erbengemeinschaft der Familie Mosse aufgebaut und eingerichtet. Seit Frühjahr 2017 forscht dort ein Team von Wissenschaftlern und Kunsthistorikern nach dem Verbleib der verschollenen Kunstwerke.
Die berühmte Sammlung des deutsch-jüdischen Verlegers und Kunstmäzens Rudolf Mosse, der in den 1920 bis 1930er Jahren in Berlin ein Zeitungsimperium aufgebaut hatte, umfasste einstmals Tausende von wertvollen Gemälden, Skulpturen, Büchern und Antiquitäten.
Mosse investierte auch große Summen in soziale Projekte und gründete als erster Unternehmer eine Pensionskasse für seine Mitarbeiter. Der größte Teil seiner erlesenen Kunstsammlung wurde nach 1933 von den Nazis enteignet, unrechtmäßig verkauft oder auch aus dem Familienbesitz geraubt. Die Nationalsozialisten hatten extra eine "Rudolf Mosse Stiftung GmbH" gegründet, um die Übereignung des jüdischen Vermögens abzuwickeln.
Geglückte Restitution
Viele dieser Kunstwerke fanden sich später als NS-Raubkunst in öffentlichen Museen und Kunstsammlungen wieder. "Wir haben bisher die Forschung zu 115 Werken aufgenommen", teilte die Koordinatorin Meike Hofmann bei einer Pressekonferenz in Berlin mit. "Zu 68 Werken haben sich belastbare Spuren ergeben. Für 30 Werke sind im Recherche-Portal MARI alle Informationen hinterlegt, die in unsere Forschung eingegangen sind.
Insgesamt 24 Werke konnte das Forscherteam als Raubkunst identifizieren, acht wurden konkret in Museen und Sammlungen gefunden und lokalisiert, u.a. im Museum Belvedere Wien, im Tel Aviv Museum in Israel, im Arkell Museum im US-Saat New York und in Privatbesitz. In der Alten Nationalgalerie erinnert jetzt eine Medienstation an die geglückte Restitution der Raubkunst. Drei Werke wurden von der Stiftung zurückerworben, und sind in Berlin öffentlich zu sehen.
hm/so (kna, epd)
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Stiftung gibt NS-Raubkunst an Oppenheim-Erben zurück
Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat elf Gemälde und Porzellanstücke, die der jüdischen Kunstsammlerin Margarete Oppenheim gehörten, den Nachkommen übergeben. Man habe sich "fair und gerecht" geeinigt, hieß es.
22.01.2018
Wie Stiftungpräsident Hermann Parzinger in Berlin mitteilte, hatte die Familie die Kunstwerke 1936 unter dem Druck der Nazis verkaufen müssen. Auf unterschiedlichen Wegen gelangten die Objekte später in die Staatlichen Museen zu Berlin. Deshalb habe man sich - den internationalen Vereinbarungen entsprechend - mit den Erben auf eine faire und gerechte Rückgabelösung geeinigt, so Parzinger.
Von den elf erstatteten Stücken hat die Stiftung fünf bereits wieder für die Museen zurückerworben. Dabei handele es sich um zwei kunsthistorisch wichtige Werke der sogenannten Donau-Schule und drei Porzellanstücke aus dem 18. Jahrhundert, so die Stiftung.
Margarete Oppenheim: eine der größten Sammlerinnen ihrer Zeit
Margarete Oppenheim (1857-1935), Witwe des 1929 verstorbenen Chemikers und Industriellen Franz Oppenheim, hatte eine der größten und wertvollsten Kunstsammlungen Deutschlands. Dazu zählten Werke zahlreicher Impressionisten, aber auch Porzellan, Majoliken, Fayencen, Silberarbeiten und Kleinplastiken.
Sowohl die Anwälte der Erben wie auch Parzinger begrüßten die gütliche Vereinbarung, die auf Basis der "Washingtoner Erklärung" erfolgte. Darin hatten sich im Dezember 1998 44 Staaten, darunter Deutschland, verpfichtet, von den Nazis beschlagnahmte Kunstwerke ausfindig zu machen und für deren rechtmäßige Besitzer eine "gerechte und faire Lösung" zu finden. Die Preußenstiftung hat eigenen Angaben zufolge bisher schon mehr als 350 Kunstwerke und über 1000 Bücher an die Nachkommen verfolgter jüdischer Sammler zurückgegeben.
suc/sd (dpa,epd)
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Simon Goodman: "Neues moralisches Klima durch US-Gesetz zur NS-Raubkunst"
Republikaner und Demokraten unterstützen ein neues US-Gesetz, das die Rückgabe von NS-Raubkunst erleichtert. Simon Goodman kämpft seit 1945 um die Familiensammlung. Im DW-Interview äußert er sich zum Gesetzesvorstoß.
12.06.2016
Eine ungewöhnliche Allianz hat sich im US-Senat gebildet, um rechtmäßigen Eigentümern von NS-Raubkunst bei der Wiedererlangung ihrer Kunstwerke zu helfen. Sie besteht aus dem erzkonservativen Senator Ted Cruz und dem linksliberalen Senator Chuck Schumer. Bisher verhinderten bestehende Gesetze, ihre Fälle vor Gericht zu bringen und Ansprüche geltend zu machen. Schuld war die verwirrende Vielfalt von Verjährungsfristen im US-Rechtssystem. Der jetzt von einer Gruppe um die Senatoren Cruz und Schumer eingebrachte "Holocaust Expropriated Art Revorey Act" (HEAR) will das ändern. HEAR vereinheitlicht die Rechtslage und führt eine sechsjährige Verjährungsfrist ein. Sie beginnt mit der Entdeckung des Kunstwerkes durch den Anspruchsteller. Vergangene Woche hielt der Justizausschuss des US-Senats eine Anhörung zu HEAR ab. Eingeladen waren unter anderem die Schauspielerin Helen Mirren, der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Ronald Lauder, und Simon Goodman. Letzterer ist der Enkel von Friedrich Gutman, der seine Kunstsammlung unter Druck des NS-Regimes veräußern musste.
DW: Herr Goodman, Republikaner und Demokraten ziehen im US-Senat beim HEAR Act an einem Strang. Beide Parteien unterstützen damit die Holocaustopfer bei der Wiedererlangung von NS-Raubkunst. Hat Sie das überrascht?
Dass beide Parteien hinter dem HEAR Act stehen, ist für sich genommen schon ermutigend. Es besteht somit eine gute Chance, dass der HEAR Act verabschiedet wird. Das alleine wäre schon ziemlich gut. Denn nur wenig geht in diesen Tagen durch den Kongress.
Warum gibt es diese Einigkeit?
Nun, wir haben Wahljahr und keine Partei will nach außen so dastehen, dass sie die Nachkommen von Holocaust-Opfern blockieren will.
Die gesetzlichen Defizite in den USA waren aber doch schon lange bekannt. Warum kommt es erst jetzt zu dieser Initiative?
Das hat jahrelangen Drucks bedurft. Und um ehrlich zu sein: Der Präsident des jüdischen Weltkongresses, Ronald S. Lauder, hatte alle Hände voll zu tun, um für uns endlich Gehör bei den Senatoren zu finden. Das ist alles Politik.
Sie sind vor dem Justizausschuss des US-Senates zum HEAR Act befragt worden. Was war Ihre Botschaft?
Ich habe klar gesagt, dass ich das Gesetz unterstütze. Meine Familie hat seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges mit Museen, Galerien, Auktionshäusern und ausländischen Regierungen gekämpft. Alles, was es uns etwas einfacher macht, unsere Interessen wahrzunehmen und vor Gericht ziehen zu können, ist ein großer Fortschritt. Abgesehen davon ist es fast noch wichtiger, dass der Senat durch dieses Gesetz eine Botschaft in die Museumswelt und das Kunst-Business aussendet. Eine Botschaft, die klarmacht, in welche Richtung es gehen soll. Das schafft ein neues moralisches Klima. Das macht es für eine Familie wie meine einfacher, eine Einigung zu erzielen, ohne dass wir vor Gericht ziehen müssen.
Haben Sie dafür ein konkretes Beispiel?
Vor fast 20 Jahren fand ich einen Edgar Degas in Chicago. Die erste Reaktion des Anwalts der Gegenseite war, dass wir die Fristen überschritten hatten. Damit wollten sie uns damals stoppen. Aber es gibt noch viele andere Kunstwerke aus unserem Familienbesitz in den USA. Ich kann Ihnen nicht sagen, wann ich wieder vor Gericht ziehen werde. Und ich habe beispielsweise auch noch eine Restitutionsforderung in Bayern ausstehen. Keine Ahnung, wie das jetzt ausgeht.
Es gibt zahlreiche Museen in Deutschland, in deren Sammlungen sich vielleicht NS-Raubkunstwerke befinden. Erhalten Sie aus Deutschland und von der deutschen Bundesregierung genug Unterstützung?
Auf gesetzlicher Ebene nicht. Vor drei bis vier Jahren erhielt ich eine signifikante Restitution vom Landesmuseum in Stuttgart. Aber das geschah nur, weil die Verwaltung des Museums dachte, es wäre richtig, das zu tun. Es handelte sich um zwei goldene Renaissance-Uhren. Ich habe darüber auch ein Buch geschrieben: "The Orpheus Clock". Hätte ich vor Gericht gehen müssen, hätte ich schlechte Karten gehabt. Unter anderem auch wegen ausgelaufener Fristen.
Die Senatoren Cruz und Schumer sagen, dass es wichtig sei, die moralische Verantwortung zu übernehmen. Machen das die Deutschen aus Ihrer Sicht ausreichend?
Ja und nein. Schauen Sie sich beispielsweise die Limbach-Kommission an, die in Streitfällen entscheidet, ohne allerdings rechtlich bindend zu sein. Das geht nur im Schneckentempo. Und viel kommt dabei auch nicht raus. Es ist langsam und übervorsichtig. Mehr könnte immer gemacht werden. Und klar ist: Wenn der US-Senat den HEAR Act verabschiedet, sendet das eine starke Botschaft – auch nach Deutschland.
Wissen Sie, in meiner Familie ist meine Tante bald 97. Sie mag nicht mehr lange leben. Sie musste sich in Italien während des Krieges verstecken. Es wäre wichtig, wenn sie die Rückgabe weiterer Kunstwerke noch erleben würde. Aber sehr viel Zeit ist bereits verstrichen. Mein Vater fing bereits 1945 an, geraubte Kunstwerke zurückzufordern. Er kam nicht sehr weit damit. Ich übernahm das nach seinem Tod. Das geht jetzt schon seit mehr als 70 Jahren so. Und von der Gutmann-Sammlung sind immer noch mehr als 30 Prozent verschollen.
Sie sind gemeinsam mit der Schauspielerin Hellen Mirren vor dem US-Senat aufgetreten. Mirren betonte, dass die Rückgabe von Kunstwerken wenig mit Geld zu tun habe. Es gehe für die jüdische Community vielmehr um die Chance, die Geschichte, die Kultur und die eigene Familie für sich zurückzugewinnen. Sehen Sie das auch so?
Da ist etwas Wahres dran. Ich mache das nicht aus finanziellen Gründen, die Suche alleine ist extrem teuer. Von unserer Familie ist nicht viel übrig geblieben. Kunst ist alles, was von unserer Familienkultur überlebt hat.
Das Interview führte Gero Schliess
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NS-Raubkunst: Rückgabe an Max Stern-Erben
Das Stadtmuseum Düsseldorf restituiert das Selbstbildnis von Wilhelm von Schadow an die Erben von Max Stern. Das Ölgemälde hing dort seit Jahren, obwohl es auf der Fahndungsliste von Interpol stand.
12.05.2014
Mit dem Fall Gurlitt kommt auch eine Wende: Die Politik plant ein bundesweites Netzwerk für die Suche nach Raubkunst; die Welt der Kunst scheint sensibilisiert und offener gegenüber Rückgabeforderungen und Recherchen von Provenienzforschern: Nach einem dreijährigen Streit gibt das Düsseldorfer Stadtmuseum nun das Selbstbildnis des Malers Friedrich Wilhelm von Schadow (1788-1862) an die Erben von Max Stern zurück. Das Ölgemälde wird heute auf 50.000 Euro geschätzt und hing dort mehrere Jahre. Dass es einmal dem jüdischen Kunsthändler gehörte, hatte bisher niemanden interessiert.
Der Fall Gurlitt hat gezeigt wie schwer der Umgang mit Raubkunst bis heute in Deutschland ist. Fast 70 Jahre nach dem Krieg handeln Privatsammler und Auktionshäuser noch immer mit Bildern, die verfolgten Juden gestohlen wurden, und auch in deutschen Museen hängt Raubkunst. Bis heute gibt es keine verbindliche Rechtsgrundlage, lediglich das Washingtoner Abkommen von 1998 empfiehlt Raubkunst zurückzugeben oder zumindest einen Ausgleich mit den Vorbesitzern zu suchen.
Die Geschichte von Max Stern
Alles beginnt 1934 in Düsseldorf: Max Stern übernimmt die Kunstgalerie seines Vaters auf der Königsallee. Er handelt mit niederländischen Landschaftsbildern und verkauft Bilder der Düsseldorfer Malerschule. Zu seinen Kunden zählen Kunstsammler mit kleinerem Geldbeutel, Anwälte und Ärzte, aber auch Industriefamilien wie die Thyssens aus Essen. Im August 1935 zwingt ihn die Reichskammer der Bildenden Künste seine Galerie aufzulösen und entzieht ihm seine Zulassung als Kunsthändler, denn "er ist kein Arier". Stern legt Widerspruch ein und kann die Frist verlängern. Er verkauft einen Teil seiner Sammlung an private Händler und bereitet so seine Emigration vor.
"Sicherlich hätte er unter anderen Umständen mehr Geld für die Bilder bekommen", davon ist der heutige Lempertz-Chef Henrik Hanstein überzeugt. Aber die Käufer wussten, dass er als Jude das Kapital für seine Flucht brauchte. Hansteins Großvater hatte mit dem Kunsthändler Max Stern eine langjährige Geschäftsbeziehung und so werden die restlichen Bilder seiner Sammlung im Auktionshaus Lempertz 1937 versteigert. "Max Stern hat die Bilder persönlich katalogisiert", erklärt Hanstein.
Wenn Bilder auf Odyssee gehen
"Lempertz betrachtet die Auktion nicht als Zwangsauktion", schreibt der Publizist und Raubkunstexperte Stefan Koldehoff in seinem Buch. Welchen Erlös Stern bekommen habe, lasse sich jedoch nicht mehr nachweisen. "Max Stern musste mit dem Erlös die Reichsfluchtsteuer bezahlen und mit einer Sicherungsanordnung haben die Nazis sein restliches Vermögen blockiert und einbehalten", meint dagegen Willi Korte. Die nicht versteigerten Bilder und damit der Rest seiner privaten Sammlung gibt Stern bei einer Kölner Spedition in Verwahrung, die später jedoch von der Gestapo beschlagnahmt wird.
Der jüdische Kunsthändler Stern kann über Paris und London nach Kanada fliehen und überlebt so den Holocaust. In Montreal übernimmt Stern die "Dominion Gallery of Fine Arts", wird ein berühmter Förderer kanadischer Kunst und versucht nach dem Krieg einen Teil seiner Sammlung aus Düsseldorf wiederzufinden. "Über eine Anzeige suchte er nach Bildern aus seiner in Verwahrung gegebenen privaten Sammlung. Aber bei meinem Großvater hat er nie Kunstwerke aus der Versteigerung reklamiert", so Hanstein.
Vom Land Nordrhein-Westfalen wird Max Stern 1964 für den so genannten "Verschleuderungsschaden" seiner Galerie entschädigt. Deshalb ist der Fall aus Sicht von Henrik Hanstein abgeschlossen und geklärt. Das Auktionshaus habe mit Max Stern bis zu seinem Tode einen guten, geschäftlichen Kontakt gepflegt, ergänzt der Lempertz-Chef. Sein Großvater, Josef Hanstein, habe Stern und auch anderen jüdischen Kunstsammlern während der NS-Zeit wiederholt geholfen, weshalb er 1942 von der Gestapo verhaftet wurde.
"Das Bild gehört rechtmäßig den Erben Max Sterns, denn der Kunsthändler musste das Bild 1937 zwangsversteigern und das kommt einem Diebstahl gleich", sagt Provenienzforscher Willi Korte. Er recherchiert seit zehn Jahren die verschollene Kunstsammlung des jüdischen Kunsthändlers im Auftrag der Erben - zwei Universitäten in Kanada und eine in Israel. "Max Stern hat den kompletten Erlös aus der Versteigerung erhalten und nach dem Krieg zusätzlich eine Entschädigung bekommen. Hier kann es keine Ansprüche mehr geben", kommentiert Lempertz-Chef Hanstein die Rückgabe des Gemäldes.
Ein wahrer Kunstkrimi - und die Suche geht weiter
Jurist Willi Korte recherchiert seit zehn Jahren die verschollene Sammlung von Max Stern
Erst nach Sterns Tod beginnen die Erben mit der Suche nach den Bildern aus der Lempertz-Auktion. Bei Recherchen in Düsseldorf stößt der Kunstdetektiv Willi Korte auf den Katalog der Versteigerung beim Kölner Auktionshaus im Jahr 1937. "Seitdem wissen wir, dass wir nach 228 Bildern suchen", erklärt Korte. Unter der Nummer 135 ist das Selbstbildnis von Wilhelm von Schadow mit einem Foto verzeichnet. Wie das Ölgemälde von der Auktion bis in das Stadtmuseum Düsseldorf gelangte, ist nicht dokumentiert. "Es wurde nicht in der Auktion 1937 verkauft, sondern ging zunächst an Max Stern zurück , der es dann verkaufte", sagt Hanstein.
Willi Korte entdeckt das Gemälde 2011 in einer Dauerausstellung des Düsseldorfer Stadtmuseums. Heute (07.04.2014) gibt das Museum das Selbstbildnis an eine Delegation aus Kanada zurück. Es ist das Zwölfte von 228 Bildern aus der Sammlung Max Stern, das Willi Korte den Erben restituieren kann. "Ich glaube, dass die Rückgabe des Schadow-Bilds nicht im Sinne von Max Stern ist, denn der war ein leidenschaftliche Düsseldorfer", meint Lempertz-Chef Hanstein. Willi Kortes Suche nach der verschollenen Kunstsammlung Max Sterns wird weiter gehen. Vor allem im Rheinland vermutet der erfahrene Kunstdetektiv noch mehr Bilder in Museen, Depots und Privatwohnungen.
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DIE REDAKTION EMPFIEHLT
NS-Raubkunst: Suche gemeinsam mit Israel
Der Fall Gurlitt hat auch in Israel eine Diskussion um die Rückgabe von Raubkunst ausgelöst. Nun wollen Deutschland und Israel bei der Suche nach NS-Raubkunst enger zusammenarbeiten. (26.02.2014)
NS-Raubkunst: Rückgabe an Max Stern-Erben
Das Stadtmuseum Düsseldorf restituiert das Selbstbildnis von Wilhelm von Schadow an die Erben von Max Stern. Das Ölgemälde hing dort seit Jahren, obwohl es auf der Fahndungsliste von Interpol stand. (07.04.2014)
David Toren: "Ich will mein Erbe zurück!"
Dieser Mann kämpft für Gerechtigkeit. Der 88-jährige New Yorker hat Deutschland und Bayern verklagt. Er will ein Bild aus dem Gurlitt-Fund zurück. Ein Gespräch über Familiengemälde, alte Wunden und neue Zweifel. (01.04.2014)
Auf der Jagd nach Hitlers Raubkunst
Noch immer suchen Kunstdetektive weltweit von den Nazis entwendete Kunstwerke. Der Gurlitt-Fall in Deutschland hat ihnen verstärkt Aufmerksamkeit beschert. Doch die Arbeit der Forscher ist schwierig. (29.01.2014)
Nazi-Raubkunst in deutschen Wohnzimmern?
Plädoyer für Transparenz: Die Geschäftsbücher des Nazi-Kunsthändlers Adolf Weinmüller dokumentieren einen skrupellosen Handel mit Raubkunst aus jüdischem Besitz. Jetzt sind sie öffentlich im Netz einsehbar.
31.05.2014
"Bei Luftangriffen alles zerstört." Diese lapidare Antwort auf die Befragung der amerikanischen Besatzungssoldaten (Foto), die versuchten nach Kriegsende Raubkunst sicherzustellen, hatte nicht nur der Kunsthändler Hildebrand Gurlitt parat. So wie er versuchten sich zahlreiche Nazi-Kunsthändler mit "Persilscheinen" von ihrer Mitverantwortung für den Handel mit jüdischer Raubkunst und massenhaft "arisierten" Kunstgegenständen reinzuwaschen. Als einer der vier Chefaufkäufer für das Führermuseum in Linz verfügte Gurlitt über beste Kontakte zu den NS-Behörden.
Sein Händlerkollege Adolf Weinmüller, in München zum einflussreichen Monopolisten für Auktionen mit jüdischer Raubkunst aufgestiegen, übertraf ihn da aber bei Weitem. Die Kataloge seines Auktionshauses aus dieser Zeit sind - dank eines Pilotprojektes - jetzt im Internet in der Datenbank Lost Art zu sehen.
Parteigenosse mit besten Kontakten
Weinmüller war schon 1931 in die NSDAP eingetreten. Als überzeugter Nationalsozialist mit latenter Aufsteiger-Mentalität hatte er viel vor. Als Händler war er anfangs nur ein kleiner Fisch, fand Meike Hopp vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte heraus: "Adolf Weinmüller hatte seit 1921 eine Kunsthandlung in München. Wir wissen aber über die Zeit zwischen 1921 und 1933 so gut wie gar nichts."
Meike Hopp hat über Weinmüller promoviert und federführend an der Veröffentlichung seiner Geschäftsunterlagen mitgewirkt. "Ab 1933 machte er rasant Karriere, indem er den Vorsitz des 'Bundes der deutschen Kunst- und Antiquitätenhändler' übernahm. Er hatte danach ganz massiven Einfluss an der Ausschaltung jüdischer Kunsthändler, indem er sich als Sachverständiger der IHK dagegen aussprach, dass jüdische Unternehmen eine Versteigerer-Erlaubnis bekamen." Adolf Weinmüller hatte dadurch einen guten Überblick darüber, welche Häuser ihre Lizenz verlieren würden und profitierte skrupellos von der "Arisierung" des Kunsthandels.
Bereits Ende 1938 - nach der Reichspogromnacht - waren alle 628 jüdischen Kunst- und Antiquitätenhändler im Deutschen Reich ausgeschaltet und ihrer Geschäftsgrundlagen beraubt. Das Münchner "Kunstversteigerungshaus Adolf Weinmüller", 1936 gegründet, stieg zum ersten Haus am Platze auf. Zu seinen besten Kunden zählte NS-Reichsleiter Martin Bormann, der beauftragt war, für Hitlers Privatsammlung wertvolle alte Gemälde einzukaufen.
Profiteur der jüdischen Enteignungen
Uwe Hartmann (Foto: picture alliance/dpa)
Dr. Uwe Hartmann, Leiter der Arbeitsstelle für Provenienzforschung in Berlin, koordiniert Anfragen aus dem Ausland
In kürzester Zeit verschaffte sich der Auktionator eine Monopolstellung im deutschen Kunsthandel, fasst Uwe Hartmann, Leiter der Arbeitsstelle für Provenienzforschung in Berlin, im DW-Interview diese beispiellose Karriere zusammen: "In einigen Städten wurden die nach 1938 beschlagnahmten Kunst-Gegenstände aus jüdischem Besitz fast ausnahmslos über sein Haus versteigert."
Ab Sommer 1941 fuhr Weinmüller zusammen mit Hans Posse, dem Chefeinkäufer für das geplante Führermuseum Linz, regelmäßig ins besetzte Prag. "Er hat sich dort in der Gestapozentrale Gemälde und Möbel von jüdischen Sammlern und Kunsthändlern aussuchen dürfen, die vorher beschlagnahmt worden waren", ergänzt Meike Hopp. "Das sind ganz klare Anhaltspunkte dafür, dass ein großer Teil der Waren, mit denen er gehandelt hat, unter den Verdacht der Raubkunst fallen."
Mann mit Geschäftssinn
Bis 1944 konnte Adolf Weinmüller ein riesiges Vermögen anhäufen. In Wien übernahm er das "arisierte" jüdische Kunsthaus Kende und eröffnete dort eine Dependance. 34.500 Objekte umfasste die Liste der Kunstgegenstände, die die alliierten "Monument Men", die Offiziere zum Schutz von Kunstgut, nach Kriegsende in seinen Auktionshäusern beschlagnahmten.
Gurlitt war dagegen ein kleiner Mitläufer, sagt die Kunsthistorikerin Meike Hopp: "Man kennt ja diese dreiseitige Liste der Objekte, die Hildebrandt Gurlitt vom Collecting Point der Aliierten ausgehändigt bekommen hat. Und bei Weinmüller umfassen diese Listen einen ganzen Leitz-Ordner. Man kann sich die Dimension der Werke, die zu diesem Zeitpunkt 1945 in seinem Warenlager waren, gar nicht vorstellen. Und darauf baute er dann wieder sein Nachkriegs-Geschäft auf."
Die Größenordnung wird durch die Veröffentlichung der Geschäftsunterlagen des Auktionshauses Adolf Weinmüller aus den Jahren 1936 bis 1943 noch einmal deutlich: 51 Versteigerungen sind dort durch 93 Kataloge dokumentiert. Seit letzter Woche weltweit einsehbar bei Lost Art: Einlieferer, Verkaufspreise und genaue Angaben zu jedem Kunstwerk, das bei Weinmüller unter den Hammer kam. Detaillierte Auskunft über die Provenienz des jeweiligen Kunstwerkes - allerdings mit einer Ausnahme, schränkt Meike Hopp ein: "Es war für uns selbstverständlich, dass wir die Käufernamen nicht öffentlich ins Internet stellen, um jegliche Form von Diffamierung und Rufmord zu vermeiden."
Internationales Pilotprojekt
Die Kunsthistorikerin Meike Hopp war bei den Recherchen zu ihrer Doktorarbeit über Weinmüller schon auf belastendes Material gestoßen, Geschäftsunterlagen schienen aber vernichtet worden zu sein. Mit Fördermitteln des Bundes wurde 2009 ein internationales Pilotprojekt daraus, als Public-Private-Partnership, zur Hälfte finanziert durch das Kunstauktionshaus Neumeister. Umso kostbarer der späte Fund der Auktionskataloge - der Zufall führte dabei Regie, erzählt Kathrin Stoll, die Geschäftsführerin von Neumeister: Die historischen Unterlagen wurden im März 2013 in einem Stahlschrank der Klimatechnik gefunden. "Das waren Bündel, zusammengeschnürt. Und dann sehen Sie unter Einlieferer: 'Gestapo'. Dann kriegen Sie schon Gänsehaut."
Vielleicht ist es Ausdruck einer demokratischen Mit-Verantwortung der Nachkriegsgeneration: Kathrin Stoll, deren Vater Rudolf Neumeister (Jg.1929) das hoch verschuldete Auktionshaus Weinmüller 1958 aufgekauft hatte, hatte schnell in der Familie geklärt, dass sie diese brisanten Geschäftsunterlagen für die Forschung und jetzt auch für die Öffentlichkeit freigeben wollte: "Wir wollten nicht zögern. Keinen Tag zu lang. Weil wir uns klar war, jeden Tag sterben vielleicht Anspruchssteller oder Nachfahren von enteigneten jüdischen Familien. Wir wussten, wir müssen ganz schnell an die Öffentlichkeit gehen - anders als bei Gurlitt, wo man zwei Jahre geschwiegen hat."
Uwe Hartmann, Leiter der koordinierenden Arbeitsstelle für Provenienzforschung, zollt Kathrin Stoll deshalb auch hohe Anerkennung für ihren Mut: "Sie macht damit deutlich, dass es vielleicht auch eine Frage unterschiedlicher Generationen ist, mit diesem Thema anders umzugehen. Sie hat das immer mit dem ziemlich deutlichen Bild benannt: 'Ich möchte keine Leichen in meinem Keller haben!' "
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Affäre-Gurlitt: Zentralrat der Juden klagt über Umgang mit NS-Raubkunst
AKTUELL DEUTSCHLAND
Die Staatsanwälte wollen dem Kunstsammler Gurlitt zahlreiche der beschlagnahmten Bilder zurückgeben: Nur Gemälde, die nicht zur NS-Raubkunst zählen. Für den Zentralrat der Juden der falsche Weg.
Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat die Entscheidung der Augsburger Staatsanwaltschaft kritisiert, dem Münchner Kunsthändler-Sohn Cornelius Gurlitt einen Teil der beschlagnahmten Bilder bald zurückzugeben. "Nachdem die ganze Sache über 18 Monate hinweg fast konspirativ behandelt wurde, ist nun der Schnellschuss einer pauschalen Rückgabe sicher auch der falsche Weg", sagte Zentralratspräsident Dieter Graumann der "Süddeutschen Zeitung". Bei Fällen von möglicher NS-Raubkunst seien "Sensibilität und Verantwortung gefragt".
Die Staatsanwälte machten sich die Sache zu einfach, denn: es gehe "nicht nur um den Rechtsanspruch auf Restitution", der Fall habe auch eine "moralische und historische Dimension", so Graumann. Es liege nun in der Verantwortung der Politik, "den Opfern von damals zur Würde von heute zu verhelfen".
Überraschende Wende
Der Leitende Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz hatte am Dienstag erklärt, der 80-jährige Kunsterbe Gurlitt könne zahlreiche Gemälde aus dem spektakulären Schwabinger Kunstfund "unverzüglich" zurückbekommen. Dabei gehe es um Werke, die "zweifelsfrei im Eigentum des Beschuldigten stehen" und nicht unter dem Verdacht, zur NS-Raubkunst zu zählen. Die eingesetzte Task-Force, die die Historie der Gemälde erforscht, solle die betreffenden Objekte "so schnell wie möglich benennen".
Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" soll dies mehr als 300 Kunstwerke betreffen. In der Wohnung Gurlitts waren im vergangenen Jahr mehr als 1400 Kunstwerke gefunden worden. Sie sollen teils aus NS-Raubkunst stammen, könnten zum Teil aber auch zu der privaten Sammlung von Gurlitts Vater gehören.
Die komplizierte Aufklärung der Besitzverhältnisse hat die Staatsanwaltschaft Augsburg übernommen. Gurlitt will die Objekte, darunter viele Meisterwerke, zurück.
Druck auf Bundesregierung
Auch der Jüdische Weltkongress (WJC) hatte die Aktion der deutschen Justiz als übereilt und "unverantwortlich" kritisiert. Die Angelegenheit müsse auf "höchster politischer Ebene" behandelt werden, forderte WJC-Präsident Ronald S. Lauder. Die Reputation Deutschlands könne Schaden nehmen.
So müssten die Verjährungsfristen geändert werden, um die Rückgabe von NS-Raubkunst an die wahren Eigentümer zu erleichtern, verlangte Lauder. Nach österreichischem Vorbild solle er spezielle Kommission beauftragt werden, alle öffentlichen Sammlungen und Museen nach Raubkunst zu durchforsten.
SC/gmf (afp, dpa)
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2.2 Entschädigungsforderungen der Hohenzollern gegenüber der BRD
STREIT UMS ERBE DER MONARCHIE
Kaisererben ziehen Entschädigungsklagen zurück
Jahrelang stritten die Erben des letzten deutschen Kaisers aus dem Adelshaus Hohenzollern mit dem deutschen Staat: Sie forderten die Rückgabe enteigneter Immobilien und Kunstwerke. Damit ist jetzt Schluss.
Datum 10.03.2023
Autorin/Autor Stefan Dege (mit dpa, KNA, epd)
Kaiser Wilhelm II, Deutschlands letzter Kaiser, im Jahr 1914
1918 endete in Deutschland die Monarchie. Doch über 100 Jahre später hofften die Erben des letzten Kaisers immer noch, die Besitztümer aus vergangenen Zeiten zurückzubekommen. Konkret geht es um etwa 4.000 Kunstwerke und Gegenstände im Besitz des letzten Kronprinzen Wilhelm von Preußen (1882-1951), ebenso um viele ehemalige Schlösser und Ländereien.
Georg Friedrich Prinz von Preußen
Chef des Hauses Hohenzollern: Georg Friedrich Prinz von Preußen
Doch jetzt hat Georg Friedrich Prinz von Preußen, Nachfahre des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II. (1859-1941), bekanntgegeben, auf Forderungen der Hohenzollern an den deutschen Staat zu verzichten. Das Adelshaus habe die Entschädigungsklagen zurückgezogen, bestätigte der Prinz.
Die Enteignung der "Junker"
Rückblick: Im Zweiten Weltkrieg, den Deutschland verlor, hatten sowjetische Truppen die ehemals deutschen Gebiete östlich der Elbe erobert - und damit das Gros der Hohenzollernschen Besitztümer. Die Sowjetunion betrachtete die "Junker", den landbesitzenden Adel, als Klassenfeind und tragende Säule des Nazis-Systems und machte 1945 kurzen Prozess: In der sowjetischen Besatzungszone wurden sämtliche Adelshäuser entschädigungslos enteignet.
Kaiser Wilhelm II. auf einem zeitgenössischen Gemälde
Dankte 1918 nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg ab: Deutschlands letzter Kaiser Wilhelm II.
Vier Jahrzehnte später fiel die Mauer, Deutschland wurde wiedervereinigt. Mit einem Schlag lagen viele ehemalige Schlösser und Ländereien der Hohenzollern auf dem Boden der Bundesrepublik. Doch heißt es im Einigungsvertrag von 1990: Die Bodenreform von 1945 wird nicht rückgängig gemacht. So mussten die Hohenzollern ihre alten Immobilien im Osten abschreiben.
Gut 30 Jahre später forderten die Erben des letzten Monarchen vom deutschen Staat eine Millionenentschädigung und die Restitution von Kulturgütern - vergeblich. Die Gerichte sollten entscheiden.
Den Nazis "Vorschub geleistet"?
In dem Entschädigungsstreit ging es dabei vor allem um die Frage, ob Vertreter des Hauses Hohenzollern mit den Nationalsozialisten paktiert hatten, die Deutschland zwischen 1933 und 1945 beherrschten. Konkret: Hatten die Erben des 1918 abgedankten letzten Deutschen Kaisers Wilhelm II. dem Nationalsozialismus "erheblich Vorschub" geleistet?
Adolf Hitler schreitet eine Formation der SA ab, ein Bild von 1932
Adolf Hitler ein Jahr vor der Machterübernahme der Nazis im Jahr 1933. Heute unklar: Der Anteil der Monarchisten am Aufstieg der Nazis
Welche Rolle spielte dabei der Sohn des letzten Monarchen und Ex-Kronprinz Wilhelm von Preußen zwischen den Weltkriegen? Verhalf er den Nazis an die Macht, um die Monarchie wieder zu errichten? Das sogenannte "Ausgleichsleistungsgesetz" von 1994 regelt die Entschädigung von 1945 im Osten enteigneten Grundbesitzern und besagt: Wer Hitler und den Nazis "erheblichen Vorschub" leistete, hat kein Recht auf Wiedergutmachung.
Historische Dokumente belegen die Nähe Wilhelms zu Hitler. Fotos und Filme zeigen den Ex-Kronprinzen mit Hitler und anderen Naziführern. Die Hoffnung Wilhelms jedoch, die Nazis würden ihn zum neuen Kaiser krönen, zerschlug sich. Historiker debattieren heute kontrovers über Wilhelms Rolle im Nazistaat.
Die Nähe Hitlers gesucht
In Biographien beschreiben die Historiker Lothar Machtan ("Der Kronprinz und die Nazis") und Stephan Malinowski ("Die Hohenzollern und die Nazis") den Kronprinzen als radikalen Anti-Demokraten, der Mussolini bewunderte und die Nähe Hitlers suchte. Sein erklärtes Ziel: der Kaiserthron. Malinowski und sein Kollege Peter Brandt kamen in einem Gutachten zu dem Schluss, Wilhelm von Preußen habe durch sein Verhalten der Errichtung und Festigung des nationalsozialistischen Regimes "erheblich Vorschub geleistet".
Tatsächlich rief der Ex-Kronprinz bei der Reichspräsidentenwahl 1932 zur Wahl Hitlers auf. Später brüstete er sich damit, ihm zwei Millionen Stimmen verschafft zu haben. Auch öffentlich demonstrierte Wilhelm den Schulterschluss mit den neuen Eliten. "Das symbolische Kapital der Hohenzollern war für die Nazis 1932/33 sehr wichtig", urteilte der Münsteraner Historiker Jacco Pekelder in einem Fernsehinterview, "auch wenn der Kronprinz dabei seine eigene Agenda hatte."
Eine edelsteinbesetzte Krone
Die Krone des Deutschen Kaisers und Königs von Preußen Wilhelm II. ist heute ein Ausstellungsstück
Große Zweifel daran meldeten die Herausgeber des 2021 erschienenen Sammelbandes "Die Hohenzollerndebatte" an. Der Historiker Frank-Lothar Kroll bescheinigte Wilhelm ein "eher randständiges Engagement" für die Nazis. Zwar habe er sich bei Hitler angebiedert, dessen totalitäre Ideologie aber nicht geteilt. Geschichtsprofessor Christian Hillgruber sah den Tatbestand des "erheblichen Vorschubs" ebenso wenig gegeben wie der Historiker Michael Wolffsohn.
Keine Frage fürs Gericht
Scharen von Anwälten, Politikern und Historikern befassten sich Jahrzehnte lang mit den Rückgabe- und Entschädigungsansprüchen der Nachfahren Wilhelms von Preußen, des Ex-Kronprinzen des Deutschen Kaiserreichs. Jetzt aber soll Schluss damit sein: "Ich bin an den Punkt gekommen, dass es nicht richtig sein kann, diese Frage vor Gericht auszutragen", begründete der Prinz den Verzicht auf eine gerichtliche Entscheidung und ergänzte mit Blick auf seinen Urgroßvater: "Wer sich dem Rechtsextremismus anbiedert, kann nicht traditionsstiftend für das Haus sein."
Spielkarte Herzkönig
DER ADEL IN DEUTSCHLAND
Der Kaiser und sein Hofstaat
Wer die verschiedenen Titel und Ränge des deutschen Adels auseinanderhalten kann, ist wahrscheinlich an mittelalterlicher Geschichte interessiert: Kaiser, König, Erzherzog, Großherzog, Kurfürst, Herzog, Landgraf, Pfalzgraf, Markgraf, Fürst, Freiherr, Ritter, Junker… Aber gehört das wirklich alles der Vergangenheit an?
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Kulturstaatsministerin Claudia Roth begrüßte die Entscheidung des Hohenzollern-Chefs. Der Prinz von Preußen hofft nun auf eine "neue, unbelastete Debatte" über die Hohenzollern, eine der bedeutendsten Dynastien der deutschen Geschichte. Aus ihr gingen über die Jahrhunderte zahllose deutsche Herrscher hervor, darunter viele preußische Könige und deutsche Kaiser.
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Hohenzollern-Chef: Klagen um Entschädigung zurückgezogen
AKTUALISIERT AM 09.03.2023-14:36
Hohenzollern-Chef Georg Friedrich Prinz von Preußen hat nach eigenen Angaben zwei Klagen gegen die öffentliche Hand um Entschädigung in Millionenhöhe zurückgezogen. Das bestätigte der 46-Jährige in Berlin. Von Seiten des zuständigen Verwaltungsgerichts in Potsdam lag dafür weiter keine Bestätigung vor. «Aber Sie können davon ausgehen, dass ich auch dazu stehe», sagte von Preußen am Rande einer Historikerdiskussion um die Rolle seiner Familie im Nationalsozialismus.
Der Bund sowie die Länder Brandenburg und Berlin verhandeln mit den Hohenzollern seit 2014 über die Rückgabe von zahlreichen Kunstobjekten und über Entschädigungen. Nach dem Gesetz bekommt keinen Ausgleich, wer dem NS-System «erheblichen Vorschub geleistet hat». In dieser Frage ist die Rolle des Urgroßvaters Wilhelm Kronprinz von Preußen (1882-1951) entscheidend.
Es geht um die Rolle des Urgroßvaters
Die Gespräche ruhen, nachdem Brandenburg einen seit 2015 laufenden Prozess um enteignete Immobilien wie das Schloss Rheinsberg, das Krongut Bornstedt und etliche Villen in Potsdam wieder aufgenommen hat. Brandenburg hatte eine Entschädigung auf Basis des Einigungsvertrages abgelehnt. Dagegen hatten die Hohenzollern geklagt. Es geht um 1,2 Millionen Euro.
In der zweiten Klage geht es unter anderem um Inventar aus den Schlössern Rheinsberg und Cecilienhof in Potsdam. Auch in diesem Fall hatte das Land eine Entschädigung mit derselben Begründung abgelehnt.
Von Preußen sieht zeitweilige Sympathien seines Urgroßvaters für die Nationalsozialisten, mehr aber nicht. «Auch wenn ich selbst weder Historiker noch Jurist bin, lässt sich aus meiner Sicht nicht nachweisen, dass mein Urgroßvater dem Regime erheblichen Vorschub geleistet hat, selbst wenn er dies vielleicht gewollt hätte», sagte er. «Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass Kronprinz Wilhelm zeitweise mit den Nationalsozialisten sympathisiert hatte.» Mit Blick auf die Familiengeschichte sagte er: «Wer sich dem Rechtsextremismus anbiedert, kann nicht traditionsstiftend für das Haus sein.»
Ungeklärte Eigentumsverhältnisse
Von Preußen verwies auf ungeklärte Eigentumsverhältnisse von Kunstwerken und Objekten, die abschließend geregelt werden sollten. «Für die Zuordnung von 4000 dieser mehr als 10.000 Objekte ist das Handeln meines 1951 verstorbenen Urgroßvaters relevant», sagte er. Er habe entschieden, auf die Rückgabe von jenen 4000 Kunstwerken und damit verbundene Entschädigungen zu verzichten. «Damit möchte ich den Weg freimachen für eine unbelastete Debatte in der Geschichtswissenschaft zur Rolle meiner Familie im 20. Jahrhundert.» Ähnlich hatte er sich zuvor in der «Welt» geäußert.
Es bleibe sein Ziel, das Kunst- und Kulturerbe dauerhaft für die Öffentlichkeit zu erhalten. «Daher bin ich zuversichtlich, dass es in den nächsten Jahren gelingen wird, auch Lösungen für die übrigen Kunstwerke zu finden, deren rechtliche Zuordnung nicht von der historischen Rolle meines Urgroßvaters abhängig ist.» Von Seiten des Bundes und Brandenburgs war der angekündigte Verzicht auf die Klagen bereits als positives Zeichen für Gespräche gewertet worden.
Historikerdebatte organisiert
Die von ihm organisierte Historikerdebatte bezeichnete von Preußen als Beitrag «zur Aufarbeitung unserer wechselvollen Familiengeschichte im 20. Jahrhundert». Dabei erneuerte der Historiker Lothar Machtan seine Einschätzung. «Der ehemalige Kronprinz war politisch unfähig, dem Nationalsozialismus erheblichen Vorschub zu leisten, obwohl er das punktuell sogar gewollt hat», sagte der Professor an der Universität Bremen. «Ihm fehlte die real existierende Möglichkeit, nennenswerten Einfluss auf politische Meinungsbildungsprozesse zu nehmen.»
Der Historiker Peter Brandt, dessen Gutachten eine Grundlage für die Haltung Brandenburgs war, schrieb dem Kronprinzen «nach wie vor» eine Rolle zu, dem NS-System erheblichen Vorschub geleistet zu haben. Eine ähnliche Position vertreten auch zahlreiche andere Historikerinnen und Historiker.
Quelle: dpa
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PREUSSEN ZIEHT KLAGE ZURÜCK:
Die Hohenzollern verzichten auf Tausende enteignete Kunstwerke
VON ANDREAS KILB-AKTUALISIERT AM 08.03.2023-16:37
Seit 2014 klagt Georg Friedrich von Preußen in Potsdam gegen den Staat. Jetzt kündigt er an, die Klage zurückzuziehen. Kommen der Bund und die Hohenzollern wieder ins Gespräch?
Für den morgigen Donnerstag hat Georg Friedrich von Preußen zu einer Pressekonferenz in Berlin eingeladen. Dort sollen „neueste Forschungen zur Geschichte des Hauses Preußen im 20. Jahrhundert“ vorgestellt werden. Zu den eingeladenen Experten gehören die Historiker Peter Brandt und Lothar Machtan, der ehemalige Ministerialbeamte Ulrich Schlie und der an einer Berliner Privathochschule lehrende IT-Experte Frank Passing. Man darf gespannt sein, welche neuen Erkenntnisse über die Hohenzollern und ihre Rolle beim Aufstieg des Nationalsozialismus dieses bunt gemischte Podium präsentieren wird.
Schon heute hat Georg Friedrich allerdings die seit Langem spannendste Neuigkeit in der Hohenzollerndebatte verkündet. „Als Chef des Hauses Hohenzollern“, erklärte er in einem sehr untertänig geführten Interview der „Welt“, verzichte er auf Kunstwerke und Ausgleichszahlungen für Immobilien, die nach 1945 in der sowjetischen Besatzungszone aus dem Besitz seiner Familie enteignet wurden. Dabei gehe es um Objekte, für deren juristische Zuordnung die Frage relevant sei, ob sein Urgroßvater Wilhelm von Preußen dem Nationalsozialismus erheblichen Vorschub geleistet habe. Deren Zahl gibt der Hohenzollern-Chef mit „rund 4000“ an....
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Kollaboration im »Dritten Reich«
Auszeichnung für Historikerbuch zu Nazi-Verbindungen der Hohenzollern
Stephan Malinowski hat für sein Werk über die Verstrickungen der Hohenzollern im Nationalsozialismus den Preis für das Sachbuch des Jahres gewonnen. Der Historiker bedankte sich bei der Verleihung – bei seinem Anwalt.
30.05.2022, 20.44 Uhr
Der Band des Historikers Stephan Malinowski über die Verbindung zwischen den Hohenzollern und den Nazis ist als Sachbuch des Jahres ausgezeichnet worden. Eine Jury wählte »Die Hohenzollern und die Nazis. Geschichte einer Kollaboration« unter den acht nominierten Büchern für den mit 25.000 Euro dotierten Preis aus.
Malinowski habe ein »ausgezeichnet recherchiertes und brillant erzähltes Buch über die Rolle der Hohenzollern seit 1918 geschrieben«, hieß es zur Begründung. Das Buch verbinde soziale und politische Zeitgeschichte mit einem Familienporträt und sei zugleich eine Milieustudie konservativer und rechter Republikfeindlichkeit. »Malinowski gibt eine überzeugende Antwort auf die Restitutionsforderungen der Hohenzollern und verteidigt zugleich die Wissenschaftsfreiheit gegen Widerstände«, hieß es vonseiten der Jury weiter.
Malinowski bezeichnete seinen Band als »Beitrag zur Kulturgeschichte der Rechten im 20. Jahrhundert«. Er sieht seine Studie auch als Buch, »in dem es um eine Gruppe von Menschen geht, die auf der Grundlage von mäßigen Leistungen maßlose Forderungen an den Staat stellt«. Bereits bei der Vorstellung des Bandes hatte Malinowski gesagt: »Drei Generationen in dieser Familie haben mit den politisch relevanten Handlungsträgern versucht, die Republik zu zerstören und den Nationalsozialismus zu unterstützen, und zwar von Anfang bis Ende.«
Dankesworte an Malinowskis Anwalt
Zwischen dem Bund mit den Ländern Berlin und Brandenburg einerseits sowie den Hohenzollern andererseits wurde seit 2014 über die Rückgabe von Kunstobjekten und Entschädigungen verhandelt. Das Land Brandenburg lehnt eine Entschädigung auf Basis des Einigungsvertrages ab. Dagegen klagen die Hohenzollern. Es geht um 1,2 Millionen Euro. Laut Gesetz bekommt keinen Ausgleich, wer dem NS-System »erheblichen Vorschub geleistet hat«.
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Im Gegensatz zu zahlreichen Historikern bestreitet Georg Friedrich Prinz von Preußen als Verhandlungsführer der Hohenzollern die Vorschubleistung seiner Vorfahren für die Nationalsozialisten. Er beruft sich dabei auf andere Einschätzungen. Zwischen Hohenzollern und Historikern, Medienhäusern sowie anderen Organisationen gibt es zahlreiche juristische Auseinandersetzungen. Bereits betroffen davon war auch Malinowski, der sich bei der Preisverleihung ausdrücklich auch bei seinem Anwalt bedankte.
Roth: Kunst und Kultur als Stimme der Demokratie
Die Auszeichnung der Stiftung Buchkultur und Leseförderung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels wurde zum zweiten Mal vergeben. Angemeldet waren 205 Bücher von 130 Verlagen.
Bewertet wurden Relevanz des Themas, erzählerische Kraft, Darstellung, Sprache sowie Qualität der Recherche. Als Nominierte bekamen jeweils 2500 Euro Bettina Baltschev (»Am Rande der Glückseligkeit. Über den Strand«), Alice Bota (»Die Frauen von Belarus. Von Revolution, Mut und dem Drang nach Freiheit«), Stefan Creuzberger (»Das deutsch-russische Jahrhundert. Geschichte einer besonderen Beziehung«), SPIEGEL-Kolumnistin Samira El Ouassil und Friedemann Karig (»Erzählende Affen. Mythen, Lügen, Utopien – Wie Geschichten unser Leben bestimmen«), Ludwig Huber (»Das rationale Tier. Eine kognitionsbiologische Spurensuche«), Steffen Mau (»Sortiermaschinen. Die Neuerfindung der Grenze im 21. Jahrhundert«) und Natan Sznaider (»Fluchtpunkte der Erinnerung. Über die Gegenwart von Holocaust und Kolonialismus«).
Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) bezeichnete Kunst und Kultur als Stimme der Demokratie. Der Sachbuchpreis falle in eine Zeit, in der mit Propaganda und Desinformation Gewalt ausgeübt werde. Literatur und Sachbücher seien notwendig, um sich als Demokratinnen und Demokraten einmischen und in Debatten einbringen zu können.
atb/dpa
https://www.spiegel.de/
Stephan Malinowski über „Die Hohenzollern und die Nazis“
„Kollaborateure des Nationalsozialismus“
Moderation: Stephan Karkowsky · 01.10.2021
Die Hohenzollern wollen entschädigt werden für Enteignungen nach dem Zweiten Weltkrieg. Doch sind die Forderungen berechtigt? Inwiefern hat die Familie die NS-Bewegung unterstützt? Historiker Stephan Malinowski kommt zu einem klaren Befund.
Stephan Karkowsky: Die Hohenzollern gehörten einst zum Hochadel, die Mitglieder der Familie herrschten fast 1000 Jahre lang – als Fürsten, Herzöge, Grafen, Könige und zuletzt mit Wilhelm I. und II. auch als deutsche Kaiser. In jüngster Zeit machten die Hohenzollern vor allem Schlagzeilen mit Entschädigungsforderungen gegen den deutschen Staat: für wertvolle Güter, Kunst und Immobilien, die nach dem Zweiten Weltkrieg von den Sowjets enteignet wurden. Bedingung aber für so eine Entschädigung wäre, dass die Familie nicht groß mit den Nationalsozialisten zusammengearbeitet hat, und genau darüber streitet die Familie mit dem Bund und den Ländern Berlin und Brandenburg.
Einer der Gutachter im Streit ist der Historiker Stephan Malinowski. Er kommt zu dem Schluss, dass Kronprinz Wilhelm von Preußen die NS-Bewegung unterstützt habe. Sein neues Buch heißt „Die Hohenzollern und die Nazis: Geschichte einer Kollaboration“. Herr Malinowski, Sie beginnen Ihr Buch mit zwei parallelen Ereignissen am selben Tag: der 9. November 1923. Da ist zum einen der ehemalige Kronprinz Wilhelm von Preußen im holländischen Exil und trifft Vorbereitungen für seine Rückkehr nach Deutschland und auf der anderen Seite Adolf Hitler in München, der den Putschversuch der NSDAP gegen die Weimarer Republik anführt, scheitert und verhaftet wird. Warum ist Ihnen diese Parallelität der Ereignisse wichtig?
Stephan Malinowski: Ich habe dieses Bild mit den zwei sich auf die Republik zubewegenden beziehungsweise gegen die Republik bewegenden Männern, die an zwei unterschiedlichen Orten aufbrechen und aus zwei sehr unterschiedlichen Milieus stammen, gewählt, um zu symbolisieren, dass diese Republik von Anfang an unter Beschuss ist und starke Feinde hat, von links und rechts.
Hören Sie hier das „Fazit“-Interview mit Stephan Malinowski nach der Verleihung des Sachbuchpreises an den Autor (30.05.2022)
Hier haben wir zwei Vertreter der rechtsradikalen Fraktion, wenn man so will: einmal den älteren Vertreter der konservativen Linie, für die der Kronprinz steht, der aus dem Exil aus Holland zurückkehrt – koordiniert übrigens und arrangiert durch Gustav Stresemann, den Reichskanzler –, und zum Zweiten dann eben den noch relativ unbekannten österreichischen Postkartenmaler und Parteiführer Adolf Hitler, der zu diesem Zeitpunkt eine noch mehr oder weniger unbekannte Figur ist.
Hermann Göring und Kronprinz Wilhelm.
Karkowsky: Aber würden Sie annehmen, dass die Hohenzollern irgendwie mit den Putschisten verschaltet waren?
Malinowski: Es gibt in der Tat sogar Hinweise darauf, dass der Kronprinz bereits im holländischen Exil im Frühjahr 1923 Kenntnis hatte von den Putschplanungen in München. Es gibt zu diesem Zeitpunkt noch keinen funktionalen Zusammenhang zwischen den beiden Männern, sondern ich beschreibe das als zwei konzentrische Bewegungen, die zu dem Zeitpunkt noch getrennt sind – 1923 – und einige Jahre später dann sich verschlingen werden zu einer großen dynamischen Bewegung, die dann 1933 das Ergebnis produziert, das wir in der Tat nicht nur aus dem Geschichtsunterricht kennen, nämlich die Auslieferung der Staatsgewalt an die Nationalsozialisten, die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler im Januar 33, also ungefähr zehn Jahre später.
Rechtsradikale antisemitische Gedankenwelt
Karkowsky: Ihr Buch geht weit hinaus über die Betrachtung des Kronprinzen, beschränkt auf dessen Rolle vor allem im Jahr 33. Es bettet diesen Kronprinzen auch ein in seine adlige Familie, also das ehemalige Königshaus der Hohenzollern, und die Familie dann wiederum in ihr Milieu. Was sind denn Ihre wichtigsten Erkenntnisse in diesem Zusammenhang?
Lesen Sie hier die „Lesart“-Kritik über das Buch „Die Hohenzollern und die Nazis“ von Stephan Malinowski
Malinowski: Seit 2011 ungefähr haben wir einen Streit von Historikern und verschiedenen Beobachtern, die von Juristen aufgefordert waren, Kenntnisse zu produzieren über den Kronprinzen. Das hat zu einer Verkürzung des Blickes geführt, und natürlich versuchen Historikerinnen und Historiker immer, Einzelindividuen einzufügen in ihre Familie, in ihr Milieu, in die Kreise, in die sie hineingehören.
Kurz gefasst sind die Ergebnisse meines Buches, dass nicht nur der Kronprinz, sondern auch seine Ehefrau, auch sein zweiter Sohn, Louis Ferdinand, im Jahre 1933 den Nationalsozialismus oder das Regime unterstützt, Werbung dafür macht, auch durch einen Brief an einen Banker in den USA, dass der Kaiser, also der Vater des Kronprinzen, der noch bis zum Sommer 1941 im Exil in den Niederlanden lebt, ebenfalls auf eine rechtsradikale antisemitische Gedankenwelt, in der er gefangen ist, und von dort aus dann phasenweise versucht, sich dem Nationalsozialismus anzunähern.
Das gilt auch für die zweite Ehefrau des Kaisers in Holland, die praktisch als mobile Vermittlerin zur rechtsradikalen Szene stetig durch Deutschland fährt. Das Gleiche gilt für den vierten Sohn des Kaisers, August Wilhelm Prinz von Preußen, der einen hohen SA-Rang tragen wird und in die NSDAP relativ früh, 1930, eintritt. Also wenn man das Gesamtporträt der Familie anschaut, dann kann man sagen, dass alle relevanten politisch hervortretenden Handlungsträger sich radikal und von Anfang an gegen die Republik gestellt haben und einige davon, vielleicht kann man auch sagen viele davon, sich mehr oder weniger als Kollaborateure – das ist der Begriff, den ich verwendet habe im Buch – sich als Kollaborateure dem Nationalsozialismus andienen.
Ziel: Zerstörung der Republik
Karkowsky: Aber Sie gehen ja sogar noch weiter, Sie sagen, die Hohenzollern hätten die Zerstörung der Republik betrieben und das vor dem Machtübergang an die Nationalsozialisten. Haben Sie dafür auch Belege?
Malinowski: Die Zerstörung der Republik wird ja von verschiedenen Seiten aus betrieben, und die klassische Darstellung wäre zu sagen, nicht nur zu Zeiten der Totalitarismustheorie. Es gab linksradikale und rechtsradikale Feinde, wenn man auf den Hochadel schaut, wird man linksradikal natürlich nicht finden, sondern sich naturgemäß mit der Rechten beschäftigen. Die Nazis brauchen ja eine gewisse Zeit, um sich in Form zu bringen, wenn man so will, also vor 1930 sind sie als Hauptträger des Rechtsradikalismus noch nicht präsent. Vorher sind das andere Gruppen aus dem völkischen, rechtsradikalen, antisemitischen, etwas inkohärenten, sich amöbenhaft bewegenden Milieu. Diese Gruppen gibt es, und man kann ohne Übertreibung sagen, die sind aus dem Stand 1918 mit Gründung der Republik im Grunde vorhanden. Wir haben natürlich längere Linien, die bis ins Kaiserreich zurückreichen.
Kronzprinz Wilhelm vor der Krolloper in Berlin
Karkowsky: Würden Sie dann sagen, in diesem Ansinnen, die Republik zu zerstören, haben die Hohenzollern insofern das gleiche Ziel wie die Nationalsozialisten gehabt, als die sie ja auch gegen die Weimarer Republik waren?
Malinowski: Ja, das kann man sagen, und überhaupt ist dieses Bündnis zwischen Konservativen und Nationalsozialisten, aus dem die Machtübertragung von 1933 hervorgeht. Also das gesamte Dritte Reich kann man ohne diese Zusammenarbeit ja nicht erklären, und man kann sagen, dass die eher über die Negativziele übereinstimmen denn über die positiven Ziele. Der Kronprinz und seine Familie haben andere Vorstellungen als die Nationalsozialisten, sie werden auch in der Tat dann ausgebootet und übertölpelt von den Nationalsozialisten und praktisch aus dem Boot geworfen nach 33/34.
Es gibt aber eine Übereinstimmung über die Negativziele: Also alle diese Gruppen sind antisemitisch, sind antirepublikanisch, sie hassen die Republik, sie hassen den Parlamentarismus, die Demokratie, die Gleichheitsideen, die Frauenbewegung, die moderne Literatur, das moderne Theater. Also es gibt einen sehr breiten Konsens über das, was man nicht will, und es gibt ein breites Einverständnis über die Dinge und über die Personen und Parteiungen, die man hasst. Die wichtige Erkenntnis ist, die Familie der Hohenzollern oder ihre wichtigsten Namensträger reihen sich ein in diese große Koalition des Hasses auf die Republik.
„Begeistert vom italienischen Faschismus“
Karkowsky: Und glauben Sie, dass diese gemeinsamen Werte schon ausreichen, um die Kollaboration zu erklären, die Sie beschreiben, oder gibt es dafür noch andere Gründe, warum die Hohenzollern-Familie das gemacht hat?
Malinowski: Es gibt natürlich auch materielle Ziele: Diese sogenannte Volksgemeinschaft, die da gebildet werden soll, macht verschiedenen Menschen verschiedene Angebote, und das Angebot des Nationalsozialismus an den Adel inklusive des deutschen Hochadels und der Hohenzollern ist die vage Hoffnung, man könnte für die 1918 verlorenen Güter- und Privilegien- und Machtpositionen einen Ersatz bekommen. Natürlich spielt für den Kronprinzen und auch für den gefallenen Kaiser in Holland immer noch die Vorstellung eine Rolle, man könne den Thron wieder errichten, man könne eine Monarchie wieder errichten, vielleicht nach dem italienischen Modell. Seit 1922 ist in Italien ja der Faschismus in Form einer Monarchie, die kombiniert ist mit einem faschistischen Führer, vorhanden als Gebrauchsanweisung, auf die auch im Adel mit großem Interesse geschaut wird. Also der Kronprinz ist fasziniert von Mussolini, begeistert vom italienischen Faschismus, hat auf seinem Schreibtisch auch ein Bild des Duce und ist begeistert von der, wie er es nennt, genialen Brutalität, mit der in Italien die Linke ausgerottet wird – so nennt er das.
Karkowsky: Nun sind wir ja zeitlich bereits in der Weimarer Republik, das Kaiserreich ist Geschichte, der Kaiser 1918 abgedankt. Wie groß war denn überhaupt noch der Einfluss der Hohenzollern, des ehemaligen Königshauses? War das mehr als nur symbolisch?
Malinowski: Die beiden Ebenen, die man analytisch unterscheiden kann, sind in der Tat symbolisch, Adel hat ja immer mit Symbolik zu tun. Könige, Herzöge, Grafen – das kann man bis in die Antike im Grunde zurückverfolgen – haben als eine ihrer Hauptfunktionen immer Symbole zu sein. Das Zweite ist die Ebene der Handlung, der Netzwerke, in denen diese Menschen und Offiziere noch eingebunden sind, also die Kontakte zur Reichsführung sind sehr wichtig, die Kontakte zum Großgrundbesitz sind sehr wichtig, die Kontakte zu den konservativen Parteien, aber eben auch in die NSDAP hinein.
Buchcover zu "Die Hohenzollern und die Nazis. Geschichte einer Kollaboration" zeigt den Kronprinzen Wilhelm mit der SA.
Ganz nach vorne würde ich rangieren den sogenannten Stahlhelm, also den größten antirepublikanischen rechten Wehrverband, der dann Konkurrenz von der SA bekommt, und es gibt dann bei den Hohenzollern eine Art Arbeitsteilung, wenn Sie so wollen. Es gibt drei Prinzen, die im Stahlhelm mit Lederstiefeln herummarschieren, und dann gibt es August Wilhelm, der als SA-General oder hoher Generalführer in der SA ist. 1933 werden dann diese Verbände fusionieren, und eine Ebene des Einflusses des Kronprinzen ist die, dass er versucht, diese verschiedenen rechten Verbände zusammenzubringen. Auf meinem Buch ist auf dem Cover der Kronprinz zu sehen bei der Abnahme einer Parade – ich hab mich im Grunde auf dem Coverfoto bei der Beschriftung geirrt. Es handelt sich gar nicht um eine Stahlhelm-Parade, sondern um eine SA-Parade. Hier nimmt der Kronprinz im Oktober 1933 eine Parade von 60- bis 80.000 SA-Männern ab. Und die Kollegen von mir, also die Historiker, die mir immer widersprechen und sagen, der Kronprinz hätte gar keine Bedeutung mehr gehabt, müssten erklären, warum in diesem Moment der Kronprinz zentral auf der Tribüne des Rathauses von Breslau steht und eine Parade von 80.000 SA-Männern abnimmt.
Wirkung überschätzt?
Karkowsky: Und die Hohenzollern widersprechen Ihnen ja auch, die argumentieren, der Einfluss des ehemaligen Kronprinzen sei deutlich geringer gewesen. Ich zitiere mal den Bevollmächtigten des Hauses, Jürgen Aretz, der sagt: „Für mich steht fest, dass der Kronprinz sich in seinen Wirkungsmöglichkeiten überschätzt hat, sehr überschätzt hat.“ Die haben offenbar andere Quellen als Sie. Welche unbekannten Quellen nutzen Sie denn für Ihr Buch?
Malinowski: Da sagt der Kollege Dr. Aretz, der auch ein promovierter Zeithistoriker ist, etwas sehr Richtiges, nur kann man diesen Satz natürlich auf sehr viele deutsche Mitglieder der Funktionseliten und anderer – also geirrt haben sich viele. Und wenn man jetzt die wichtigsten politischen Funktionsträger durchgeht – Hindenburg, Schleicher, Papen, Westarp und andere im rechten Milieu, fast alle diese Männer irren sich in Adolf Hitler, und alle diese Männer unterschätzen das Monstrum, das zu kreieren sie helfen, und da ist der Kronprinz keine Ausnahme.
Es hat auch im Übrigen niemals jemand behauptet – das ist eine Fiktion –, der Kronprinz sei wichtiger gewesen als Hindenburg, Papen oder Schleicher. Ich kenne keinen Historiker, der das behauptet hat, aber das ist ja auch nicht die Debatte. Die Debatte war, ob diese Familie und ob diese Personen noch eine Wirkung und Rolle haben, und die Antwort der historischen Forschung darauf ist ein eindeutiges Ja, und zwar nicht nur meine Antwort, sondern die große Mehrheit der Historikerinnen und Historiker, die für diese Zeit und für diese Sachverhalte qualifiziert sind.
Stephan Malinowski: „Die Hohenzollern und die Nazis. Geschichte einer Kollaboration“
Propyläen Verlag, Berlin 2021
784 Seiten, 35 Euro
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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Forderungen der Hohenzollern
Der Prinz, die Nazis und eine alles entscheidende Frage
Von Christoph Richter · 20.01.2021
Seit 2014 verhandeln die Hohenzollern-Nachfahren mit dem Bund über die Rückgabe eines Teils ihres enteigneten Erbes. Experten, die nun im Kulturausschuss des Potsdamer Landtags auftraten, sehen dafür keinen Anlass.
Der Streit um die Entschädigungsansprüche der Hohenzollern nimmt neue Fahrt auf. Einer der Gründe ist, dass der renommierte Historiker Christopher Clark, der in Cambridge lehrt, seine Meinung geändert hat, „weil uns die Forschungen inzwischen ein viel nuancierteres Bild geben“, wie er sagt.
Die Rolle des Kronprinzen neu bewertet
Zuvor hatte Clark ein für die Hohenzollern günstiges Gutachten zu der Frage, ob Kronprinz Wilhelm dem Nationalsozialismus erheblichen Vorschub geleistet habe, geschrieben. Er hatte diese Frage in seinem Gutachten verneint.
Der Blick auf den Kronprinzen Wilhelm von Preußen habe eine Wandlung erfahren, sagte Clark nun in einer Video-Gesprächsrunde. Und bezieht sich explizit auf die Arbeiten des Historikers Stephan Malinowski. Man müsse jetzt konstatieren, so Clark weiter, dass die Hohenzollern dem NS-Regime in erheblichem Maße Vorschub geleistet hätten:
„Der Mann hatte eine starke Sympathie für die Nationalsozialisten. Wie viele Menschen aus seinen Kreisen – wie große Teile des konservativen Deutschlands – meinte er, mit den Nazis arbeiten zu können, um die Linken auszuschalten. Und über einen Zusammenschluss der Rechten, eine neuartige Regierung, eine nationale Regierung der Nationalen Konzentration, aufzubauen. Da muss man sagen, das ist Vorschubleistung.“
Im Zentrum des Streits: die „Unwürdigkeitsklausel“
Hintergrund der Debatte ist die sogenannte „Unwürdigkeitsklausel“. Nachzulesen im Ausgleichsleistungsgesetz von 1994, das den Ausgleich für Enteignungen regelt, die zwischen 1945 und 1949 unter sowjetischer Besatzung erfolgten. Damit sollten Personen oder deren Erben, die dem NS-System zugearbeitet hatten, von Ausgleichszahlungen ausgeschlossen werden.
Konkret geht es bei den Entschädigungsforderungen der Hohenzollern um die Frage, ob das Herrscherhaus dem Nationalsozialismus erheblichen Vorschub geleistet habe. Sollte die Frage bejaht werden, hätten die Hohenzollern kein Recht auf Entschädigung für verlorene Immobilien.
Ein Thema ist auch die Rückgabe von Kunstwerken und Ausstattungsgegenständen. Die Forderung nach einem Wohnrecht auf Schloss Cecillienhof – wie es lange hieß – sei „erledigt“, so zumindest steht es auf der offiziellen Seite des Hauses Hohenzollern.
Die Debatte um die Entschädigungsforderungen der Hohenzollern war jetzt auch Thema im Kulturausschuss im Potsdamer Landtag. In einem Fachgespräch – eine Art Anhörung zu Auswirkungen der Forderung der Hohenzollern auf das Land Brandenburg, ohne dass am Ende ein Beschluss gefasst wird. Vertreter der Hohenzollern waren nicht eingeladen.
Zugegen waren – auf Antrag der Linken – Experten wie Historiker und Juristen, darunter Winfried Süß vom Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung. Ähnlich wie Christopher Clark sagt Süß, dass es keinen „neuen Historikerstreit“ gebe, die Sachlage sei relativ klar.
„Auch wenn die Bewertung einzelner Fragen strittig bleibt, so existiert doch eine überwältigende Evidenz von Quellen und Forschungen, die belegen, dass Kronprinz Wilhelm vielfach, beständig und durchaus nicht wirkungslos mit den Nationalsozialisten paktiert hat. Er hat innerhalb des konservativen Milieus mit Bedacht diejenigen Kräfte gestärkt, die mit den Nationalsozialisten kooperieren wollten.“ Ausgleichszahlungen hätten sich damit verwirkt.
Kritik an der Strategie der Anwälte
Zudem kritisierte Süß das Vorgehen der Anwälte von Georg Friedrich Prinz zu Preußen, die gegen Journalisten und Wissenschaftler vorgehen, mit dem Vorwurf der „falschen Tatsachenbehauptung“. Dieser Umgang habe Folgen, sagt Süß im Kultur-Ausschuss des Brandenburger Landtags:
„Für mich bedeutet das, dass ich mich nicht mehr ganz frei fühle vor diesem Ausschuss, um die Frage zu erörtern, ob die Hohenzollern versucht haben, über ihre Leihgaben in öffentlichen Museen Einfluss auf die historische Darstellung der Familie zu erlangen.“
Man solle erst mit den Hohenzollern verhandeln, wenn die Klagen und Unterlassungsandrohungen zurückgezogen würden, empfiehlt die Juristin Sophie Schönberger, Inhaberin des Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Sie ist eine der Expertinnen in der Ausschusssitzung. Auch sie ist zu dem Entschluss gekommen, dass die Merkmale der erheblichen Vorschubleistung vorliegen.
„Vergleichsverhandlungen sind problematisch“
Von daher sei es problematisch, dass das Land Brandenburg derzeit Vergleichsverhandlungen mit den Hohenzollern führe:
„Wenn man sich im Vergleichswege einigt, dass die politische Entscheidung, die im Ausgleichs-Leistungsgesetz verankert ist – nämlich die politische Entscheidung Nachfahren, die dem Nationalsozialismus Vorschub geleistet haben, keine Entschädigung zu zahlen – dann wird diese durch einen solchen Vergleich konterkariert.“
Christoph Martin Vogtherr, der Generaldirektor der Preußischen Schlösserstiftung Berlin-Brandenburg, betont, dass die Öffentlichkeit ein großes Interesse an den Kunstwerken der Hohenzollern hat. Eine Rückgabe an die Nachfahren hätte immense Auswirkungen:
„Es wäre ein schwerer Rückschlag, wenn durch die Auseinandersetzung mit der Familie Hohenzollern, erhaltene historische Zusammenhänge auseinandergerissen würden.“
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Was die Deutschen von den Ansprüchen der Hohenzollern halten
DEUTSCHLAND
RESTITUTION
Veröffentlicht am 16.02.2020 | Lesedauer: 2 Minuten
Von Jacques Schuster
Chefkommentator
Die Hohenzollern kämpfen um die Rückgabe ihres einstigen Besitzes – von Immobilien bis hin zu Gemälden und Schmuck. Eine exklusive Umfrage zeigt nun, wie die Deutschen dazu stehen.
Rund um die Debatte über die Frage, ob die ehemalige preußische Königsfamilie der Hohenzollern einen Teil ihres einstigen Besitzes zurückerhalten soll, hat WELT AM SONNTAG beim Meinungsforschungsinstitut Infratest Dimap eine Umfrage in Auftrag gegeben.
Zwischen 4. und 6. Februar wurden 1006 Menschen folgende Frage vorgelegt: „Die Hohenzollern wurden 1945 von der sowjetischen Militäradministration enteignet. Georg Friedrich von Preußen, Familienoberhaupt der Hohenzollern und Nachfahre von Kaiser Wilhelm II., fordert als Entschädigung die Rückgabe von Kunstgegenständen aus öffentlichen Museen sowie von Immobilien und Schlössern.
Wie sehen Sie das? Sollten Bund und Länder auf die aktuellen Entschädigungsforderungen der Hohenzollern vollständig, teilweise oder gar nicht eingehen?“
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DIE HOHENZOLLERN
„Vielleicht irritiert es viele, dass ich mich nicht für meine Familie entschuldige“
Eine Mehrheit der Befragten (53 Prozent) ist der Meinung, man solle auf keine Forderung der Adelsfamilie eingehen. 33 Prozent gibt sich konzilianter. Es ist dafür, den Ansprüchen zumindest teilweise stattzugeben. Sechs Prozent sprechen sich sogar dafür aus, den Hohenzollern all das zurückzugeben, was sie begehren.
Infratest Dimap stellte für WELT AM SONNTAG darüber hinaus eine Frage nach der grundsätzlichen monarchistischen Einstellung der Deutschen. Auf die Frage „Fänden Sie es gut oder nicht so gut, wenn Deutschland ähnlich wie zum Beispiel England oder Schweden einen Kaiser oder König als formales Staatsoberhaupt hätte?“ antworten die Befragten klar: 85 Prozent halten die Idee für „nicht so gut“.
Zehn Prozent der Deutschen fänden eine Monarchie gut
Nur zehn Prozent können dem Gedanken etwas abgewinnen. Sie finden ihn „gut“. Vor allem die Älteren sind in dieser Frage eindeutig gegen eine Monarchie. Während in der Altersgruppe zwischen 18 und 34 Jahren 17 Prozent der Befragten einen Monarchen wie in England „gut“ fänden, sind es bei den 65-Jährigen und Älteren nur vier Prozent.
94 Prozent halten diesen Gedanken für eine Schnapsidee. Zwei Prozent ließ die Frage ratlos zurück. Sie antworteten mit „Ich weiß nicht“.
Die zwischen 18 und 34 Jahre Alten sind es auch, die den Entschädigungsforderungen der Hohenzollern am wohlwollendsten gegenüberstehen. Während 44 Prozent von ihnen für ein vollständiges oder teilweises Eingehen auf die Forderungen der Hohenzollern sind, sind alle älteren Jahrgänge weniger offen.
Unter den 50- bis 64-Jährigen sind 36 Prozent, unter den 65-Jährigen und älteren sind 39 Prozent für eine vollständige oder eine teilweise Rückerstattung an die Adelsfamilie.
„Der Cecilienhof? Für mich ist das Protofaschismus!“
Es wird einfach viel zu viel gelobt! Nicht bei Tilman Krause. Den Hohenzollern, die jetzt so massive Ansprüche auf Entschädigung stellen, sollte man Schloss Cecilienhof abtreten, damit sie immer daran denken, wie viel Vorschub sie dem Nationalsozialismus geleistet haben, auch ästhetisch - findet er in seiner Video-Kolumne.
Quelle: WELT
Dieser Text ist aus der WELT AM SONNTAG.
https://www.welt.de/
Restitutionsforderung der Hohenzollern
:Antisemitischer Adel
Der Hohenzollern-Clan sieht sich neuerdings im NS-Widerstand. Dem widersprechen HistorikerInnen und belegen das mit eindeutigem Material.
15. 9. 2019, 14:17 Uhr
Juden und Mücken sind eine Pest, von der sich die Menschheit so oder so befreien muss. Ich glaube, das Beste wäre Gas.“ Dieses Zitat stammt nicht von Adolf Hitler. Nein, es ist ein Originalausspruch des gestürzten deutschen Kaisers Wilhelm II. aus dem Jahre 1927. Ex-Kaiser Wilhelm II. saß zu dieser Zeit im Exil und sann darüber nach, welche politischen Kräfte ihn zurück an die Macht befördern könnten.
Galt er bis zum Sturz der Monarchie (1918) als „Salonantisemit“, wurde er danach zum „fanatischen Judenhasser“. Daran erinnert aktuell die Historikerin Karina Urbach. Sie lehrt in Princeton und machte sich als Historikerin mit dem Buch „Hitlers heimliche Helfer. Der Adel im Dienst der Macht“ einen Namen. Nun erscheint dieser Tage auf der Internetplattform perspectivia.net ein weiterer Forschungsbericht zum Thema, im Manuskript trägt er den Titel, „Nützliche Idioten. Die Hohenzollern und Hitler“.
Urbachs Recherche ist hochbrisant. Derzeit verhandelt nämlich der Ururenkel Wilhelm des II., des letzten Deutschen Kaisers und Königs von Preußen, der 1976 geborene Georg Friedrich Ferdinand Prinz von Preußen, für den heutigen Hohenzollern-Clan um die Rückgabe großer Vermögen. Diese waren zumindest zu einem Teil im Osten Deutschlands nach 1945 eingezogen worden. Die Hohenzollern galten als Kriegsverbrecher, als Teil jener Eliten, die Adolf Hitler und der NSDAP den Weg an die Macht geebnet hatten.
Doch mit dem Fall der Mauer 1989 witterten auch die Hohenzollern Morgenluft. Seither verhandeln sie mit Bund und Ländern über zusätzliche Vermögen, die ihnen wegen der Enteignungen im Osten angeblich zustehen. Es geht um Geld, wertvolle Antiquitäten und Kunstgegenstände, historische Schlösser und Liegenschaften. An diese käme der Clan aber nur bei Umschreibung der Geschichte. Denn ein 1994 verabschiedetes Gesetz verhindert Entschädigungen an Personen oder Institutionen und deren Erben, sofern sie in die Verbrechen des Nationalsozialismus verstrickt waren
Burg Fake News in Hechingen
Der Hohenzollern-Clan kann also nur an den enteigneten Teil des Vermögens gelangen, sofern er die Geschichtsschreibung verändert – sich anstatt als Hitlers willige Helfer als ein Milieu antifaschistischer Widerständler präsentiert. Die Nazis als der Plebs, die hochgestellten Herren aus Adel, Reichswehr und Industrie als die feingesinnten Konservativen, die nur das Beste für Deutschland wollten und vom fiesen Adolf getäuscht wurden. Doch selbst wenn die Aktenverwalter des Archivs auf Burg Fake News in Hechingen ganze Arbeit geleistet haben sollten, daraus dürfte nichts werden.
Zu viele Quellen sind bekannt, zu viele Dokumente existieren, die belegen können, welcher Gesinnung der Hohenzollern-Clan mehrheitlich bis 1945 anhing. Oder wie es der Historiker Stephan Malinowski in einem Interview gerade einmal in anderer Richtung zusammengefasst hat: „Von den wichtigsten Mitgliedern der Familie ist vor 1945 keine einzige öffentliche Erklärung gegen den Nationalsozialismus bekannt“.
Anderes hingegen schon. Karina Urbach zitiert einen Ex-Kaiser Wilhelm II. der 1935, zwei Jahre nach der Etablierung von NS-Diktatur und KZs, im Sinne der Nazis gegen Parlamentarismus und Demokratie polemisiert. Der einem monarchisch gesinnten amerikanischen Freund in einem Brief den bevorstehenden „Rassenkrieg“ erklärt: „ The whole of the coloured world – yellow, black – have been aroused and are forming against White.“ Ähnliche Auffassungen vertraten auch Kronprinz Wilhelm (1882–1947) oder der Kaiserenkel Louis Ferdinand (1907–1994), der eine enge Bindung zu dem bedeutenden Antisemiten und Unternehmer Henry Ford in den USA unterhielt.
„Besondere Zeiten und Umstände erheischen besondere Maßnahmen“, pflegte Ex-Kaiser Wilhelm II. so etwas bagatellisierend abzutun. Der Adel von gestern täte als Bürger von heute jedoch gut daran, sich seiner Schuld(en) zu stellen, keineswegs umgekehrt.
https://taz.de/
2.3 Online-Artikel zu Wiedergutmachungen, Entschädigungen und Rückerstattungen in Baden und Württemberg
Start des Podcasts "Sprechende Akten. NS-Opfer und ihr Ringen um Entschädigung"
17.10.2022
Podcast-Cover zu Sprechende Akten: NS-Opfer und ihr Ringen um Entschädigung
Das Landesarchiv Baden-Württemberg widmet sich in einer fünfteiligen Podcast-Reihe Schicksalen von NS-Verfolgten, die in Archivakten dokumentiert sind. Für das Archiv ist der Podcast ein neues, niedrigschwelliges Format der Geschichtsvermittlung. Die erste Folge ist am Montag, 17. Oktober 2022, erschienen. Gefördert wird der Podcast vom Bundesministerium der Finanzen. Die Umsetzung hat die Voice-Agentur "We Are Producers" aus Berlin übernommen.
"Sprechende Akten. NS-Opfer und ihr Ringen um Entschädigung" zeichnet exemplarisch die Biografien von sechs Menschen nach, die während des Nationalsozialismus verfolgt wurden. Sie beschritten nach Kriegsende den mühevollen Weg, Entschädigung für ihr erlittenes Leid beim deutschen Staat zu beantragen. Ihre Schicksale sind in über 120.000 sogenannten "Wiedergutmachungsakten" im Landesarchiv dokumentiert.
Ein junger Kommunist, der um seine gestohlene Jugend trauert; eine Sintiza, die ihre kleine Tochter im KZ verlor; zwei aufstrebende Künstler, von denen nur einer den Terror überlebt; eine betagte Jüdin, die hartnäckig um Anerkennung kämpft und ein sozialdemokratischer Familienvater, bei dessen Verhaftung der Nachbar eine maßgebliche Rolle spielt. Was alle fünf Verfolgungsopfer und ihre Nachkommen eint: Sie bemühten sich mit aller Kraft um Entschädigung. Ihre Schicksale sind paradigmatisch für viele andere Tausende von Fällen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg bot die noch junge Bundesrepublik den Opfern der NS-Verfolgung sogenannte "Wiedergutmachungszahlungen". Doch nicht nur der Begriff war problematisch. Auch der Prozess, eine solche Zahlung zu erhalten, war häufig äußerst schwierig. Die Sachbearbeiter, die über die Zahlungen entschieden, urteilten sehr unterschiedlich – teilweise mit äußerster Härte, manchmal voller Verständnis. Aber stets nach geltender Gesetzeslage.
Mit dem Podcast macht das Landesarchiv Baden-Württemberg diesen Teil deutscher Geschichte wieder sichtbar. Dafür hat das Archiv mehrere Entschädigungsakten aus seinen Beständen ausgewählt. Sie zeigen nicht nur, welche Geschichten sich hinter den bürokratischen Verfahren verbergen, sondern auch, wie chaotisch die Regelungen teilweise waren. Und wie ein Land versucht hat, das Grauen aufzuarbeiten, das es gerade erst begangen hatte.
Themenwochen zur "Wiedergutmachung": Pop-Up-Ausstellung und Veranstaltungen
Zum Start der Podcast-Reihe veranstaltet das Staatsarchiv Ludwigsburg vom 17. Oktober bis zum 25. November 2022 Themenwochen zum Komplex der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts. Mehrere Veranstaltungen – darunter Werkstattgespräche, Lesungen und ein einführendes Webinar – eröffnen einen Einblick in die verschiedenen, auch nichtakademischen Nutzungsmöglichkeiten der Wiedergutmachungsakten. Begleitet werden die Themenwochen von einer Pop-Up-Ausstellung auf dem Ludwigsburger Arsenalplatz. Mit dem Angebot bietet das Staatsarchiv Ludwigsburg einen niedrigschwelligen Zugang zu der in der bundesdeutschen Geschichte bisher weitgehend unbekannten Entschädigungspraxis und regt auch zu eigenen familiengeschichtlichen Forschungen an.
Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts
Der Podcast ist Teil eines groß angelegten Vorhabens des Bundesfinanzministeriums, die Geschichte der Wiedergutmachung in Deutschland als wesentlichen Aspekt der deutschen Nachkriegs- und Demokratiegeschichte sichtbar, erforschbar und begreifbar zu machen. Die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts war eine Mammutaufgabe für die noch junge deutsche Bundesrepublik und ist ein bis heute beispielloser Versuch, die Opfer nationalsozialistischer Verfolgung im In- und Ausland zu entschädigen.
Im Landesarchiv Baden-Württemberg befinden sich insgesamt rund 120.000 Einzelfallakten zu Entschädigungsverfahren der Nachkriegszeit. Das in über sieben Jahrzehnten entstandene Dokumentenerbe ist eine der wichtigsten Quellen für die Erforschung von Schicksalen der Opfer nationalsozialistischer Verfolgung. Anhand von Verfolgungsberichten, Zeugenaussagen und anderem Beweismaterial werden die individuellen Schicksale, über die es sonst keine Dokumentation mehr gibt, greifbar.
https://www.landesarchiv-bw.de/
Weiterführende Links
- Podcast "Sprechende Akten" >>>
- Themenwochen "Wiedergutmachung" im Staatsarchiv Ludwigsburg >>>
- Projekt "Transformation der Wiedergutmachung" am Landesarchiv >>>
Vernichtete Jugend – Verfolgung Jugendlicher im Nationalsozialismus
25.08.2022 10:00 Uhr - 12:00 Uhr
Eine Jugendführung im Staatsarchiv Ludwigsburg
Die Geschichte des Nationalsozialismus wird oft aus der Sicht der Erwachsenen erzählt. Aber was war mit den Kindern und Jugendlichen? Wie haben sie diese Zeit erlebt und wie haben sie unter dem Regime gelitten?
Antworten auf diese Fragen finden sich in den sogenannten Wiedergutmachungsakten. In diesen werden die Geschichten der Opfer aus ihrer Perspektive erzählt und die bürokratischen Hürden offenbart, die sie auch nach dem Ende des Dritten Reichs überwinden mussten.
Im Rahmen dieser besonderen Führung durch das Staatsarchiv können sich interessierte Jugendliche und junge Erwachsene anhand von Akten einen Einblick in die Schicksale junger Menschen aus Ludwigsburg und Umgebung verschaffen. In einem Spiel erleben sie selbst, wie es war, einen Antrag auf Wiedergutmachung zu stellen.
Das Angebot richtet sich vor allem an Jugendliche von 15 bis 18 Jahren.
Termin: Donnerstag, 25. August 2022, 10 Uhr bis ca. 12:00 Uhr
Treffpunkt: Arsenalplatz 3, 71638 Ludwigsburg
Anmeldung: Da die Teilnehmerzahl begrenzt ist, ist eine Anmeldung bis zum Vortag erforderlich. Anmeldung über:
Sandra Rosenbruch (Telefon: 07141/64854-6322, E-Mail: sandra.rosenbruch@la-bw.de) oder
Emma Schick (Telefon: 07141/64854-6318, E-Mail: fkj.staludwigsburg@la-bw.de)
Da Abstände untereinander nicht immer eingehalten werden können, wird um das Tragen einer medizinischen Maske gebeten.
https://www.landesarchiv-bw.de/
Unterlagen zur Wiedergutmachung von NS-Unrecht werden digital zugänglich
28.04.2022
Eva-Maria Meyer, Unterabteilungsleiterin im Bundesfinanzministerium, Prof. Dr. Gerald Maier, Präsident des Landesarchivs, und Sabine Brünger-Weilandt, Direktorin und Geschäftsführerin von FIZ Karlsruhe, mit Wiedergutmachungsakten aus dem Staatsarchiv Ludwigsburg. Foto: Nadja Göhlich, LABW
Bundesfinanzministerium geht mit Landesarchiv Baden-Württemberg und FIZ Karlsruhe langfristige Kooperation ein.
Das Landesarchiv Baden-Württemberg und FIZ Karlsruhe – Leibniz-Institut für Informationsinfrastruktur werden für ein vom Bundesministerium der Finanzen initiiertes Großprojekt das Dokumentenerbe zur Wiedergutmachung nach 1945 für Angehörige, Forschung und Bildungsarbeit digital zugänglich machen. Die Informationen sollen in einem innovativen Themenportal bereitgestellt werden. Am Donnerstag (28. April) stellten die Partner auf einer gemeinsamen Veranstaltung im Staatsarchiv Ludwigsburg erste Ergebnisse eines Pilotprojekts vor.
Eva-Maria Meyer, Unterabteilungsleiterin im Bundesfinanzministerium, sagte bei ihrem Besuch in Ludwigsburg: "Die Geschichte der Wiedergutmachung in Deutschland ist ein wesentlicher Aspekt der deutschen Nachkriegs- und Demokratiegeschichte. Um sie sichtbar, erforschbar und begreifbar zu machen, arbeitet das Bundesfinanzministerium gemeinsam mit Archiven auf Bundes- und Länderebene am Aufbau eines Themenportals zum Dokumentenerbe der Wiedergutmachungsakten. Das Landesarchiv Baden-Württemberg und FIZ Karlsruhe sind mit dem Bundesarchiv wichtige Partner bei diesem Vorhaben und bringen unter anderem umfangreiche Kompetenzen bei der Digitalisierung, Erschließung und Onlinepräsentation des komplexen Archivguts mit ein."
Prof. Dr. Gerald Maier, Präsident des Landesarchivs, betont: "Die Archive stellen sich mit diesem Projekt in besonderer Weise ihrer Aufgabe, an Unrecht zu erinnern und Verantwortlichkeiten transparent zu machen. Mit der Dokumentation der Wiedergutmachung leisten sie zugleich einen wichtigen Beitrag zur Demokratisierungsgeschichte unserer Gesellschaft nach 1945. Die Dokumente stehen für individuelle Anliegen ebenso zur Verfügung wie für neue Forschungsfragen."
Sabine Brünger-Weilandt, Direktorin und Geschäftsführerin von FIZ Karlsruhe, unterstreicht: "Die Herausforderung besteht darin, zum einen sehr große Mengen an Daten aufzubereiten und für ganz unterschiedliche Fragestellungen zugänglich zu machen, zum anderen aber auch in der sehr großen Heterogenität der historischen Dokumente. Wir freuen uns sehr, mit unseren Kenntnissen und Erfahrungen zu diesem politisch, gesellschaftlich und historisch so bedeutenden Vorhaben einen Beitrag leisten zu dürfen."
Wiedergutmachungsakte Staatsarchiv Ludwigsburg
Einzelfallakte des Landesamtes für die Wiedergutmachung Baden-Württemberg, Vorlage: StAL EL 350 I Bü 27109
Fast 70 Jahre nach dem Inkrafttreten des Bundesentschädigungsgesetzes befinden wir uns heute in einer Situation, in der die letzten Antragstellerinnen und Antragsteller und somit die letzten Zeitzeuginnen und Zeitzeugen der nationalsozialistischen Verfolgung sterben. In deutschen Archiven kann man in tausenden Metern Aktenmaterial Einblicke in die Praxis der Wiedergutmachung gewinnen – seien es reine Verwaltungsakten oder Einzelfall-Entschädigungsakten. Zugleich sind diese Akten die wichtigste Quelle für die Erforschung von Schicksalen der Opfer nationalsozialistischer Verfolgung.
Im Archivportal-D, dem deutschen Onlineportal zur Recherche von Archivgut, dessen Aufbau von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wurde, wird der zentrale digitale Zugang zu den Unterlagen der Wiedergutmachungspolitik geschaffen. Sie werden hier in einem Themenportal gebündelt und mit historischen Hintergrundinformationen, der Präsentation von Forschungsprojekten und Materialien für die politische Bildungsarbeit angereichert. Mit der Digitalisierung der Akten wird die Nutzung erheblich erleichtert, auch wenn aus Datenschutzgründen manche Unterlagen erst später online gestellt werden können. Das Angebot richtet sich sowohl an Verwandte und Nachkommen der Verfolgungsopfer, an Gedenkstätten, an die Wissenschaft allgemein sowie an die internationale interessierte Öffentlichkeit.
Das Landesarchiv Baden-Württemberg verfügt in seinen Beständen selbst über umfangreiche Unterlagen zur Wiedergutmachung. Allein im Bereich der Individualentschädigung sind über 120.000 Einzelfallakten überliefert. Mit einem Pilotprojekt hat das Landesarchiv in Kooperation mit FIZ Karlsruhe den Auftakt für das Gesamtprojekt gemacht: Das Staatsarchiv Ludwigsburg hat seit 2020 eine exemplarische Auswahl von 6.000 Akten aus den Landesarchiv-Beständen digitalisiert, um an ihnen innovative Wege zur Erschließung der Inhalte zu testen. Es werden automatische Verfahren der Text- und Mustererkennung experimentell erprobt, um das Potenzial von Künstlicher Intelligenz auszuloten. Erste Ergebnisse sind vielversprechend. Die forschungsbasierte und wissenschaftlich-technische Expertise von FIZ Karlsruhe auf den Gebieten Künstliche Intelligenz und e-Research eröffnet damit ein breites Feld zukunftsorientierter Anwendungsmöglichkeiten im Bereich des Semantic Web
Ergänzende digitale Vermittlungsangebote wie Nutzungsseminare, Rechercheratgeber und ein Podcast-Format, das sich derzeit in der Umsetzung befindet, eröffnen weitere niedrigschwellige Zugänge zu den Unterlagen und zum Themenkomplex Wiedergutmachung
Der offizielle Startschuss für das bundesweite Themenportal fällt am 1. Juni 2022. Dann wird das Bundesfinanzministerium mit dem Bundesarchiv und den Archiven der Länder die Rahmenvereinbarung "Themenportal Wiedergutmachung" bei einem Festakt auf dem Bonner Petersberg unterzeichnen.
Themenportal Wiedergutmachung
Das Bundesministerium der Finanzen ist seit den frühen 1950er Jahren zuständig für die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts durch die Bundesrepublik Deutschland. Vor dem Hintergrund, dass in absehbarer Zeit leider keine Überlebenden des Holocaust, des Porajmos und des NS-Terrors mehr am Leben sein werden, erfolgten vor einigen Jahren erste Überlegungen über die Zukunftsfragen und die sich hieraus ergebenden Folgeaufgaben der Wiedergutmachung. Die in über sieben Jahrzehnten aus den Wiedergutmachungsverfahren entstandenen Akten und Unterlagen der Wiedergutmachung stellen nicht nur die demokratiegeschichtliche Entwicklung einer sich zu den Verbrechen der Vergangenheit bekennenden und Verantwortung übernehmenden Nachkriegsgesellschaft dar. Dieses weltweit einzigartige "Dokumentenerbe" erhält weitere Bedeutung durch die hunderttausend- und millionenfach vorhandenen Einzelfallakten der Antragssteller, die im Verwaltungsverfahren ihr Verfolgungsschicksal wie auch ihre Familiengeschichte mit Angabe von Daten, Orten, Namen, Tätern, weiteren Opfern und mehr geschildert haben.
Somit sind die Unterlagen nicht allein für die wissenschaftliche Forschung von höchster Bedeutung, sondern vor allem auch für die Angehörigen und Nachkommen der Verfolgten. Aufgrund der nicht-linearen Entwicklung und der föderativen Ausführung bestimmter Regelungen sind die betreffenden Unterlagen auf das Bundesarchiv, die Landes- und Staatsarchive und weitere Stellen im In- und Ausland verteilt bzw. liegen teilweise noch in den Behörden.
Aus diesem Grund ist die Herstellung eines einheitlichen, digitalen und somit internationalen Zugangs zu diesen über verschiedenste Archive verteilten Akten ein Kernelement der Folgeaufgaben der Wiedergutmachung
Mit dem Landesarchiv Baden-Württemberg, dem Bundesarchiv und dem FIZ Karlsruhe hat BMF drei kompetente Partner gefunden, die es bei seiner Folgeaufgabe der Wiedergutmachung, dem Auf- und Ausbau eines Themenportals Wiedergutmachung, unterstützen.
Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts
Die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts umfasst alle Maßnahmen, die zunächst unmittelbar nach Kriegsende in den westlichen Besatzungszonen und später fortgeführt durch die Bundesrepublik Deutschland unternommen wurden, um die Folgen nationalsozialistischer Verfolgung finanziell zu entschädigen und entzogene Vermögenswerte zurückzuerstatten. Neben der Globalentschädigung für Israel und andere Staaten konnten Millionen verfolgter Opfer des Nationalsozialismus bis 1969 auf gesetzlicher Basis Entschädigungs- und Rückerstattungsanträge bei den zuständigen Ämtern der westlichen Bundesländer vorbringen. Entschädigt wurden unter anderem Schaden an Leib und Leben, an Freiheit, an Körper und Gesundheit, Wirtschaftsschäden und Schäden im beruflichen Fortkommen. Rückerstattet wurden Vermögenswerte wie zum Beispiel Immobilien, Unternehmen, Wert- und Kunstgegenstände oder Barvermögen. Bis heute wurden umgerechnet ca. 80 Milliarden Euro an Wiedergutmachungsleistungen an die Opfer oder deren Hinterbliebene ausgezahlt.
https://www.landesarchiv-bw.de/de/aktuelles/nachrichten/74081
Weiterführende Links
- Pilotprojekt zur "Transformation der Wiedergutmachung" >>>
- Bundesfinanzministerium "Wiedergutmachung und Kriegsfolgen" >>>
- Archivportal-D >>>
- FIZ Karlsruhe "Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts — Quellen erschließen und präsentieren" >>>
Pressemitteilung zum Download
- Gemeinsame Pressemitteilung Bundesfinanzministerium, FIZ Karlsruhe und Landesarchiv zum Dokumentenerbe Wiedergutmachung >>> 2022_04_28_Gemeinsame_Pressemitteilung_BMF-FIZ-LABW.pdf (pdf/128.55 kB)
Pressekontakte
Landesarchiv Baden-Württemberg
Inka Friesen
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Tel: +49 711 212-4249
inka.friesen@la-bw.de
FIZ Karlsruhe – Leibniz-Institut für Informationsinfrastruktur
Presse und Public Relations
Dr. Babett Bolle
Tel.: +49 7247 808 513
babett.bolle@fiz-karlsruhe.de
Bundesministerium der Finanzen
Tel.: +49 30 18 682-4291
Presse@bmf.bund.de
Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts
Antrag auf Wiedergutmachung des Stuttgarter Widerstandskämpfers und späteren Landtagsabgeordneten Wilhelm Bechtle, LABW StAL EL 350 I Bü 1208.
Wiedergutmachung umschreibt alle Aktivitäten des deutschen Staates zum Ausgleich der Schäden, die den rassisch, religiös oder politisch Verfolgten in der Zeit des Dritten Reichs zugefügt worden waren. Grundsätzlich wird bei den Wiedergutmachungsbemühungen der Nachkriegszeit unterschieden zwischen der individuellen Entschädigung verfolgter Personen und der Rückerstattung von unter Zwangsmaßnahmen veräußerten oder widerrechtlich enteigneten Vermögenswerten an NS-Opfer.
Entschädigung
Bis Ende 1969 konnten Verfolgte oder deren überlebende Angehörige auf Grundlage des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) bei den zuständigen Landesämtern für Wiedergutmachung Entschädigung für erlittenes Leid und Verfolgung beantragen – z. B. in Form von Einmalzahlungen, dauerhaften Rentenzahlungen oder Kostenübernahme für gesundheitlichen Behandlungen. Beantragt werden konnte Wiedergutmachung u. a. für Schaden an Leib und Leben, Schäden an Körper und Gesundheit oder Schäden im beruflichen Fortkommen. Zahlreiche Ergänzungen des BEG erweiterten bis 1965 zudem die Gruppe der Anspruchsberechtigten ehe das Recht auf Entschädigung zum 31.12.1969 auslief.
Rückerstattung
Die Akten der Rückerstattung bieten vor allem Informationen über die Vermögensverteilung und den Vermögensentzug vor, während und nach der Zeit der NS-Diktatur und besitzen u. a. hohe Bedeutung für die Erforschung der Herkunft von Kunstwerken und anderen Kulturgütern (Provenienzforschung).
Dieser Bereich des Rechercheratgebers befindet sich noch im Aufbau.
Der vorliegende Rechercheratgeber möchte Ihnen dabei helfen,
das Verfolgungsschicksal oder die Lebensgeschichte eines einzelnen Verfolgten des NS-Regimes in Erfahrung zu bringen, oder
die Verfolgungsschicksale an einem Ort, in einer Gemeinde zu erforschen, oder
nach einer bestimmten Verfolgtengruppe zu recherchieren, oder
die Praxis, d. h. die Herausforderungen und Verfahrensweisen bei diesem Versuch der deutschen Verwaltung, nationalsozialistisches Unrecht auf finanziellem Wegen "wieder gut zu machen", zu erforschen.
Vertiefende Informationen über die Geschichte der Wiedergutmachungspraxis in Baden-Württemberg finden Sie auf der Seite LEO-BW.
Welche Unterlagen zur Entschädigung auf Grundlage des Bundesentschädigungsgesetzes können Sie im Landesarchiv Baden-Württemberg finden?
1. Einzelfallakten zu Entschädigungsverfahren
In Baden-Württemberg waren vier dem Justizministerium unterstellte Landesämter für Wiedergutmachung für die Bearbeitung der Entschädigungsanträge der im jeweiligen Regierungsbezirk ansässigen bzw. verfolgten Personen zuständig. Die Verfahren von der Antragstellung bis zum Entscheid wurden in Einzelfallakten dokumentiert. Die Inhalte ergänzen bzw. ersetzen die oft unvollständig erhaltenen oder gänzlich verloren gegangenen Unterlagen über Deportation, KZ-Haft und Vermögensentzug von Opfern des Nationalsozialismus.
Diese personenbezogenen Aktenbestände der Landesämter wurden seit Anfang der 1990er Jahre sukzessive von den zuständigen Archivabteilungen des Landesarchivs übernommen:
Generallandesarchiv Karlsruhe 480 : Einzelfallakten des Landesamts für Wiedergutmachung Karlsruhe (aufgelöst 1969) für das Gebiet Nordbaden
Staatsarchiv Freiburg F 196/1 und und F 196/2 : Einzelfallakten des Landesamts für Wiedergutmachung in Freiburg (aufgelöst 1961) für das Gebiet Südbaden
Staatsarchiv Ludwigsburg EL 350 I: Einzelfallakten des Landesamts für Wiedergutmachung in Stuttgart (aufgelöst 1992) für das Gebiet Nordwürttemberg
Staatsarchiv Sigmaringen Wü 33 T 1 : Einzelfallakten des Landesamts für Wiedergutmachung Tübingen (aufgelöst 1961) für das Gebiet Südwürttemberg-Hohenzollern
Hauptstaatsarchiv Stuttgart EA 4/202-204: Einzelne gebietsübergreifende Verfahren mit Petitionen, Härtefallanträgen oder Revisionen aus dem Justizministerium
Informationen über mögliche Inhalte und Aufbau von Einzelfallakten der Wiedergutmachung finden Sie im PDF zur Aktenbeschreibung.
Bitte beachten Sie, dass im Falle personenbezogener Einzelfallakten sowohl im Bereich der Entschädigung als auch im Bereich der Rückerstattung teilweise noch Schutzfristen bestehen und eine Akteneinsicht nur unter Einschränkungen oder nicht möglich ist. Die Schutzfristen richten sich nach dem Geburts- bzw. dem Todesdatum der Person, auf die sich die Akte maßgeblich bezieht. Sie sind somit im Besonderen bei einer Antragstellung durch Nachkommen der NS-Opfer häufig noch nicht erloschen.
2. Verwaltungsakten zur Entschädigungspraxis
Bei den Landesämtern für Wiedergutmachung fielen neben den Einzelfallakten auch zahlreiche Verwaltungsakten an, die die Praxis und Verfahrensweise der Behörden dokumentieren und ebenfalls Hinweise zu Einzelfällen enthalten können. Auch diese Akten wurden und werden von den Staatsarchiven bewertet und in Auswahl übernommen:
Staatsarchiv Ludwigsburg EL 350 II: Sachakten der Landesämter für Wiedergutmachung Stuttgart und Tübingen
Generallandesarchiv Karlsruhe 480-1: Sachakten und besondere Einzelfallakten des Landesamts für Wiedergutmachung Karlsruhe
Staatsarchiv Freiburg F 196/3: Sachakten des Landesamts für Wiedergutmachung Freiburg
Staatsarchiv Sigmaringen Wü 40 T 31 Nr. 126-137; Wü 180 T 1 Nr. 177, Wü 2 T 1 Nr. 1433-1434: Sachakten des Landesamts für Wiedergutmachung Tübingen
Während die Verwaltungsaktenbestände in Karlsruhe, Freiburg und Sigmaringen nur wenige Meter umfassen, sind in Ludwigsburg annähernd 100 Meter Aktenmaterial überliefert. Dies hängt damit zusammen, dass das Landesamt für Wiedergutmachung in Stuttgart mit Abstand am längsten, nämlich bis 1992, existierte. Für Fragen zur Verwaltungspraxis bietet sich dieser Bestand daher als Startpunkt an.
In den Sachakten zu finden sind beispielsweise Akten über die Organisation und das Personal der Landesämter, Materialsammlungen, um die Schlüssigkeit von Verfolgungsschicksalen nachzuweisen, und Sammlungen von beispielhaften Urteilen in Wiedergutmachungsfragen. Auch Karteien, Verzeichnisse und Statistiken der Landesämter sind enthalten. Besonders die Karteien sind bei der Identifikation von Personen und zugehöriger Verfahren sehr hilfreich (s. Suche nach Wiedergutmachungsakten von Einzelpersonen). Im Laufe der Jahre 2022/2023 werden zudem die Personalakten der Landesämter in den Bestand Staatsarchiv Ludwigsburg EL 350 II übernommen.
Suche nach Wiedergutmachungsakten von Einzelpersonen >>>
Suche nach Verfolgungsschicksalen innerhalb eines Ortes >>>
Suche nach bestimmten Personen- oder Verfolgtengruppen >>>
Akten zur Rückerstattung von Vermögenswerten >>>
Wussten Sie schon?
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) strebt an, innerhalb der nächsten Jahre einen zentralen, digitalen und international vernetzten Zugang zu Akten und Unterlagen der deutschen Wiedergutmachung zu schaffen. Die Umsetzung dieses Vorhabens erfolgt in Form eines Themenportals "Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts" im Archivportal-D, das neben dem digitalen Zugang zur Überlieferung der Wiedergutmachung weitere Bildungs- und Informationsangebote umfasst. Seit dem 1. Juni 2022 ist das Themenportal in der ersten Ausbaustufe online zugänglich und themenrelevante Bestände aus staatlichen Archiven erstmals unter einem Dach recherchierbar. Das Landesarchiv Baden-Württemberg ist als Partner am Aufbau des Themenportals beteiligt. Alle Informationen zum Gesamtvorhaben finden Sie der Projektseite.
Schreiben Sie uns gerne bei Fragen und Kritik zu den Rechercheratgebern eine E-Mail.
https://www.landesarchiv-bw.de/
Transformation der Wiedergutmachung
Aufbau eines Themenportals zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts im Archivportal-D
Gemeinsam mit weiteren Partnern macht das Landesarchiv Baden-Württemberg die Geschichte der Wiedergutmachung in Deutschland als wesentlichen Aspekt der deutschen Nachkriegs- und Demokratiegeschichte sichtbar, erforschbar und begreifbar. Gefördert wird dieses langfristige Vorhaben vom Bundesministerium der Finanzen (BMF).
70 Jahre nach der Unterzeichnung des wegweisenden Luxemburger Abkommens (1952) und des Inkrafttretens des Bundesentschädigungsgesetzes (1953) befinden wir uns heute in einer Situation, in der die letzten Überlebenden der nationalsozialistischen Verfolgung sterben. In deutschen Archiven kann man in tausenden Metern Aktenmaterial Einblicke in die Praxis der Wiedergutmachung gewinnen. Dieses über sieben Jahrzehnte entstandene und weltweit einzigartige Dokumentenerbe erhält weitere Bedeutung durch die millionenfach vorhandenen Einzelfallakten der Antragsstellerinnen und Antragsteller, die im Verwaltungsverfahren ihr Verfolgungsschicksal wie auch ihre Familiengeschichte geschildert haben. Es ist damit die wichtigste Quelle für die Erforschung von Schicksalen der Opfer nationalsozialistischer Verfolgung.
Wiedergutmachungsakte Staatsarchiv Ludwigsburg
Einzelfallakte des Landesamtes für die Wiedergutmachung Baden-Württemberg, Vorlage: StAL EL 350 I Bü 27109
Über ein Themenportal zur „Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts“ innerhalb des Archivportals-D soll zukünftig ein einheitlicher und digitaler Zugang zu allen Akten der Wiedergutmachung geschaffen werden, angereichert mit historischen Hintergrundinformationen, der Vorstellung von Forschungsprojekten und Materialien für politische Bildungsarbeit. Als wichtige Vorbilder gelten die digitalen Angebote von Yad Vashem in Israel und dem United States Holocaust Memorial Museum.
Mit dem Landesarchiv Baden-Württemberg, dem Bundesarchiv und FIZ Karlsruhe – Leibniz-Institut für Informationsinfrastruktur hat BMF drei kompetente Partner für den Auf- und Ausbau des Themenportals Wiedergutmachung gefunden.
Seit dem 1. Juni 2022 ist das Themenportal im Archivportal-D online zugänglich
In einer ersten Stufe des Portals sind nun zunächst Bestände aus staatlichen Archiven erstmals unter einem Dach recherchierbar. Die Webseite bietet Informationen zum Thema und eine Navigation durch rund 500 Bestände mit Millionen von Archivalien und Dokumenten. Nutzerinnen und Nutzer können mit Hilfe des Portals direkt erfahren, welche Bestände einschlägig und in welchen Archiven sie zu finden sind. Abgerundet wird das Angebot durch Hintergrundinformationen zur Geschichte der Wiedergutmachung und zu rechtlichen Voraussetzungen sowie Literaturhinweise, Kartenmaterial und ein Glossar mit den wichtigsten Begriffen. Das Themenportal wird in den kommenden Jahren und Jahrzehnten weiter ausgebaut. Sehr viele weitere Datensätze und digitalisiertes Archivgut – auch von kommunalen und freien Archivträgern –, ein sachthematischer und personenbezogener Zugang zu einzelnen Unterlagenarten und Angebote zur historischen Bildung werden folgen.
Kontakt:
wiedergutmachung@la-bw.de
Bundesweiter Startschuss am 1. Juni 2022 in Bonn
Auftaktveranstaltung am 28. April 2022 im Staatsarchiv Ludwigsburg
Pilotprojekt im Staatsarchiv Ludwigsburg (2020-2023)
Über die Wiedergutmachung
Das Bundesministerium der Finanzen ist seit den frühen 1950er Jahren zuständig für die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts durch die Bundesrepublik Deutschland. Der Wiedergutmachungsbegriff umfasst alle Maßnahmen, die zunächst unmittelbar nach Kriegsende in den westlichen Besatzungszonen und später fortgeführt durch die Bundesrepublik Deutschland unternommen wurden, um die Folgen nationalsozialistischer Verfolgung finanziell zu entschädigen und entzogene Vermögenswerte zurückzuerstatten.
Neben der Globalentschädigung für Israel und andere Staaten konnten Millionen verfolgter Opfer des Nationalsozialismus bis 1969 auf gesetzlicher Basis Entschädigungs- und Rückerstattungsanträge bei den zuständigen Ämtern der westlichen Bundesländer vorbringen. Entschädigt wurden unter anderem Schaden an Leib und Leben, an Freiheit, an Körper und Gesundheit, Wirtschaftsschäden und Schäden im beruflichen Fortkommen. Rückerstattet wurden Vermögenswerte wie zum Beispiel Immobilien, Unternehmen, Wert- und Kunstgegenstände oder Barvermögen. Im Jahr 1980 wurde zusätzlich ein Härtefond eingerichtet, der Pauschalzahlung von umgerechnet 2.500 Euro für Holocaust-Überlebende vorsah, die keinen Antrag vor 1969 hatten stellen können. Vorher genannte ausgeschlossene Opfergruppen wie Angehörige der Sinti und Roma oder Zwangsarbeiter*innen wurden erst im Jahr 2000 durch die Stiftung „Erinnerung, Vergangenheit und Zukunft“ entschädigt.
Bis heute wurden umgerechnet ca. 80 Milliarden Euro an Wiedergutmachungsleistungen an die Opfer oder deren Hinterbliebene ausgezahlt.
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Wiedergutmachungsakten
EL 350 I Bü 32550
In den Wiedergutmachungsverfahren wurde über Entschädigungen für Inhaftierungen, anonyme Entziehungen oder Behinderungen im beruflichen Fortkommen entschieden. Hier wurden insbesondere Fälle verhandelt, in denen Juden ihren Beruf aufgrund von NS-Verordnungen nicht mehr ausüben konnten. In den fraglichen Verfahren konnten durchaus auch Vorkommnisse im Zusammenhang mit Zwangsverkäufen von Firmen zur Sprache kommen.
Im Staatsarchiv Ludwigsburg werden die Verfahrensakten derjenigen Antragssteller verwahrt, die ehemals im Bereich des heutigen Regierungsbezirks Stuttgart (Nordwürttemberg) ansässig waren. Es handelt sich um über 60.000 Akten mit einem Umfang von mehr als 750 lfd. m (Bestand EL 350 I). Der Bestand ist nicht vollständig; soweit noch wiederkehrende Zahlungen an Anspruchsberechtigte geleistet werden, liegen die Unterlagen noch beim Landesamt für Besoldung und Versorgung. Die im Archiv befindlichen Akten konnten aus archivrechtlichen Gründen – zu den Anspruchsberechtigten gehörten vielfach auch die Erben der Opfer – und wegen ihrer großen Menge bislang nicht komplett digitalisiert werden. Einzelne Fallbeispiele können aber im Internet eingesehen werden. Dazu gehört die Akte des Geschäftsführers des Kaufhauses Tietz in Stuttgart (Georg Sali Weinstein), in der nicht nur der Zusammenbruch von dessen beruflicher Existenz aufgrund seiner Entlassung beschrieben wird, sondern auch die Auswirkungen der Boykottmaßnahmen gegen das renommierte Kaufhaus im Allgemeinen erwähnt werden.
Wiedergutmachungsakte Weinstein: EL 350 I Bü 32550 >>>
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Entschädigung
Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“
Zusammen mit anderen Unternehmen bekennt sich BASF zu ihrer historischen und moralischen Verantwortung und zahlt als Gründungsmitglied der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ zur Entschädigung von Opfern des nationalsozialistischen Regimes rund 70 Millionen Euro an die im Jahr 2000 gegründete gleichnamige Stiftung.
https://www.basf.com/
3. YouTube-Videos zu NS-Reparationen und NS-Entschädigungen für Nazi-Verbrechen
Kriegsreparationen: Wie lange bleibt Deutschland in der Pflicht? | DW Nachrichten
Das zweite Trauma: Trailer - Deutsche Besatzung in Italien am Beispiel von Sant'Anna di Stazzema
didactmedia
Die Medienbox „Deutsche Besatzung in Italien – am Beispiel Sant´Anna di Stazzema“ bringt ein wenig bekanntes Kapitel des Zweiten Weltkriegs und des Nationalsozialismus nahe. Die didaktische DVD umfasst 12 Themenfilme zwischen 3 und 15 Minuten Länge. Neben Filmen wie „Zerbrechen der Achse Rom–Berlin“ oder „Kriegsverlauf ab 1943 in Italien“ wird über Widerstand, Partisanenkampf und dessen Bekämpfung sowie exemplarisch über das Massaker von Sant´Anna di Stazzema informiert.
Ein weiterer Filmbeitrag beschäftigt sich mit Struktur und Fanatismus der SS-Einheiten vor Ort. Strafverfolgung der Kriegsverbrechen und juristische Aufarbeitung in Italien und Deutschland sind weitere Themen. Schließlich wird auf die Entschädigungsfrage und die Rolle Italiens im Zweiten Weltkrieg eingegangen.
Weitere Filmangebote widmen sich der Traumatisierung und dem Schweigen, dabei hätte vielen Angehörigen ein Schuldspruch ohne Strafe der Täter genügt.
Für alle Themenbereiche stehen auf der didaktischen DVD Zusatzmaterialien und Arbeitshilfen zur Verfügung.
Zusätzlich enthält die Medienbox zwei DVDs mit den 72-minütigen Dokumentarfilmen „Das zweite Trauma – das ungesühnte Massaker von Sant´Anna di Stazzema“ und „Il secondo trauma“ als italienische Version für den bilingualen Unterricht oder als muttersprachliches bzw. herkunftssprachliches Angebot.
Nähere Infos und zu bestellen bei: www.didactmedia.eu
4. Stellungnahme der vom Amtsgericht Mosbach gerichtlich beauftragten forensischen Sachverständigen aus Kitzingen zu NS-Reparationen und NS-Entschädigungen für Nazi-Verbrechen, wie Zwangsarbeiter-Entschädigungen, Hinterbliebenen-Entschädigung, Ghetto-Renten, KZ-Entschädigungen, etc. sowie zum Übergang institutioneller und personeller Kontinuität zur Nachkriegs-Heimerziehung bis in die 1970er Jahre und Fragestellung der Opfer-Entschädigung
Das Familiengericht-Amtsgericht Mosbach, Hauptstraße 110, 74281 Mosbach, beauftragt die forensische Sachverständige aus Moltkestr. 2, 97318 Kitzingen, in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 unter 6F 202/21, die Anti-Nazi-Aktivitäten des KVs und Antragstellers in einer ergänzenden Stellungnahme gutachterlich einzuschätzen und zu bewerten. Dazu zählen laut Anweisungen dieser amtsgerichtlichen Verfügungen SOWOHL die seit Sommer 2022 vom Antragsteller beim Amtsgericht Mosbach initiierten NS- und Rechtsextremismus-Verfahren ALS AUCH seine außergerichtlichen und gerichtlichen Aufklärungs- und Aufarbeitungsbemühungen zu Nationalsozialistischem Unrecht und Nationalsozialistischen Verbrechen aus dem Zeitraum um 2008, d.h. konkret von 2004 bis 2011, im Rahmen seiner sogenannten "Nazi-Jäger"-Aktivitäten im sachverhaltsbezogenen Kontext zur Problematik des Nationalsozialismus vor und nach 1945 und dessen Aufarbeitung bis heute. Siehe dazu auch Kapitel 1 auf dieser Seite.
Während die vom Familiengericht-Amtsgericht Mosbach beauftragte forensische Sachverständige aus Moltkestr. 2, 97318 Kitzingen, zunächst EINERSEITS ein familienpsychologisches Sachverständigengutachten in einem Umfang von über 100 Seiten zum 07.04.2022 unter 6F 202/21 erstellt hat, entschließt sich dieselbe Gutachterin sodann, ANDERERSEITS eine ergänzende Stellungnahme von zwei ganzen DIN A4-Seiten im sachverhaltsbezogenen Kontext zur Problematik des Nationalsozialismus vor und nach 1945 und dessen Aufarbeitung bis heute, insbesondere zum Kontext der historisch nachgewiesenen Beteiligungen an NS-Massenmordverbrechen in Mosbach wie Judenverfolgung und Holocaust, NS-Verfolgung von Sinti und Roma, Nazi-Euthanasie unter 6F 202/21 zum 31.08.2022 an das Amtsgericht Mosbach zu generieren.
Die forensische Sachverständige aus Moltkestr. 2, 97318 Kitzingen, ERWÄHNT LEDIGLICH MIT EINEM WORT DEN "NATIONALSOZIALISMUS" auf Seite 2, Absatz 2 und erwähnt lediglich mit einem Satz auf Seite 2, Absatz 2, dass der Antragsteller von NS- und Rechtsextremismus-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach sich gegen den Nationalsozialismus wendet.
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen hat hier die GERICHTLICH BEAUFTRAGTE EINDEUTIGE GELEGENHEIT gehabt, mit einer entsprechend beim Amtsgericht Mosbach beantragten Fristverlängerung SICH SACHLICH UND FACHLICH auch auf über 100 Seiten bezüglich der Nazi-Thematik bzw. der Nazi-Problematik vor einem deutschen BRD-Gericht EXPLIZIT ZU ÄUSSERN. Diese Gelegenheit für eine sachliche und fachliche gutachterliche Expertise zum Nationalsozialismus und nationalsozialistischen Verbrechen, deren Auswirkungen und Aufarbeitungen nach 1945, u.a. auch in Mosbach, besteht zukünftig weiterhin jederzeit für die forensische Sachverständige aus Kitzingen.
Siehe dazu auch:
Das Amtsgericht Mosbach BEAUFTRAGT EXPLIZIT in seiner Verfügung vom 17.08.2022 unter 6F 202/21 am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach die forensische Sachverständige aus Kitzingen, eine GUTACHTERLICHE STELLUNGNAHME zu NS-Reparationen und NS-Entschädigungen für Nazi-Verbrechen als TEIL DER NS-VERGANGENHEITSBEWÄLTIGUNG, an das deutsche BRD-Amtsgericht Mosbach im Jahr 2022 zu erstellen.
EINERSEITS:
Mit den Verfügungen des Familiengerichts-Amtsgericht Mosbach vom 17.08.2022 unter 6F 202/21 hat die gerichtlich beauftragte forensische Sachverständige aus Kitzingen nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die Chance und das gerichtliche explizite Angebot, sich sachlich und fachlich zur NS-Vergangenheitsbewältigung seit 1945 bis heute, auch zur NS-Vergangenheitsbewältigung und Nazi-Kontinuität in Mosbach und in Baden-Württemberg, AUSFÜHRLICH EXPLIZIT gutachterlich zu äußern.
ANDERERSEITS:
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zum Sachverhalt zu NS-Reparationen und NS-Entschädigungen für die Opfer und Verfolgten von Nazi-Verbrechen und ihren Familienangehörigen ALS TEIL DER NS-VERGANGENHEITSBEWÄLTIGUNG.
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zum Sachverhalt der nach 1945 sehr späten und problematischen Diskussionen um die Durchsetzung der historischen und moralischen Verantwortung für die Opfer des Nationalsozialismus mit Finanzwert und Symbolwert in den Reparationsleitungen gegenüber den Ansprüchen der NS-Opfer und NS-Verfolgten auf Entschädigung für das ihnen zugefügte Unrecht, auf Schadensersatz und Schmerzensgeld und Wertersatz, auf materielle und moralische Wiedergutmachung, Renten, etc.
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zum Sachverhalt der weiterhin im Jahr 2022 immer noch bestehenden Reparationsforderungen von Griechenland und Polen zu den von Nazi-Deutschland verursachten Weltkriegsschäden.
UND DIES OBWOHL diese Sachverhalte zu dieser NS-Thematik bzw. NS-Problematik frei verfügbar sind im öffentlichen Diskurs über entsprechende Medienberichte; über künstlerisch-kulturelle Themenaufarbeitungen; über die juristische, politische und wissenschaftliche Fachliteratur; über Publikationen von BRD-Institutionen der Justiz und Politik.
UND DIES OBWOHL hier das Amtsgericht Mosbach in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 diese Gutachterin mit der Sachverständigen-Aufklärung der NS-Vergangenheitsbewältigung am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach EXPILZIT BEAUFTRAGT.
Siehe auch:
- Reparationsforderungen von Griechenland zu den von Nazi-Deutschland verursachten Weltkriegsschäden >>>
- Reparationsforderungen von Polen zu den von Nazi-Deutschland verursachten Weltkriegsschäden >>>
- Italienische Entschädigungsforderungen >>>
ANDERERSEITS:
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zu den in den Medien, in der Öffentlichkeit und in der Fachliteratur frei verfügbaren Thematisierungen zu den Kontinuitäten der Diskriminierung bei der Anerkennung und Entschädigung von NS-Opfern und NS-Verfolgten in der Verwaltungs- und Justizpraxis nach 1945. Wobei sich die Kontinuität von Opferdiskriminierungen gemäß nationalsozialistischer Diskriminierungsschemata (wie Sinti und Roma, Asoziale und Arbeitsscheue, Kommunisten, Menschen mit afrikanischer Herkunft, Homosexuelle, etc.) fortsetzt.
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zu den Sachverhalten der problematischen NS-Vergangenheitsbewältigung, zum Umgang mit Nationalsozialismus und mit Nazis nach 1945, zur Kontinuität von NS-Funktionseliten nach 1945 und zur Problematik der NS-Erinnerungskultur bis heute, wobei diese Sachverhalte auch zur fortgeführten Diskriminierung von Opfern und Verfolgten des NS-Terrorregimes beitragen.
UND DIES OBWOHL diese Sachverhalte zu dieser NS-Thematik bzw. NS-Problematik frei verfügbar sind im öffentlichen Diskurs über entsprechende Medienberichte; über künstlerisch-kulturelle Themenaufarbeitungen; über die juristische, politische und wissenschaftliche Fachliteratur; über Publikationen von BRD-Institutionen der Justiz, der Politik.
UND DIES OBWOHL die Gutachterin aus Kitzingen vom Amtsgericht Mosbach am 17.08.2022 unter 6F 202/21 EXPLIZIT BEAUFTRAGT ist, eine gutachterliche Stellungnahme zum Nationalsozialismus und dessen Aufarbeitung nach 1945 am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach abzugeben.
Siehe dazu auch:
- NS-Vergangenheitsbewältigung >>>
- Nazi-Vergangenheitsbewältigung und Nazi-Kontinuität in Baden und Württemberg >>>
- Nazi-Funktionseliten nach 1945 >>>
ANDERERSEITS:
Die Sachverhalte von Kindern und Jugendlichen als Opfer und Verfolgte von NS-Verbrechen sowie ihre späteren Opferanerkennungen und Entschädigungen liegen auch im Fallzuständigkeits- und Fallverantwortungsbereich der deutschen Kinder- und Jugendhilfeinstitution des Jugendamtes mit seinem originären Schutz- und Hilfeauftrag für Kinder und Jugendliche. Gemäß Aktenlage und Verfahrensanalyse zu den anhängigen Verfahren beim Familiengericht-Amtsgericht Mosbach sind beim Familiengericht-Amtsgericht Mosbach ordnungsgemäß Stellungnahmen der involvierten Fachstelle des Jugendamtes Neckar-Odenwaldkreis beim Landratsamt Mosbach zur Problematik von Kindern und Jugendlichen als Opfer und Verfolgte von NS-Verbrechen sowie ihre späteren Opferanerkennungen und Entschädigungen anhand mehrerer konkreter Anträge unter 6F 9/22 gerichtlich einzuholend beantragt.
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 m Sachverhalt, dass die fallzuständigen Mitarbeiterinnen des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD) vom Jugendamt Neckar-Odenwaldkreis beim Landratsamt Mosbach die beantragte gerichtlich einzuholende Stellungnahme zu den Sachverhalten von Kindern und Jugendlichen als Opfer und Verfolgte von NS-Verbrechen sowie ihre späteren Opferanerkennungen und Entschädigungen beispielhaft anhand der konkreten Anträge beim Familiengericht-Amtsgericht Mosbach verweigern.
UND DIES OBWOHL die höchste übergeordnete Amtsleitung, d.h. der gegenwärtige Landrat beim Landratsamt Mosbach, hier im Gegensatz zu seinen untergeordneten Jugendamt-ASD-Mitarbeiterinnen, gemäß bekannten Medienberichten selbst weitaus weniger Probleme damit hat, sich öffentlich gegen den Nationalsozialismus und dessen Verbrechen zu äußern und zu engagieren.
ANDERERSEITS:
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zu den NS-Opfern und NS-Verfolgten, die um ihre Opferanerkennung und Entschädigung nach 1945 kämpfen müssen, u.a. auch weil die Nazi-Diskriminierungs- und Stigmatisierungsschemata gegen sie weiterhin bestehen.
UND DIES OBWOHL diese Sachverhalte zu dieser NS-Thematik bzw. NS-Problematik frei verfügbar sind im öffentlichen Diskurs über entsprechende Medienberichte; über künstlerisch-kulturelle Themenaufarbeitungen; über die juristische, politische und wissenschaftliche Fachliteratur; über Publikationen von BRD-Institutionen der Justiz, der Politik.
UND DIES OBWOHL hier das Amtsgericht Mosbach in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 unter 6F 202/21 diese Gutachterin mit der Sachverständigen-Aufklärung von Nationalsozialistischem Unrecht und von Nationalsozialistischen Verbrechen am konkreten Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren EXPILZIT BEAUFTRAGT.
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen VERZICHTET DAMIT EXPLIZIT DARAUF, den von den Nazis verfolgten, misshandelten und ermordeten Menschen vor einem deutschen Gericht im Jahr 2022 in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach eine Stimme mit Anerkennung und Respekt für Opfer und Verfolgte des Nazi-Terrorregimes zu geben.
ANDERERSEITS:
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zum Sachverhalt des Übergangs institutioneller und personeller Kontinuität zur Nachkriegs-Heimerziehung bis in die 1970er Jahre und Fragestellung der Opfer-Entschädigung.
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zum Sachverhalt, dass die fallzuständigen Mitarbeiterinnen des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD) vom Jugendamt Neckar-Odenwaldkreis beim Landratsamt Mosbach zum Übergang institutioneller und personeller Kontinuität zur Nachkriegs-Heimerziehung bis in die 1970er Jahre und Fragestellung der Opfer-Entschädigung keine Stellung nehmen.
UND DIES OBWOHL beim Familiengericht Mosbach anhand mehrerer konkreter Eingaben des Antragstellers zu NS-Unrecht und NS-Verbrechen die entsprechende gerichtlich einzuholende Stellungnahme des involvierten Jugendamtes Neckar-Odenwaldkreis beantragt wird, wozu dann die entsprechenden Stellungnahmen seitens des Jugendamtes Neckar-Odenwaldkreis beim Landratsamt Mosbach, in Buchen und in Mosbach, verweigert werden.
UND DIES OBWOHL der Runde Tisch Heimerziehung in den 1950er und 1960er Jahren (Abkürzung RTH) von der deutschen Bundesregierung mit Beschluss vom 26. November 2008 des Deutschen Bundestages eingerichtet wird.
https://de.wikipedia.org/
UND DIES OBWOHL diese Sachverhalte zu dieser NS-Thematik bzw. NS-Problematik frei verfügbar sind im öffentlichen Diskurs über entsprechende Medienberichte; über künstlerisch-kulturelle Themenaufarbeitungen; über die juristische, politische und wissenschaftliche Fachliteratur; über Publikationen von BRD-Institutionen der Justiz, der Politik.
UND DIES OBWOHL hier das Amtsgericht Mosbach in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 unter 6F 202/21 diese Gutachterin mit der Sachverständigen-Aufklärung von Nationalsozialistischem Unrecht und von Nationalsozialistischen Verbrechen, auch in der NS-Vergangenheitsbewältigung nach 1945, am konkreten Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren EXPILZIT BEAUFTRAGT.
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen, die auch Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin ist, VERZICHTET DAMIT EXPLIZIT DARAUF, den betroffenen Kindern während des Übergangs institutioneller und personeller NS-Kontinuität zur Nachkriegs-Heimerziehung bis in die 1970er Jahre sowie ihren Familienangehörigen vor einem deutschen Gericht im Jahr 2022 in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach eine Stimme mit Anerkennung und Respekt für Opfer der Nachkriegsheimerziehung zu geben.
Siehe dazu:
- Übergang institutioneller und personeller Kontinuität zur Nachkriegs-Heimerziehung bis in die 1970er Jahre und Fragestellung der Opfer-Entschädigung >>>
- NS-Vergangenheitsbewältigung >>>
- Nazi-Vergangenheitsbewältigung und Nazi-Kontinuität in Baden und Württemberg >>>
- Nazi-Funktionseliten nach 1945 >>>
ANDERERSEITS:
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT weder ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 noch später an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zu der am 6. September 2022 von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas im Deutschen Bundestag eröffneten Ausstellung „70 Jahre Luxemburger Abkommen“ über das in 1952 geschlossene Übereinkommen, das die Grundlage für die Entschädigung jüdischer Opfer nationalsozialistischer Verfolgung durch die Bundesrepublik bildet.
UND DIES OBWOHL diese Sachverhalte zu dieser NS-Thematik bzw. NS-Problematik frei verfügbar sind im öffentlichen Diskurs über entsprechende Medienberichte; über künstlerisch-kulturelle Themenaufarbeitungen; über die juristische, politische und wissenschaftliche Fachliteratur; über Publikationen von BRD-Institutionen der Justiz, der Politik.
UND DIES OBWOHL hier das Amtsgericht Mosbach in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 unter 6F 202/21 diese Gutachterin mit der Sachverständigen-Aufklärung von Nationalsozialistischem Unrecht und von Nationalsozialistischen Verbrechen, auch in der NS-Vergangenheitsbewältigung nach 1945, am konkreten Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren EXPILZIT BEAUFTRAGT.
Siehe auch:
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